Wolfgang Albers
Appearances
18/8
18/18
18/19
18/21
18/22
18/23
18/24
18/25
18/26
18/30
18/31
18/34
18/35
18/38
18/48
18/51
18/53
18/54
18/55
18/57
18/58
18/59
18/63
18/66
Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Das Identifizieren von Kontaktpersonen und die Kontaktnachverfolgung sind das A und O bei der Bekämpfung von ansteckenden Erkrankungen und sind nach dem Infektionsschutzgesetz elementare und originäre Aufgaben der öffentlichen Gesundheitsdienste. Selbstverständlich müssen diese auch in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen.
Ich muss hier nicht mit anderen Worten und weniger aufgeregt das wiederholen, was der Kollege Isenberg dazu gesagt hat. Ich will deshalb die Gelegenheit nutzen, einmal kritisch daran zu erinnern, wie wir über viele Jahre mit unseren öffentlichen Gesundheitsdiensten umgegangen sind. Nicht nur in von SPD, Linken und
(Thomas Isenberg)
Grünen besetzten Bezirksämtern, sondern auch in denen, in denen die CDU das Sagen hatte, Frau Seibeld.
Ich kann mich noch sehr gut an die Debatten zum Beispiel in der 16. Legislaturperiode erinnern, als 2007 und 2008 in diesem Haus ernsthaft darüber diskutiert wurde, große Teile der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Gewährleistung zu geben, also zu privatisieren. Die damalige Diskussion war nicht von der Frage geprägt, welche Aufgaben der öffentliche Gesundheitsdienst eigentlich hat, sondern sie stand vielmehr unter der Fragestellung, welche Aufgaben wir uns noch leisten können. Statt diese Aufgaben offensiv zu definieren und den ÖGD als wesentliche, dritte Säule der Gesundheitsversorgung auszurichten, ging es um Einsparpotenziale. In der Gesetzesvorlage zum Gesundheitsdienstreformgesetz von 2006 hieß es klar und unmissverständlich:
Gegenüber dem Ergebnis der Kosten- und Leistungsrechnung von 2004, wonach in diesem Jahr Gesamtkosten von 139,2 Mio. Euro entstanden sind, werden für den öffentlichen Gesundheitsdienst der Bezirke dauerhafte Einsparungen in erheblichem Umfang erwartet …
Das war die Prämisse. Eine weitergehende Auslagerung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge konnte damals zum Glück politisch verhindert werden. Aber dennoch ist es uns nicht gelungen – das müssen wir auch selbstkritisch sagen –, den ÖGD seiner Bedeutung für die öffentliche Gesundheitsversorgung entsprechend personell und finanziell perspektivisch adäquat auszustatten. Die Fehlbestände an Personal sind bekannt und werden mehr oder weniger regelmäßig in Schriftlichen Anfragen abgefragt. Bereits 2010 hieß es dazu im Schlussbericht des Projekts zur Umsetzung des Gesundheitsdienstgesetzes:
Während der gesamten Projektlaufzeit war der Abbau der Stellen für den gesamten ÖGD nicht aufzuhalten. … Mit einem derart reduzierten Personalbestand wird die Freisetzung von Potentialen für Modernisierungsprozesse und die Erfüllung neuer Aufgaben verhindert. Die zurzeit gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben sind nicht mehr in vollem Umfang und mit der erforderlichen Qualität in allen Bezirken zu erfüllen.
2010, Frau Seibeld! Und wissen Sie, was das Bezirksamt Neukölln 2010 gemacht hat? – Von den 16 Stellen, die geschaffen wurden, ist nicht eine einzige in den öffentlichen Gesundheitsdienst gegangen. Am 1. Januar 2004 hatte der öffentliche Gesundheitsdienst eine Personalausstattung von 2 103 Vollzeitäquivalenten. Am 31. Dezember 2018 betrug die Ist-Zahl der verbliebenen Vollzeitkräfte noch 1 533. 227 Stellen waren zu diesem Zeitpunkt unbesetzt, obwohl dieser Senat bereits 2017 begonnen hatte, 400 neue Stellen im ÖGD aufzubauen. Trotz vielfältiger und ernsthafter Bemühungen, die Stellen zu besetzen, ist es noch keiner Senatsverwaltung und auch den Verantwortlichen in den Bezirken nicht wirklich gelungen, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen. Das
liegt nicht nur an der Bezahlung. Da haben wir zum Beispiel für die Ärzte eine tragfähige Übergangslösung gefunden, die eine den Krankenhausärzten vergleichbare Bezahlung ermöglicht.
Diese Krise macht uns gerade deutlich, welch immense Bedeutung ein funktionierender öffentlicher Gesundheitsdienst hat.
Jetzt erwarten wir, dass die Kolleginnen und Kollegen dort jeden Tag über sich hinauswachsen und unsere politischen Versäumnisse der Vergangenheit über ihr individuelles und außerordentliches Engagement bis über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus ausbügeln. Der Einsatz von Hilfskräften, seien es Studierende, das THW oder die Bundeswehr, kann doch allenfalls eine kurzfristige oder nur vorübergehende Lösung in einer besonderen Ausnahmesituation sein. Das ist doch keine strukturelle Lösung – es sei denn, Sie wollen jetzt angesichts dieses Infektionsgeschehens, was die Bundeswehr betrifft, Schwerter zu Pflugscharen machen. Da wären wir sofort dabei.
Eine grundsätzliche Neubewertung des ÖGD ist notwendig als substanzielle dritte Säule unseres Gesundheitssystems mit einer klaren und breit angelegten Definition seines Aufgabenspektrums, auch auf der Grundlage der Erfahrungen. Zur Erfüllung dieses Aufgabenspektrums braucht es die entsprechende personelle und technische Ausstattung. Wir müssen unsere Gesundheitsstrukturen pandemiefest machen. Es ergibt keinen Sinn, auf einen Impfstoff zu warten – in der Hoffnung, dann werde alles anders. Bisher ist es erst einmal gelungen, ein Virus zu eradizieren. 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken für ausgerottet – nach jahrzehntelangem Kampf und Milliarden von Impfdosen.
Wir werden also mit diesem Virus leben müssen und deshalb lernen müssen, mit diesem Virus zu leben, nicht furchtbestimmt, ängstlich und in sozialer Isolation, weil wir im Nachbarn, in jedem Mitmenschen den vermeintlichen Virusträger sehen, sondern selbstbewusst und in der Gewissheit, die Bedingungen dafür geschaffen zu haben, die es ermöglichen, auch diese Erkrankung zu beherrschen, so wie wir bisher auch alle anderen Krankheiten, die durch Erreger verursacht werden, zu beherrschen gelernt haben. Die Frage kann deshalb künftig nicht mehr sein: Was können wir uns an öffentlichem Gesundheitsdienst leisten? – Die Frage muss vielmehr sein: Was müssen wir uns an öffentlichem Gesundheitsdienst leisten?
Und das muss dann auch konsequent und auskömmlich finanziert werden. Das ist gut angelegtes Geld. Eine Pandemie kommt uns allemal teurer zu stehen. – Danke!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Das können wir relativ kurz machen: Ja – Herr
Zeelen, Sie haben es gesagt –, zur Bewältigung dieses Problems brauchen wir diesen Antrag ganz sicher nicht. Über die Frage, ob verbindliche oder verpflichtende Untersuchungen sinnvoll oder richtig sind, können wir uns gern unterhalten, und dann können wir auch die konkreten Zahlen aus den Ländern auswerten, in denen ein verpflichtendes Untersuchungsgebot gegeben ist. Sie werden sehen, dass sich da keine wesentlichen Unterschiede ergeben haben. Es ist definitiv nicht der Fall, dass Sie alleine durch Einhalten von Untersuchungsterminen im Rahmen der U-Untersuchungen tatsächlichen Kinderschutz praktizieren, aber darüber können wir uns gern im Ausschuss dezidiert unterhalten. – Danke!
Nicht mit uns! –
Wie viele Latten fehlen
wohl an seinem Gartenzaun?]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Der Senat hat sein landeseigenes Unternehmen Vivantes angewiesen, sowohl die Rückeingliederung der Tochtergesellschaft Vivantes Therapeutische Dienste wie auch der Tochtergesellschaft Vivantes Ambulante Krankenpflege vorzunehmen. Das ist nun vollzogen, und das soll auch so gut sein. In der Tat sollten landeseigene Unternehmen in ihrer Tarifgestaltung eine Vorbildfunktion wahrnehmen, Landesregierungen im Umgang mit ihren landeseigenen Unternehmen allerdings auch.
Ich muss zwei notwendige Anmerkungen machen – erstens: Wenn man Krankenhäuser den Marktgesetzen unterwirft, dann darf man sich am Ende nicht wundern, wenn sich die Krankenhäuser entsprechend den Marktgesetzen verhalten, zumal Vivantes, das 2001 aus den ehemals städtischen Krankenhäusern Berlins errichtet wurde, von Anbeginn mit erheblichen finanziellen Schwierigkei
ten zu kämpfen hatte. Die öffentlichen Gelder reichten hinten und vorne nicht, und das Unternehmen war von Anfang an gezwungen, die fehlenden Gelder zur Erhaltung der eigenen Bausubstanz aus Eigenmitteln zu beschaffen. Genau diese Eigenmittel sind das Problem, denn die sind im Wesentlichen über die Stellschraube Personalausgaben zu requirieren und somit entweder über Personaleinsparungen oder eben über Tarifflucht. Das ist kein Geheimnis. Das hat schon der Bundesrat in seiner Entschließung 432/212 festgestellt. Seit Ende der Konvergenzphase zur Einführung der Fallpauschalen ist in den Krankenhäusern eine Finanzierungslücke in einer Größenordnung von 3,8 Milliarden Euro entstanden, die durch Einsparungen, meist beim Personal, geschlossen werden musste.
Im System der Fallpauschalen macht nur der einen kleinen Gewinn, der seine Versorgungsleistungen billiger machen kann als der Durchschnitt der anderen Krankenhäuser. Ja, die Vivantes-Therapeutische-Dienste-Tochter ist zur Tarifflucht gegründet worden, aber richtigzustellen ist, Frau Kollegin König: Die 317 Altbeschäftigten der Vivantes Therapeutische Dienste sind die ganze Zeit über Beschäftigte bei Vivantes gewesen, zu den VivantesTarifbedingungen. Nur die neu Eingestellten haben andere Verträge nach Entgeltgrundsätzen bekommen. Der Regierende Bürgermeister hat diese Strategie der Tarifflucht schon 2016 kritisiert, Personalkosten zu drücken, indem Mitarbeiter in Tochtergesellschaften abgeschoben würden, das könne kein Königsweg sein. Richtig!
