Andreas Hoffmann

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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass es der Tourismus in fünf Jahren endlich geschafft hat, einmal auf Punkt 2 der Tagesordnung einer Plenarsitzung des Landtags zu kommen.
Die touristischen Ziele haben wir bisher immer nachmittags besprochen. Das ist ein großer Fehler, denn die touristischen Zahlen sprechen für sich. Kollege Drautz hat schon einige erwähnt. Ich möchte hierzu einige Zahlen ergänzen.
Wir setzen in Baden-Württemberg in der Tourismusbranche 7 Milliarden € im Jahr um. Davon entfallen knapp 3 Milliarden € allein auf die Heilbäder. Und was viele nicht wissen: Wir haben in Baden-Württemberg im Jahr 5,2 Millionen Übernachtungen von Gästen bei Freunden und Verwandten, Übernachtungen, die nicht in die öffentlichen Statistiken eingeflossen sind. Das geht aus einem neuen Gutachten des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e. V. hervor. Jeder Tagestourist lässt immerhin auch 21 € in unserem Land. Ich glaube, dass das eine beachtliche Zahl ist. Wenn man von einem Gesamtumsatz von 7 Milliarden € ausgeht, muss man sagen, dass es kaum eine andere Branche gibt, die seit Jahren kontinuierlich solche Zahlen schreibt.
Die Tourismusbranche kann sich sehen lassen. Sie ist aber auch eine Branche, mit der man sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen kann, mit der Staat zu machen ist. Ich will ein Beispiel nennen: 57 Michelin-Sterne für gute Gastronomie schweben am kulinarischen Himmel unseres Landes.
Das ist eine Auszeichnung, die man gar nicht hoch genug bewerten kann.
Baden-Württemberg verdankt sein positives Image neben der Imagekampagne auch der Mund-zu-Mund-Werbung von Menschen, die unser Land in ihrem Urlaub kennen gelernt haben. Ich will an dieser Stelle den Verantwortlichen ganz herzlich danken: dem DEHOGA, aber auch unserer Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg, die seit vielen Jahren jedes Jahr neu die Herausforderungen des Tourismus annehmen.
Danke.
Trotz aller genannten Daten ist es eine Tatsache, dass wir im baden-württembergischen Tourismus auch Probleme ha
ben, über die wir reden müssen, die uns zu schaffen machen und die wir lösen müssen. Ich will einige Punkte nennen.
Erstens: Unser Inlandstourismus konkurriert in der Hauptsaison mit Tourismuszielen am Mittelmeer, mit der Türkei, mit den Kanaren und mit Spanien.
Unser zweites Problem: Unsere Gäste werden älter. Wir haben erhebliche Probleme, jüngere Gäste und Familien, also die Touristen von morgen, an uns zu binden.
Drittens: Die Kaufzurückhaltung der letzten Jahre – auch bedingt durch 5 Millionen arbeitslose Menschen – hat dazu geführt, dass auch die Tourismusbranche in Baden-Württemberg gelitten hat. Man geht weniger oft in Urlaub, und wenn man in Urlaub geht, gibt man in dieser Zeit weniger Geld aus.
Viertens: Unsere Heilbäder – ein ganz besonders wichtiger Teil für Baden-Württemberg, das Bäderland Nummer 1 – spüren einen deutlichen Rückgang bei den Reha-Angeboten für Arbeitnehmer. Das ist nicht nur auf die Arbeitnehmer selbst, sondern auch auf den notorischen Geldmangel in der Sozialversicherung zurückzuführen. Hier wird an der falschen Stelle gespart. Eine verschobene Reha-Maßnahme kostet nachher nicht nur mehr Geld, sondern wir leisten damit auch den Erkrankten einen sehr schlechten Dienst. Wir sollten alles daransetzen, auch die Leistungsverweigerung – ich will dieses Wort in den Mund nehmen – einzelner Leistungsträger zu beseitigen und Rehabilitationsmaßnahmen wieder anzukurbeln.
Fünftens: Wir erleben im Moment eine dramatische Entwicklung beim Generationenwechsel im Tourismus. Töchter und Söhne von Hoteliers und Gastwirten überlegen es sich gut, ob es sich noch lohnt, den Betrieb der Eltern zu übernehmen. Viele Betriebe haben in den letzten Jahren von der Substanz gelebt. Es wurde nicht mehr investiert. Wenn jetzt die nächste Generation einen Betrieb übernehmen soll, sind in der Regel hohe Neuinvestitionen notwendig. Hier stoßen die Unternehmer, die einen Betrieb übernehmen wollen, bei den Banken oft auf verschlossene Türen. Der Tourismus hat kein gutes Rating. Basel II ist eine Todesfalle für viele Familienbetriebe in der Übernahmephase. Es gibt in Baden-Württemberg schon heute Orte, in denen genauso viele Gasthöfe und Hotels geschlossen wie geöffnet sind. In solche Touristenorte, in denen die Touristiker selber nach und nach nicht mehr teilnehmen, kommen anschließend auch die Touristen nicht mehr.
Wir müssen im Tourismus neue Wege gehen. Wir müssen in Baden-Württemberg auch neue Zielgruppen erschließen. Wir dürfen die bisherigen Gruppen nicht vernachlässigen. Aber wir brauchen dringend auch eine Besinnung, wie wir künftig neue Gruppen von Touristen an dieses Land binden. Auf diese Punkte will ich in der zweiten Runde eingehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich einem Mann danken, der im Moment nicht im Saal sitzt, aber der heute seinen letzten Tag in diesem hohen Haus hat, nämlich Herrn Walter Döring, der über viele Jahre hinweg sehr viel für den Tourismus in Baden-Württemberg getan hat.
Man hat ein bisschen den Eindruck, als ob die Aktuelle Debatte heute zu Wahlkampfzwecken missbraucht wird, zumindest was die Mehrwertsteuerdiskussion betrifft.
Ich glaube, hier im Raum gibt es niemanden, der sich eine Mehrwertsteuererhöhung wünscht. Die Mehrwertsteuererhöhung ist kein Selbstzweck. Sie ist nur dann ein Selbstzweck, wenn man zu erwähnen vergisst, warum diese Mehrwertsteuererhöhung Beschlusslage ist: damit nachher
ein Konjunkturprogramm geschaffen wird, das neue Stellen schafft,
Arbeitslosigkeit verringert und dann natürlich auch dem Tourismus zugute kommt.
Ich möchte den sehen, der schon heute verlässlich sagen kann, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auswirkt. Es gibt niemanden. Wir haben doch auch keine Lust, die Mehrwertsteuer zu erhöhen.
Ich will aber dem Tourismus ein Angebot machen. Das Land Baden-Württemberg hat sehr wohl eigene Möglichkeiten, dem Tourismus und auch den Arbeitsplätzen in der Tourismusindustrie zu dienen. Günther Oettinger hat im Kabinett die Beschlussvorlage eingebracht, das Kombilohnmodell in Baden-Württemberg einzuführen – immerhin 25 Millionen €. Es gibt keine Branche, in der es bessere Chancen gibt, dieses Kombilohnmodell anzunehmen, als den Tourismus. Dadurch werden Arbeitsplätze erhalten und gefördert. Ich glaube, das ist ein Programm, das sich für den Tourismus sehr positiv auswirken kann.
Ich habe vorhin über neue Zielgruppen gesprochen. Die CDU hat in den letzten fünf Jahren in Baden-Württemberg zwei Jugendtourismustage durchgeführt, die sehr viel Aufmerksamkeit gefunden haben. Der junge Tourist zwischen 16 und 24 Jahren ist ein qualitätsbewusster Tourist. Junge Touristen sind bereit, für gute Qualität auch gutes Geld auszugeben. Nach einer Studie der deutschen Tourismuswirtschaft gibt der junge Tourist bis 24 Jahre im Jahr 814 € für Reisen aus. Die gesamte restliche Altersgruppe von 25 bis 100 Jahren gibt im Durchschnitt gerade einmal 4 € mehr aus, obwohl sie über ein Mehrfaches an Einkommen verfügt. Wir müssen diese junge Altersgruppe mehr an unser Land binden, nicht im Haupturlaub – das ist unrealistisch –, aber bei den Kurzreisen, die immerhin in diesem Alterssegment zwischen zwei- und dreimal im Jahr durchgeführt werden.
