Dieter Salomon

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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
„Oberrheinrat“ wird mir hier zugerufen, genau.
Wenn man in Karlsruhe ist und hier über das Thema Europa spricht, kann man nur sagen: Das ist hier das richtige Thema. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist unsere Zukunft. Das weiß man im ganzen Land, aber in Karlsruhe besonders. Ich füge hinzu: In Freiburg weiß man auch, dass unsere Zukunft vom Zusammenwachsen Europas abhängig ist und wir alles dafür tun müssen, dass Europa zusammenwächst.
Wenn ich als vierter Redner hier nicht sonderlich originell sein sollte, sondern auch Positionen vertrete, die hier schon genannt wurden, dann ist das das sage ich an die Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der Tribüne gerichtet für Sie vielleicht langweilig. Aber insgesamt ist es eine Errungenschaft, ist es ein hohes Gut das habe ich schon einmal gesagt , dass sich die Parteien, die Fraktionen im badenwürttembergischen Landtag im Grundsatz einig sind, was diese Frage angeht. Sie müssen sich über den Weg im Detail natürlich streiten; das ist normal. Aber im Grundsatz sind sie sich einig. Diejenigen, die dazu eine andere Position einnahmen, sind nicht mehr im Landtag vertreten, und das ist gut so.
Das ist insbesondere dann ein hohes Gut, wenn man sich im europäischen Ausland umsieht, wenn man sich ansieht, welche Ängste unsere niederländischen Nachbarn bei den Wahlen, die gerade stattfinden, haben dort hat nämlich ein Rechtspopulist in den letzten Monaten für Furore gesorgt , wenn man sich das Ergebnis der französischen Prä
sidentschaftswahl ansieht den ersten Wahlgang, als die ganze Nation, die französische Republik, erschüttert war , wenn man sich anschaut, was in Österreich, in Italien, in Dänemark der Fall ist. Man muss sagen: Es ist ein hohes Gut, dass wir uns in Deutschland in den Grundzügen einig sind. Man kann nur hoffen, dass diese Grundstimmung bleibt; das ist nämlich keine Selbstverständlichkeit.
Meine Damen und Herren, nach der Einführung der Wirtschaftsunion, nach der Einführung der Währungsunion, die eben nicht zu Demonstrationen für den Erhalt der D-Mark geführt hat, muss man sagen, dass man eigentlich mit großer Freude den Euro erwartet hatte und dass wir nun auch kulturell akzeptiert haben, dass wir e i n Europa sind. Nun stehen wir vor einer Aufgabe, die ungleich größer ist, nämlich die politische Union in einer Situation zu schaffen darauf hat Kollege Maurer hingewiesen , in der wir auf doppelte Art die Quadratur des Zirkels leisten müssen. Dass es jetzt diesen Konvent gibt, ist schon einmal ein großes Verdienst. Aber dieser Konvent ist zum Erfolg verdammt. Ich wünsche Ihnen, Herr Ministerpräsident, alles Gute, dass Sie auch Erfolg haben werden.
Dass es diesen Konvent gibt, ist insofern erstaunlich, als man in Nizza vor noch nicht einmal eineinhalb Jahren, Weihnachten 2000, eigentlich sagen musste: Die hohen Erwartungen, die an den Gipfel in Nizza geknüpft waren, wurden fast alle nicht erfüllt. Europa drohte an kleinlichem Streit wirklich zu scheitern ich sage nicht: zu Grunde zu gehen. Herr Berlusconi und Herr Chirac man muss es sagen standen fast vor der Abreise, weil sie sich nicht darüber einigen konnten, in welchem Land eine europäische Lebensmittelbehörde angesiedelt werden soll. Über solchem Klein-Klein ist fast vergessen worden, dass man eigentlich eine institutionelle Reform der Europäischen Union angestrebt hat. Man kann nur froh sein, dass wir überhaupt sagen können: Es gibt diesen Konvent, und er muss diese Verfassung ausarbeiten.
Dieser Konvent steht unter einem doppelten Druck, weil schon heute in dem Europa der 15 völlig klar ist, dass wir mit diesem Institutionengefüge, das sich über die Jahrzehnte langsam herausgebildet hat, im Prinzip nicht in der Lage sind, Europa demokratisch zu regieren. Momentan regiert in Europa zwar relativ erfolgreich die Exekutive: der Ministerrat, die EU-Kommission. Nicht regiert das ist ja logisch, weil es nicht die Regierung ist , nicht das Sagen hat das Europäische Parlament.
Das liegt an vielem. Das liegt natürlich daran, dass wir so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit noch gar nicht haben. Die Zeitungen, die gelesen werden, sind oft Regionalzeitungen und in der Regel nationale Zeitungen, während es so gut wie keine europäischen Zeitungen gibt. Wer verfolgt das politische Geschehen im Ausland? Das geht über Schlagzeilen, wenn es einmal einen Regierungswechsel oder eine große Krise gibt, kaum hinaus. Das ist ja auch schwierig. So etwas wie eine europäische Öffentlichkeit gibt es nicht.
Es gibt auch nicht so etwas wie ein europäisches Parteiensystem. Natürlich gibt es politisch befreundete Parteien, ähnliche Parteien, ähnlich strukturierte Parteien. Es gibt Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale
in ganz Europa. Aber es gibt kein europäisches Parteiensystem. Das heißt, wir sind noch weit weg davon, dass Wahlen zum Europäischen Parlament ähnlich attraktiv werden wie zum Beispiel Bundestagswahlen.
In dieser Situation, in der das demokratische Europa noch völlig unterentwickelt ist, kommt noch etwas ganz anderes dazu: Das Europa der 15 wird sich ab 2004 zu einem Europa der 25 oder der 27 entwickeln. Dabei wird endgültig klar, dass wir mit einem Europa, das in vielen Bereichen noch nicht einmal in der Lage ist, Mehrheitsentscheidungen zu fällen, sondern auf einstimmige Beschlüsse angewiesen ist, einfach nicht mehr weiterkommen. Wenn sich dieses Europa nicht ändert, wenn es sich nicht demokratisiert, wird es an die Wand fahren.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, alles Gute. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand, dass Sie diesen Konvent auch mit zum Erfolg führen, damit wir so etwas wie eine europäische Verfassung kriegen. Aber auch darauf wurde schon hingewiesen: In Europa darf man diese europäische Verfassung nicht einmal „Verfassung“ nennen, weil es auch da Empfindlichkeiten gibt, die wir in den nächsten Jahren noch überwinden müssen.
Was sind jetzt die Aufgaben dieses Konvents? Wie gestaltet sich Europa denn zukünftig? Bis 1990, als die Deutschen das Gefühl hatten, sie seien eigentlich keine Nation, sondern immer noch eine Nachkriegsnation, hatten wir uns die europäische Einigung nach unserem eigenen Vorbild vorgestellt, nämlich als eine Art Zweikammermodell mit Bundesrat und als Föderalismusmodell. Inzwischen sind wir weiter. Sowohl Bundespräsident Johannes Rau als auch Joschka Fischer als auch der Bundeskanzler als auch Wolfgang Schäuble sind der Ansicht, dass Europa auf lange Zeit ein Europa der Nationen bleiben wird, und zwar aus der kulturellen Tradition heraus, wegen der unterschiedlichen Sprachen und aus dem Selbstverständnis der einzelnen Nationen heraus.
Trotzdem muss ein Europa der Nationen als Europäische Union natürlich gemeinsame Aufgaben wahrnehmen. Das heißt, die Nationalstaaten müssen Aufgaben an Europa abgeben. Heute ist ja schon besprochen worden und das ist auch eigentlich gar nicht groß kontrovers , dass eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspolitik und vielleicht auch eine gemeinsame europäische Grenzpolizei und eine zusammenarbeitende Harmonisierung im Bereich der Innenpolitik und der Rechtspolitik im Wesentlichen unstrittig sind.
Dann wird es spannend. Klar ist: Die Nationalstaaten müssen Aufgaben an Europa abgeben. Das heißt, dieser Grundkatalog ist klar. Unklar ist aber: Was ist die Aufgabe Europas? Wie geht es dann weiter? Je länger ich Ihnen, Herr Oettinger, Herr Maurer und Herr Pfister, zugehört hatte, desto mehr fragte ich mich, ob der Streit, ob der Begriff „Kompetenzordnung“ der richtigere ist, ob der Begriff „Kompetenzkatalog“, für den Sie ja schwere Prügel bezogen haben, zu scharf ist, oder ob nicht das, was bereits eigentlich Status quo ist, nämlich die begrenzte Einzelermächtigung dass Europa nur dann tätig werden kann, wenn alle Staaten sagen: „Da musst du als Europa tätig
werden“ , sowieso schon Stand der Technik ist und wir nicht ein Stück weit einen Streit um des Kaisers Bart haben.
Im Grundsatz sind wir uns doch einig. Herr Pfister hat es schön gesagt: Subsidiarität ist das Zauberwort. Ich kann nur sagen: Subsidiarität ist Grundbestandteil des EU-Vertrags, und im Prinzip sollte Europa nach dem Prinzip der Subsidiarität funktionieren. Wenn das nicht richtig funktioniert, liegt es vielleicht daran, dass das zu wenig eingeklagt wird. Auch unser Land funktioniert nach dem Prinzip der Subsidiarität. Wir wissen aber genau, dass uns der Bund jede Menge Kompetenzen weggenommen hat und wir jetzt über den Bedeutungsverlust des Landtags jammern. Wir wissen, dass das Verhältnis, das das Land zu den Kommunen hat, im Prinzip ähnlich ist. Wir beschließen hier munter Dinge, reden vom Hochhalten der kommunalen Selbstverwaltung, und die Kommunen wissen nicht, wie sie es bezahlen sollen. Das ist eigentlich auch nicht Subsidiarität.
Wir haben nicht den Mut, Dinge, die man auf einer unteren Ebene entscheiden könnte, auch dort entscheiden zu lassen. Ich würde sagen: Man sollte zum Beispiel im Kindergartengesetz was ja schon einmal angedacht war Mindeststandards festlegen, den Kommunen Geld geben und sie selbst handeln lassen. Dann kommt wahrscheinlich mehr heraus, als wenn das Land immer sagt, was wie zu geschehen hat. Das müssen wir selber überlegen.
Das Problem, das wir dabei haben, Herr Kollege Hofer, ist aber nur das gleiche, das der Bund umgekehrt auch hat. Wenn wir munter nach unten und nach oben abgeben, fragt man sich, was wir hier eigentlich machen. Das gleiche Problem hat der Bund. Deshalb agieren sowohl die Länder als auch der Bund so, dass sie nichts abgeben wollen nach unten schon gar nicht, und nach oben wehren sie sich auch heftig.