Richtig ist aber auch, dass es die Vertreter vorangegangener Senatsverwaltungen im Aufsichtsrat waren, die seit 2004/2005 immer wieder die Reduktion der Personalkosten zur Konsolidierung des Unternehmens eingefordert und zur Tarifflucht aufgefordert haben, mal mehr, mal weniger unverblümt, und deshalb sogar die schwarze Aktenkoffertruppe von McKinsey für viel Geld auf Vivantes losgelassen haben. Ich war seit Gründung des Unternehmens bis 2015 Mitglied des Personal- und später des Betriebsrats und habe diese Konsolidierungsprozesse und auch die Debatten um die Ausgliederungen alle live miterlebt, und ich könnte Ihnen stundenlang davon erzählen.
Zum Zweiten: Die Vivantes Ambulante Krankenpflege kann nicht rückeingegliedert werden, Frau König, denn sie ist niemals ausgegliedert worden. Die ist nicht zur Tarifflucht gegründet worden. Die Vivantes Ambulante Krankenpflege ist gegründet worden, um ambulante Pflege zu machen. Warum sollte der Pflegemarkt in Berlin allein privaten Trägern überlassen bleiben? Allerdings darf ein Krankenhaus an sich keine ambulante Pflegeleistung anbieten und kann deshalb auch keinen ambulanten Pflegedienst unterhalten. Um aber auch diesen Sektor der Patientenversorgung anbieten zu können, ist diese Tochtergesellschaft von vornherein ausgegliedert gegründet worden. Sie arbeitet die ganze Zeit über defizitär, war
(Tim-Christopher Zeelen)
aber angesichts des Pflegenotstands in der Stadt und der oft geforderten besseren Pflegequalität auch gerade im ambulanten Bereich notwendig. Mit dieser Gesellschafteranweisung nun muss sich Vivantes aus der ambulanten Krankenpflege zurückziehen. Sie wird zukünftig nicht mehr angeboten. Ich halte das für einen ziemlichen Kollateralschaden.
Nein, Tarifflucht, das ist kein Königsweg, aber das jetzige Finanzierungssystem unserer Krankenhäuser ist es auch nicht. Das fördert Personalknappheit, Lohndumping, Tarifflucht und Arbeitsverdichtung. Hier braucht es ein Umdenken, und das relativ schnell. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Eine Bemerkung vorweg kann ich mir nicht verkneifen. Zum Thema Mundschutz, Herr Zeelen, würde ich mich sehr zurückhalten. Das war Ihr Gesundheitsminister, der am 30. Januar der „Bild“-Zeitung erklärt hat, Mundschutz sei nicht notwendig: Das Virus wird nicht über den Atem übertragen.
Ja, ist so. Ich kann es nicht ändern. Das hat er gesagt. –
Also gehen wir mal ganz nüchtern und sachlich an die Sache heran, obwohl ich nach der Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden Dregger vorhin zur Aktuellen Stunde gar nicht mehr so recht verstehe, warum Sie diesen Gesetzesentwurf jetzt noch einbringen. Ihr Gesetz soll ja, so steht es in Ihrer Begründung zu § 12, zur Bewältigung dieser aktuellen Coronakrise möglichst sofort in Kraft treten, und seine Geltung ist dementsprechend ja auch nur bis zum 31.12.2020 begrenzt. Nun ist aber die Grundlage dieses Gesetzes die Feststellung eines akuten Gesundheitsnotstandes in dieser Stadt durch die Mehrheit dieses Parlaments, und diesen Gesundheitsnotstand definieren Sie als eine Situation, in der die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen ernsthaft gefährdet erscheint.
Ihr Fraktionsvorsitzender hat aber vorhin in seiner Rede zur Aktuellen Stunde die Lage in der Stadt als zurzeit stabil bezeichnet und all denen gedankt, die dazu beigetragen haben, dass das so ist. Er hat eben nicht den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen in Berlin war auch in den Hochzeiten dieser Krise zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet. Zu keinem Zeitpunkt seit dem ersten Auftreten eines Coronafalles in der Stadt am 28. Februar sind wir bei der klinischen Versorgung der tatsächlich an dieser Infektion auch erkrankten Patienten an unsere Kapazitätsgrenzen geraten. Es gab – das ist unbestritten – mit dem Auftreten der ersten Fälle in Berlin Anlaufschwierigkeiten in der allgemeinen ambulanten Versorgung von Patienten. Die waren aber eher durch organisatorische und logistische Probleme bestimmt, nicht durch eine massive Zunahme von Covid-19-Erkrankten. Einen Gesundheitsnotstand haben die nicht begründet, und zur Diskussion und Situation in den Krankenhäusern ist schon einiges gesagt worden. Die aktuelle Auslastung nach der Anweisung, die planbaren Eingriffe herunterzufahren, lag über Wochen bei 50 Prozent und darunter. Die Häuser haben nicht einmal mehr ambulante Operationen vorgenommen in Erwartung der Dinge, die prognostiziert waren. Dazu hat der Kollege Schatz schon einiges gesagt. Den Gesundheitsnotstand, Herr Dregger, Herr Zeelen, wenn Sie es denn so wollen, haben bei mir vor allem die vielen Nicht-Coronapatienten beklagt, die allesamt nicht
(Herbert Mohr)
weniger krank, nicht weniger schwer krank sind und die auf ihre planbaren, aber medizinisch dennoch dringend notwendigen Eingriffe warten, weil sie Schmerzen haben, weil sie Angst haben und weil sich auch ihre Leiden möglicherweise verschlechtern. Deswegen ist es gut und unbedingt notwendig, wieder alle Kranken in den Blick zu nehmen und die Kliniken auch für sie wieder verfügbar zu machen.
Wenn Menschen mit Schlaganfällen und Herzinfarkten nicht mehr ins Krankenhaus kommen, dann ist in der Kommunikation etwas schiefgelaufen. So selbstkritisch muss man einfach sein.
Wir haben in Vorsorge 633 Intensivbetten für Coronapatienten in unseren Kliniken vorgehalten. Deren Auslastung lag im gesamten April im Schnitt bei 140 Betten täglich. Die höchste Auslastung dieses Kontingents lag bei 25,9 Prozent. Das war der 21. April. Da waren 164 ITS-Betten belegt. Die höchste Zahl an stationär zu versorgenden Covid-Patienten hatten wir am 10. April mit 615. Gestern, am 29. April, dem 62. Tag nach dem ersten Coronafall in dieser Stadt, waren 984 Infizierte auch akut erkrankt. 604 davon, das haben wir schon gehört, waren in stationärer Behandlung. Warum auch immer, seien es die getroffenen Maßnahmen, die wirksam waren, seien es möglicherweise auch andere Gründe: Diese Zahlen aus dem stationären Bereich begründen ebenfalls keinen Gesundheitsnotstand in dieser Stadt.
Unbestritten ist, dass es auch dort zum Teil erhebliche Versorgungsmängel bei den verschiedenen Schutzmaterialien gab und auch noch gibt, nicht weil die Krankenhäuser missgewirtschaftet oder falsch geplant hätten, sondern ganz einfach, weil der Verbrauch enorm angestiegen ist, weil die Zwischenhändler nicht mehr nachliefern konnten und Masken zum Beispiel auf dem internationalen Markt über die gewöhnlichen Bezugsquellen einfach nicht mehr zu bekommen waren.
Dieser Verbrauch ist nicht etwa deshalb angestiegen, weil die Patientenzahlen hochgeschnellt sind. Der ist trotz leer stehender Stationen angestiegen, weil zum Beispiel die Hygienevorschriften für das Personal geändert wurden und dadurch der tägliche Bedarf von Schutzmasken das übliche Maß weit überschritten hatte und die Nachlieferungen ausblieben. Hier kann ich den Lösungsvorschlägen, die Sie in Ihrem Gesetzesentwurf vorschlagen, einiges abgewinnen. Zur Verfügbarmachung von Material, so die Überschrift Ihres § 2, wollen Sie unter anderem Enteignungen zur Unterbindung eigennütziger Materialverwendung medizinisch oder pflegerisch notwendigen Materials möglich machen. Okay! Das Problem ist nur: Diese Materialien, die wir benötigen und die Sie gegebenenfalls requirieren wollen, wären zurzeit in Berlin gar
nicht in ausreichendem Maß vorhanden, als dass man sie in großem Maße horten und demzufolge auch beschlagnahmen könnte.
Dann wollen Sie mit Ihrem § 2 Abs. 3 auch die aktuellen Wucherpreise für diese Materialien unterbinden, und Sie begründen Ihre Preisfestsetzung mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums,
weil Sie verhindern wollen, dass im Krisenfall auf Kosten der Allgemeinheit Sondergewinne erzielt werden. Dieser Gedanke der Unterbindung eigennütziger Materialverwendung und die Idee, Sondergewinne auf Kosten der Allgemeinheit zu unterbinden, sind uns durchaus sympathisch.
Das haben wir mit unserem Gesetz zum Mietendeckel auch schon bewiesen. Schön, wenn Sie dieser sozialstaatlichen Logik nun auch folgen sollten. Ihr Gesetz ist entbehrlich. Weder ist ein Gesundheitsnotstand vorhanden, noch benötigen wir Zwangsrekrutierungen von Personal, und die virtuelle Beschlagnahme von Schutzmaterial, das nicht vorhanden ist, hilft auch nicht wirklich. Vielleicht ersetzen Sie in Ihrem Antrag das Wort „Gesundheitsnotstand“ einfach durch „Wohnungsnotstand“, und dann reden wir noch mal darüber. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und
den GRÜNEN –
Heiterkeit –
Ich frage: Trifft es zu, dass Kinder in Kinderhospizen auch im Rahmen der Rechtsverordnung zur Eindämmung des Coronavirus uneingeschränkten Besuch ihrer Eltern bekommen können, und dass Meldungen nicht zutreffen, dass die Anwesenheit der Eltern nur für eine Stunde am Tag und nur mit einem Elternteil erlaubt sei?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ja, Gewalt gegen Rettungskräfte ist zunehmend zu einem Problem unserer Zeit geworden. Betroffen sind Polizisten, Feuerwehrleute, ehrenamtliche Helfer der Rettungsdienste und eben auch medizinisches Personal in Krankenhäusern und in Arztpraxen. Als Hauptursache für Gewalt geben die Kliniken nach der neuesten, noch unveröffentlichten Befragung durch das Deutsche Krankenhausinstitut an, dass die Patienten unter Schmerz oder Alkoholeinfluss stehen – 83 Prozent – oder zu einem speziellen Patientenklientel gehören, die beispielsweise an Demenz erkrankt sind – 68 Prozent. Auch lange Wartezeiten – 56 Prozent –, Konflikte mit Mitpatienten – 26,1 Prozent –, Verschiebung von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen – 17,2 Prozent – oder die Verweigerung von Medikamenten – 16,4 Prozent – werden als Gründe für Gewalt angegeben. Ob da die Verschärfung des Strafgesetzes wirklich greift, wird man sehen. Ich bin da sehr skeptisch.