Ich will Sie auf den Südwestrundfunk aufmerksam machen. Bei SWR 3 läuft fast wöchentlich die interessante Sendung „Elch und weg“. Da werden ganze Flugzeuge voller junger Menschen in alle Tourismusregionen dieser Erde geflogen, es wird Radiowerbung für diese Tourismusgebiete gemacht; das ist Auslandswerbung pur. Ich appelliere an den SWR und an unsere Rundfunkräte, an die Verantwortlichen, auch einmal eine Veranstaltung anzubieten, die nicht „Elch und weg“, sondern „Elch und hier“ heißt, und unseren jungen Leuten in Baden-Württemberg auch einmal Baden-Württemberg als Reiseziel zu zeigen. Das wäre sehr sinnvoll.
Ich will ein Beispiel nennen, wie man Tourismus fördern kann – ein ganz einfaches Beispiel, das zu unserem Land passt –: Uns stehen Tourismusinfrastrukturmittel zur Verfü
gung. Ich würde vorschlagen, dass wir überlegen, ob wir nicht irgendwo im Schwarzwald, wo es sich anbietet, ein Blockhüttendorf für junge Familien, für junge Leute einrichten. Wir haben dafür die Landschaft, wir haben das Holz in dieser Landschaft, und wir haben Wasser; Wasser spielt bei Tourismus eine wichtige Rolle. Es ist alles Notwendige vorhanden. 1 Million € sind im Förderprogramm für „jungen Tourismus“ reserviert. Ich kann nur an die Verantwortlichen appellieren: Rufen Sie diese 1 Million € an Fördermitteln ab! Wir brauchen dieses Segment für Familien und Junge. Wenn jemand in seiner Kindheit, in seiner Jugend ein Tourismusziel kennen gelernt hat – das kennen wir doch von uns selber –, dann sucht er doch nach der Familiengründung auch wieder einmal diese Ziele auf. Das müssen wir fördern. Das wird im Moment viel zu wenig gefördert.
Ich freue mich, lieber Herr Pfister, dass Sie das Thema Städtebausanierung erwähnt haben. Da haben Sie meine Unterstützung. Zum Thema ELR muss ich Ihnen allerdings den Rat geben: Darüber müssen wir reden.
Wir haben nicht nur Freunde beim Thema „Städtebausanierung für den Tourismus“. Ich will Sie auffordern: Reden Sie als Wirtschaftsminister bitte mit dem Städtetag und dem Gemeindetag, die diese Idee nicht sehr lustig finden. Als Tourismuspolitiker stimme ich Ihrem Vorschlag zur Städtebausanierung aus voller Überzeugung zu. Beim ELR sehe ich es ein bisschen differenzierter. Das ELR ist ein anderes Programm mit völlig anderen Zielen.
Ich will einen letzten Vorschlag machen: Es gibt große Firmen in Deutschland, die ihren Mitarbeitern ein Sonderprogramm zum Fitbleiben anbieten. Mit wenigen Tagen Sonderurlaub und einer Fitnesspauschale führen große deutsche Unternehmen für ihre Mitarbeiterschaften Rehabilitationsund Präventionsmaßnahmen ein. Da kann man die Deutsche Lufthansa erwähnen. Was spricht eigentlich dagegen, dass das Land Baden-Württemberg als Arbeitgeber einer großen Mitarbeiterschar – 130 000 Lehrer, 32 000 Polizeibeamte und viele mehr – auch einmal darüber nachdenkt, ob es nach der Föderalismusdebatte, wenn uns diese Möglichkeiten zuwachsen, seinen Mitarbeitern ein solches Präventionsprogramm angedeihen lässt? Ein solches Programm würde nicht nur dazu führen, dass unsere Mitarbeiter seltener krank sind und eine längere Lebensarbeitszeit absolvieren können, sondern würde auch unseren 57 Heilbäderstandorten einen erheblichen Zuwachs an neuen Kunden bringen.
Ich halte diesen Gedanken, der hier eingebracht wird, für richtig.
Ich will schließen mit dem Wunsch, dass der Tourismus in der neuen Legislaturperiode mit neuen Ideen ebenso an prominenter Stelle im Landtag besprochen werden kann, wie wir heute den Landtag beenden.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Lösch, ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen. In Ihrem Gesetzentwurf steht, dass die Kopftuchträgerin anzuhören ist. Gestern haben wir von Ihrem Fraktionsvorsitzenden gehört, dass es keine Gesinnungsanhörung geben darf. In Ihrem Antrag steht aber, sie sei anzuhören. Welche Fragen gedenken Sie denn einer Kopftuchträgerin zu stellen, wenn Sie sie anhören?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich stimmen wir auch diesem Gesetz zu. Ein zweiter Satz muss aber erlaubt sein. Ich habe Blankoorganspendeausweise dabei. Wenn jemand heute Abend noch welche braucht,
kann er sie bei mir abholen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir unterhalten uns heute zwar nicht gerade über eine brandaktuelle Große Anfrage der SPD, denn sie stammt vom Januar 2004, aber das Thema ist bedeutsamer, als es die Position der Debatte in der Tagesordnung vermuten lässt.
Es ist tatsächlich so, dass die Zahl psychisch Kranker ansteigt. Dies ist wohl allerdings mehr ein gesellschaftliches Problem als eine Frage der Organisation der richtigen Therapie dieser Erkrankungsformen. Die zunehmende Zahl psychisch Kranker ist auch ein Ausdruck der Überforderung der Menschen im Beruf, in der Schule und in der Partnerschaft.
Die Depression nimmt hierbei eine besondere Rolle ein, denn dieser Bereich weist die höchste Steigerungsrate auf. Wenn sich heute Menschen jeden Tag Gedanken darüber machen müssen, ob sie ihren Arbeitsplatz behalten, wie sie ihre Miete zahlen sollen und wie ihre Zukunft aussieht, dann hat das auch etwas mit Ängsten zu tun, die bei den Bürgerinnen und Bürgern psychische Erkrankungen fördern. Laut Psychologieprofessor Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden haben zunehmend mehr Menschen ernsthafte Probleme, mit den Phänomenen einer globalisierten Welt zurechtzukommen: „Permanenter Kampf am Arbeitsmarkt, Angst um Jobverlust, hohe Arbeitslosigkeit und das Zerbrechen sozialer Bindungen machen die Leute krank.“ Hätten die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Zukunft, Vertrauen in die, die politisch handeln, dann hätten wir meines Erachtens sicherlich eine ganze Menge überforderungsbedingter Erkrankungen nicht. Die zukunftslose Politik in Berlin hat sicherlich nicht eben zur Reduzierung der psychischen Erkrankungen geführt.
Die Bundesregierung hat es ja gut gemeint mit den psychisch Kranken – ich sage das in vollem Ernst –: Es wurde versucht, die Behandlung und die Betreuung dieser Menschen durch einige Gesetzesänderungen zu verbessern. Begonnen hat dies mit der Einführung der Soziotherapie im Jahr 2002. Gleichzeitig erfolgte die Ausweitung der Institutsambulanzen. Anschließend folgte die Neufassung des SGB IX, das die Rehabilitation auf neue Beine stellen sollte. Und jetzt am 1. Juli 2005 tritt die häusliche Krankenpflege für psychisch Kranke in Kraft.
Das alles sind für sich betrachtet durchaus diskutable Ansätze, wie man der Situation dieser Menschen gerecht werden kann, vor allem wie ein vernünftiger Therapie- und Betreuungsansatz aussehen könnte. Der Pferdefuß dieser ganzen Bestimmungen ist nur, dass sie nicht, aber auch gar nicht aufeinander abgestimmt sind. Alle genannten Punkte stehen für sich allein im Raum, und der Patient kann schau
en, wie er klarkommt. Und gerade diese Patienten haben krankheitsbedingt die größte Mühe, sich im Dschungel dieser Bestimmungen überhaupt zurechtzufinden. Bei uns blüht ein Wirrwarr von Parallel- und Mehrfachangeboten. Es gibt Patienten, die unter- oder sogar gar nicht versorgt sind. Es gibt andere, die mehrere Leistungen zeitgleich in Anspruch nehmen, ohne, dass dies jemanden interessiert. Das ist gesundheitspolitisches Chaos à la Rot-Grün in Reinform. Alles ist gut gemeint, in Umsetzung und Wirkung aber miserabel.