Wenn das die Zukunft des Föderalismus ist, muss ich sagen, dass es einem angst werden muss. Ich als überzeugter Föderalist kann nur sagen: Wir müssen selbstbewusster werden und unsere Rechte auch einklagen.
Aber das ist das nächste Problem mit der Kompetenzordnung. Die anderen europäischen Staaten kennen so etwas wie Föderalismus nicht. Immer, wenn der Deutsche von Föderalismus, von den Bundesländern, vom Bundesrat spricht, erntet er in Frankreich großes Unverständnis und in Großbritannien eher großen Ärger. Das wird dort eher als deutsche Krankheit empfunden, weil es Staaten sind, die sich sehr zentral verstehen.
Jetzt haben wir gesagt, wir verstünden uns auch als Europa der Regionen. Das ist ja auch ein guter Vorschlag. Der heutige Bundespräsident und damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, ist einmal so
habe ich mir sagen lassen; ich hoffe, die Anekdote stimmt empört von einem gemeinsamen Essen aufgebrochen, als der Ausschuss der Regionen getagt hat. Er hat gesagt: Ich bin der Ministerpräsident eines 18-Millionen-Volkes und hocke hier mit dem Bürgermeister von Sevilla an einem Tisch. Er meinte, das sei doch irgendwie etwas ungleichgewichtig. Das heißt, das Verständnis dessen, was in Europa Regionen sind, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Darum glaube ich, dass wir, wenn wir es mit dem Föderalismus ernst meinen, weniger ein Problem mit Europa haben, sondern eher ein Problem mit dem Bund, mit Berlin. Dann müssen wir mit Berlin aushandeln, was wir in einem Europa, das sich eint und in dem der Bund immer mehr Kompetenzen abgeben muss, selber wieder an eigenständigen Kompetenzen zurückkriegen müssen. Das müssen wir mit Berlin auskämpfen. Wir müssen dafür kämpfen das tun Sie auch, Herr Ministerpräsident , dass die Mitgliedsstaaten, die Nationalstaaten klare Kompetenzen behalten. Ich kann alles unterstreichen, was Sie dazu sagen. Aber wir müssen dann auch innerstaatlich gegenüber dem Bund deutlich machen, was die Länder davon zu behalten beanspruchen.
Da kann ich nur sagen, dass ich eines nicht verstehe: Es gibt in diesem Hause das weiß man nicht erst seit dem letzten Jahr eine Mehrheit dafür, einmal eine Enquetekommission zum Thema Föderalismus einzusetzen, aber sie kommt nicht zustande. Ich frage mich eigentlich, woran sich die CDU und die FDP/DVP da verhakt haben. Das ist doch eigentlich ein Witz. Wir halten hier ich jetzt schon als Vierter mehr oder weniger Sonntagsreden zum Thema Europa wie schön und schwierig, aber auch wie gut insgesamt , aber wenn es einmal konkret wird, wenn man zum Föderalismus fragt, wo eigentlich die neue Austarierung zwischen Bund und Ländern ist, weil Europa kommt, dann klemmt es. Ich will einfach noch einmal sagen, dass Sie da noch nachbessern müssen.
Zum Thema Kompetenzordnung, Herr Oettinger das hat Herr Maurer schon ausgeführt, aber ich will es noch einmal bekräftigen , haben Sie sich, denke ich, mit dem Beispiel FFH-Flächen Flora, Fauna, Habitat ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht. Im Prinzip haben Sie ja Recht: Wieso soll Europa zuständig sein, wenn das doch die Länder und Regionen selber genauso gut machen können? Das ist ein richtiges Argument. Das Problem in Baden-Württemberg war nur, dass das Land und die Regionen eben nicht tätig waren, dass sie das Ganze verschlafen haben. Dann muss man sagen: Die Zugvögel sind schon darauf angewiesen, dass es hier Naturschutzgebiete und Freiflächen gibt. Wenn es Baden-Württemberg selber nicht macht, ist es vielleicht ganz gut, dass es die EU macht.
Subsidiarität ist nicht nur eine Einbahnstraße, Subsidiarität heißt, dass unten auch etwas geschehen muss.
Wie soll die institutionelle Reform aussehen? Das ist eine große Frage. Eines ist klar: Ich habe gerade eben beschrieben, welche Schwierigkeiten es beim Europäischen Parlament gibt, weil es keine europäische Öffentlichkeit gibt, weil es kein europäisches Parteiensystem gibt. Europa wird noch lange zu knapsen haben, bis es einen Kompetenzzuwachs kriegt. Aber das Mindeste, was dieses Europäische Parlament braucht, ist Budgethoheit, um über den europäischen Etat zu beschließen.
Es ist angedacht, den Ministerrat zu einer zweiten Kammer, zu einer Staatenkammer aufzuwerten, in die die Mitgliedsstaaten ihre Leute entsenden. Das ist sicher richtig. Das ist dann aber kein Bundesratsmodell, sondern ein Modell, bei dem diese Staatenkammer ebenfalls eine Doppelfunktion hat: nämlich eine exekutive Funktion, zusammen mit der EU-Kommission als Exekutive, und gleichzeitig auch die gesetzgeberische Funktion. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir das im nächsten Jahr erreichen sollten, wären wir schon gigantisch weit. Ich glaube einfach, dass wir nicht umhinkönnen, im nächsten Jahr erfolgreich zu sein.
Ich will noch eines sagen, was in der Debatte oft verloren geht und auch bei Herrn Oettinger zu kurz kam. Er hat sofort gesagt: Ja, die EU-Erweiterung kommt, aber sie darf natürlich nicht mehr kosten, als wir vereinbart haben.
Eines will ich sagen: Nach 1989, als der ehemalige Ostblock in sich zusammengefallen ist und die Länder Mittelund Osteuropas gesagt haben: „Wir wollen nach Europa!“, haben sie das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aufgrund einer europäischen Tradition getan. Es gab seit Jahrhunderten eine europäische Tradition. Sie fühlen sich als Europäer, als Teil des christlichen Abendlandes und in unseren Traditionen, Kulturen und Sprachen verwurzelt. Dann kann man nicht mit dem Zollstock kommen und beckmesserisch sagen: „Das kostet aber so wahnsinnig viel!“, sondern man muss hergehen und sagen: Europa ist ein Wert an sich. Es ist völlig klar, dass wir den mittel- und osteuropäischen Ländern, die in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen werden wollen, diese Aufnahme auch ermöglichen. Weil das so ist, ist die wirtschaftliche Frage erst nachgeordnet. Sie ist zwar eine nachgeordnete, aber dennoch keine unwichtige Frage.
Weil es dahin gehend immer solche Horrorgemälde gab, will ich eines noch sagen: Ich weiß nicht, ob es sehr glücklich ist, hinsichtlich der Freizügigkeit jetzt eine Übergangsregelung zu schaffen. Das zeigt natürlich schon, dass man die Ressentiments, die es in Europa gibt, ernst nimmt und Angst hat, von billigen Arbeitskräften, die nach Westeuropa drängen, überschwemmt zu werden. Jetzt versucht man, wieder Grenzen einzuziehen.
Alle Untersuchungen zeigen: Wenn Europa kommt und wenn die Menschen in ihren Heimatländern Zukunftschancen und Perspektiven sehen, dann kommen sie nicht zu uns, sondern bleiben, wo sie sind. Ganz nebenbei gesagt, könnten wir viele von denen sowieso gut gebrauchen. Ich verstehe also die Ängste nicht und denke, wir sollten damit offener, offensiver umgehen. Je offener und offensiver wir mit dem Thema Europa umgehen, desto weniger Rückhalt haben diese populistischen Ressentiments, die es gegen Eu
ropa gibt und die sich immer auf Behauptungen stützen wie: „Europa ist groߓ, „Europa ist anonym“, „Europa ist ein Moloch“, „Europa ist entfremdet“, „Was entscheiden die denn eigentlich?“ Aber umso mehr werden wir alle zu guten Europäern.
Nun will ich noch einen letzten Satz zum Thema Konvent und zu dem, was Herr Kollege Pfister das hat mich gefreut hier angesprochen hat, sagen. Ich fand es gut, Herr Ministerpräsident, dass Sie mit Herrn Dr. Palmer einen Europaminister installiert haben. Das war richtig. Ich finde es auch gut, dass sich das Land in Brüssel jetzt eine Vertretung sucht, die tatsächlich repräsentativ ist, und dass man dabei nicht nur auf den Pfennig schaut, sondern auch darauf, dass die Immobilie richtig ist. Ich finde es auch gut, dass das Land dort zahlenmäßig stark vertreten ist.
Ich finde aber, der Landtag hat es sich mit dem Thema Europa bislang etwas zu einfach gemacht. Warum heißt der Europaausschuss „Ständiger Ausschuss“ und nicht der Ständige Ausschuss „Europaausschuss“? Das wäre ein erster Schritt. Sie haben zwar Recht, Herr Pfister, Europa ist ein Querschnittsthema, aber auch andere Themen sind Querschnittsthemen. Finanzen sind ebenfalls ein Querschnittsthema, und keiner fragt sich, weshalb wir einen Finanzausschuss haben. Natürlich brauchen wir einen Finanzausschuss. Ich finde, wir brauchen auch einen Europaausschuss, um das deutlich zu machen.
Wir gehören hier zu den Antragstellern und haben beantragt, dass über das Thema Europa und die Fortschritte im Konvent endlich einmal diskutiert wird. Das darf nicht nur heißen: „Stell dir vor, es gibt Europa, und Erwin Teufel geht für dich hin“, sondern Europa muss etwas werden, das uns alle angeht, sonst werden wir so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit auch gar nicht herstellen können. Eigentlich müssten wir sehr viel häufiger als nur einmal im Jahr einen Europatag veranstalten.
Wir müssten vielleicht auch das ist eine Anregung auf Landesebene etwas hinbekommen ich will jetzt keinen falschen Zungenschlag hineinbekommen wie einen Konvent, um uns hier unter der Überschrift Zivilgesellschaft auch einmal zu überlegen, was denn unsere Ziele als Land Baden-Württemberg in Europa sind. Das kann die Landesregierung initiieren; das kann auch der Landtag beschließen. Ich denke, wenn es 2004 Wirklichkeit werden soll, dass der EU-Konvent tatsächlich eine europäische Verfassung beschließt, dann wäre es auch an der Zeit, darüber einmal nachzudenken und es nicht immer nur wenigen Leuten, die selbst Regierungsmitglieder sind, zu überlassen, wie Europa gestaltet wird.