Die Komplexität dieses Themas ist hier nicht in drei Minuten abzuhandeln. Ich würde sagen, wir machen das, was der Kollege Isenberg vorgeschlagen hat. Wir nehmen uns das Problem in den Ausschuss und sprechen dort mit denen, die vor Ort tagtäglich mit dieser Situation zu tun haben, und gucken dann, wie man ihnen durch politische Maßnahmen möglicherweise helfen kann. Die dicke Lippe hier zu riskieren, hilft den Menschen in der Ersten Hilfe überhaupt nicht. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ich tue mich mit dieser Aktuellen Stunde schon etwas schwer und mit dem Dank an den Kollegen Spahn erst recht. Die Unterbringung der Betroffenen in Köpenick war eine Zumutung. Berlin hätte das besser gemacht, wir waren bei der Entscheidung, wo diese Menschen untergebracht werden, jedoch nicht beteiligt.
Politische Differenzen kann es bei einem solchen Thema eigentlich nicht geben, deswegen sollte der Schwerpunkt der Debatte auf der Versachlichung der Diskussion liegen; da mag sie dann an dieser Stelle auch einen Sinn haben. Ich bin gespannt, ob uns das gelingt.
9 Millionen erkrankungsbedingte Arztbesuche, rund 25 100 Tote – das ist laut Robert-Koch-Institut die Bilanz der Grippesaison 2017/2018 allein in der Bundesrepublik. Für die vergleichsweise milde Grippesaison 2018/2019 weist die Statistik 3,8 Millionen solcher grippebedingten Arztbesuche aus. Rund 18 000 Patienten mussten stationär behandelt werden. Allein von Oktober 2018 bis Mai 2019 registrierte das Robert-Koch-Institut 182 000 labordiagnostisch bestätigte Grippefälle. Seit der 40. Meldewoche 2019 bis zum 17. Januar 2020 wurden dem Robert-Koch-Institut 32 Influenzatodesfälle gemeldet. Diese Zahlen spiegeln bereits eine außergewöhnliche
(Tim-Christopher Zeelen)
medizinische Herausforderung wider, mit der wir seit Jahren immer wieder umzugehen haben, die wir aber öffentlich kaum zur Kenntnis nehmen. Eine Aktuelle Stunde hat es dazu meiner Kenntnis nach nie gegeben. Wir leben mit solchen zeitweiligen wellenförmigen Influenzaausbrüchen, und wir sind in unserem Gesundheitssystem auf solche epidemischen Ereignisse dem genügend auch entsprechend eingestellt. Auch Berlin ist darauf gut vorbereitet – so gut, wie man eben darauf vorbereitet sein kann; das hat Kollege Isenberg dargestellt, und das wird die Senatorin später bestätigen. Das muss ich hier nicht auch noch tun.
Die im Dezember 2019 im chinesischen Wuhan neu aufgetretene Infektionskrankheit hat seit dem 10. Februar offiziell einen Namen. Sie heißt Covid-19, wobei Covid für Coronavirus-Disease steht. Das neue Virus ist eng verwandt, so viel weiß man, mit dem bereits bekannten Sars-Virus. Sars steht für Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom, das in den Jahren 2002 und 2003 ebenfalls erstmals in China aufgetreten war und sich pandemisch, also über die Landesgrenzen hinaus, auf 25 Staaten ausgebreitet hatte. Weltweit erkrankten damals 8 096 Patienten, 774 verstarben. Die Erkrankung hatte eine Letalitätsrate von 9,6 Prozent.
Nach dem heute Morgen abgerufenen Situationsreport 30 der Weltgesundheitsorganisation mit dem Stichtag 19. Februar sind aktuell weltweit 75 204 Menschen mit dem neuen Virus infiziert, 924 davon in 25 Ländern außerhalb Chinas. In Deutschland waren 16 Betroffene infiziert, 14 davon hatten sich außerhalb Chinas angesteckt. Alle 16 Infizierten blieben symptomlos. In China sind bisher 2 006 Menschen verstorben, außerhalb Chinas drei, einer in Paris. Die Letalitätsrate laut WHO von heute für besonders bedrohte Patientengruppen liegt bei 2,3 Prozent. Das ist für ein Krankheitsbild, das mit einer ausgeprägten Pneumonie, einer Lungenentzündung einhergehen kann, nicht wirklich hoch – zum Glück! Dennoch warnen Wissenschaftler zu Recht davor, diese neue Erkrankung zu verharmlosen. Ich habe die Zahlen deshalb so ausführlich dargestellt, um zu zeigen, dass wir dieses Problem sehr wohl sehr ernst nehmen und genau beobachten, aber Alarmismus und Panikmache sind völlig unangebracht.
Schlagzeilen wie die einer Berliner Zeitung mit ganz großen Buchstaben, wenig Schrift und noch weniger Gehalt am 25. Januar: „Erster Verdachtsfall in Berlin“ – und dann ganz unten am Ende des spärlichen Textes: „Der Verdachtsfall konnte nicht bestätigt werden“ – sind da nicht wirklich hilfreich, im Gegenteil, der Nachrichtenwert strebt zwar gegen null, aber die Schlagzeile schürt Angst: Die unheimliche Bedrohung klopft auch in Berlin an.
Ich erinnere daran, dass sich der Europarat 2010 nach der Hysterie um die sogenannte Schweinegrippe 2009 genötigt sah, einen Bericht anzufordern, der die Umstände offenlegen sollte, die es den Pharmakonzernen ermöglichten, die WHO zur Ausrufung der höchsten Pandemiestufe 6 zu veranlassen, obgleich der Verlauf der Krankheit eher harmlos war und sich Millionen Impfdosen lediglich als Finanzspritzen für die Hersteller bewährten.
Ich erinnere mich noch gut an die irrationale Debatte, die wir damals auch hier in Berlin hatten. „Senat gefährdet Menschenleben“ hat man uns damals vorgeworfen, weil nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stand und sich die KV zudem geweigert hatte, für 5,50 Euro zu impfen. Sie wollte 7,10 Euro. Eine Posse, das Ganze! Es ist damit eigentlich genug gesagt. Man kann es in fünf Minuten abhandeln.
Zum Schluss nur eine Nachbemerkung: Der Chef der Weltgesundheitsorganisation rief angesichts der Ausbreitung des Coronavirus die Welt zur Solidarität auf: „Es geht jetzt nicht um Publikationen, Patente und Profite.“ Dieser Satz ist deshalb so von Bedeutung, weil darin natürlich auch eine Lehre aus dem Desaster um die Schweinegrippe gezogen wird und weil der internationale Umgang mit einer neu auftretenden Infektionskrankheit ein Lehrstück für die weltweite Vergeudung von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen in einer wettbewerbsbestimmten Welt ist. Statt unter dem Dach der WHO alle Erfahrungen zusammenzupacken, alles Wissen zu bündeln und alle Forschungsergebnisse abzustimmen, um möglichst schnell gemeinsam zum Beispiel zu einem Impfstoff zu kommen, stehen die Jagd nach Patenten, die profitorientierte Produktion und die Vermarktung im eigenen wirtschaftlichen Interesse im Vordergrund und begrenzen so den gemeinsamen Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnis. Darüber sollten wir uns nicht nur als Gesundheitspolitiker Gedanken machen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wir haben diesen Antrag bereits im Ausschuss diskutiert und abgelehnt. Wir müssen die Dose hier nicht noch mal aufmachen. Der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, Kollege Poloczek, hat diese Idee zutreffend charakterisiert: Die sogenannte Notfalldose erfüllt keine der Kernanforderungen der Berliner Feuerwehr an notwendigen rettungsdienstlichen Informationen und ist deshalb nur sehr eingeschränkt zu empfehlen. Zudem ist davon abzuraten, dass es eine behördliche Empfehlung für ein kommerzielles Produkt geben soll. Das kommerzielle Interesse scheint bei dieser Plastikdose für 7 bis 10 Euro besonders ausgeprägt. Dem bleibt nichts hinzuzufügen, und mehr Redezeit braucht es dafür definitiv nicht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Der Antrag hat schon Sinn, Herr Zeelen. Googeln Sie mal „Altmedikamente“ und „Entsorgen“ und „Berlin“ – da finden Sie unter berlin.de, dem offiziellen Hauptstadtportal, zunächst eingerahmt den Hinweis:
In Berlin fallen Altmedikamente unter die Problemabfallverordnung, die ausdrücklich darauf hinweist, dass Arzneimittel nicht über den Hausmüll entsorgt werden sollen.
Etwas weiter unten im Fließtext heißt es dann:
Grundsätzlich erlaubt und sinnvoll ist daher die Entsorgung über den Hausmüll.
Auf der Website der BSR, die es ja eigentlich wissen muss, auf der gleichen Google-Seite, heißt es:
Arzneimittel gehören weder in die Hausmülltonne noch in die Toilette.
Dafür gibt es Recyclinghöfe mit einer Schadstoffsammelstelle, wird man belehrt. Direkt unter der BSR verkündet www.gesundheitsstadt-berlin.de: „Alte Medikamente
dürfen in den Hausmüll“. Sicherheitshalber – gucken Sie da noch mal nach – auf der gleichen Google-Seite bei apotheke-adhoc.de, die belehrt Sie dann:
Laut Bundesumweltministerium zählen Altarzneimittel zum Siedlungsabfall und gehören deshalb in den Hausmüll.
Nun erscheint manchem die einfachste Lösung, die Dinger selbst zu schlucken,
denn dann kann er sie ökologisch entsorgen.
Nein, jetzt nicht! Es ist zu knapp, Herr Zeelen. Ist auch nicht so wichtig. – Wer den Leuten sagt, wohin nicht mit den Dingern, der sollte ihnen dann aber auch klar sagen, wohin damit. Ob die Medi-Tonne wirklich die Lösung, ob der Hausmüll nicht die elegantere Lösung ist, darüber kann man ja noch einmal diskutieren. Jedenfalls gibt es Handlungsbedarf in der Kommunikation. Aber eigentlich dürfte es Altmedikamente ja gar nicht geben, denn die sollen nicht in die Tonne, sondern die sollen in den Patienten.
Es wirft natürlich ein bezeichnendes Licht auf das Verschreibungsverhalten manchen Arztes: 3,5 Milliarden Euro im Gegenwert an Medikamenten werden in jedem Jahr versenkt, ohne dass der Patient die letztlich nimmt.