Ganz dreist ist jetzt die Forderung, das Land solle doch ein Psychiatriegesetz in die Welt setzen. Sie müssen mir einmal vormachen, wie die Landespolitik mit diesem Chaos auf Bundesebene fertig werden soll. Wir könnten ein Landesgesetz gar nicht so schnell anpassen, wie sie sich in Berlin bisher Neuregelungen haben einfallen lassen.
Baden-Württemberg ist einen eigenen Weg gegangen und hat schon vor etlichen Jahren den Landespsychiatrieplan ins Leben gerufen. In diese Planung werden alle Akteure und vor allem die Betroffenen und deren Angehörige eingebunden. Der Plan wird ständig ergänzt und durch den Landesarbeitskreis Psychiatrie intensiv begleitet. Dieser Plan ist besser als jedes Gesetz. Er ist ein lernendes System, das in der Lage ist, Veränderungen unmittelbar aufzugreifen. Wer weiß heute, welches Gesicht und welches Gewicht die einzelnen Versorgungselemente in zwei oder fünf Jahren haben werden? Auf diese Fragen müssen wir nicht nur flexibel reagieren. Wir müssen sie uns immer wieder gemeinsam stellen und Lösungen finden.
Ein Landespsychiatriegesetz würde uns diese Flexibilität nehmen. Es dauert zu lange und es ist viel zu umständlich, in einer sich dynamisch verändernden Krankheitsform und deren sich ebenfalls stets verändernden Anforderungen an Diagnostik, Therapie und Betreuung jedes Mal erst das Gesetz ändern zu müssen. Noch dazu sind viele eben genannten Komponenten gar nicht Länder-, sondern Bundesangelegenheit. Wir können hier in Baden-Württemberg das Sozialgesetzbuch leider nicht selbst ändern.
Wie schlecht bundesgesetzliche Regelungen wirken können, haben wir in Baden-Württemberg bei den Sozialpsychiatrischen Diensten gesehen. Mit der Einführung der Soziotherapie sind die Kassen aus der Pauschalfinanzierung der Dienste ausgestiegen, um keine Doppelleistungen erbringen zu müssen. Leider deckt aber die Soziotherapie nur die Neupatienten sinnvoll ab. Die Bundesregierung hat hier die Dauerpatienten schlicht vergessen und ungewollt eine Behandlungsverschlechterung herbeigeführt, da die Dienste für diese Patienten plötzlich weniger Zeit zur Verfügung hatten.
Unser Weg ist ein anderer. Wir setzen auf eine gemeindenahe Versorgung der Kranken, ergänzt durch ambulante Therapien, eine Betreuung durch die der stationären Behandlung vorgelagerten Institutsambulanzen und dann im stationären Bereich durch unsere psychiatrischen Einrichtungen. Diese Angebote werden ergänzt durch die gemeindepsychiatrischen Dienste, die eine Betreuung vornehmen und den Kranken im Alltagsleben helfen. Das Land fördert über 200 Stellen in ganz Baden-Württemberg, obwohl es sich dem Grunde nach um eine rein kommunale Aufgabe handelt.
Die Weiterentwicklung unseres Weges ist bereits eingeleitet. Bislang wurde auf eine freiwillige Zusammenarbeit im Rahmen eines gemeindepsychiatrischen Verbunds der verschiedenen Leistungsträger gesetzt. Ab dem nächsten Haushaltsjahr werden nur noch dort Landesmittel hinfließen, wo sich verbindlich und am Wohle des Patienten ausgerichtete gemeindepsychiatrische Zentren etablieren. Es wird eine Straffung der Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten und deren Angehörigen geben. In diesen gemeindepsychiatrischen Zentren bringen wir dann auch die Leistungen unter, die man sich in Berlin ausgedacht hat, allerdings in einer sinnvollen Abstufung und in einer funktionsfähigen Patientensteuerung.
Eine wichtige Aufgabe der Zukunft ist die Frage, wie wir den ambulanten Teil der Behandlung besser ins Geschehen einbinden können. Dieser Bereich entzieht sich unserem Landeszugriff, darf aber künftig bei der Steuerung nicht außer Acht bleiben.
Fazit: Baden-Württemberg ist – wie fast immer – besser aufgestellt, hat die intelligenteren Ansätze und die bessere und flexiblere Versorgung der Patienten. Unsere Opposition hat dies – auch wie fast immer – leider bislang nicht erkannt.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Abend. Möge er ohne eine Depression verlaufen, wie sie Sie von der Opposition sicherlich nach dem 18. September befallen wird.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollten wir uns nicht mehr zu Wort melden. Aber bei einigen Ausführungen, besonders denen von Frau Wonnay, platzt einem schier der Kragen.
Liebe Frau Wonnay, ich weiß, was Sie mit Ihren Ausführungen vorhin in beruflicher Hinsicht geleistet haben: „75 000 Kinder verlassen ohne notwendige deutsche Sprachkenntnisse den Kindergarten.“ Damit beleidigen Sie eigentlich den kompletten Berufsstand der Erzieherinnen.
Ja, ich weiß, dass das weh tut. Das muss man halt auch einmal ertragen.
In der Ausbildung der Erzieherinnen ist das Thema Sprachausbildung ein ganz wichtiger Bestandteil.
Nein, liebe Frau Wonnay. Das ist nicht so.
Jetzt will ich einmal einen weiteren Satz von Ihnen zitieren. Sie haben vorhin gesagt, der Kindergarten sei der Ort, der diese Dinge nachholen solle. Sie bezeichnen den Kindergarten als die Reparaturwerkstatt für gesellschaftspolitische Probleme. Was ist denn eigentlich mit den vielen Kindern, die nicht deshalb ein Sprachproblem haben, weil sie Ausländerkinder sind oder weil sie vielleicht Wortschatzprobleme haben, sondern die schlicht und ergreifend einen Logopäden oder eine Logopädin brauchen? Ihr Konzept umfasst nur Kinder, die nach Ihren ideologischen Vorstellungen betreut werden sollen.
Nein. Sie haben eine völlig abstruse Vorstellung.
Nächstes Thema sind die Ausbaumittel. Sowohl Frau Lösch als auch Frau Wonnay fordern massive Ausbaumittel. Unabhängig davon, dass es unverantwortlich ist, weiterhin in die Verschuldung zu gehen, frage ich: Was ist denn eigentlich mit Hartz IV? Im Tagesbetreuungsgesetz der Bundesregierung steht drin,
dass die Kommunen die eingesparten Mittel zum Ausbau der Kinderbetreuung nehmen sollen. Sie glauben ja selbst nicht an Hartz IV, sonst würden Sie keine Landesmittel verlangen. Das kann doch nicht wahr sein!
Wenn Hartz IV wirkte, hätten die Kommunen Geld übrig.
Sie können nicht daran glauben, dass das so ist. Deswegen fordern Sie Landesmittel, aus keinem anderen Grund.
Nächstes Thema: Sie haben vorhin gesagt, es seien nur noch für 160 Kinder Mittel aus der 15-Millionen-€-Offensive „Kinderland Baden-Württemberg“ im Landeshaushalt übrig. Das ist die nächste Verdrehung der Tatsachen.
Warum sind die 160 Plätze noch übrig? Weil in den letzten zwei Jahren nicht genug Anträge gestellt worden sind.
Im Übrigen hat der Ministerpräsident dieses Landes, und zwar der amtierende, bei der Verabschiedung der 15 Millionen € bestätigt, dass es keine Grenze nach oben gibt. Die Dinge werden befriedigt. Jede Gruppe, die einen Antrag stellt, bekommt auch ihre Bewilligung.
Meiner Meinung nach verkennen Sie völlig die Lage der Familien. Sie kennen die neuesten Informationen des Deutschen Familienverbands, wonach nur 9 % der Familien sagen: „Wir haben ein Problem bei der Kinderbetreuung.“ Das Thema Kinderbetreuung steht an vierter Stelle aller Bedürfnisse bei den Familien. Ganz vorn steht etwas ganz anderes, nämlich die Familien stärken und die Familien direkt finanziell unterstützen. Aber da hat unsere Opposition familienpolitisch leider nur eine Nulllösung zu bieten und nicht mehr.