Es muss das Europa der Bürgerinnen und Bürger werden.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Dank, den Herr Kollege Pfister der Verwaltung ausgesprochen hat, kann ich mich anschließen.
Sie sollten wachsen, Herr Pfister. Ich sehe Sie. Warum sehen Sie mich nicht?
Sie hat tatsächlich Großartiges geleistet und auch leisten müssen. Das lag auch daran, dass die Nachschiebelisten, die die Regierungsfraktionen gebracht haben, immer erst zur Sitzung kamen. Das hat übrigens für die Sitzungskultur verheerende Wirkungen gehabt, was Ihnen egal sein kann, aber dem Gesamtparlament nicht. Wir hatten darunter zu leiden. Die Verwaltung hatte darunter zu leiden. Deshalb gilt der besondere Dank der Verwaltung.
Wenn ich mir die bisherige Debatte als vierter Redner angehört habe, kann ich sagen: Andernorts ist überall Fasnet und hier Wahlkampf. Ich hätte mir bei manchen Reden hier nur noch gewünscht, dass ab und zu von der Seite noch der Tusch kommt und irgendwann der Narrhallamarsch. Aber mit diesem Haushalt hat das Ganze wenig zu tun. Wenn jedoch schon angefangen wird, hier über die Bundespolitik zu reden, kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Eine K-Frage haben Sie geklärt, meine Damen und Herren von der Union, nämlich wer Kanzlerkandidat ist. Die andere K-Frage harrt noch der Klärung, nämlich die Frage, wer jetzt diese Kakophonie, die Sie hier produzieren, eigentlich interpretieren soll. Jeder erzählt etwas anderes, nur Herr Teufel ist irgendwie zu langsam, zu kapieren, in welche Richtung es geht.
Herr Stoiber hat ja in den wenigen Tagen, seit er Kanzlerkandidat ist, einen richtigen Schub an Realitätssinn erfahren. Er hat diesen ganzen Quatsch, den er jahrelang vor sich hergebetet hat, innerhalb von wenigen Tagen abgeräumt. Er hat kapiert was Sie noch nicht kapiert haben, Herr Ministerpräsident , dass man, wenn man die Steuerreform vorzieht das habe ich Ihnen übrigens bei der Aussprache zur Regierungserklärung letztes Jahr schon gesagt , das Ganze natürlich finanzieren muss und es die Länder mitfinanzieren müssen. Die Länderfinanzminister würde es grausen, wenn man das Ganze vorziehen müsste. Das hat Herr Stoiber kapiert. Deshalb hat er richtigerweise gesagt: Das können wir nicht machen. Er will schließlich Kanzler werden, und da muss man einigermaßen seriös auftreten.
Zweiter Punkt: Ökosteuer. Mein Gott, wie eine Monstranz haben Sie dieses vernünftige Instrument dass man endlich den Energieverbrauch planbar besteuert, schrittweise verteuert und damit die Arbeitskosten entlastet, worüber wir uns in den Neunzigerjahren alle einig waren vor sich hergetragen.
Was haben Sie von Abschaffung geredet! Herr Döring rennt immer noch herum und meint, man müsse es abschaffen. Er weiß nicht, wie man es finanzieren soll. Herr Stoiber hat es kapiert. Er sagt jetzt: „Aussetzen, aber nicht abschaffen“, weil er nicht weiß, woher die 22 Milliarden kommen sollen. Das ist auch logisch, denn wenn man Kanzler werden will, muss man der Realität einigermaßen ins Auge blicken.
Dritter Punkt: Verschuldung. Dazu ist eigentlich schon alles gesagt, aber eines muss man noch sagen: Sie haben einen Haushalt vorgelegt, bei dem man nicht klar weiß, wie man von der Nettoneuverschuldung herunterkommt. Die Bundesregierung hat seit ihrem Antritt vor dreieinhalb Jahren die jährliche Nettoneuverschuldung halbiert. Da kann ich nur sagen: Machen Sie das mal nach und schwätzen Sie dann erst mit, aber vorher halten Sie die Klappe.
Was die rote Laterne angeht, die die Bundesrepublik jetzt schon in Europa hat, kann ich nur sagen: Schauen Sie sich mal die Jahre 1992 bis 1998 an. Wer hat da regiert? Helmut Kohl. Da hatte Deutschland die rote Laterne in Europa. Jetzt schauen Sie sich das Wachstum von 1992 bis 1998 an.
Da hatten wir im Schnitt 1,3 %. Seit 1998 haben wir 1,6 % im Schnitt. Ich würde sagen: Seien Sie einfach ruhig, machen Sie Ihren Wahlkampf im Hinterzimmer, denn da gehört er hin, aber blamieren Sie sich hier nicht ständig.
Jetzt in etwas ruhigerer Tonlage zu diesem Haushalt. Ich glaube, von dem wollten Sie ablenken. Schaut man den Haushalt an, muss man eines feststellen: Mir ist es, wenn man von den Lehrerstellen absieht da will ich Sie ausdrücklich loben , nicht gelungen, in diesem Haushalt eine Schwerpunktsetzung zu erkennen. Für neue Schwerpunkte das ist das eigentliche Problem an diesem Haushalt muss die Landesregierung ständig Sonderhaushalte machen, Schattenhaushalte fahren ich nenne jetzt nur die Mittel aus der Landesstiftung oder, was meines Erachtens auch schlimm ist, auf die Kommunen zurückgreifen.
Ich will es im Einzelnen belegen: Das neue Investitionsprogramm Straßenbau, das Ihnen, Herr Oettinger, besonders wichtig ist, wie wir gehört haben, finanzieren Sie schlichtweg am Haushalt vorbei, das heißt, darüber beschließen wir hier gar nicht. Sie beschließen stattdessen, dass die L-Bank ihren Beitrag für das Land um 15 Millionen € pro Jahr erhöht. Die Frage ist nur, ob sie das erwirtschaften kann. Daran haben nicht nur wir Zweifel. Sie haben sich auch gescheut, diese offizielle Erhöhung des Bankbeitrages einzustellen, weil Sie wahrscheinlich selber Zweifel haben.
Die L-Bank gibt dieses Geld dann an die Baufinanz, die das Ganze vorfinanziert, und wir müssen über den Haushalt die Kapitalkosten finanzieren. Das ist vielleicht schlau gedacht, aber, Herr Pfister und Herr Oettinger Sie legen großen Wert auf Seriosität , seriös ist das Ganze nicht. Für das Parlament sind solche Vorfinanzierungen höchst problematisch, weil sie gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit verstoßen. Das müssten auch Sie erkennen.
Sie setzen damit nur eine Übung aus der Vergangenheit fort, die Sie mit dem Sonderprogramm begonnen haben, und versehen es jetzt zusätzlich mit dem Sahnehäubchen, dass der Bankbeitrag durch die Hintertür erhöht wird.
Im Prinzip das haben wir schon mehrmals besprochen ist es mit der Zukunftsoffensive nicht viel anders. Da werden viele sinnvolle Dinge angestoßen, Herr Pfister. Wenn Sie etwas eröffnen, sage ich nicht, dass das schlecht ist. Wir haben uns nur immer gegen die Art der Finanzierung gewandt. Aber diese Sachen gehören in den Haushalt und nicht in einen Schattenhaushalt.
Das Problem dabei ist die Gemeinnützigkeit. Das ist unbestritten. Sie selber, Herr Finanzminister, haben bei der Einbringung Ihrer Rede angesprochen, dass Projekte für 250 Millionen DM, also ein Viertel der ganzen Zukunftsoffensive, sich nach ernsthafter Prüfung als nicht gemeinnützig herausgestellt haben. Jetzt sagen Sie aber schon bei der Einbringung: Wir wollen diese Mittel natürlich ausgeben, wir wollen aber nicht gleichzeitig in die Nettoneuverschuldung gehen. Damit haben Sie indirekt nichts anderes gemacht, als einen Nachtragshaushalt angekündigt. Daran kommen Sie überhaupt nicht vorbei.
Meine Damen und Herren, ich kann nur an die Landesregierung appellieren, nach neuen Wegen zu suchen, wie wir für künftige Veräußerungen von Beteiligungen aus der Landesstiftung aus dieser Gemeinnützigkeitsfalle herauskommen. Es kann doch nicht auf Dauer angehen, dass wir Landeseigentum verkaufen und überhaupt nicht frei darüber verfügen können. Das schränkt den geringen Handlungsspielraum, den wir haben, zusätzlich ein.
Lassen Sie mich noch sozusagen eine Fußnote anbringen: Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir die Konstruktion dieser Stiftung sowieso für einen völligen Murks halten. Es ist das alte Lied, dass man Steuern zahlt, aber wenn man Geduld gehabt hätte, hätte man überhaupt keine Steuern zahlen müssen. Aber: Im Prinzip Steuern zu zahlen, Schulden zurückzuzahlen und dann mit den Zinsersparnissen neue Aufgaben zu finanzieren, das halten wir für die einzig seriöse Art, mit Veräußerungsgewinnen umzugehen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, wenn es das nächste Mal um Veräußerungsgewinne geht.
Sie sind dem nicht gefolgt. Gut, es ist so. Aber was ist spätestens dann, wenn der Verkauf der Gasversorgung Süddeutschland zur Entscheidung ansteht? Dann muss eine Lösung gefunden werden. Oder wollen Sie den Veräußerungsgewinn dann wieder in die Gemeinnützigkeitsfalle treiben? Es gibt eine Lösung. Wir behaupten, dass wir eine haben. Wir sind Ihnen gerne behilflich, diese Lösung gemeinsam anzustreben.
Ein weiteres Problem, das bei dieser Art der Finanzierung auftritt, wenn man nicht dauerhaft neues Geld auftreibt, sondern nur einmalig einen dicken Batzen ausgibt, ist das der Folgekosten. Wir haben das in den Beratungen angesprochen. Die Antwort, die der Finanzminister gegeben hat, war alles andere als befriedigend.
Schauen wir uns doch einmal Ihre Schwerpunkte im Bereich der Hochschulen, der Fachhochschulen und der Berufsakademien an. Ich bin gespannt, wie Sie dort, wo bei neuen Stellen k.w.-Vermerke ausgebracht wurden, dann, wenn die Programme ausgelaufen sind, politisch erklären wollen, dass diese Stellen gestrichen werden. Darauf bin ich gespannt. Da ist der nächste Ärger doch schon vorprogrammiert. Dort, wo keine Stellen ausgebracht wurden, wie zum Beispiel beim Ausbau der Berufsakademien, müssen Sie diese Stellen anschließend regulär über den Haushalt finanzieren. Das ist auch in Ordnung. In Ordnung ist nur nicht, dass Sie sich heute schon für spätere Jahre binden. Dazu kann ich nur sagen: Viel Spaß jetzt schon! Seriös ist das auch nicht.