(Herbert Mohr)
Darüber sollten wir dann diskutieren, über die Packungsgrößen ebenfalls, aber vor allem sollten wir den Leuten klar sagen, was Sie jetzt mit den Dingern wirklich machen sollen. Insofern hat der Antrag in Form dieser Debatte dann doch noch irgendwo einen Sinn. – Danke!
Ihre Fraktion
arbeitet ja nicht mal mit Ihnen
zusammen, Herr Pazderski!]
Wie lange wollen Sie noch Ihre Prinzipien auf dem Altar der Anbiederung opfern? Wie lange wollen Sie diesen Irrsinn eigentlich noch tolerieren?
Offensichtlich hoffen Sie, irgendwann einmal als Juniorpartner in eine Regierung einsteigen zu können. Dann ändern Sie zwar nichts, können aber zumindest ein paar tapfere Parteisoldaten mit Posten versorgen. Sie sollten sich schämen, die Bürger dieser Stadt so zu verschaukeln!
Unser Maßstab ist simpel: Er ist bürgerlich-konservativ und am Wohl der Mitte der Gesellschaft orientiert. Wir haben uns sehr viel Zeit dafür genommen, das Füllhorn des Senates zu durchleuchten,
das Rot-Rot-Grün zulasten der Steuerzahler über die eigene Klientel ausschütten will. Über 700 Berichtsanträge und rund 400 Änderungsanträge von der AfDFraktion – wir zeigen damit den Bürgern, dass wir unsere Verantwortung als Opposition sehr ernst nehmen.
Wir sind beim vorliegenden Haushaltsentwurf auf ein Einsparvolumen von 1,86 Milliarden Euro gekommen. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei allen Kollegen und Mitarbeitern meiner Fraktion.
Mittel- und langfristig hat die AfD viele ehrgeizige Ziele. Unsere Vision lautet: Berlin soll von der Armutshauptstadt Europas zur Hauptstadt des Wohlstands werden.
Dazu wollen wir die Steuer- und Abgabenlast der Bürger senken. Wir wollen, dass Berlin so bald wie möglich finanziell auf eigenen Beinen steht, statt in Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern immer wieder aufs Neue betteln zu müssen. Wir wollen eine kraftvolle und wirksame Schuldenbremse, und erst wenn dies alles erreicht ist, können wir zufrieden einen Gang runterschalten.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Vielen Dank, Herr Zeelen! Drei Minuten, drei Anmerkungen. Erstens: wir erinnern uns alle noch an die historische Seite 66 des CDU-Wahlprogramms von 2011. Die CDU ist die einzige Partei, die ein ausfinanziertes Konzept für Charité und Vivantes vorlegt.
Das haben Sie uns in der letzten Legislaturperiode verheimlicht, und es ist auch bei diesen Haushaltsberatungen Ihr Geheimnis geblieben. Zur Krankenhausfinanzierung in Ihrem heutigen Änderungsantrag findet sich eine einzige Position.
Wir haben als Koalition eine Trendwende versprochen, wohl wissend, dass wir nun nicht jede Forderung der Krankenhäuser gleich eins zu eins werden umsetzen können. Wir haben jedoch Schluss gemacht mit der Mär von den Eigenmitteln. Die DRGs kennen keine Eigenmittel. Eigenmittel sind zweckentfremdete Patientengelder. In dieser Konsequenz bedeuten 10 Millionen Euro mehr an Investitionsmitteln für die Häuser 200 Arbeitsplätze mehr in der Pflege. Dementsprechend haben wir die Investitionsvolumina deutlich erhöht.
Zweitens, das leidige Thema Schlaganfallmobil. Herr Goiny hat in der ihm eigenen nonchalanten Ignoranz dazu unbedingt etwas sagen müssen. Gern. Die Koalitionsmehrheit im Innenausschuss hatte beschlossen, dieses Modell für Berlin nicht weiterzuführen. Unterstützt wurde sie dabei von der Berliner Feuerwehr und den Berliner Krankenkassen. Das sind alles keine Hasardeure, Herr Goiny. Weder wäre dadurch die Charité-Studie abgebrochen worden – die ist nämlich ihrem Design entsprechend bereits zum 24. Oktober 2019 geplant ausgelaufen. Sie hätten sich mindestens anschauen sollen, was da läuft, bevor Sie uns Wissenschaftsfeindlichkeit unterstellen –, noch wurden dadurch Tausende von Menschenleben gefährdet, Herr Dregger. So ein Blödsinn. Die Gefährdung tausender von Menschenleben haben Sie in Kauf genommen, als Sie unter der Verantwortung Ihres Innensenators Henkel die Hilfsfristen in Berlin in der letzten Legislaturperiode im Widerspruch zu Ihrem eigenen Gesetzentwurf, Drucksache 16/2968, von acht auf zehn Minuten verlängert haben. Sie bräuchten zusätzlich zwei Minuten Bearbeitungszeit, war die fatale Begründung. Das erklären Sie einmal dem Infarktpatienten vor Ort.
Ziel unserer Koalition ist es, jeden Patienten berlinweit im Notfall innerhalb von acht Minuten in eine Klinik einzuliefern. Deswegen bleibt der Ansatz der Koalitions
fraktionen im Innenausschuss richtig und wird spätestens 2021 wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
Zu den Fakten: 2018 wurden in Berlin 13 439 Schlaganfälle registriert. Die Schlaganfallmobile kamen in 2 705 Fällen zum Einsatz. Insgesamt wurden in den STEMOs 2018 296 Lysen durchgeführt, mit anderen Worten, nur bei 2,2 Prozent aller Schlaganfallpatienten konnte das STEMO sinnvoll eingesetzt werden. 97,8 Prozent der Schlaganfallpatienten in Berlin wurden nicht mit dem STEMO versorgt. Durch nichts ist belegt, dass diese 13 143 Patienten schlechter versorgt gewesen wären.
Drittens, die Pflegekammer, Herr Zeelen, das musste ja kommen: Gehen Sie da um Gottes willen nicht einer Handvoll von Funktionären auf den Leim. Dieser Riss geht auch durch Ihre Partei. In Niedersachsen war die CDU strikt gegen die Kammer. Trotzdem hat man sie eingerichtet. Nun, nachdem die ersten Beitragsbescheide verschickt wurden, kam es zum Tsunami der Entrüstung. Mit 50 947 Unterschriften innerhalb von drei Monaten fordern die Pflegenden dort die Abschaffung ihrer Kammer. Die Proteste sind so nachhaltig, dass die Landesregierung gerade beschließen musste, diese Kammer, der jede Akzeptanz fehlt, auf Dauer beitragsfrei zu stellen, um sie mit 6 Millionen Euro jährlich aus Steuermitteln dauerhaft künstlich am Leben zu erhalten. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen haben andere Probleme. Lassen Sie uns die lösen. Wir sind dabei. – Vielen Dank!
Das ist ein
Organisationsverfahren! –
Herr Kluckert! Tun Sie uns doch allen den Gefallen und sprechen mal über Ihren Antrag, damit wir anschließend auch über Ihren Antrag sprechen können!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Werter Herr Kluckert! Ich habe gelesen, dass Sie der Gesundheitsexperte Ihrer Fraktion sind. Wenn das so ist, dann frage ich mich schon, warum Sie nicht verhindern konnten, dass Ihre Fraktion uns hier zum zweiten Mal einen Antrag vorlegt, der handwerklicher Murks und epidemiologischer Unsinn ist.
Handwerklich ist er Murks, weil Sie zum Beispiel in Ihrer Begründung explizit auch eine Pflichtimpfung für Tetanus fordern. Tetanus ist nun mal keine ansteckende Erkrankung – weshalb und mit welcher medizinischen Begründung wollen Sie denn dann einen Impfzwang für Tetanus durchsetzen? Und dann Kinderlähmung, Polio, die Sie anführen: Gerade Polio ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie es ohne Impfzwang geht; die Krankheit gilt in der Bundesrepublik seit vielen Jahren als ausgerottet –
ohne Impfpflicht, durch kluge Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist bitter, so hieß das in den Sechzigerjahren.
Epidemiologisch ist Ihr Antrag Unsinn, weil wir uns nicht um die drei Prozent der notorischen Impfverweigerer kümmern müssen, an denen Sie sich ständig abarbeiten – die fallen epidemiologisch nämlich gar nicht wirklich ins Gewicht –, sondern weil wir uns darauf konzentrieren müssen, dass alle die, die impfwillig sind, auch tatsächlich geimpft werden. Die hohe Durchimpfungsrate von über 97 Prozent bei der Masern-Erstimpfung hier in Berlin, die Sie beim Robert-Koch-Institut erfragen können, belegt doch, dass die Impfbereitschaft auch ohne Androhung von Bußgeldern ausreichend hoch ist. Hier verweigert sich niemand.
(Dirk Stettner)
Allerdings besteht eine Differenz zur Durchimpfungsrate bei der Zweitimpfung. Die liegt, wenn auch knapp, immer noch unter den erforderlichen 95 Prozent, die die Weltgesundheitsorganisation voraussetzt, um die Masern endgültig zu besiegen – und das ist das Problem, und hier haben wir einen Handlungsbedarf! Wir haben es also nicht mit ideologischen Impfverweigerern zu tun, sonst wäre die Rate der Erstimpfungen nicht so hoch, sondern hier mögen die Versäumnisse vielfältige Gründe haben, und hier muss unser System der Vorsorgeuntersuchungen einfach noch besser greifen. Hier sind die Haus- und Kinderärzte in der Verantwortung, die sich Zeit zu nehmen haben, aufklärerisch und mit Geduld auf die Sinnhaftigkeit einer Impfung hinzuweisen.
Sie fordern eine verbindliche Rechtsverordnung, die das Impfen bis zum sechsten Lebensjahr verpflichtend regeln soll. Warum schreiben Sie nicht einfach ganz konkret auf, was in dieser Rechtsverordnung drinstehen soll, und wie, mit welchem Instrumentarium, Sie diese verbindliche Rechtsverordnung dann durchsetzen wollen? Sie hatten fünf Minuten Zeit, das zu tun, und haben kein Wort dazu gesagt – weil Sie nicht wirklich eine Idee haben. Die Spiegelstriche, die da in Ihrem Antrag auftauchen, werden Ihren eigenen Forderungen nicht gerecht, und nur nebenbei bemerkt: Von den 30 Masernerkrankungen, die wir im Jahr 2018 in Berlin hatten, kamen nur neun aus der Altersgruppe der bis Sechsjährigen. Alle anderen waren deutlich älter, und denen kommen Sie mit Ihrem Antrag überhaupt nicht bei.