Da kommt gar nichts. Stärkung der Familien: null!
Das Einzige, was Sie bringen, ist: Streicht das Landeserziehungsgeld. Sie streichen die einzige Leistung, die direkt den Familien dient. Damit liegen Sie völlig konträr zu dem, was den Familien eigentlich dient.
Themenwechsel: Frauenhäuser. Liebe Frau Lösch, die Investitionskürzungen bei Frauenhäusern beziehen sich auf bauliche Maßnahmen. Unsere Frauenhäuser haben im Moment ein ganz anderes Problem. Sie haben nämlich ein Problem mit Hartz IV. Sie bekommen keine Gelder mehr, weil die Zuständigkeit in Hartz IV nicht vernünftig geregelt worden ist. Fragen Sie bitte einmal herum, was unsere Frauenhäuser im Moment umtreibt. Das ist nicht die Finanzierung neuer Möbel und neuer Einbauten, sondern die tatsächliche Finanzierung der aktuellen Situation.
Wir haben im Gesetz keine Regelung über den Herkunftslandkreis. Das führt dazu, dass sich die Landkreise aus der Finanzierung ausblenden, und zwar bundesweit, und dass die Frauen heute zu zwei verschiedenen Agenturen für Arbeit laufen müssen,
um zu klären, wo sie ihre Ansprüche auf ALG II geltend machen müssen.
Herr Clement hat eine einzige Sache geregelt. Er hat geschrieben, er empfehle, dass die Frauen zum künftigen Frauenhausort gehen könnten. Aber über eine Empfehlung ist das nicht hinausgegangen. Die Folge dieser Politik des Bundes ist, dass alle Frauenhäuser mit Ablauf des 28. Fe
bruar 2005 vor einem Liquiditätsproblem stehen. Das ist aber kein Landesproblem, sondern ein Bundesproblem, und das können Sie prima in Berlin vorbringen, aber nicht im Landtag von Baden-Württemberg.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns bereits am 28. Juli dieses Jahres mit dem Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung auseinander gesetzt. Schon bei der damaligen Debatte hat die CDU-Fraktion klargestellt, dass die geplanten Änderungen, die vordringlich die Frage der Barrierefreiheit umfassen, einen Kompromiss darstellen. Zum einen versucht der Gesetzentwurf, dem berechtigten Wunsch behinderter Menschen, am öffentlichen Leben teilzuhaben und in Selbstbestimmung leben zu können, gerecht zu werden. Zum anderen behält er aber die tatsächliche Machbarkeit und auch die finanzielle Machbarkeit im Auge.
Dass dieses Gesetz aus Sicht der Behindertenverbände noch weiter gehen könnte, liegt in der Natur der Sache. Die Einführung von mehr vor Ort entscheidbarer Flexibilität geht dafür der Immobilienwirtschaft noch nicht weit genug. Wenn aber, wie wir das vorhaben, ab 1. Januar 2008 beim Bau von Wohngebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei zugänglich sein sollen, geht das der Immobilienwirtschaft wiederum zu weit.
Wenn die einen sagen, das Gesetz regle zu wenig, und die anderen sagen, das Gesetz regle zu viel, scheinen wir mit unserer Gesetzesänderung genau in der Mitte der unterschiedlichen Standpunkte angelangt zu sein. Gesetze, die in der Mitte landen, decken in der Regel die Interessen breit ab und stehen dann unter diesem Vorzeichen im Ruf, das Zeug zu einem guten Gesetz zu haben.
Sicherlich wäre es wünschenswert, wenn zukünftig nicht nur der barrierefreie Zugang zur Selbstverständlichkeit, sondern auch die vollständig barrierefreie Nutzung von Gebäuden Standard würde. Es ist den Bauherren nicht verboten, die vollständige Barrierefreiheit bei Projekten umzusetzen. Ganz im Gegenteil, aus Sicht der CDU hat die bessere Berücksichtigung der Belange älterer und behinderter Bewohner sogar Vorteile. Bei steigendem Altersdurchschnitt der Bevölkerung und der Zunahme eines Bedarfs an entsprechend ausgestattetem Wohnraum tätigen die Bauherren aus unserer Sicht sogar eine sinnvolle Zukunftsinvestition, wenn sie freiwillig barrierefrei bauen. Sie sichern den Wert ihrer Immobilie besser, als das im Moment über ein Gesetz möglich sein kann.
Dass der Markt dafür vorhanden ist, zeigt die Tatsache, dass der Bevölkerungsanteil der älteren Generation heute bei knapp 23 % liegt und bis zum Jahr 2050 auf 36 % ansteigen wird. Wer heute in Neubauten 80er-Türen und -Duschwände einbaut, wird morgen Probleme haben, diese Wohnungen zu vermieten oder zu verkaufen. Aber wir brauchen keine Vorschriften, sondern das wird der Immobilienmarkt sehr gut allein anpassen.
In vielen Bereichen hat die Praxis gezeigt, dass einige der derzeitigen Anforderungen – besonders im kommunalen Bau, besonders bei öffentlichen Gebäuden, beim Einzelhandel – zu starr und zu unbeweglich sind und eher zu einer Ausgrenzung als zu einer Verbesserung für Ältere und Behinderte geführt haben. Es nutzt nichts, alle Fragen in einem Gesetz bis ins Detail zu klären, wenn anschießend ganze Vorhaben scheitern oder so unwirtschaftlich werden, dass sie nicht umgesetzt werden können.
Jetzt können wir Ausnahmen zulassen, und zwar dort, wo planerische und organisatorische Lösungen pragmatische Verbesserungen bringen. Wir ersetzen die starren Paragrafen durch pragmatische Lösungen und machen dadurch Entscheidungen direkt vor Ort möglich. Ich bin sicher, dass unser Innenminister den Behörden vor Ort, den Baubehörden vor Ort, den Landratsämtern klar machen wird, dass diese künftig ihren Spielraum ausnutzen müssen. Wir brauchen keine Vielzahl von neuen Präzedenzfällen, sondern pragmatische Lösungen. Ich glaube, unser Innenminister steht in seiner Person dafür, dass die Behörden das entsprechend umsetzen.
Ich will noch mit ein paar Worten auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD eingehen, der uns hier vorliegt. In
dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/3615-1, wird begehrt, man möge Toilette, Bad und Küche rollstuhlgerecht zugänglich machen. Die SPD wird es mir übel nehmen, aber ich sage es trotzdem: Die Formulierung in diesem Antrag zeigt schlicht die Unkenntnis der Situation von älteren und behinderten Menschen. Ich sage Ihnen auch, warum. Was heißt denn „rollstuhlgerecht zugänglich“? Inzwischen sind rund 300 verschiedene Rollstuhltypen am Markt vorhanden. Ich habe mir vorhin einmal ganz aktuell ein ganz normales Standardmodell herausgesucht: Das ist der MEYRA 1 406 – Insidern wird die Bezeichnung etwas sagen. Dieses Modell ist inzwischen in Breiten von 66 und 71 Zentimetern lieferbar. Die Rollstühle haben sich der heutigen Wohnungssituation angepasst und nicht umgekehrt. Der Markt ist vorhanden. Wir haben viele ältere Menschen, die darauf angewiesen sind. Bei dem genannten Modell handelt es sich aber um einen Straßenrollstuhl. In den Wohnungen setzen behinderte Menschen sehr oft leichtere Rollstühle ein, die noch schmaler und noch beweglicher sind, weil die großen Straßenmodelle nicht richtig gut handelbar sind für die Menschen, die sich selber fortbewegen wollen. Wir befinden uns also in einer völlig anderen Situation, als dies die SPD unterstellt.
Ich denke, der Antrag der Fraktion der SPD zeigt, dass sie sich mit dem Thema „Was brauchen eigentlich Ältere? Was brauchen eigentlich Behinderte?“ nicht so sehr im Detail auseinander gesetzt hat.