Ich muss, auch wenn dies schon oft gesagt wurde, einfach wiederholen: Das alles wäre vermeidbar gewesen, wenn Sie, Herr Teufel, nicht auf Teufel komm raus im Wahlkampf Segnungen über das Land hätten verstreuen wollen, wie dies ja mittlerweile üblich zu sein scheint. Wahrscheinlich glauben Sie heute noch daran, dass Sie nur wiedergewählt worden sind, weil Sie die Zukunftsoffensive III im Wahlkampf so toll verkauft haben.
Nun zum dritten Punkt, dem ungenierten Griff in die Taschen der Kommunen. Es scheint ja mittlerweile ein Markenzeichen dieser Regierung geworden zu sein, vollmundige Versprechungen zu machen und in der Bevölkerung Erwartungen zu wecken, aber dann, wenn es um die Ausführung geht, Dritte zu belasten, nämlich die Kommunen.
An erster Stelle will ich die Ausstattung der Schulen mit Computern nennen. Man kennt das Spiel ja. Es geht folgendermaßen: Die Landesregierung erkennt, wie wichtig ein Thema ist, und schürt damit Hoffnungen bei Eltern, bei Lehrern und bei Schülern. Mit diesen Hoffnungen werden dann vor Ort die Kommunen konfrontiert; an sie werden die Ansprüche gerichtet. Sie schüren dann im Wahlkampf diese Hoffnungen noch zusätzlich und machen ein Feuer drunter. Und jetzt stellt sich heraus ätsch, bätsch , dass die Kommunen die Ausstattung mit Computern aus der eigenen Tasche bezahlen dürfen, weil wieder mal im kommunalen Finanzausgleich umgeschichtet wurde. Sie stellen sich hin, machen eine Pressekonferenz und verkaufen das als Ihren Erfolg. Das halten Sie für eine seriöse Politik.
Das wäre eigentlich schlimm genug, aber diese Übung hat bei Ihnen System. Das hat bei Ihnen Methode. Sie machen das bei der Kinderbetreuung genauso. Der Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird von Ihnen gerade einmal mit 10 % Landesmitteln gefördert. Den Rest müssen die Kommunen finanzieren. Herr Pfister stellt sich hin und sagt, es sei eine historische Leistung, dass es die FDP erreicht habe,
dass man auch im letzten Bundesland gemerkt habe, dass es ein Problem gebe. Ich gratuliere Ihnen zu dieser historischen Leistung; es ist wirklich gut, dass Sie in der Regierung sind.
Wer den Ausbau der Kindergärten in den Neunzigerjahren finanziert hat, das waren ausschließlich die Kommunen. Man hat den Betrag, den die Kommunen bekommen, vor zehn Jahren einmal festgeschrieben und regelt den Rest über den Vorwegabzug. Wenn die Landesregierung nun sagt: „Jedes Jahr steigern wir unsere Ausgaben für die Kindergärten“, dann ist das ein Taschenspielertrick. Nicht Sie steigern die Ausgaben für die Kindergärten, sondern die Kommunen haben die Ausgaben für die Kindergärten in den Neunzigerjahren gesteigert. Deswegen ist das, was Sie hier machen, umso perfider.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines hinzufügen: Wenn Sie Ihre Vorgehensweise jetzt auch auf die Schulkinderbetreuung übertragen, widerspricht das eklatant der bisherigen Praxis und bedeutet eine weitere Kostenverlagerung auf die Kommunen. Wir wehren uns dagegen, dass Sie so vorgehen. Wir wehren uns dagegen, dass ein Erwin Teufel, der weiß, dass er nicht mehr zur Wahl antritt, eine Politik nach dem Motto macht: Nach mir die Sintflut; soll sich doch der oder die Nächste darum kümmern und mit den Kommunen klarkommen; ich mache Politik nach Gutsherrenart.
Wir wehren uns dagegen; mit uns läuft es so nicht.
Stattdessen muss etwas ganz anderes stattfinden, und zwar etwas, was wir schon lange eingefordert haben und was überfällig ist, nämlich eine Debatte über die Frage: Was ist eine gesamtgesellschaftliche und damit gesamtstaatliche Aufgabe und was nicht?
Wir brauchen gerade bei den Schulen und bei der Kinderbetreuung eine Neujustierung der Lastenverteilung. Sie kann aber nicht einseitig zuungunsten der Kommunen erfolgen. Sie bleiben eine Antwort auf diese Frage wie immer schuldig, und Ihr Prinzip lautet so wie das von St. Florian: Verschon mein Haus, zünd andere an! Das ist nicht die Art, wie wir mit dieser Frage umgehen wollen.
Nun zur mittelfristigen Finanzplanung; bei ihr veranschaulicht sich ja das ganze Dilemma. Es handelt sich um dünn bedrucktes Papier, wo in einer einfachen Rechnung dargelegt wird: Im Jahr 2006 haben wir keine Nettoneuverschuldung mehr.
Dabei muss man beachten, dass umgekehrt die Deckungslücke, die jetzt schon vorhanden ist, von Jahr zu Jahr steigt und Sie im Jahr 2006 bis zu 1,4 Milliarden € einfach nicht finanziert haben. So ist es. Das ist Ihre „seriöse“ Haushaltspolitik. Wenn man sie sich genau ansieht, kann man feststellen: Sie haben keinen blassen Schimmer, wie Sie 2006 zu einer schwarzen Null kommen sollen; davon haben Sie überhaupt keine Ahnung.
Das ist das, was Sie uns als seriöse Haushaltspolitik verkaufen wollen.
Zur seriösen Haushaltspolitik kann ich Ihnen nur eines sagen. Ich habe in meiner Haushaltsrede angemahnt, dass wir endlich zu strukturellen Änderungen kommen müssen. Ich habe angemahnt, dass wir endlich eine funktionale Verwaltungsreform und eine dezentrale Ressourcenverantwortung brauchen und dass wir bei allen Behörden und bei allen Ministerien im ganzen Land eine Aufgabenkritik brauchen. Das wollen Sie nicht hören. Andere Länder sind da viel weiter. In Baden-Württemberg passiert nichts.
Ein nächster Punkt, den Herr Pfister so stolz erwähnt hat: die Haushaltsstrukturkommission. Ich kann nur sagen: Die Haushaltsstrukturkommission ist eine Koalitionsrunde. Sie wird sich damit begnügen, dass der eine dem anderen das Schäufelchen wegnimmt und versucht, den anderen über den Tisch zu ziehen. Strukturelle Änderungen werden da nicht herauskommen.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn die Haushaltsstrukturkommission einen Sinn haben soll, dann muss sie Dinge beschließen, die wehtun, und dann muss man das auch durchsetzen. Man setzt es aber am besten dann durch, wenn man alle einbezieht. Ich bin bereit, in einer Haushaltsstrukturkommission mitzuarbeiten, und kann mir nicht vorstellen, dass sich Herr Drexler dem verschließen würde. Nehmen Sie uns mit ins Boot! Dann sprechen wir einmal über strukturelle Fragen, und dann sprechen wir darüber, was man mitmachen kann und was man nicht mitmachen kann. Vielleicht kommt man dann einmal zu einem Ergebnis.
Meine Damen und Herren, wir haben die Schwerpunkte unserer Arbeit bei der Haushaltseinbringung deutlich dargestellt. Wir haben uns bemüht, unsere Schwerpunkte in den Beratungen deutlich zu machen. Wir haben uns auch bemüht, die Schwerpunkte seriös zu finanzieren, indem wir Sparvorschläge gemacht haben, indem wir eigene Vorschläge eingebracht und eigene Akzente gesetzt haben.
Die Anträge, mit denen wir in die weitere Beratung und in die zweite Lesung gehen werden, will ich noch einmal deutlich machen: Es geht im Wesentlichen um drei Bereiche. Das Erste ist der Bereich der Ökologie und in diesem Fall der Bereich der erneuerbaren Energien. Er spielt bei
Ihnen überhaupt keine Rolle mehr. Sie haben hier auf null gekürzt. Ich finde, das kann sich ein Land wie BadenWürttemberg, das bezüglich der Arbeitsplätze von der Energiewende, die die Bundesregierung eingeleitet hat, wie kein anderes Land profitiert, einfach nicht erlauben. Sie müssen hier eigenes Geld in die Hand nehmen und können sich nicht immer nur auf andere verlassen.
Dazu kommt von uns ein eigener Antrag.
Jetzt komme ich zu dem ganzen Bereich der Kinderbetreuung von unter Dreijährigen. Ich habe es schon angesprochen: Ihre 10 % Kostenbeteiligung sind ein Witz. Man muss da wirklich Geld in die Hand nehmen: deutlich mehr Geld für Krippen, deutlich mehr Geld für Tagesmütter. Und man muss ein neues Programm auflegen. Man weiß spätestens seit der PISA-Studie aber man hätte es auch früher wissen können , dass die Kinder mit den Müttern in vielen Bereichen, auch im Kindergartenbereich, auch Deutschunterricht und Sprachförderung bekommen sollten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Im Schulbereich das ist der letzte Punkt sind Sie stolz auf Ihre Lehrer. Das erkenne ich ja an. Sie machen aber nicht die volle Halbtagsgrundschule. Diese beantragen wir. Sie machen auch nicht genügend Ganztagsangebote; von denen haben Sie noch immer viel zu wenig im Programm. Die Computerausstattung ist, wie gesagt, auch Aufgabe des Landes. Dafür wollen wir 10 Millionen € aufbringen. Das nützt aber nichts ohne Lehrerfortbildung. Dafür sollte man, budgetiert an die Schulen gegeben, ebenfalls noch einmal 10 Millionen € aufbringen.
Dass man in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit hoch ist, die Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und gegen Langzeitarbeitslosigkeit nicht zurückfährt, ist eine Selbstverständlichkeit. Deshalb wehren wir uns auch gegen die diesbezüglichen Streichungen.
Mit diesen Schwerpunkten gehen wir in die Beratungen. Mit diesen Schwerpunkten machen wir unser Profil deutlich. Mit diesen Schwerpunkten allein das will ich auch sagen wäre 2006 die Nettoneuverschuldung noch nicht bei null. Aber mit diesen Schwerpunkten wäre wenigstens eine Zukunftsfähigkeit von Baden-Württemberg im Jahre 2020 gewährleistet. Wie das bei Ihrem Haushalt der Fall sein soll, ist mir völlig schleierhaft.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, so erzeugt man keine Wechselstimmung! So wirklich nicht.