Mir fehlt jedes Verständnis für Impfgegner, es gibt kein überzeugendes Argument gegen das Impfen – übrigens auch nicht Ihre vermeintliche Impfunverträglichkeit, die müssten Sie mir fachlich bei anderer Gelegenheit noch mal erläutern. Lassen Sie sich und Ihre Kinder einfach impfen, dann sind Sie geschützt, und dann brauchen Sie auch nicht ständig über den Impfzwang für andere zu räsonieren. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Es gibt bei diesem Thema nichts zu beschönigen, und es gilt, hier auch nicht lange darum herum zu reden. Es handelt sich hierbei um ein über Jahre fortgesetztes Amtsversagen durch wechselnde politische Verantwortlichkeiten hindurch – und das zu Lasten von Polizisten und Polizistinnen, die ohnehin regelmäßig überall dort ihren Kopf für uns alle hinhalten müssen, wo viele andere ihn einfach einziehen. Deswegen eignet sich diese Angelegenheit in der Tat auch eigentlich nicht zum politischen Streit. Das haben bisher drei Redner gesagt, aber sie haben sich alle nicht daran gehalten. Wir sind hier alle in der Verantwortung.
Da habe ich denn auch ein Problem mit dem Unterton in Ihrem Antrag, Herr Dregger. Lassen Sie mich deshalb etwas Grundsätzliches sagen; über die Details Ihres Antrags können wir gerne im Ausschuss reden. Als müssten Sie uns in dieser Frage zum Jagen tragen! Ausgerechnet Sie! „Endlich nachkommen“, fordern Sie. Das ist dann schon ziemlich befremdlich, wenn Sie nun versuchen, aus den auch eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit in der aktuellen Debatte nun noch politisch Kapital für sich zu schlagen, indem Sie sich hier zum Schutzpatron aller Polizistinnen und Polizisten stilisieren. Heute machen Sie die Angelegenheit zu Ihrer Priorität; den betroffenen Beamten hätte es mehr gedient, wenn Sie das bereits in der letzten Legislaturperiode – in den Jahren 2012 und 2013 – zu Ihrer Priorität gemacht hätten, als Sie in der politischen Verantwortung waren.
Bereits damals waren die Probleme bekannt – und auch schon Jahre zuvor, wie die aufgetauchten Gutachten belegen. Sie kaprizieren sich immer nur auf Frau Koppers,
(Karsten Woldeit)
die seit 2011 Bescheid gewusst haben soll. Ja, auch die war in der Verantwortung, offenbar aber als einzige.
Hat irgendeiner von Ihnen einmal bei dem damaligen Innensenator im Außendienst, dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten von Frau Koppers, dem Kollegen Henkel, nachgefragt: Was ist da los in den Schießständen? – Keiner von Ihnen, auch nicht Sie, Herr Dregger! – Nein, ich will das jetzt zu Ende führen. –
Auch nicht 2013 – zwei Jahre später –, als die ersten Stände geschlossen werden mussten! Sie haben geduldig zugeschaut, wie sie sukzessive vom Netz genommen wurden. Gucken Sie in der Parlamentsdokumentation – 2011 bis 2016 – nach! Nicht eine einzige Frage aus Ihrer Fraktion, bis schließlich nur noch elf Schießstände übrig waren; dann kam die Taskforce. Erst am 28. April 2016, ein knappes halbes Jahr vor Ende Ihres Urlaubs in Regierungsverantwortung, hat Ihr Innensenator in einer Plenarsitzung verkündet, er habe nun diese ominöse Taskforce eingerichtet, die Abhilfe schaffen solle. Dann waren es auch nicht Sie, sondern die Grünen, die die Gesundheitsgefährdung der Polizisten thematisiert haben, und Christopher Lauer von den Piraten, der damals im Plenum nachgefragt hat.
Eine politische Entscheidung in dem Sinne zu treffen, wie sie nun in Ihrem Antrag von uns eingefordert wird, davor haben Sie sich gedrückt. Stattdessen haben Sie die Verantwortung abgeschoben und sich hinter einem Gutachten versteckt, das Sie bei der Charité in Auftrag gaben: Damit solle die Kausalität zwischen dem Einsatz in den Schießständen und den offenkundigen Erkrankungen belegt werden. Wenn denn dann der Nachweis erbracht worden sei, dass ihre Erkrankungen im Zusammenhang mit den Schießständen stünden, dann sollten die betroffenen Kollegen einen Schadensersatz erhalten. – Keinem Betroffenen war damit geholfen. Vielmehr musste Ihnen schon damals klar gewesen sein – das erste Gespräch mit den Gutachtern wird Ihnen das auch deutlich gemacht haben –, dass ein solcher Nachweis im Einzelfall bei der Vielfalt der Krankheitsbilder und der Komplexität ihrer möglichen Genese nur schwer zu belegen sein würde. Das kann und das wird eine solche Studie nicht leisten. Wir werden es erleben, wenn die Studie auf den Tisch kommt. Offensichtlich ist Ihnen das mittlerweile auch geflüstert worden. In Ihrem Antrag fordern Sie ja nun, der Senat möge jenseits der laufenden Charité-Studie alle wissenschaftlichen Erkenntnisse einholen und Experten laden und befragen.
Das brauchen wir nicht. Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr die Kulanzregelung geschaffen und den Ausgleichsfonds eingerichtet, um so unbürokratisch wie möglich – auch ohne Nachweis der direkten Kausalität – Entschädigungen zahlen zu können. Die Entscheidung
darüber trifft eine unabhängige Kommission. Die Zuteilung ist nicht an Bedingungen gebunden. Den Beamten bleibt der Klageweg offen, und auch die Angehörigen der leider verstorbenen Kollegen bekommen die ihnen zugestandene Summe. Zu einer solchen Regelung im Interesse der Polizistinnen und Polizisten hatten Sie weder den Mut noch die Kraft – und offensichtlich auch nicht den politischen Willen. Also bleiben Sie uns vom Hof mit solchen Anträgen! – Vielen Dank!
Du
hast Wansner geweckt! Das geht gar nicht! –
Weitere Zurufe von der CDU,
der LINKEN und der AfD]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Die AfD sorgt sich nun um die Luft in unseren U-Bahn-Schächten. Das verwundert den geneigten Betrachter, denn bisher war Ihnen jedenfalls die überirdische Schadstoffbelastung immer schnurzegal und jedwede Emission von was auch immer völlig schnuppe. Sie wettern gegen die Umweltzone in der Stadt, kriegen bei der Einrichtung von Tempo-30-Zonen Schaum vor dem Mund und schreien bei jedem umweltpolitischen Antrag der Koalition Zeter und Mordio. Das hatten wir gerade
bei der Blauen Plakette. Und jetzt plötzlich entdecken Sie hier Schadstoffe unterirdisch. Das lässt dann schon Zweifel an der Ernsthaftigkeit solcher Anträge aufkommen, zumal bei Ihnen nirgendwo ein umweltpolitisches Konzept und eine entsprechende Antragsstrategie erkennbar ist. Ich weiß nicht, wo Sie den Antrag abgekupfert haben, aus Ihrem Berliner Wahlprogramm, immerhin 38 Seiten stark, ist er nicht abgeleitet. Da kommt das Thema überhaupt nicht vor. Da fordern Sie unter dem Stichwort Umwelt Akku-Laubsauger, mehr Handrechen und – man höre – die Wiederbelebung kleinbäuerlicher Strukturen für Berlin auf Seite 36. Also harken wir diesen Antrag hier ganz in Ruhe ab und sehen mal, wie Sie uns den im Ausschuss dann weiter begründen wollen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Der Innensenator hat einen Fonds eingerichtet zur Entschädigung von Polizisten, die durch ihre Arbeit am Schießstand krank geworden sind. Einer dieser Polizisten ist jetzt leider verstorben, bevor ihm die bewilligten 50 000 Euro ausgezahlt werden konnten. Ich frage den Senator, ob das Geld den Angehörigen ausgezahlt wird. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Die Geburtenzahlen in Berlin bewegen sich in den letzten Jahren auf einem mehr oder weniger konstant hohen Niveau. Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat darauf mit einem Berliner Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt reagiert und die Beteiligten und Verantwortlichen an einen Runden Tisch geholt. Ziel dieses Aktionsprogramms ist es, die geburtshilflichen Bedingungen für die Schwangeren in dieser Stadt weiter zu verbessern und überall dort nachzubessern, wo Defizite erkannt werden. Wir haben uns dazu mit Elternvertretern, die am Runden Tisch teilgenommen haben, getroffen, und die haben eingefordert, dass ihre Beteiligung keinen Alibicharakter haben darf, sondern dass auch ihre Belange angemessen berücksichtigt werden müssen. Sie haben uns deshalb zwei klare Aufträge mit auf den Weg gegeben, die in unseren Antrag eingeflossen sind.
Zum einen wünschen die Eltern eine regelmäßige Befragung der Frauen zu ihren individuellen Erfahrungen mit den Angeboten und Bedingungen rund um ihre Geburt. Diesen Wunsch greifen wir nun auf. Zum anderen wünschen sich die Eltern eine Vermittlungsplattform im Internet, auf der sie eine Hebamme in ihrer Nähe suchen und finden können und über die dann auch der Kontakt zur Hebamme ihrer Wahl hergestellt werden kann. Ich habe das hier schon einmal kritisch dargestellt. Obwohl wir vor der Sommerpause eine intensive Diskussion über die Probleme der Frauen bei der Hebammensuche hatten, ist weiterhin nicht einmal ein Drittel der Hebammen, die 2016 eine freiberufliche Tätigkeit angemeldet haben – das waren 1 021 –, auf den bestehenden Internetplattformen „Hebammen in Berlin“ und „Schwanger in Berlin“
gelistet. Da sind 316 bzw. 318 zu finden. Ich habe das gestern selbst noch einmal nachgezählt.
Mittlerweile hat die Lotto-Stiftung dem Hebammenverband – das ist vorhin erwähnt worden – 87 000 Euro bewilligt, mit denen eine weitere Onlinevermittlung eingerichtet werden soll. Das Modell, das dort bewilligt wurde, sieht allerdings vor, dass nicht die Frauen sich die Hebammen aussuchen, sondern dass sich die Frauen quasi auf dieser Hebammenplattform um die Hebamme bewerben müssen und diese sich dann die Frau aussucht. Ich zitiere aus der Modellbeschreibung:
Durch die Hebammenvermittlung erstellt die Hebamme ihr persönliches Suchprofil inklusive Umkreiseinschränkung, und passende Frauen werden vermittelt. Wird eine Betreuung angenommen, kontaktiert die Hebamme die Frau direkt. Wird eine Betreuung nicht angenommen, muss die Hebamme der Frau nicht absagen, sondern ein automatisiertes System erstellt nach einer gewissen Zeit eine Absage-Mail, die auch Informationen dazu enthält, wo die Frau medizinische Hilfe bekommt.