Für uns ist der vorliegende Gesetzentwurf ein guter Kompromiss, eine Abwägung verschiedener Interessen. Aus diesem Grunde stimmt die CDU dem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung ist das Ergebnis einer längeren und sehr ausgiebigen Beratung der Fraktionen im Landtag. Das Thema „barrierefreies Bauen, barrierefreie Zugänglichkeit“ resultiert aus dem berechtigten Wunsch behinderter Menschen, am öffentlichen Leben teilzuhaben und in Selbstbestimmung leben zu können.
Alle Fraktionen hatten Gelegenheit, im vergangenen Oktober hier im Landtag beim Tag der behinderten Menschen Betroffene kennen zu lernen. Wir haben über das Thema „barrierefreies Bauen“, zu dem es zwei Foren gab, breit diskutiert.
Der römische Geschichtsschreiber Livius Titus sagte einmal: „Kein Gesetz kann den Wünschen aller entsprechen. Wir müssen zufrieden sein, wenn es im Großen und Ganzen und der Mehrheit nützlich ist.“ So ist es auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der mehrere wichtige Aspekte beachten muss: zum einen das berechtigte Interesse von behinderten und älteren Menschen, zum anderen aber auch die Praxis, die zeigte, dass einige der derzeitigen Anforderungen zu starr und zu unbeweglich sind und eher zu einer Ausgrenzung als zu einer Verbesserung geführt haben. Es nutzt nichts, in einem Gesetz alle Fragen bis ins Detail zu klären, wenn anschließend ganze Vorhaben scheitern oder so unwirtschaftlich werden, dass eine Umsetzung unmöglich wird. Für uns von der CDU-Fraktion ist der vorliegende Gesetzentwurf ein guter Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen.
Im Bereich des § 39 der Landesbauordnung werden die Regelungen für öffentlich zugängliche Gebäude bzw. Immobilien im Wirtschaftsleben etwas gelockert, und den Baubehörden vor Ort wird eine erweiterte Einzelfallentscheidung zugetraut. Insbesondere können jetzt dort Ausnahmen zugelassen werden, wo anstelle baulicher planerische und organisatorische Maßnahmen eine uneingeschränkte Nutzung durch ältere und behinderte Menschen sicherstellen.
Die Baurechtsbehörden erhalten eine neue Verantwortung. Sie sind nah an den Fällen und können pragmatische Lösungen eher beurteilen und fördern. Jetzt habe ich eine Bitte an den neuen Innenminister. Lieber Herr Innenminister, bitte richten Sie ein Auge darauf, dass die Baurechtsbehörden diese Vorschriften auch tatsächlich großzügig auslegen und nicht alles in Stuttgart entschieden werden muss.
Im Bereich des allgemeinen Wohnungsbaus werden die Bedingungen zur Schaffung barrierefrei zugänglicher Wohnungen erheblich verbessert. Wer künftig mehr als sechs und ab dem 1. Januar 2009 mehr als vier Wohnungen baut,
muss für mindestens eine Etage einen barrierefreien Zugang schaffen.
Wir wissen – hier sind ja auch einige Sozialpolitiker anwesend –, dass sich die Behindertenverbände in vielen Fällen weiter gehende gesetzliche Regelungen wünschen würden, sehen auf der anderen Seite aber auch die ohnehin schon daniederliegende Bau- und Immobilienbranche und die Zurückhaltung bei den Bauinvestitionen.
Die jetzt gefundene Regelung ist ein wichtiger Einstieg und berücksichtigt ausgewogen die Interessen aller Beteiligten. Wir werden dem Gesetzentwurf daher nachher zustimmen. Ich möchte allerdings noch einige Anmerkungen machen.
Ich denke, dass wir das Thema „barrierefreies Bauen“ auch unter dem Aspekt der demografischen Entwicklung betrachten müssen. Ein wachsender Anteil älterer Menschen – ihr Anteil liegt heute bei 23 % und wird in einigen Jahren auf gut 36 % steigen – zeigt mir, dass wir in diesem Bereich eben nicht nur über gehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen sprechen, sondern auch über eine Bevölkerungsgruppe, deren Anteil im Steigen begriffen ist. Ich bin überzeugt, dass die älteren Menschen in zunehmendem Maß auch sicher sein wollen, dass sie im Fall einer altersbedingten Mobilitätseinschränkung möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben können. Für mich steht fest, dass bei den Neu- und Umbauten der Markt selbst eine Umorientierung erzwingen wird. Denn ein wachsender Anteil der genannten Bevölkerungsgruppe wird entsprechende Wohnungen nachfragen.
Jetzt ein ganz anderes Argument: Wohnungen, die für ältere Menschen geeignet sind, sind eigentlich auch für junge Familien ideal geeignet. Eine junge Familie, die eine Wohnung mit einer 90 Zentimeter breiten Tür bezieht, wird keine Probleme haben, ihren Kinderwagen durch die Tür zu bringen. Heute barrierefrei erreichbare Wohnungen für Familien zu bauen heißt also auch, den Bedarf an Wohnungen für ältere Menschen morgen entsprechend abzudecken.
Ich bin auch sicher – wir haben lange mit Vertretern der Architektenkammer in Stuttgart gesprochen –, dass barrierefreies Bauen, wenn es denn häufiger genutzt wird, dazu führt, dass die Umbaukosten nicht höher, sondern allenfalls genauso hoch sind wie die Kosten für das Bauen, wie es derzeit erfolgt. Jetzt liegt es an den Architekten, den Bauherren bei jeder Beratung seriös zu vermitteln: Wer heute neu baut, sollte barrierefrei bauen. Dazu brauchen wir aber keine gesetzliche Regelung. Vielmehr wird hier der Markt das Angebot entsprechend beeinflussen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ihrer Umwandlung in Anstalten des öffentlichen Rechts haben die Universitätsklinika bewiesen, dass sie die damals beschlossenen Freiräume innovativ nutzen und bei allen Evaluationen auch international mit Spitzenergebnissen abschneiden. Die CDU hat den Antrag zur Zukunft der Universitätsklinika jedoch nicht gestellt, um einen positiven Rückblick vorzunehmen, sondern um in die Zukunft zu schauen.
Aus unseren bislang gut aufgestellten Häusern der Maximalversorgung drohen selbst Patienten zu werden, die am Tropf des Landes hängen. Spätestens ab 2004 ist nach heutiger Schätzung mit Betriebskostenverlusten von über 140 Millionen € bis zum Jahr 2007 zu rechnen. Die Rücklagen reichen nicht aus, um auch nur annähernd diese Betriebskostenverluste zu decken.
Bevor ich zu den Gründen und Auswirkungen dieser Misere komme, will ich eines vorwegschicken: Eine materielle Privatisierung, also der Verkauf der Universitätskliniken, ist für uns keine Lösung.
Wir wollen unsere Hochleistungskliniken nicht auf den freien Markt werfen und dem Spiel der Kräfte überlassen, denn wir sind dringend auf diese Einrichtungen unter der Regie des Landes angewiesen. Zum einen werden dort unsere Mediziner der Zukunft ausgebildet, und es wird an Zukunftsmedizin geforscht, zum anderen stehen die Universitätskliniken als Spitzenhäuser für all die Fälle zur Verfügung, die in anderen Versorgungsstufen nicht behandelt werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Transplantationschirurgie.
Warum droht uns jetzt nach Jahren guter Gewinne ein Finanzloch in dieser Größenordnung? Weil die neue Krankenhausfallpauschale, DRG genannt, die auf Bundesebene festgesetzt wird, die Hochleistungsmedizin nicht vernünftig abbildet. Es gibt zu wenig Geld für Spitzenleistungen.
Ein Teil der Fehlkalkulationen der neuen Fallpauschalen ist aber leider hausgemacht. Die Universitätskliniken waren bundesweit nicht ausreichend in der Lage, ihre Kosten der Krankenbehandlung exakt von den Kosten der Wissenschaft zu trennen. Wissenschaftskosten dürfen aber bei der Kalkulation der Krankenhausfallpauschale nicht in die Behandlungskosten einfließen. Die Konsequenz war, dass die Universitätskliniken zum Teil keine, zum Teil zu geringe Werte an die jeweiligen Stellen gemeldet haben.