Wir sind hier in diesem Haus 128 Abgeordnete. Man hat manchmal das Gefühl, Sie glauben, dass hier lauter Vollidioten sitzen,
aber das ist nicht so. Das Niveau, das Sie hier geboten haben, war wie im Festzelt.
Wenn man dieses Niveau hier halten will, plädiere ich demnächst dafür, hier Bier auszuschenken.
Wir reden jetzt eigentlich zum Haushalt des Staatsministeriums. Im Haushalt des Staatsministeriums gibt es, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, 13 zusätzliche Stellen.
Ich vermute, mindestens die Hälfte davon ist dafür bestimmt, Zeitungsausschnitte zu sammeln und diese Ihnen, Herr Ministerpräsident, vorzulesen.
Das erinnert mich an das Buch „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink. Ich weiß nicht, ob Sie dieses Buch gelesen haben. Aber der Frau wurde aus einem anderen Grund vorgelesen; sie war Analphabetin. Das sind Sie sicher nicht. Aber was soll das eigentlich? Sie stellen sich als Ministerpräsident hier hin, zitieren aus Dutzenden von Zeitungsausschnitten und lassen sich aus.
Als den absoluten Gipfel empfand ich, dass Sie, die CDU, sich über den inneren Zustand der SPD auslassen. Das ist unglaublich. Dann haben Sie das Parteiprogramm der SPD vorgelesen und gesagt, wie Sie das bewerten und wie interessant das sei.
Herr Ministerpräsident, ich könnte Ihnen eine halbe Stunde lang etwas über den inneren Zustand der Grünen erzählen. Das wäre sicher nicht sehr erfreulich.
Ich könnte Ihnen aber eine Stunde lang ohne Manuskript, ohne Konzept etwas über den inneren Zustand der CDU vor und nach der Spendenaffäre erzählen. Ich weiß nur nicht, ob uns das in diesem Haus weiterbringen würde.
Noch etwas: Herr Ministerpräsident, wenn ich es richtig im Kopf habe, sind Sie dieses Jahr 30 Jahre Mitglied dieses Hauses. Sie waren über zwölf Jahre lang Fraktionsvorsitzender und sind seit elf Jahren Ministerpräsident dieses Landes.
Und dann muss ich mir von Ihnen Nachhilfe in Gemeinschaftskunde geben lassen, die auch noch falsch ist und lautet: „Was habt ihr, die Opposition, eigentlich? Ihr habt die Wahlen verloren. Ihr habt hier gar nichts zu kritisieren.“
Da muss ich fragen: Wo sind wir denn eigentlich? Wenn das Ihr Politikverständnis ist, können wir den Laden hier dichtmachen. Der Kollege Drexler hat es auf den Punkt gebracht: Es ist Hybris, wenn man sich als Ministerpräsident und als große Regierungsfraktion mit dem Land gleichsetzt. Das funktioniert so nicht.
Wenn man Missstände in diesem Land anspricht und da gibt es viele anzusprechen , dann hat das nichts damit zu tun, dass man nicht gern in diesem Land lebt und dass man dieses Land schlecht machen will, sondern dann tut man das, weil man gern in diesem Land lebt und weil man will, dass es in diesem Land besser wird. Das ist der Grund dafür, dass Kritik in diesem Haus gefragt ist. Wenn Sie das nicht verstehen, haben Sie hier 30 Jahre lang einen falschen Job gemacht.
Einerseits habe ich das Gefühl, Sie lassen sich vorlesen, und andererseits das meine ich jetzt nicht ironisch habe ich das Gefühl, Sie hören nicht richtig zu. Sie erzählen uns, wie es eigentlich mit der Verantwortung ist, die die Kommunen für die Kinderbetreuung haben. Das hat ja überhaupt niemand bestritten. Ich habe eingeklagt Sie hätten richtig zuhören sollen , dass sich in den letzten 20 Jahren
die Familien wenn wir uns jetzt darüber einig sind, was Familien sind, ist das ein Fortschritt dermaßen verändert haben, dass sich auch die Aufgaben der Kommunen rapid verändert haben.
Aber wenn sich die Aufgaben aufgrund einer veränderten Sozialstruktur und aufgrund veränderter Familienverhältnisse so dramatisch verändert haben, dass ein ganz neuer Zweig entstanden ist, den man vor 20 Jahren noch gar nicht gesehen hat, nämlich die Kinderbetreuung von null bis sechs Jahren nicht nur mit Regelkindergärten, sondern beginnend bei null Jahren , dazu Ganztagsangebote und altersgemischte Gruppen, ist, so habe ich gesagt, der Zeitpunkt gekommen er wäre eigentlich schon längst gekommen , sich einmal grundsätzlich darüber zu verständigen, wie man die Aufteilung der Lasten zwischen den Kommunen und dem Land neu regelt.
Das und nichts anderes war mein Argument, weil niemand bestritten hat, dass es die Kommunen und sonst niemand waren, die in den Neunzigerjahren das habe ich sogar ausdrücklich gesagt die Kindergärten ausgebaut haben. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, und das fordere ich ein. Dem kann ein vernünftiger Mensch auch überhaupt nicht widersprechen. Bauen Sie hier doch keinen Popanz auf!
Ich komme zum Thema Landesstiftung, auch wenn es Sie langweilt. Es ist kein Widerspruch, wenn man gegen die Konstruktion der Stiftung ist, aber dann, wenn man in der Stiftung Aufsichtsrat ist, dort konstruktiv mitarbeitet.
Das ist vernünftig, ganz genau!
Wir haben da konstruktiv mitgearbeitet, sind aber nach wie vor gegen die Konstruktion der Stiftung. Sie sind so stolz auf das, was Sie in der Stiftung alles anstoßen. Es wird aber deutlich, dass damit nur wenige Kollegen von hier befasst sind, dass alles am Haushalt vorbeigeht und dass die Konstruktion der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit völlig widerspricht. Das war unser Argument, und das ist überhaupt nicht falsch. Das bitte ich einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn man hier eine Stunde sprechen und nur Statistiken herunterbeten kann, dann muss man dafür ein Faible haben.
Ich hätte da noch einen Vorschlag. Ich meine, bevor Sie Frau Meister-Scheufelen bemühen, sollten Sie sich selber als neuer Leiter des Landesamtes für Statistik bewerben. Das wäre doch ein Hinweis.
Herr Haas, sind Sie schon wieder zurück, oder waren Sie noch gar nicht?
Jetzt zu dem Thema Steuerausfälle. Herr Drexler hat dazu schon vieles gesagt, und ich will Ihnen einmal etwas zu den UMTS-Milliarden sagen.
Ich will Ihnen einmal eine Analogie geben. Bei der EnBW haben Sie die hanebüchene Konstruktion der Landesstiftung gewählt, um Steuern zu vermeiden. Sie haben gesagt: Wir zahlen so viel in den Länderfinanzausgleich, dass wir dem Bund doch nicht noch mehr Geld geben.
Jetzt macht der Bund seinerseits etwas bei den UMTS-Lizenzen. Er nimmt Geld ein, zahlt Schulden zurück und macht Sinnvolles mit den Zinsersparnissen. Da aber schreien Sie: Feuer, Feuer, haltet den Dieb! Sie wollen dann Geld von den UMTS-Milliarden zurück. Im Umkehrschluss verhalten Sie sich wie jemand, der zum Steuerberater geht und sagt: Mach mir eine Konstruktion, mit der ich keine Steuer an den Bund zahle. So kann man zwischen Land und Bund nicht miteinander umgehen. Das ist eine Logik, die einseitig zu Ihren Gunsten rechnet. So funktioniert das einfach nicht.
Zum Punkt Steuerausfälle noch etwas, was die Gewerbesteuer angeht. Die ganzen Steuerausfälle der Gemeinden das haben Sie nicht gesagt, aber es wird immer wieder als Argument genannt kommen natürlich nicht allein von der Gewerbesteuer. Aber das ist ein gewichtiger Punkt. Die Gewerbesteuerausfälle treffen aufgrund der Beschaffenheit der Gewerbesteuer nicht alle Gemeinden gleichmäßig, sondern sogar sehr ungleichmäßig. Ich denke da an Schwäbisch Hall und ähnliche Gemeinden.
Schon vor 20 Jahren, als ich Finanzwissenschaft studiert habe, hat der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium gesagt, dass die Gewerbesteuer in der damaligen und im Prinzip auch noch heutigen Form abzuschaffen sei, weil die Bemessungsgrundlage zu gering sei, weil im Prinzip viel zu wenige einzahlten und im Prinzip auch andere Freiberufler einbezogen werden müssten. Eine entsprechende Änderung ist bis heute nicht vorgenommen worden. Bis heute ist keine so genannte Wertschöpfungsabgabe oder Wertschöpfungssteuer gemacht worden. Das ist bis heute nicht geschehen, weil es auch mit Schwierigkeiten behaftet ist. Wir haben ja die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft das war richtig und den Gemeinden umgekehrt einen Ausgleich durch Punkte bei der Umsatzsteuer gegeben. Das ist richtig.
Ja, sie haben mehr bekommen. Die Maßgabe war ja, dass sich keine Gemeinde schlechter stellt. Das ist richtig.
Man muss natürlich auch darüber nachdenken darüber wird ja nachgedacht, das wissen Sie so gut wie ich; deshalb sollten wir da ehrlich miteinander umgehen , dass wir dringend eine Gemeindefinanzreform brauchen. Sie ist bereits angedacht, aber jetzt auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Alle wissen aber, dass sie kommen muss. Dabei muss klar sein, dass wir den Kommunen die Selbstständigkeit bewahren müssen. Das heißt, sie müssen natürlich weiterhin die Kraft haben, selbstständig Steuern zu erheben. Das heißt, auch wenn die Gewerbesteuer in der jetzigen Form geändert oder abgeschafft wird, muss ein Ausgleich geschaffen werden, der aber auch beinhaltet, dass die Kommunen nach wie vor ein eigenes Hebesatzrecht haben. Ansonsten nützt die ganze Selbstverantwortung gar nichts. Darüber sind sich im Wesentlichen alle einig.
Darum sage ich: Machen Sie nicht so einen Wind. Bauen Sie keinen Popanz auf, sondern unterhalten Sie sich doch vernünftig darüber, was die vernünftigste Lösung für das Problem ist.
Ich habe sowieso den Eindruck, dass der ganze Auftritt, den Sie hier geliefert haben, eigentlich nur von etwas ablenken sollte. Wir reden ja eigentlich über den Doppelhaushalt.