Das kann es nicht sein. Dieses Modell stößt auf massive Kritik von Eltern, und ich muss eingestehen, dass wir da auch in der Lotto-Stiftung offensichtlich gepennt haben. Hier muss in Zusammenarbeit mit den Elternvertretern dringend nachgebessert werden, und die Hebammenverbände sind aufgefordert, ihr Konzept in diesem Sinn kritisch zu überdenken. – Danke!
Eine ewige
Weißwäscherei! –
Vielen Dank! – Meine Damen, meine Herren! Werter Herr Kluckert! Ich kann mit dem Antrag nicht so viel anfangen.
Ich weiß auch nicht, aus welchem Mustopf Sie den wieder gezogen haben. Kein Mensch redet das Problem, das wir mit resistenten Keimen in unseren Krankenhäusern haben, klein, am wenigsten die Häuser selber. Solche Anträge wie Ihrer, der offenbar von wenig bis keinerlei
Sachkenntnis getrübt ist, wirken mit ihrer Besserwisserpose auf die Beschäftigten, die täglich mit den Problemen konfrontiert sind, eher befremdlich. Irgendwann ist der gesundheitspolitische Welpenschutz auch für Sie an seine Grenzen geraten.
Krankenhäuser sind Häuser für Kranke, sonst hießen sie ja anders. Da gibt es eben auch Keime, die krank machen. Es gibt sie bei den Patienten und den Besuchern. Die Krankenhäuser haben ein originäres Interesse daran, Infektionen durch diese Keime weitestgehend zu vermeiden – nicht nur zum Wohl des Patienten, sondern auch, weil die Infektionen die Häuser teuer zu stehen kommen. Die kosten richtig Geld, und die Häuser zahlen bei jeder Infektion drauf. Und Sie kommen denen nun mit Sätzen wie:
Ziel der Händehygiene muss die Verhütung von Infektionen sein. Hände sind nach wie vor Hauptüberträger von Krankheitserregern.
Wem erzählen Sie das?
Neulich waren es bei Ihnen noch die Ärmel. Ist das Ihre Aufklärungs- und Informationsarbeit, die Sie in Ihrem Antrag fordern? Was entdecken Sie das nächste Mal auf Ihrer Reise durch das unbekannte Land Krankenhaus? Wollen Sie den Beschäftigten tatsächlich erklären, wie sie sich zu verhalten haben? Die Aktion Saubere Hände gibt es seit 2008, und Sie übersetzen die jetzt ins Englische „Clean Hands“ und tun so, als müssten Sie das Rad neu erfinden.
Dann wollen Sie den Ärzten erzählen, wie sie mit Antibiotika umzugehen haben: Der Senat möge auf ein Umdenken beim Einsatz von Antibiotika hinwirken. – Was meinen Sie damit? Mir ist schon 1981 als junger Assistenzarzt eingebläut worden: kein Antibiotikum ohne Resistenzbestimmung und Verordnung nur nach Rücksprache mit dem Oberarzt. – Das Umdenken gibt es seit 30 Jahren. Aber das Problem sind nicht die Antibiotika im Krankenhaus, sondern die Antibiotika bei der Tiermast und die, die als Rückstände im Trinkwasser landen. Kümmern Sie sich um diese Antibiotika und nicht um die in den Krankenhäusern!
Die Resistenzen werden außerhalb der Kliniken gezüchtet.
Ihr Antrag ist überschrieben mit „Händehygienemanagement“. Sie fordern:
Klare Anforderungen an die Prozessqualität von Händehygienemaßnahmen.
(Tim-Christopher Zeelen)
Okay, dann machen wir das jetzt mal ganz klar und konkret: Eine Händedesinfektion nach Patientenkontakt dauert 30 Sekunden. Pflegende haben im Schnitt 30 solcher Kontakte in der Stunde; das macht 900 Sekunden gleich 15 Minuten pro Stunde, macht zwei Stunden in einer Acht-Stunden-Schicht. Bei vier Leuten auf der Station fällt dadurch quasi einer für die ganze Schicht aus, weil er mit Waschungen beschäftigt ist. Nicht die schmutzigen Hände sind das Problem, die fehlenden Hände sind das Problem auf der Station!
Kluges Hygienemanagement managt das jetzt so, dass diese notwendige zusätzliche Pflegekraft von uns finanziert und dann auch noch eingestellt wird. Deshalb braucht es verbindliche Personalvorgaben – also: Unterstützen Sie uns dabei, dies bundesweit endlich gesetzlich zu verankern!
Die Initiative hat der rot-rot-grüne Senat bereits ergriffen, hat dazu allerdings nicht auf Ihren Antrag gewartet. – Vielen Dank!
Sicher, Herr Kluckert! Gerne!
Die Frage ist doch nicht, was ich dagegen mache, sondern die Frage ist, was die Beschäftigten in den Krankenhäu
sern tagtäglich dagegen machen. Die Maßnahmen haben Sie geschildert. Bloß ein elektronisch gesteuertes Piepiep auf die Station zu hängen und zu glauben, dadurch würden die Hände sauber? Sie mögen die Kontrolle haben, wie oft das Ding berührt worden ist – wie in dem Stress dann aber die tatsächliche Desinfektion eingehalten werden konnte, darüber haben Sie doch überhaupt keine Kontrolle! Sie werden dadurch nicht eine Infektion weniger haben.
Sie haben dann weniger Infektionen, wenn es Ihnen endlich gelingt, unmittelbar vor Ort und unmittelbar am Patienten dafür sorgen, dass Hygienestandards auch tatsächlich von A bis Z eingehalten werden können. Das machen Sie mit Ihren Vorschriften sicherlich nicht besser.
Wir haben Hygienebeauftragte. Wir haben Hygieneschwestern. Wir haben Kontrollen. Wir haben regelmäßige Abstriche. Wir haben Resistenzbilder. Wir können Ihnen ganz genau sagen, wer mit welcher Resistenz kommt. Aber – ich habe es Ihnen gesagt: Ein Krankenhaus ist keine Quarantänestation. Sie haben ein Zimmer sauber, und der nächste Besucher latscht rein und bringt die gleichen Keime wieder mit. Hygiene ist eine ständige Aufgabe, und Sie werden kein keimfreies Krankenhaus bekommen. Sie müssen nur die strukturellen Bedingungen schaffen, dass man mit dem Keimbefall dann auch tatsächlich fertig wird und ihn rechtzeitig erkennt. Da müssen Sie Geld in die Hand nehmen und vor allen Dingen Personal einstellen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Herr Kluckert! Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, dass Sie keine Zwischenfragen zulassen, dann frage ich mich: Warum haben Sie sich bei diesem Thema nicht sachkundig gemacht?
Im Jahr 2015 wurden in Berlin pro Tag 104 Kinder geboren.
2016 waren es 112, und 2017 werden es wahrscheinlich 110 sein. In absoluten Zahlen: 2015 hatten wir 38 030 Geburten, 2016 41 087, und im ersten Halbjahr 2017 waren es 20 118. So sieht der sogenannte Babyboom ganz nüchtern in realen Zahlen aus. Es gibt in dieser Stadt 19 Geburtskliniken, darunter neun ausgewiesene Perinatalzentren. Diese 19 Kliniken halten derzeit mindestens 54 Vorwehenplätze und 84 Entbindungsplätze rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr vor. Bezogen auf die vor
handenen Entbindungsplätze fanden 2016 1,33 Geburten pro Entbindungsplatz in dieser Stadt pro Tag statt. Darüber hinaus gibt es in dieser Stadt neun Geburtshäuser und zwei Hebammenpraxen für außerklinische Geburten, in denen zusammen im Jahr 2015 1 048 Kinder zur Welt kamen. Die meisten Geburten wurden in der Charité gezählt. 2015 waren es 5 161, 2016 5 441 und in 2017 5 495. Innerhalb von drei Jahren ist das ein Anstieg um exakt 334 Geburten pro Tag, also jetzt knapp eine Geburt pro Tag mehr als 2015. Die zweitgrößte Geburtsklinik in der Stadt, das St. Joseph Krankenhaus, verzeichnete 2017 mit 4 157 Geburten gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 217 Geburten. Natürlich spiegelt eine solche Statistik nicht die tatsächlichen klinischen Abläufe vor Ort wider, aber wie bei dieser Datenlage ein Ausnahmezustand für Schwangere in Berlin behauptet werden kann, erschließt sich dem Betrachter zunächst nur schwer.
Richtig ist, dass sich die Entbindungen in der Praxis nicht gleichmäßig auf die einzelnen Kliniken der Stadt verteilen, weil natürlich jede Frau das Recht hat, in der Klinik zu entbinden, die sie sich ausgesucht hat. Da gibt es in der Tat erkennbare Präferenzen für bestimmte Abteilungen, die besonders häufig frequentiert werden. Dass das dann zur zeitweisen Überlastungen einzelner Kreißsäle führen kann, die deswegen vorübergehend gesperrt werden müssen, liegt auf der Hand. Selbst in den bestausgestatteten Kreißsälen werden Sie immer wieder solche Engpässe erleben, die dann der Wahl des freien Geburtsortes auch einmal objektive Schranken setzen. Das Netz der geburtshilflichen Versorgung ist aber in der Fläche so dicht, dass solche Lagen in der Regel problemlos aufgefangen werden können. Ab April wird es mit dem Leitsystem IVENA – es wurde bereits erwähnt – dann auch möglich sein, frühzeitiger zu erkennen, welche Klinik gerade voll ausgelastet ist und wo freie Kapazitäten vorhanden sind. Wir haben uns im Gesundheitsausschuss mit der Problematik in einer Expertenanhörung beschäftigt. In keinem Fall wurde bisher ein geburtshilflicher Notfall von einer Berliner Klinik abgewiesen.