Wir wollen auch nicht verschweigen, dass sicherlich im Land Baden-Württemberg die Trennung der Kosten zwischen Wissenschaft und Lehre einerseits und Behandlung andererseits, die Kostentrennungsrechnung, nicht optimal ist. Das wird heute auch zum Bumerang für unsere eigenen Universitätskliniken. Wir erwarten jetzt mit Hochdruck ein schlüssiges Verfahren zur Kostentrennungsrechnung auch in Baden-Württemberg. Nur so sind künftig Kalkulationen mit vernünftigen Aussagen möglich.
Quersubventionen aus Mitteln für Forschung und Lehre für die Krankenversorgung sind dabei unerwünscht, ebenso der umgekehrte Weg.
Leider kann man sich den Vorwurf nicht ganz ersparen, dass zu spät auf die Veränderungen reagiert wurde. Aber warum auch? Denn bis 2002 wurden ja auch bei unseren Universitätskliniken Gewinne gemacht. Zu einem großen Teil sind diese Gewinne auf ein gutes Management in den Häusern zurückzuführen. Zum anderen ist es aber wohl auch so – das zeigen neuere Kalkulationen –, dass die bisherigen Pflegesätze in dem einen oder anderen Fall überhöht waren.
Dieser Erkenntnisgewinn, der uns jetzt in Form einer Summe von mehr als 140 Millionen € ereilt, geht nun leider zulasten des Landeshaushalts.
Wir müssen darüber nachdenken, ob wir die Reform der Universitätsklinika von 1998 nicht in einigen Punkten ergänzen müssen. Es kann auf keinen Fall so sein, dass künftige Verluste in beliebiger Höhe und zu einem beliebigen Zeitpunkt voll aus Mitteln des Landeshaushalts zu tragen sind. Ich glaube, das erwarten die Universitätsklinika auch gar nicht von uns.
Wir müssen auch darüber sprechen, ob wir den Universitätsklinika gestatten, weitere Fusionen mit Krankenhäusern in anderen Regionen oder in der eigenen Region einzugehen. Ist es sinnvoll, wenn sich eine Universitätsklinik an einem Kreiskrankenhaus beteiligt oder es gar zu 100 % übernimmt? Falls das sinnvoll sein kann: Wie passt das in die Krankenhauslandschaft angesichts der allgemeinen Versorgungssituation? Ich habe Zweifel, ob ein solcher Zukauf, ob solche Beteiligungen, mit denen eine Erhöhung des Haftungsrisikos für das Land einhergeht, durch die Gesetze, die im Moment in Baden-Württemberg gelten, abgedeckt sind.
Wir müssen auch einmal überlegen, ob nicht innerhalb der Universitätsklinika selbst strukturell eine neuere und bessere Arbeitsverteilung erfolgen muss. Ist es sinnvoll, an jedem Standort einen Großteil aller Behandlungen anzubieten, oder wäre es aus wirtschaftlichen Gründen nicht auch überlegenswert, wenn sich statt bisher vier künftig zwei Standorte jeweils ein Spezialgebiet teilen würden? Das hätte natürlich auch für die Ausbildung Folgen. Möglicherweise müssten Studierende dann einen Teil ihres Studiums an einer anderen Universität absolvieren. Man darf aber ruhig einmal die Frage stellen, ob das wirklich so schlimm wäre oder ob dies den Studierenden bei ihrer Ausbildung nicht eher nutzt. Ein Blick in eine andere Hochschule wäre durchaus wünschenswert.
Was wir jetzt brauchen, ist eine innovative Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir trotz knapper Kassen die volle Leistungsfähigkeit der Universitätsklinika ohne Zusatzbelastungen im Landeshaushalt sichern können. Was wir aber auch brauchen, ist die Bereitschaft der Universitätsklinika selbst, Einsparpotenziale nicht nur bei den nach BAT beschäftigten Mitarbeitern zu suchen, sondern sich auch über strukturelle Veränderungen im eigenen Betrieb Gedanken zu machen.
Zum Schluss, ganz deutlich: Der Zwang des Geldes lässt keinen „Artenschutz“ zu, weder für einzelne Personen
gruppen in den Universitätsklinika noch für die altehrwürdigen Universitäten selbst.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich zeigt die von der SPD beantragte Aktuelle Debatte zweierlei.
Punkt 1: Sie wollen von Ihren eigenen Versäumnissen ablenken.
Wir hatten in den letzten fünf Jahren unter Rot-Grün halbjährlich Beitragssatzerhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung – halbjährlich!
Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben.
Punkt 2: Sie scheinen Ihre eigene Kommission nicht allzu ernst zu nehmen, wenn Sie sich mit unserer auseinander setzen. Das freut mich doch sehr.
Erlauben Sie mir auch noch den Hinweis: Ich halte es schon für ein peinliches Manöver, wenn man am Sonntag vor einer Woche die Rentner abzockt
und am Montag darauf ins Präsidium geht und mit uns über die Vorschläge der Herzog-Kommission sprechen will. Sehr peinlich!
Jetzt möchten wir ganz sachlich bleiben und einmal versuchen,
das Thema sachlich aufzuarbeiten. Sie haben die RürupKommission ins Leben gerufen. Die Rürup-Kommission hat ein Gesundheitsprämienmodell vorgeschlagen, das exakt mit dem Modell unserer Herzog-Kommission übereinstimmt.
Moment, wir auch nicht.
Dieses Rürup-Modell unterscheidet sich in einem einzigen Punkt von unserem Modell: Wir haben eine Altersrücklage drin, die Sie nicht haben.
Jetzt darf ich mit Erlaubnis des Präsidenten einmal ein ganz kurzes Zitat vorlesen:
Das Konzept der pauschalen Gesundheitsprämie zeigt, wie die Finanzierung der Krankenversicherung gleichzeitig beschäftigungs- und wachstumsfreundlicher, verteilungspolitisch zielgenauer und effizienter gestaltet werden kann.
Bericht der Rürup-Kommission, Seite 174. Den darf ich Ihnen nachher gern schenken.
So viel dazu. Was Sie eben vorgetragen haben, war eine Büttenrede bester Couleur und hat nichts mit unsozial oder sozial zu tun.
Jetzt wollen wir einmal versuchen, das, was Sie gesagt haben, zu analysieren. Ist es denn falsch, wenn wir sagen: Die Grundidee ist, künftig zu versuchen, den Faktor Arbeit um einige Punkte zu entlasten?
Das wollen wir ja alle. Das haben alle Parteien vereinbart. Wir müssen versuchen, die demographische Entwicklung zu steuern, auch im Gesundheitswesen, und wir müssen es auch in der Krankenversicherung versuchen. Also kann die Grundidee ja nur richtig sein, zu überlegen: Wie kann ich für die ältere Generation von morgen eine Rücklage bilden? Die oben auf der Zuhörertribüne sitzenden Schülerinnen und Schüler sind nämlich die Betroffenen. Das sind nicht wir, die hier stehen, sondern die jungen Leute, die noch ins Berufsleben eintreten, die noch nicht im Berufsleben stehen.
Jetzt ganz ideologiefrei:
Es gibt mehrere Modelle, wie man so etwas organisieren kann. Jetzt will ich Ihnen einmal zwei Beispiele nennen, anhand derer man durchaus darüber diskutieren kann, wie man eine Gesundheitsprämie organisiert, damit sie sozial stabil bleibt.
Punkt 1: Was spricht denn eigentlich dagegen, zu sagen: „Wir führen eine Gesundheitsprämie ein und federn sie, wie das vorgeschlagen wurde, ab, aber in einer völlig neuen Form, nämlich indem dieser steuerliche Abschlag bereits am Auszahlungstag, also dann, wenn die Beiträge zu zahlen sind, gewährt wird“? Das System haben wir schon, und zwar beim Kindergeld. Das ist im Grunde nichts anderes als ein Mechanismus zur Umverteilung von Steuermitteln,
um sozialpolitische Ziele zu erreichen. Das wäre doch vollkommen systemkonform. Ich würde wirklich dafür werben.
Jetzt nehmen Sie einmal einen Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von 1 500 €. Ziehen Sie hiervon 14 % ab – das ist weniger als der durchschnittliche Krankenkassenbeitragssatz; der liegt heute bei 14,9 %. Dieser Satz wird
also stabilisiert; er wird nach unserem Modell sogar nach unten bewegt.