Ich sehe eines nicht. Sie haben ja die mittelfristige Finanzplanung mit einer Verspätung von mehreren Wochen abgeliefert. Ob das gesetzeskonform ist oder nicht, weiß ich nicht. Was Sie dann geliefert haben, ist einfach dünn. Sie sagen einfach per Definition: 2006 gibt es keine Nettoneuverschuldung mehr. Dabei sagen Sie mit keinem Wort, wie Sie dahin kommen. Das ist so. Und jetzt brennen Sie hier ein Feuerwerk ab, bei dem Sie sämtliche Sachen, die gegen Ihre Absicht sprechen, 2006 eine schwarze Null zu bekommen, der Bundesregierung in die Schuhe schieben, und zwar in einer solchen Schwarzweißmalerei, dass es schlimmer nicht mehr geht.
Herr Ministerpräsident Teufel, ich bin niemand, der sagt, die Schulden, die bis 1998 aufgelaufen sind, seien alle der Unfähigkeit der Regierung Kohl zuzuschreiben. Das wäre Unsinn. Wir haben die deutsche Einheit gehabt. Wir haben bis heute einen Nettotransfer von West nach Ost ich sage ausdrücklich: er ist notwendig von 100 bis 150 Milliarden DM im Jahr. Deshalb waren wir schon in den Neunzigerjahren Schlusslicht in Europa mit der roten Laterne, und deshalb haben wir auch jetzt Schwierigkeiten, weil dies natürlich weitergeführt werden muss. Darin sind wir uns doch alle einig.
Also kann man nicht sagen: „Deine Schulden, meine Schulden“, sondern es geht darum, dass wir gemeinsam Verantwortung für diese Schulden haben. Ich halte Ihnen die Altlasten nicht mehr vor, und Sie sollten sich auch be
mühen, einmal seriös und ehrlich zu sein und zu sagen: „Wir haben diese Staatsschulden insgesamt aufgehäuft, in erster Linie beim Bund, weniger bei den Ländern und bei den Kommunen. Egal, wer ab September regiert: Da müssen wir gemeinsam wieder raus.“ Dann wird eine sehr viel rationalere Debatte daraus. Und da kann man nicht umhin, festzustellen, dass es der jetzigen Bundesregierung gelungen ist, die Nettoneuverschuldung zu halbieren, und Ihrer Regierung überhaupt nicht gelungen ist, irgendetwas zu reduzieren und einen Pfad aufzuzeigen, wie wir bis 2006 auf die schwarze Null kommen.
Ich glaube damit will ich schließen , dass das eine Diskussion ist, die darüber hinwegtäuschen will, dass wir spätestens nach der Bundestagswahl, wenn Sie es sich politisch leisten können, einfach den Offenbarungseid leisten und sagen müssen: Wir schaffen es nicht. Wir kriegen die Nettoneuverschuldung null 2006 nicht hin Klammer auf: weil wir nicht in der Lage sind, weil wir nicht die politische Kraft haben, weil wir nicht den Willen haben, strukturelle Reformen einzuleiten.
Das ist der wahre Hintergrund für Ihren Auftritt, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man Ihnen, Herr Finanzminister, in der letzten Woche zugehört hat, konnte man mit Fug und Recht sagen: Der Wahlkampf ist eröffnet. Der Finanzminister sieht die Bundesrepublik am Abgrund, beklagt einen Reformstau der Bundesregierung – man beachte das Wort „Reformstau“ –, sieht uns von der Steuerund Abgabenlast erdrückt. Demgegenüber zeichnet er ein Bild von Baden-Württemberg: Wir haben hier blühende Landschaften aufgrund des segensreichen Wirkens der Landesregierung. Herr Stratthaus, so haben wir nicht gewettet! Genauso wenig, wie es Ihnen nutzt, nur auf Berlin zu schimpfen, nutzt es uns, Berlin nur zu loben. Aber festzuhalten bleibt Folgendes:
Baden-Württemberg profitiert von vielem, was die Bundesregierung in drei Jahren getan hat, um den Kohl’schen Reformstau aufzulösen. Baden-Württemberg kriegt aber seine eigenen strukturellen Probleme nicht in den Griff. Während es nämlich der Bundesregierung gelungen ist, endlich – endlich, muss man sagen – eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient, mit einem Entlastungsvolumen bis 2005 von knapp 100 Milliarden umzusetzen und gleichzeitig – das ist der entscheidende Witz – den Haushalt zu konsolidieren, die Nettoneuverschuldung des Bundes, die unter Kohl bei über 80 Milliarden DM lag, auf die Hälfte zu drücken und auch glaubhaft angeben zu können, im Jahr 2006 auf eine Nettoneuverschuldung von null zu kommen, ist Baden-Württemberg, was dieses Ziel angeht, davon weiter entfernt denn je. Darauf haben Sie mit keinem Wort Bezug genommen. Sie haben gesagt, Verschuldung an den Kin
dern und Enkeln sei ein moralisches Vergehen. Aber Sie haben mit keinem Wort gesagt, wie Sie 2006 auf die schwarze Null kommen wollen.
Wie man es dreht und wendet, meine sehr verehrten Damen und Herren, egal, ob die Steuern mehr oder weniger gesprudelt oder gar zurückgegangen sind, betrachtet man die letzten zehn, zwölf Jahre, so stellt man fest: Wir haben in Baden-Württemberg ein durchgehendes strukturelles Defizit von 2 Milliarden DM pro Jahr im Haushalt, für die man keine Deckung hat, was zu einer zusätzlichen Verschuldung führt.
Ein Satz hat mir letzte Woche besonders gefallen, Herr Minister:
Vor dem Hintergrund versäumter Reformen
so sagten Sie –
treffen konjunkturbedingte Steuerausfälle die öffentliche Haushalte besonders hart.
„Sehr richtig“ möchte man da sagen. Nur meinen Sie mit den versäumten Reformen natürlich den Bund und nicht Ihre eigenen versäumten Reformen. Sie wollen nämlich nur von Ihrem eigenen Versagen ablenken. Sie schieben alles auf die Konjunktur und damit auf die Bundesregierung. Sie beklagen, dass Deutschland das Schlusslicht im europäischen Vergleich ist. Sie sagen, das liege an der mangelnden Flexibilität des deutschen Arbeitsmarkts.
Ich will Ihnen klar sagen: Auch ich bin nicht der Ansicht, dass der deutsche Arbeitsmarkt flexibel genug ist. Wenn man sich im europäischen Ausland umschaut, kann man da durchaus noch das eine oder andere abschauen. Aber ich glaube, dass Sie dieses Argument bei weitem überhöhen.
Ich will auch deutlich sagen: Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung Anfang nächsten Jahres zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts noch etwas machen wird, weil dazu etwas getan werden muss. Ich will nur die Stichworte Lohnsubvention im Niedriglohnbereich und Kombilohn nennen. Wie das im Einzelnen aussehen wird, ist noch unklar, aber geschehen wird da etwas. Das ist keine Frage.
Wir müssen uns allerdings – dazu rate ich dringend – die Struktur der Arbeitslosen und insbesondere der Langzeitarbeitslosen genauer anschauen. Den Übergang vom zweiten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeitsmarkt müssen wir deutlich erleichtern. Ich gehe davon aus – da bin ich sicher –, dass das neue Job-AQTIV-Gesetz, das jetzt in Kraft tritt, mit der Überschrift „Fördern und fordern“ sicher hilfreich sein wird. Arbeitslosigkeit – das zeigen alle Statistiken – ist in allererster Linie ein Problem mangelnder Qualifikation, mangelnder Fortbildung usw. Das ist der Punkt, an dem konkret angesetzt werden muss.
Klar muss aber auch sein, Herr Finanzminister – wenn dieses Argument ernst gemeint ist und richtig ist –, dass man dann nicht, wie Sie das jetzt in dem vorgelegten Haushaltsentwurf getan haben, die Mittel für arbeitslose Jugendliche
und für Langzeitarbeitslose drastisch zusammenstreichen kann, wahrscheinlich noch in der Hoffnung, dass das der Bund mit eigenen Programmen schon auffangen wird. So geht es nicht.
Sie unterschlagen zudem, was die Konjunktureinschätzung angeht, bewusst, dass alle Experten davon ausgehen, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr 2002 wieder anziehen wird. Der sinkende Ölpreis – Sie sprachen von einem steigenden –, die niedrigeren Zinsen und das gegenüber dem Vorjahr verbesserte Konsumklima werden dazu beitragen.
Kurzum – zum Thema Konjunktur will ich jetzt einen Schlussstrich ziehen –: Wir sollten uns, was das Verhältnis zum Bund angeht, nicht an Ihre Schwarzweißmalerei halten, sondern wir sollten, Bundestagswahl hin oder her, uns schon mit den Problemen hier im Lande befassen. Da ist es tatsächlich so – jetzt komme ich wieder zu Ihrem Satz –, dass die von Ihnen unterlassenen Reformen und die jetzt konjunkturbedingten Steuereinbrüche das Ziel, bis zum Jahr 2006 einen Haushalt ohne neue Schuldenaufnahme zu erreichen, in weite Ferne rücken lassen.
Herr Kauder, Ihr Generalsekretär, hat ja – sicher nicht ohne Rückendeckung von oben; jetzt schaue ich den Herrn Ministerpräsidenten an – schon einmal mit Lockerungsübungen angefangen, sich von diesem Ziel zu verabschieden, und ist dann nur ganz halbherzig zurückgerudert. Da kann man nur sagen: Jetzt rächt es sich – das muss man so drastisch sagen –, dass in all den Jahren, in denen ein Sparhaushalt nach dem anderen gefahren wurde, nie ernsthaft mit strukturellen Reformen begonnen wurde. „Sparen und investieren“ ist Ihre Devise, so sagen Sie immer. Doch was heißt das eigentlich für Sie?
Investieren reduziert sich auf das Schaffen neuer Lehrerstellen und einiger Stellen für die Polizei.
Die sind wohl richtig und wichtig. Das stellt ja niemand infrage. Aber sonst sieht es total mau aus. Gespart dagegen wird immer nur kurzfristig: mit der globalen Minderausgabe, mit Stellenstreichungen, mit Streckungen und dem Verschieben von Investitionen sowie mit dem Zusammenstreichen von freiwilligen Leistungen. So macht man das Land auf jeden Fall nicht fit für die Zukunft; das ist sicher.