Geburten sind nicht planbar, und Geburtstermine lassen sich nun einmal nicht takten. Die Auslastung der Kreißsäle ist deshalb nicht steuerbar. Es wird Nächte geben, da bleibt der Kreißsaal leer, und es wird immer wieder auch Nächte geben, wo dort fünf Frauen gleichzeitig mit Wehen liegen. Für solche Situationen gilt es, und das obliegt der klugen Organisation in den Kreißsälen, mit intelligenten Rufdienstregelungen und flexibler Raumnutzung kurzfristig die Ressourcen aufzustocken. Politisch gilt es, die weitere reale Entwicklung der Geburtenzahlen für eine zukünftige, bedarfsgerechte Krankenhausplanung im Auge zu behalten. – Ich darf Sie daran erinnern, Herr Ludewig – Sie haben gerade eine entsprechende Anfrage an den Senat gerichtet –, dass es Ihr Gesundheitssenator war, der im letzten Krankenhausplan die Zahl der gynäkologisch-geburtshilflichen Betten von 1 189 im
Jahr 2013 auf 1 146 zum 1. Januar 2015 um 43 Betten
(Dr. Gottfried Ludewig)
heruntergefahren hat. Nichtsdestoweniger: Fünf Kliniken planen heute schon Kapazitätserweiterungen in ihren Kreißsälen. Der Senat stellt dafür aus SIWANA-Mitteln 20 Millionen Euro als Investition in die Zukunft zur Verfügung.
Nun zum Problem der Hebammen: 2015 hatten 927 Hebammen in der Stadt die Zulassung für eine freiberufliche Tätigkeit. Davon hatten 698 auch eine entsprechende Tätigkeit angemeldet. 482 waren ausschließlich freiberuflich tätig, und 216 waren es als eigentlich angestellte Hebammen in zusätzlicher freiberuflicher Tätigkeit. Legt man die Zahl derer zugrunde, die für 2015 eine Tätigkeit angemeldet hatten, hätte im Jahr 2016 jede freiberufliche Hebamme in Berlin knapp fünf Geburten im Monat zu betreuen gehabt. Wenn Sie im Internet nach Hebammen in Berlin suchen, finden Sie eine Berliner Hebammenliste. In der sind nach Bezirken aufgeteilt allerdings nur 316 Hebammen gelistet. In einem anderen Portal „Schwanger in meiner Stadt“ sind es nur 300. Es ist mir völlig unklar, warum die Hebammenverbände bisher nicht in der Lage waren, angesichts der wohl berechtigten Klagen von Schwangeren, Hebammen zu finden, diese Listen zu komplettieren. Nicht einmal die Hälfte der tätigen Hebammen ist dort aufgeführt. Sie bekommen jetzt aus Lottomitteln rund 87 000 Euro, um die digitale Vermittlung verfügbarer Hebammen für die Schwangeren zu verbessern. Mal sehen, ob es dann klappt.
Es gibt in der Stadt momentan 192 Ausbildungsplätze für Hebammen, vereinbart ist eine Aufstockung um 130 bis 2020. Das verbessert die aktuelle Personalsituation in den Kliniken nicht. Dort waren 2016 insgesamt 292 Hebammen tätig. Aktuell sind 25 Stellen unbesetzt. Nur 115 der Hebammen arbeiten in Vollzeit, alle anderen in der Regel auf eigenen Wunsch in Teilzeit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen sind es sicherlich die zum Teil unsäglichen Arbeitsbedingungen, die die Hebammen aus den Kreißsälen treiben. In drei Kliniken zum Beispiel müssen die Hebammen nach ihrer Arbeit tatsächlich noch Putzdienste leisten. Die daraus resultierenden Personalprobleme sind deshalb unbestritten oftmals hausgemacht. Die Flucht aus den Kreißsälen bedingt dann genau jenen vielfach beklagten Personalnotstand, der zu der wiederum Flucht verursachenden Arbeitsüberlastung für die noch Verbliebenen führt, denn Personal für Nachbesetzungen ist in der Regel nicht zu finden.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch das bittere Fazit eines Chefarztes:
Als Angestellte in Teilzeit sichern sie sich über uns zwar sozialversicherungstechnisch ab, im Kreißsaal stehen sie uns aber nur bedingt zur Verfügung, weil sie sich überwiegend der vermeintlich lukrativeren freiberuflichen Tätigkeit widmen. Und das begründen sie dann mit schlechten Ar
beitsbedingungen, für die sie durch ihr eigenes Verhalten auch Mitverantwortung tragen.
Es greift deshalb zu kurz, nur nach mehr Ausbildungsplätzen für mehr Hebammen zu rufen. Entscheidender ist es, die bereits vorhandenen Hebammen über eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen langfristig auch tatsächlich an die Kliniken zu binden – über attraktivere Vollzeitstellen. Man kann aber auch über ein Belegsystem nachdenken, bei dem die freiberufliche Hebamme fest mit der jeweiligen Klinik kooperiert und dabei in ihrer Tätigkeit durch die Klinik auch dann versicherungsrechtlich abgesichert ist, wenn sie in Kooperation mit der Klinik z. B. ambulant tätig wird.
Noch kurz zur Haftpflichtfrage: Das Problem, Herr Kluckert, betrifft nur die Hebammen, die noch eigenverantwortlich außerklinische Geburten durchführen. Die Beleghebammen bei Charité und Vivantes sind über die Häuser bis zu einem Schaden von 10 Millionen Euro versichert. In Haftpflicht genommen wird eine Hebamme dabei nur dann, wenn ein eigenes, schuldhaftes Fehlverhalten oder eine grobe Fahrlässigkeit der Geburtshelferin zum Schaden geführt hat. Von „groben Behandlungsfehlern“ spricht der Bundesgerichtshof immer dann, wenn bei allem Verständnis für gelegentliches menschliches Fehlverhalten bei Anwendung des gebotenen Ausbildungs- und Wissensmaßstabes so sehr gegen elementare Regeln verstoßen worden ist, dass ein solcher Fehler schlechterdings nicht vorkommen darf. Deshalb gibt es auch keinen plausiblen Grund, hier vom Verursacherprinzip abzuweichen, und wenn, warum dann nur bei den Hebammen und nicht bei allen anderen Heilberufen auch. Wohlgemerkt, es geht um grobe Fahrlässigkeit. Komplikationen, die unter der Geburt lebensrisikobedingt auftreten können, sind durch die Kassen abgedeckt. Eine quasi öffentliche Haftung für Schäden, die durch grob schuldhaftes Verhalten einzelner Hebammen entstanden sind, ist politisch nicht zu vermitteln und rechtlich auch nicht umzusetzen. – Vielen Dank!
Das kann man relativ kurz machen, denn das bestätigt, Herr Kluckert, dass Sie sich nicht wirklich in die Materie eingelesen haben. Es gibt unterschiedliche Versicherungstarife. Die Hebamme, die nicht außerklinisch, geburtshilflich, eigenverantwortlich Geburten leitet, hat einen anderen Versicherungstarif als die Hebamme, die beratend bzw. steuernd tätig wird. Die Unterschiede sind eklatant. Betroffen sind in der ganzen Bundesrepublik ca. 3 500 Hebammen, die heute noch außerklinische Geburten betreiben. Alle anderen haben andere Versicherungsverträge. Das ist das Erste.
Zweitens: Die Schadensrate bei Zwischenfällen im außerklinischen Geburtsbereich liegt nach einem Gutachten, dass das Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben hat und vom IGES Institut durchgeführt worden ist, bei 40 auf 1 000. Das sind 4 Prozent. Mit einer solchen Komplikationsrate hätte jede geburtshilfliche Klinik
aber ganz erheblichen Erklärungsbedarf ihrer Qualität. So ist es nur rechtens, dass, wenn man außerklinische Geburten durchführt, man auch so versichert ist, dass die langfristigen Schäden am Kind – und auch für die Eltern – adäquat abgedeckt werden. Das geht nicht dadurch, dass man mit öffentlichen Geldern das schuldhafte Versagen subventioniert, sondern das geht nur dadurch, dass man über entsprechende Qualitäts- und Versicherungsmaßnahmen die Leute in die Verantwortung nimmt.
Wenn ich mir zum Beispiel angucke, dass im Weiterbildungsangebot für die Hebammen hier in Berlin 15 Fortbildungsstunden im Jahr veranschlagt werden – 45 in drei Jahren –, dann gibt das sehr zu denken. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie außerklinisch die gleichen Standards zur Prämisse werden, wie sie in den Kliniken heute schon gelten.
Eine ganz wichtige Sache ist z. B., dass sie auch nach den Empfehlungen der Hebammenverbände bei einer außerklinischen Geburt mit zwei Hebammen arbeiten müssen, damit sie immer eine zusätzliche Hand haben. Das wird nur in 63 Prozent der Fälle tatsächlich außerklinisch garantiert. Wer will einen solchen Leichtsinn denn öffentlich subventionieren? – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Da kann man gar nicht richtig ausholen. – Ich darf zunächst einmal daran erinnern, dass die Kinderklinik am Benjamin-Franklin-Klinikum 1996 unter Verantwortung eines Regierenden CDU-Bürgermeisters Diepgen geschlossen wurde – deswegen müssen Sie sich hier heute nicht hinstellen und Krokodilstränen heulen! Dabei musste nämlich damals schon jedem klar gewesen sein, dass das Betreiben einer solitären Kinderrettungsstelle ohne Kinderklinik im Hintergrund nicht unproblematisch sein würde, nicht nur, weil sie die aus der Rettungsstelle notwendigen stationären Aufnahmen der Kinder irgendwo kindgerecht unterbringen müssen, sondern auch, weil sie den fachärztlichen personellen Hintergrund einer funktionierenden Klinik brauchen, wenn sie eine Kinderrettungsstelle auf Dauer betreiben wollen.
Im Grunde genommen bestärkt Ihr Engagement für den Fortbestand der Rettungsstelle dort den Eindruck, dass die KV ihrem Versorgungsauftrag auch in diesem Sektor wieder einmal nicht wirklich nachkommt.
Bedeutet Ihr Antrag nun, dass Sie mit mir der Meinung sind, dass der Monopolanspruch der Kassenärztlichen Vereinigungen auf die ambulante Versorgung endlich infrage zu stellen ist? – Dann auf in den Kampf! Gerne!
Die Auseinandersetzungen um die Kinderrettungsstelle reichen schon eine ganze Weile zurück, nicht erst seit einem Vierteljahr, Herr Grasse. Es gibt dazu bereits einen Beschluss der BVV Steglitz-Zehlendorf aus dem Februar 2014, sich für deren Erhalt einzusetzen. Und in dieser Zeit ist von Ihnen und Ihrer Fraktion überhaupt nichts in diese Richtung unternommen worden. Senatorin Scheeres war es, die damals als Aufsichtsratsvorsitzende der Charité reagiert und mit einem Veto gegen die lange vom Charité-Vorstand geplante Schließung agiert hatte. Eine Initiative von Ihnen kommt – wie immer – dann, wenn Rot-Rot an der Regierung ist. Fünf Jahre geschlafen,
dann aufgewacht, und nun kramen Sie Ihre alten Schubladen durch!