Am Ende, nach Abzug des Arbeitgeberbeitrags, zahlt der Arbeitnehmer, der 1 500 € verdient, weniger Beiträge als jetzt.
Ist das besser, oder ist das schlechter? 14 % sind 14 %, und kein Prozent – –
Nein, er zahlt nicht mehr.
Zweiter Vorschlag – da können Sie sofort einsteigen, da können Sie in Berlin sofort etwas machen; Sie brauchen gar nicht auf Herzog oder Rürup zu warten –: Wir brauchen eine Kapitalrücklage.
Das haben Sie bei der Riester-Rente durchgesetzt. Da haben wir Kapitalrücklagen. Es kann doch in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht falsch sein, für das Alter vorzusorgen. Ich mache Ihnen jetzt einmal einen Vorschlag, wie man mit einer Kapitalrücklage anfangen kann: 2004 sinken die Arbeitgeberbeiträge in der Krankenversicherung – eine Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes, Konsens über alle Parteien hinweg. Weil die Beiträge sinken, sinken auch die Ausgaben der Betriebe, und die Betriebe zahlen zwangsläufig mehr Steuern. Der Betrieb ist nicht mehr so stark belastet, er zahlt nach dem Jahr 2004 weniger für die Sozialversicherung, und der Staat hat automatisch höhere Steuereinnahmen.
Warum nehmen wir nicht einen Teil dieses Geldes und legen ihn für die junge Generation zurück? Warum nicht? Weil Ihr Herr Eichel keinen gescheiten Haushalt zustande bringt. Das ist der einzige Grund, der dagegen spricht.
Zwei Sätze zur Schweiz: Die Schweiz hat ein Gesundheitsprämienmodell, mit dem sie nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht hat,
aber deswegen, weil sie gedacht hat, sie könnte damit Gesundheitskosten steuern. Das ist überhaupt nicht unser Ansatz. Wir wollen eine bessere Beitragsverteilung erreichen,
und wir wollen Transparenz erreichen. Das Schweizer Modell ist nicht Gegenstand unseres Herzog-Papiers. Es ist auch nicht geeignet, um in Deutschland etwas zu bewegen. Ich möchte Sie wirklich bitten, differenziert mit dem Thema umzugehen.
Wenn ich fertig bin, ja.
Wir haben eine Verpflichtung, für die junge Generation Vorsorge zu leisten und die Beiträge langfristig stabil zu halten.
Nein. – Ihre heutige Diskussion wird dazu führen, dass über viele Modelle geredet wird, ohne dass die Papiere gelesen werden. Sie haben Ihres offensichtlich nicht gelesen. Sonst wären Sie auf die Seite 174 im Bericht der RürupKommission gestoßen.
Ja, ist recht. – Die Leute draußen werden sagen: Die SPD hat mit ihrer heutigen Debatte von eigenen Problemen abgelenkt.
Die SPD hat laute und falsche Musik gespielt. Die Leute werden sehr wohl unterscheiden können, wer die Noten für die Zukunftsmusik schreibt. Das sind nicht Sie.
Jetzt dürfen Sie Ihre Zwischenfrage stellen.
Sie machen genau das, was Herr Drexler vorhin klar zu machen versucht hat.
Ich beantworte die Frage.
Nein, damit ist es nicht getan. Sie machen das genau so, wie die SPD zu diskutieren versucht.
Die staatlichen Transferleistungen zum Ausgleich dieser 1 000-Franken-Prämie erwähnen Sie nicht. Er zahlt die 1 000 Franken nämlich nicht netto, sondern er zahlt sie brutto und bekommt dafür dann vom Staat bei seiner Steuer eine Ermäßigung.
Außerdem bekommt er eine kantonale Unterstützung. Der Familienvater in der Schweiz zahlt weniger als der Familienvater bei uns in Deutschland. Unter dem Strich ist das wesentlich billiger.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle oft fest, dass der Bodenseeraum außerhalb unserer Region einer ganz besonderen Wahrnehmung unterliegt. Die meisten Gesprächspartner außerhalb der Bodenseeregion verbinden mit dem See schöne Urlaubserinnerungen an eine liebliche Landschaft mit hoher Gastfreundlichkeit. Das ist die eine Seite.
Die zweite Seite ist die, die Herr Zeller aufzuzeigen versucht hat. Der See ist kein Dreckloch, und der See wird auch nicht so schlecht gefördert. Ich denke, man muss den Bodensee nicht schlechtreden; denn er ist nicht schlecht – ganz im Gegenteil.
Ich komme zur dritten Seite; versuchen wir, jetzt wieder sachlich zu werden. Der Bodensee hat rund 3,3 Millionen Anwohner, davon rund 900 000 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger, die auch ihr Auskommen am See suchen und finden.
Die beiden SPD-Anträge haben ein wenig an den Problemen gekratzt. Viele Zusammenhänge sind entweder gar nicht vorgekommen oder wurden absichtlich weggelassen – ich glaube, deswegen, weil man die Landesregierung loben und nicht schimpfen müsste.
Das politische Bindeglied der Region der immerhin vier Staaten – nicht drei Staaten, Herr Zeller – ist die Internationale Bodenseekonferenz. Wenn man sich die Struktur dieser IBK anschaut, sieht man, dass hier eine kleine EU nachgebildet ist. Genauso wie die EU funktioniert auch die Internationale Bodenseekonferenz.
Die Landesregierung, die in der IBK feste Sitze hat, bringt sich in die Region sehr intensiv ein.
Von ganz besonderer Bedeutung am Bodensee ist der Umweltschutz. Da teile ich Ihre Ansicht, Herr Zeller; das sehe ich auch so. Neben der Funktion als Trinkwasserspeicher für 500 Kommunen in Baden-Württemberg ist die unzerstörte Landschaft das Pfund, mit dem die Bodenseeregion wuchert. Ich hebe einmal den Tourismusbereich heraus: Rund um den See werden jährlich Gesamtumsätze von 3 Milliarden € im Tourismusbereich erwirtschaftet. Das stellt uns vor eine besondere Frage: Wie bringt man Ökonomie und Ökologie zusammen?
Zum Beispiel mit einem internationalen Bodensee-Leitbild, das grenzüberschreitend längerfristige Entwicklungsperspektiven für die Region festhält, oder mit dem im letzten Jahr verabschiedeten Landesentwicklungsplan – Sie haben ihn nicht erwähnt –, der den Bodensee als Verdichtungsraum mit besonderer struktureller Prägung ausweist und damit zum allerersten Mal planerisch die Möglichkeit schafft, den besonderen Belangen einer Region mit einem hohen Schutzbedürfnis trotz hoher Bevölkerungsdichte gerecht zu werden.
Ganz konkret: Der Landesentwicklungsplan bietet jetzt die Möglichkeit, eine weitere Bebauung trotz des hohen Siedlungsdrucks zu kanalisieren und in vernünftige Bahnen zu lenken. Wir haben den Landesentwicklungsplan vor einiger Zeit beschlossen. Jetzt müssen ihn die Kommunen in der Bodenseeregion aktiv umsetzen und dies auch wollen. Das bedeutet möglicherweise – auch bei Bebauungsplänen – Einschränkungen. Da sind die Kommunen gefragt; das Land hat hier seine Hausaufgaben gemacht.
Alle genannten Punkte, die Internationale Bodenseekonferenz, das Bodensee-Leitbild und der Landesentwicklungsplan – es gäbe dazu noch viele weitere Themen –, sind langfristig angelegte Projekte und funktionierende Instrumente, die der Region dienen und die die Landesregierung von Baden-Württemberg ganz maßgeblich mitgeprägt hat.
Neben der politischen und der ökologischen Weichenstellung bekennt sich Baden-Württemberg auch bei der Förderung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Region. Friedrichshafen hat in den letzten Jahren für den Messebau überproportional viel Geld bekommen, und dies sehr zu Recht. Ich stehe dazu und, glaube ich, die Landesregierung auch. Sonst hätte sie es nicht gemacht. Wir haben das Bahnund das Straßennetz ausgebaut. Nicht zu vergessen sei Ihr Wahlkreis, Herr Zeller. Der Flughafen Friedrichshafen ist inzwischen einer der am besten ausgerüsteten Regionalflughäfen und dient der ganzen Region.