Im Bund, Herr Finanzminister, fordern Sie tief greifende Reformen ein. Hier im Land drücken Sie sich um genau diese tief greifenden Reformen herum, und zwar seit Jahren. Hier, wo Sie die Möglichkeit hätten, sie umzusetzen, haben Sie keine Vision von der Neustrukturierung Ihrer Aufgaben. Das ist umso dramatischer, als ich davon überzeugt bin, dass wir jetzt an einem Punkt angekommen sind, meine Damen und Herren, an dem man so einfach nicht mehr weiterkommt. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Der Haushalt ist, wie man so schön sagt, ausgemostet. Da wir auf der Einnahmeseite nur sehr begrenzten Ein
fluss darauf haben, dass sich die Einnahmeseite verbessert, müssen wir uns strukturell schon mit der Ausgabenseite befassen. Wir brauchen also – das ist klar – strukturelle Änderungen.
Doch was heißt das? Wir brauchen zum Beispiel – das ist völlig klar – eine funktionale Verwaltungsreform. Doch Sie sind zu träge. Sie trauen sich nicht. Sie reagieren nicht auf neue Herausforderungen. Es gibt – das hat der Sommer deutlich gezeigt – in diesem Hause eine Mehrheit für eine funktionale Verwaltungsreform. Ich gucke den Kollegen Pfister an. Ich kann auch Teile der CDU-Fraktion anschauen. Es gibt hier eine Mehrheit im Hause, aber keine Mehrheit in der Koalition. Das liegt daran, dass der größere Teil der CDU schlicht und ergreifend nicht will. Das ist eine Blockademinderheit, es ist eine Sperrminorität, die dem Land nicht gut tut.
Gestern stand es in der Zeitung: Erst dieser Tage gaben Wissenschaftler des Internationalen Instituts für Staatsund Europawissenschaften fünf grundlegende Empfehlungen ab, die Verwaltung in Baden-Württemberg umzubauen. Darunter ist eigentlich gar nichts Neues, was die Ministerien angeht: Konzentration auf Kernbereiche und Reduzierung der Anzahl der Ministerien. Das hätte man schon lange machen können. Sie fordern die weitere Verringerung und Zusammenfassung von Einrichtungen der oberen Landesverwaltung. Sie fordern die Straffung und Neuausrichtung der Regierungspräsidien und – ganz wichtig – die Kommunalisierung der unteren Landesbehörden. Sie fordern insgesamt eine Stärkung der Kommunen. Auf Ihre Antwort, meine Damen und Herren, darf man gespannt sein.
Strukturelle Änderungen bedeuten aber noch mehr. Strukturelle Änderungen bedeuten, dass man wirklich grundlegend an die Dinge herangeht. Als Mitte der Neunzigerjahre viele Kommunen finanziell am Ende waren, als ihre Haushalte nur unter strengsten Auflagen von den Regierungspräsidien genehmigt wurden und als es nur mit Sonderdeckungsmitteln möglich war, die Zuführungsrate zu erreichen, hat dieser Druck dafür gesorgt, dass sich viele Kommunen – das wird hier im Landtag viel zu wenig diskutiert – radikal verändert haben. Aufgabenkritik: Welche Leistungen muss die öffentliche Hand eigentlich erbringen? Welche erledigt der Markt besser? Welche können Private im Auftrag der Kommunen kostengünstiger erledigen? Diese und ähnliche Fragen wurden gestellt.
Das Stichwort, um das Ganze zu ändern, hieß: dezentrale Ressourcenverantwortung. Das heißt: Verantwortung nach unten verlagern, Ämtern und Abteilungen ein eigenes Budget geben, Dienstleistungen als Produkte definieren, Kosten- und Leistungsrechnung einführen, weg mit der Kameralistik – heutzutage noch die Kameralistik ist völliger Unsinn –, weg mit dem Dezemberfieber, dem unwirtschaftlichen Denken in Beamtenköpfen, hin zu einer Dienstleistungsmentalität.
All das, meine Damen und Herren, ist heute in vielen Kommunen Alltag. Die Kommunen wurden effizienter, sie wurden bürgernäher, und sie wurden vielfach auch demokratischer. Für das gleiche Geld – manchmal sogar für weniger Geld – gibt es heute in vielen Kommunen vielfach besseren öffentlichen Dienst.
Warum erzähle ich das eigentlich alles? Das erzähle ich deshalb, weil es das alles beim Land Baden-Württemberg nicht oder so gut wie nicht gibt. Das Land hat ja die Möglichkeit, Schulden aufzunehmen. Das mindert den Druck, Änderungen vorzunehmen, gewaltig. Das heißt, Sie haben in diesem Bereich völlig versagt. Hier ist noch überhaupt nichts geschehen, da stehen Sie völlig am Anfang.
Zwar beschäftigt sich eine Stabsstelle damit, wie man in die Landesverwaltung neue Steuerungsinstrumente einbauen könnte. Doch ich will Ihnen ehrlich sagen: Ich finde, dass es sich dabei um eine Kopfgeburt handelt, die von den einzelnen Ministerien nicht unterstützt wird und die sich – das ist ein entscheidender Punkt – nicht um das Mitmachen der Beschäftigten kümmert, die darum nicht wirbt.
Hier ein Tipp von mir am Rande: Ohne die aktive Einbeziehung der Bediensteten können Sie sich solche Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes abschminken. Die Widerstände gegen jegliche Neuerung sind erfahrungsgemäß immer riesig, weil es vor Neuerungen immer Angst gibt. Neuerungen sind angstbesetzt. Das heißt, Sie müssen um das Mitmachen der Beschäftigten aktiv werben. Wenn Sie das nicht tun, können Sie den ganzen Prozess mit den neuen Steuerungsinstrumenten den Hasen geben.
Es gibt ein einziges Beispiel – es wurde schon erwähnt; ich will es auch erwähnen –, bei dem das Land konsequent einen anderen Weg eingeschlagen hat. Allerdings ist man dabei auf halbem Wege stehen geblieben. Ich schaue jetzt Minister Frankenberg an, denn ich meine den Hochschulbereich.
Der Solidarpakt zwischen dem Land und den Universitäten, der ja auf Ihr Betreiben hin, Herr Minister, geschlossen wurde, sah vor, dass es 10 % weniger Stellen und dafür im Gegenzug Planungssicherheit und mehr Autonomie für die Hochschulen gibt. Globalhaushalte, neue Führungsstrukturen an den Hochschulen, leistungsorientierte Mittelvergabe durch Indikatorsteuerung – alles Maßnahmen, die wir mit vorangetrieben und die in der Konsequenz dazu geführt haben, dass man heute von der Krise der Hochschulen fast nichts mehr hört.
Zu den neuen Steuerungsmodellen – jetzt komme ich zur Kehrseite der Medaille, Herr Minister – gehört aber auch, dass man ein solches Modell konsequent zu Ende führt. Zu Ende führen aber heißt, dass man das Ministerium letztendlich bis auf wenige Stellen völlig überflüssig macht – das könnte man auch, wenn man konsequent wäre – und das Schul- und das Hochschulministerium endlich zu einem Ministerium zusammenlegt, wie das die Experten immer wieder fordern.
Doch davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil! Nicht eine Stelle – nicht eine Stelle! – haben Sie neben den üblichen Streichungen – globale Minderausgabe und Stellenstreichungen – seitdem abgegeben. Der Wasserkopf im Ministerium ist genauso groß wie vorher. Nur wird immer unklarer, was dieser Wasserkopf eigentlich tut.
Im Schulbereich – da höre ich Ihre Worte wohl, Herr Kollege Pfister – kann von solchen Änderungen bislang überhaupt keine Rede sein. Autonomie für die Schulen? Fehlanzeige! Stattdessen haben wir Oberschulämter, die die Lehrer zu Tode verwalten.
Die Arbeit der Schulverwaltungen in anderen Ländern – das haben wir uns mit dem Ausschuss angesehen –, zum Beispiel in den Niederlanden, besteht mittlerweile aus Evaluierung und Beratung. Das ist Schulverwaltung; das machen die ehemaligen Oberschulämter in den Niederlanden.
Bei autonomen Schulen, die sich selbstständig ein Profil geben, die mit einem Budget ausgestattet sind und die sich ihre Lehrer oder Schulsozialarbeiter usw. selber einstellen,
brauchen Sie kein riesiges Kultusministerium mehr; das ist sicher.
Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen, welch blühender Unsinn bei uns im Haushalt steht, was Zentralität heißt und wie man es anders machen könnte. Das ist das Beispiel der Lehrerfortbildung. Was wir brauchen – das hat PISA deutlich gezeigt –, ist Lehrerfortbildung. Aber von den 4,7 Millionen Euro, die dafür im Doppelhaushalt stehen, gehen 3,5 Millionen Euro, also drei Viertel, für Reisekosten der Lehrer drauf. Das ist geradezu unglaublich. Wie wäre es denn, wenn man es wie in Basel machen würde, wo die Schulen ein Budget für Fortbildung zugewiesen bekommen und sich die Fortbildung nach Bedarf am Markt selber einkaufen können? Das wäre wahrscheinlich deutlich effektiver.
Ich glaube deshalb nicht, meine Damen und Herren – wir sind uns darin einig, dass die Genehmigung von neuen Stellen wichtig ist –, dass unserem Bildungssystem in erster Linie Geld fehlt. Was allerdings fehlt – und das ganz gewaltig –, ist neues Denken.
Das heißt, die Regierung steht insgesamt – das kann man zusammenfassen – vor einem strukturellen Problem. Das dämmert ihr allmählich selbst. Darum setzt sie jetzt – das wurde schon erwähnt – eine Strukturkommission ein, sogar eine Haushaltsstrukturkommission. Die Einrichtung einer solchen Kommission ist eigentlich ein vernünftiger Gedanke, wenn sie richtig besetzt wäre. Stattdessen ist sie aber mit der Koalitionsrunde identisch. Da hockt dann wahrlich der Sachverstand geballt auf einem Haufen, der Sachver
stand, der sich darauf bezieht, wie man den Partner in einer Koalition über den Tisch zieht,
aber nicht der Sachverstand, den man bräuchte, um den Haushalt und die Verwaltung neu zu strukturieren.
Ich will Sie, Herr Winckler, nicht verraten, aber ich weiß, warum Sie lachen.
Man weiß schon heute, wie diese Runde ablaufen wird. Die ganze Fantasie wird darin bestehen, Vorschläge zu machen, die die eigene Klientel verschonen, dafür aber die anderen treffen und umgekehrt. Ich prophezeie Ihnen Folgendes: Das Hornberger Schießen wird gegenüber dem, was dabei herauskommt, eine Erfolgsstory sein.