Die Charité begründet Ihre Schließungsabsicht zum einen mit Qualitätsansprüchen und zum anderen mit wirtschaftlichen Gründen. Das ist in der Tat ein grundsätzliches Problem. Ich gebe Ihnen aber recht, dass die medizinische Versorgung in der Fläche grundsätzlich auch dann zu garantieren ist, wenn sie sich wirtschaftlich nicht rechnet.
Sein Thema wird hier verhandelt!
Ich gebe Ihnen aber recht, dass die medizinische Versorgung in der Fläche grundsätzlich auch dann zu garantieren ist, wenn sie sich wirtschaftlich nicht rechnet. Aber dann müssen Sie mir auch recht geben, dass es eben deshalb notwendig ist, die Krankenhausvergütung endlich grundsätzlich zu reformieren und um eine Vorhaltepauschale zu ergänzen, damit in solchen Fällen, in denen die Zahl der Patienten nicht ausreicht, die Kosten für die Vorhaltung zu tragen, die Krankenhäuser diese Kosten nicht aus eigenen Mitteln – sprich: über eine Quersubventionierung aus Kassengeldern, die sie für die Versorgung stationärer Patienten erhalten, also über eine Zweckentfremdung – generieren müssen.
Sie haben jetzt einen ganz besonderen Kompetenzbrocken zum Gesundheitsminister gemacht, und Herr Ludewig zieht in den Bundestag: Also, machen Sie was draus! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Mir ist nicht wirklich klar, was die FDP eigentlich will. Im Antragstext fordert die FDP den Senat auf, darauf hinzuwirken, dass Berlin bei der Berechnung des ärztlichen Versorgungsbedarfs nicht mehr als ein Planungsbezirk betrachtet wird, sondern dass die Stadt in mehrere Planungsbereiche aufgeteilt wird, wie es bis 2003 ja auch der Fall war. Darüber mag man reden. Es gab gute Gründe, das damals zu ändern. Es fehlt die Zeit, Ihnen diese Gründe in den drei Minuten zu erläutern. Das können wir dann im Ausschuss machen. Ich sage Ihnen aber: Sie werden das Problem der regionalen Unterversorgung durch die Rückkehr zu zwölf Planungsbereichen nicht lösen. De facto hätte das keinerlei Auswirkung auf die aktuelle Versorgungslage. Insofern ist Ihr Antrag nicht wirklich tauglich.
Er zeichnet sich zudem auch nicht durch besondere Sachkenntnis aus. Schon heute – auch bei einem gesamtstädtischen Planungsbezirk – haben Sie die Möglichkeit, die Niederlassung über die geltende Zulassungsverordnung für Vertragsärzte kleinräumig zu steuern. § 24 Abs. 7 lässt seit dem 1. Januar 2012 eine Praxisverlegung nur zu, wenn dem nicht Gründe der Versorgung entgegenstehen. In § 16 werden die entsprechenden Steuerungsmöglichkeiten bei einer erkannten regionalen Unterversorgung auch aufgezeigt.
Ein Problem ist allerdings, Herr Standfuß, dass der Zulassungsausschuss als weisungsunabhängiges Gremium z. B. in den Jahren 2013, 2015 dennoch 19 Praxisverlegungen in besser versorgte Gebiete bewilligt hat. Von den 158 Ärzten sind bei Weitem nicht alle in schlechter versorgte Gebiete gezogen, sondern das hatte schlicht und einfach damit zu tun, dass sie aus den Gebieten, die überversorgt waren, aus ökonomischen, nicht aus medizinischen Gründen weggegangen sind. Wir haben da offenbar ein Umsetzungs- und Vollzugsproblem. Darüber müssen wir reden. Und wir müssen sehen, wie wir künftig Einfluss nehmen, z. B. über die Einbeziehung der Bezirke in das gemeinsame Landesgremium nach § 90a, um dieses Instrument wirklich zu schärfen.
Mir ist immer noch nicht klar, wohin Sie wollen. Im Begründungstext Ihres Antrages geht es plötzlich gar nicht mehr um Planungsbereiche. Da wollen Sie den Stadtstaat Berlin in einzelne KV-Bereiche untergliedern. Das ist doch was völlig anderes.
Die Kassenärztliche Vereinigung ist das Organ der Selbstverwaltung der niedergelassenen Ärzte, als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert. Davon haben wir in der Bundesrepublik 17. Jedes Bundesland hat eine, nur Nordrhein-Westfalen hat zwei wegen der Größe. Da gibt es 35 000 Ärzte. Sie haben hier in Berlin 9 400 Ärzte. Die haben eine KV. Und die wollen Sie jetzt in der Tat untergliedern. Was soll das denn? Die kleinräumige ärztliche Versorgung regelt sich nicht über eine Untergliederung des Selbstverwaltungsorgans der Ärzte. Dadurch bekommen Sie nicht einen einzigen Arzt, eine einzige Ärztin mehr in Ihr unterversorgtes Gebiet. Die Begründung Ihres Antrages hat mit dem Antrag selber überhaupt nichts zu tun. Ich weiß nicht, wer bei Ihnen die Anträge schreibt, aber wer sie unterschreibt – Herr Czaja, Herr Kluckert –, der sollte sie wenigstens lesen, bevor er sie dem Parlament vorlegt.
Sie geben sich zwar alle Mühe bei – – Ist egal! Jetzt habe ich vergessen, was ich sagen wollte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Berliner CDU fordert den Senat auf, über eine Bundesratsinitiative ein Gesetz zu ändern, das eine CDU-geführte Bundesregierung gerade erst zum 1.
(Hanno Bachmann)
November 2015 eingeführt hat. Offenbar wollen Sie RotRot-Grün damit zum Vehikel für die Kritik der Berliner CDU an der Integrationspolitik Ihrer eigenen Kanzlerin machen. Was halten Sie davon, wenn Sie diesen politischen Auftrag einfach mal an Frau Grütters weiterreichen? – Sie begründen Ihren Antrag auch noch mit zahlreichen Vorkommnissen, die Sie zunächst nicht weiter benennen, die wir aber gerade erfahren haben. Die AfD hat im Landtag von Sachsen-Anhalt 2016 einen im ersten Teil nahezu wortgleichen Antrag eingebracht und ihn dort genau wie Sie mit dem Mord an der neunzehnjährigen Studentin in Freiburg begründet. Ihr CDU-Abgeordneter Tobias Krull hat dazu am 15. Dezember 2016 im Landtag erklärt:
Mir sei eine Vorbemerkung gestattet. Das Opfer eines schrecklichen Verbrechens, welches auf das Schärfste zu verurteilen ist, zur Einbringung dieses Antrags zu nutzen, da fehlen mir einfach die Worte.
Das Protokoll auf Seite 86 vermerkt dazu: Beifall bei der CDU.
Sie haben damals das, was Sie hier heute für Berlin einfordern, in Sachsen-Anhalt vehement inhaltlich abgelehnt. Und trotzdem fordern Sie hier heute die medizinische Altersfeststellung als Regelfall. Es gibt keine medizinische Altersfeststellung.
Sie haben keine verlässliche Methode, mit der das nicht bekannte oder strittige Alter eines jungen Menschen exakt zu bestimmen wäre. So haben im Übrigen auch Ihre Kollegen in Sachsen-Anhalt argumentiert. Die einzelnen Methoden dann noch hintereinander zu addieren, so wie es unsere örtliche FPÖ hier gerade in ihrem Änderungsantrag vorgeschlagen hat, ändert nichts an der Ungenauigkeit. Sie können das Alter medizinisch allenfalls schätzen, und das auch nur in einem großen Schwankungsbereich. Was Ihnen juristisch nicht wirklich weiterhilft, auch weil Sie nach der Vorgabe des Europarats im Zweifel die Minderjährigkeit anzunehmen haben. Da geht es dann immer um die Feststellung des Knochenalters durch die Röntgenaufnahmen der Hand oder neuerdings der Schlüsselbeingelenke. Sie stellen gar nichts fest. Die Untersuchung liefert Ihnen einzig eine metrische Einschätzung durch den Vergleich der knöchernen Entwicklung des Untersuchten mit der Entwicklung der Knochen einer entsprechenden Referenzgruppe; im Fall der Handwurzel in der Regel – zugehört! – mit Röntgenbildern amerikanischer Kinder aus den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts. Die Standardabweichungen dieser Untersuchungen liegen bei 28 Monaten nach oben oder unten. Tatsächlich verknöchert die Handwurzel in einer bestimmten Reihenfolge, wobei dieser Entwicklungsprozess auch mit dem Lebensalter korreliert. Das Problem ist
nur, der Reifungsprozess ist nicht bei jedem Menschen gleich.
Wissen Sie, was mir bei Ihnen immer einfällt? Um Geltung zu bekommen, hat mein alter Mathematiklehrer gesagt, müssen sich Nullen immer hübsch rechts halten.
Es gibt bereits bei Gesunden große physiologische Schwankungsbreiten. Bei der CT-Untersuchung der Schlüsselbeingelenke kann die Altersdefinition der linken und der rechten Schlüsselbeinepiphyse bereits bei demselben Individuum um bis zu drei Jahren differieren. Auch der Blick sozusagen ins Maul zur Bestimmung des Zahnalters aufgrund der Entwicklung der Weisheitszähne und die unsägliche Begutachtung oder gar Vermessung der Genitalien liefern wissenschaftlich allenfalls näherungsweise Aussagen. Die Schwankungsbreite liegt bei fünf Jahren. Und nicht nur nebenbei bemerkt: Solche Untersuchungen erinnern eher an Kolonialgebaren denn an die soziale Aufnahmepraxis eines zivilen Rechtsstaates.
Der Deutsche Ärztetag hat in Münster 2007 jegliche Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten zur Altersfeststellung im Rahmen von Asylverfahren entschieden abgelehnt, weil es sich dabei weder um eine Maßnahme zur Verhinderung noch um die Therapie einer Erkrankung handelt. Deshalb sei eine solche Beteiligung mit dem Berufsrecht nicht vereinbar. Im Klartext: Ausländerrechtliche Fragestellungen sind keine Indikation für medizinische Interventionen. Die Röntgenbelastung, Frau Seibeld, liegt bei der CT-Untersuchung bei 800 Mikrosievert. Die Jahresdosis, die erlaubt ist für einen Erwachsenen, liegt bei 1 000 Mikrosievert.
Der Ärztekammerpräsident Montgomery hält eine Untersuchung ohne medizinische Indikation in diesem Zusammenhang gar für Körperverletzung. Zuletzt hat das der Ärztetag 2014 in Düsseldorf bekräftigt.
Ich habe nur noch 30 Sekunden. Ich gestatte Sie gerne, aber er mag sie dann stellen, wenn ich fertig bin.