Meiner Meinung nach richtet die Landesregierung ihre volle Aufmerksamkeit auf den Bodensee. Aber ich wäre ein schlechter Vertreter der Region, wenn ich nicht den einen
oder anderen Wunsch in Sachen Bodensee an die Landesregierung äußern würde.
Sie haben alle von der Krise der Internationalen BodenseeTourismus GmbH gehört. Ich will an dieser Stelle dringend dafür werben, dass diese unverzichtbare Institution in Sachen Tourismus im Land eine Zukunftschance erhält. Wir brauchen die IBT am Bodensee; sie ist unser touristisches Bindeglied.
Ein weiterer Punkt ist der Verkehr zu Wasser und zu Land.
Nein, zu Luft nicht.
Wir haben uns für einen Ausbau der A 96 und der B 31 eingesetzt. Verzeihung, Herr Zeller; bei der B 33 bin ich als Ortsvorsteher eines Ortes an der B 33 am Gang der Dinge direkt betroffen. Wenn Sie schon Zahlen aus dem Bundesverkehrswegeplan zitieren, dann die richtigen. Da stehen 135 Millionen € drin – leider – und nicht 150 Millionen €. Wir nehmen die 15 Millionen € vom Bund gern;
denn damit können wir den einen oder anderen Tunnel in Allensbach oder bei der Reichenau noch finanzieren.
Also seien Sie so gut: Wenden Sie sich an die Bundesregierung, wenn Sie helfen wollen, und werfen Sie der Landesregierung nicht vor, sie würde sich nicht dafür einsetzen.
Thema Schiene: Es ist kein Geheimnis, dass ich mich seit vielen Jahren für die Gäubahnstrecke einsetze. Diese steht auch im Bundesverkehrswegeplan. Auch da können Sie etwas tun.
Jetzt zum Thema Wasser. Da haben wir wirklich ein ernstes Problem. Wir haben 55 000 zugelassene Boote am Bodensee. Wir haben eine ganz besondere Wasserrettungslage am Bodensee, besonders in den Sommermonaten, aber zunehmend auch im Frühjahr und im Winter. Wir haben eine Lage in der Wasserrettung, wie es sie sonst nur noch an der Nord- und der Ostsee gibt. Leider – das ist jetzt vielleicht ein Punkt, an dem man wirklich einmal Landespolitik machen kann – wird unser Rettungsgesetz dieser besonderen Lage nicht in vollem Umfang gerecht. Das ist von sehr großem Nachteil für die DLRG vor Ort. Ich denke, an diesem Punkt können wir wirklich landespolitisch arbeiten, und das sollten wir auch tun.
Ich ziehe nicht nur mit, sondern ich betreibe das die ganze Zeit – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Zeller.
Aber vielleicht schon länger bei der DLRG als Sie, Herr Zeller.
Mein vorerst letzter Punkt: Die EU will derzeit neue Badegewässerrichtlinien erlassen. Auch da ist die Bundesregierung gefordert. Der Bodensee hat als natürliches Badegewässer besondere Bedingungen. Sie haben selber die Zahl der Touristen genannt. Die kommen wegen der schönen Landschaft, die kommen aber auch zum Baden an den See. Ich glaube, es wird wichtig sein, dass wir versuchen, den Bodensee vor einer Benachteiligung zu bewahren, die ein natürliches Gewässer hat, vor allem aber vor einer überzogenen Bürokratie, die sich aus der neuen EU-Richtlinie ergibt.
Es gibt einige Punkte zu Gewässerfragen, bei denen wir auf die Unterstützung der Landesregierung angewiesen sind. Ein aktuelles Beispiel, das heute Morgen in der Zeitung stand, ist die Belastung durch die Bade-Dermatitis. Das ist ein Großschaden für den Tourismus, natürlich auch für unsere Bevölkerung. Das ist eine völlig neue Entwicklung. Ich werbe dafür – auch bei der Landesregierung, aber ich glaube, da haben wir schon relativ schnell Einigkeit –, dass wir hier etwas tun müssen und weiter forschen müssen.
Jetzt mein Schlusswort.
Ja, gern.
Lieber Herr Zeller, ob ich die SPD brauche, um einen Antrag einzubringen, weiß ich nicht. Ich werde mich für die DLRG am Bodensee einsetzen, ob mit oder ohne Zeller.
Sie können meinen Antrag mit unterschreiben, wenn Sie wollen.
Mein Fazit: Die Bodenseeregion ist gut aufgestellt, ich würde sogar sagen: sehr gut aufgestellt. Wir schneiden bei der Förderung durch das Land gut ab. Ich bitte allerdings darum, dass es dabei auch bleibt.
Vielen Dank.
„Herr Mack“ wäre auch in Ordnung gewesen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit einiger Zeit mehren sich hier im Landtag die Europathemen. Das kann man eigentlich nur begrüßen, ganz besonders, wenn es darum geht, vorhandene und künftige Schnittstellen zwischen den Kompetenzen der EU und den einzelnen Staaten bzw. den Regionen zu definieren.
Um es vorwegzunehmen: Die EU bietet immense Chancen für das Gesundheitswesen auch in Baden-Württemberg, und wir begrüßen es ausdrücklich, wenn bestimmte Fragen des Gesundheitsschutzes eine EU-weite Klärung und Ausrichtung erfahren. Wir begrüßen es aber nicht, wenn der Kompetenzzuwachs der Europäischen Union zum einen einseitig ist und zum anderen förmlich erschlichen und durch die Hintertür eingeführt wird. Dem Grunde nach ist die Gesundheitspolitik ein rein binnenstaatliches Thema. Es fällt vollständig in die Eigenständigkeit der einzelnen Staaten. So weit die Theorie; die Praxis zeigt leider ein anderes Bild.
Seit einiger Zeit höhlt der Europäische Gerichtshof dieses Prinzip durch diverse Urteile aus, die sich mit der Freizügigkeit von Patienten bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen beschäftigen. Der Angriff auf die binnenstaatliche Kompetenz kommt aus einer ganz anderen europarechtlichen Ecke, nämlich aus dem Wirtschaftsrecht, das in Sachen freier Waren- und Dienstleistungsverkehr agiert. Mit der Verlagerung des Themas Gesundheit in den Wirtschaftsbereich, in dem die EU tatsächlich zuständig ist, verschafft sich die EU einseitig Kompetenzen, wobei wir in der CDU noch gar nicht sicher sind, ob wir diese Kompetenzen überhaupt EU-weit geregelt haben wollen.
Was macht unsere Bundesregierung?
Um es einmal ganz offen zu sagen: Die ersten drei Jahre der letzten Legislaturperiode hat die Bundesregierung das Thema „Gesundheitspolitik in der EU“ überhaupt nicht bearbeitet, ist schon mit der eigenen Gesundheitspolitik stiefmütterlich umgegangen. Die Gesundheitspolitik der EU hat man eigentlich ganz vergessen. So kam es, dass der EuGH mangels politischer Aktivität entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen hat.
Dann kam Nizza. Der Herr Bundeskanzler hat den NizzaProzess ja persönlich und aktiv begleitet und hat in einem Post-Nizza-Prozess einer Methode zugestimmt, die hier im Land noch gar nicht so sehr diskutiert worden ist: die so genannte Methode der offenen Koordination. Bisher hat man diese Methode in der EU bei Themen angewendet, bei denen Einigkeit darüber bestand, innerhalb der EU eine gleiche Situation herstellen zu wollen, das heißt bei Themen, deren Behandlung zu einer Vereinheitlichung geführt werden sollte.
Da stellt sich für mich schon die Frage, ob es innerhalb der deutschen Politik überhaupt einen Konsens oder den Willen gibt, die gesundheitspolitischen Fragen in dieser Dimension europaweit zu regeln. Wenn man Europa ein bisschen kennt, muss man, wenn man die Anwendung dieser Methode anschaut, wenn man diese Methode versteht, ganz ehrlich sagen, dass man damit den ersten Schritt zu einer Vereinheitlichung tut.