Apropos Hornberger Schießen: Ich muss jetzt einmal Herrn Oettinger persönlich ansprechen. Herr Oettinger hat vorhin von dem schönen Begriff „Triple A“ gesprochen und hat in diesem Zusammenhang gesagt, Standard & Poor’s seien objektiver als die Reden von Herrn Drexler und von mir. Das mag schon sein. Aber wissen Sie eigentlich, dass Standard & Poor’s auch FlowTex geratet hat?
Wissen Sie weiter, dass FlowTex das gleiche Rating erhalten hat wie Daimler-Chrysler? Herzlichen Glückwunsch!
Um meine Ausführungen zum Thema Haushalt zusammenzufassen, meine Damen und Herren: Das, worüber wir hier verhandeln, ist also die Wüste, ein staubtrockener, ausgemosteter Haushalt. Aber die Rettung naht. Es gibt ja noch das „Sparkässle“ Landesstiftung. Je trockener der Haushalt wird, desto erfreulicher plätschern die Brunnen der „Oase“ Landesstiftung. Ja, man kann im Haushalt sogar noch mehr kürzen als üblich, weil man die Kürzungen über die Stiftung wieder auffangen kann.
Meine Damen und Herren, die Landesstiftung erweist sich immer mehr als ein klassischer Schattenhaushalt. Schattenhaushalte – das muss uns hier alle interessieren – entziehen sich der parlamentarischen Kontrolle. Von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit keine Spur, von einem geregelten Beratungsverfahren natürlich ebenfalls nicht. Dabei entsteht eine ganz merkwürdige Vermischung zwischen Politik der Landesregierung und Projekten der Stiftung, eine Vermischung, die für die Öffentlichkeit nicht mehr durchschaubar ist.
Dieses Problem, meine Damen und Herren, teilt die Landesstiftung übrigens mit anderen Schattenhaushalten, die es ebenfalls gibt. Bei der Finanzierung von öffentlichen Vorhaben des Landes Baden-Württemberg – für Baumaßnahmen der LEG – sind inzwischen zusätzliche öffentliche Schulden in Höhe von fast 350 Millionen Euro aufgelaufen, für die das Land im Haushalt die Zinsen zu tragen hat. Hinzu kommt – damit schmücken Sie sich auch noch, das heften Sie sich auch noch ans Revers – mit dem neuen Sonderprogramm Straßenbau, das die Landesbank auflegt, ein weiterer Schattenhaushalt, wofür das Land die Vorfinanzierung – das heißt Zins und Tilgung – innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erstatten hat.
Die Landesstiftung – das räume ich ein – hat zwar keine Schulden. Bei ihr kommt aber ein ganz anderes Problem hinzu, und dieses Problem ist gravierend.
Die Hypothek der so genannten steuerunschädlichen Konstruktion, auf die Sie am Anfang so stolz waren – nämlich dass alle Projekte der Zukunftsoffensive den strengen Kriterien der Gemeinnützigkeit genügen müssen, dass damit keine Landesaufgaben finanziert werden dürfen und dass diese Projekte auch noch neu sein müssen –, führt zu einem gravierenden, veritablen Problem, Herr Finanzminister. So, wie Sie sich hier letzte Woche bei diesem Punkt gewunden haben, so unwohl, wie Sie sich dabei gefühlt haben: Da haben Sie mir schon beinahe Leid getan.
Ich gebe zu: Das klingt jetzt ein bisschen besserwisserisch. Aber wir haben Sie tatsächlich seit zwei Jahren wiederholt gewarnt. Sie haben alle Warnungen in den Wind geschlagen. Dabei wird immer klarer, dass man diese Fehlkonstruktion hätte vermeiden können, wenn man mit der konkreten Veräußerung der EnBW-Anteile bis 2002 gewartet hätte. Dann wäre der Erlös steuerfrei gewesen, dann hätte man viele Schulden zurückzahlen können und mit den Zinserlösen jedes Jahr viel Sinnvolles machen können.
Aber nein!
Stattdessen wollte man – wie der Mittelständler, der Steuern sparen will und zum Steuerberater geht – einfach Steuern sparen auf Teufel komm raus. Aus dem großen Murks der Landesholding, den Späth angerichtet hatte, wird jetzt der noch größere Murks der Landesstiftung. Über die Gemeinnützigkeit jedes einzelnen Projekts entscheidet das Finanzministerium. Das heißt aber, konkret gesprochen, nichts anderes, als dass das Finanzministerium zum konzeptionellen Kern der Regierungsarbeit wird, weil bei der Frage der Gemeinnützigkeit über die Richtung des politischen Handelns entschieden wird, und das geht nicht.
250 Millionen DM, sagten Sie letzte Woche, sind dabei akut gefährdet, nicht als gemeinnützig anerkannt zu werden. Diese wollen Sie dann im Haushalt mitfinanzieren. „Prost, Mahlzeit!“ kann man da nur sagen.
„Tod in der Grauzone“ hieß ein Buch, das vor 20 Jahren Furore gemacht hat. Die Geschichte Ihrer Landesstiftung, das kann ich Ihnen sagen, bietet sich geradezu als zweiter Teil dieses Werks an.
Herr Finanzminister, ich will Ihnen aber eines sagen: Wir bieten Ihnen die Mitarbeit an. Nach unseren Recherchen gibt es einen Ausweg. Es besteht nämlich sehr wohl die Möglichkeit, die Landesstiftung aufzulösen, also nicht nur rein juristisch mit 75 % Mehrheit, sondern so, dass es steuerpolitisch auch Sinn macht. Damit wäre dann gesichert, dass bei einer möglichen Veräußerung wenigstens die restlichen Beteiligungen der Stiftung ohne Restriktionen zu verwenden wären.
Bei einer solchen Lösung wären lediglich – das ist klar, weil dieser Fehler eben gemacht wurde – erstens die Erlöse aus dem Verkauf der EnBW-Anteile und zweitens der Wertzuwachs der Beteiligungen zwischen dem Zeitpunkt der Gründung der Landesstiftung und deren Auflösung weiterhin gemeinnützig zu verwenden. Mit dem Rest – das ist entscheidend –, den ganzen anderen Beteiligungen, könnte man dann neu anfangen und hätte nicht mehr den Murks am Hals, wie Sie ihn jetzt am Hals haben.
Ich fordere Sie auf, Herr Finanzminister, diese Möglichkeit ernsthaft zu prüfen. Ich versichere Ihnen schon jetzt: Wenn Sie diesen Weg gehen, werden wir ihn mittragen.
Jetzt zu dem, was der Herr Ministerpräsident vor einem halben Jahr in seiner Regierungserklärung so vollmundig angekündigt hat. Sie haben gesagt: „Wir schaffen die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Baden-Württemberg 2020.“ Da muss man einfach feststellen: Sie werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht.
Die Schwerpunkte, die wir im Haushalt setzen wollen, kommen bei Ihnen gar nicht oder nur rudimentär vor. Im Klimaschutz, in der Energie- und der Naturschutzpolitik glatte Fehlanzeige. In der Kinderbetreuung – darauf wurde schon hingewiesen –, bei den Familien, bei vorwärts weisenden Schulprojekten ebenfalls glatte Fehlanzeige.
Es ist ja schon ein Running Gag, meine Damen und Herren: Der Rücktritt von Umwelt- und Verkehrsminister Müller ist nicht nur wegen Philippsburg und Herrn Keil schon längst fällig, sondern auch weil er für die Umwelt zuständig ist – das weiß hier gar keiner mehr –
und dort unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze agiert. Das wäre der eigentliche Grund für einen Rücktritt.
Man könnte fast kalauern, dass er nicht nur keine Ziele formuliert, sondern auch noch unfähig ist, sie umzusetzen.
Ein einziges Mal hat er ein Ziel formuliert: in dem vor einem Jahr verabschiedeten Landesumweltplan. Dort wollte er noch die Verdoppelung des Anteils regenerativer Energieträger sowohl beim Primärenergieaufkommen als auch bei der Stromerzeugung bis zum Jahr 2010.
Dort wollte er noch die Reduzierung der klimarelevanten CO2-Emissionen von derzeit 77 Millionen Tonnen im Jahr auf unter 65 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2010. Was ist herausgekommen? Von beiden Zielen haben Sie sich zwar noch nicht verbal, aber politisch völlig – ich wiederhole: politisch völlig – verabschiedet. Keine Mark im Haushalt, keine Mark von Ihnen, Herr Finanzminister, kein Wort von Ihnen, Herr Oettinger, kein Wort von Ihnen, Herr Pfister.
Für die regenerativen Energien, für die ressortmäßig ja nicht der Umweltminister, sondern Herr Döring zuständig ist,
gab es im Jahr 2000 noch 9 Millionen DM, im Doppelhaushalt sind es jetzt noch 6 Millionen DM im Jahr. Man kann sagen: Es geht voran; noch zwei Jahre, dann sind wir auf null. Vielleicht wäre es sogar ehrlicher, diese Mittel ganz zu streichen.
Übrigens, nur zum Vergleich – Sie haben ja auch mit Zahlen aus NRW hantiert, Herr Oettinger –: Im gleichen Jahr 2000, wo es hier 9 Millionen DM gab, gab es in Bayern 58 Millionen DM und in NRW 92 Millionen DM. Wenn Sie die Forschung für die Solarenergie feiern, muss man einfach feststellen, dass die Solarenergie als Fördertatbestand bei Ihnen quasi überhaupt nicht mehr vorkommt. „Da tut der Bund ja genug“, werden Sie sagen. Und die Windenergie wird von Ihnen aktiv verhindert wie in keinem anderen Bundesland. Das sind die Tatsachen.
Alles, aber auch restlos alles, was sich dann doch in Baden-Württemberg im Bereich regenerativer Energien tut, ist von der Bundesregierung angestoßen.
Herr Döring hat gesagt: Wir finanzieren doch nicht dem Oberstudienrat noch seine Solaranlage auf dem Dach. Das hat der Ex-Oberstudienrat Döring gesagt.
Nach der Methode „Wenns der Bund finanziert, brauchen wir nichts zu machen“ scheint hier der ganze Haushalt gestrickt zu sein. Dabei ist es doch ganz anders. Allein durch das 100 000-Dächer-Programm sind in den letzten drei Jahren ca. 300 Millionen DM nach Baden-Württemberg geflossen und aus dem Marktanreizprogramm „Regenerative Energien“ nochmals ca. 70 Millionen DM. Das ist nicht
nur für diejenigen schön, die investiert haben, sondern – jetzt kommt es, Sie Obermittelstandsförderer – damit werden Milliardeninvestitionen für den Mittelstand und damit für Arbeitsplätze in Baden-Württemberg ausgelöst. Das ist die Wahrheit.