Protocol of the Session on December 13, 2017

jetzt lassen Sie mich doch ausreden, sonst beschweren Sie sich immer, wenn dazwischengeredet wird –, ein Gesetz, das der Landtag beschlossen hat, vom Volk abgelehnt wird. Dafür brauche ich auch keinen Deckungsvorschlag. Sie wollen überall Deckungsvorschläge einführen.

Eine Änderung von Artikel 82 Abs. 2 der Verfassung ist deshalb aus unserer Sicht nicht notwendig, denn eine komplexere Formulierung im Verfassungstext wird nichts daran ändern, dass die Frage eines Eingriffs in den Finanzvorbehalt immer eine Einzelfallentscheidung bleiben wird.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als nächster Redner hat Abgeordneter Dirk Adams, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, wir befassen uns heute mit einem Gesetz zur Änderung der Thüringer Verfassung. Ziel ist es, den weiteren Ausbau direkter Demokratie auf der Landesebene zu ermöglichen. Ich glaube – das kann man schon mal sagen –, noch nie war ein Gesetz, dass zur Verfassungsänderung gemacht wurde, unumstritten. Deshalb ist es durchaus richtig, wenn wir in der Plenardebatte hier heftig darum streiten, was der richtige Weg ist. Ich finde es auch gut, wenn Herr Kollege Scherer hier am Rednerpult seine Position sachlich vorträgt. Aber ich möchte auch benennen, an welcher Stelle er die Sachlichkeit weit verlassen hat.

Wenn Kollege Scherer hier darstellt, dass die Landesregierung einen Verbotsantrag gegen ein Volksbegehren erwirkt hätte – einen Verbotsantrag! –; dieses Wort „Verbotsantrag“ kennen wir nur für eine ganz extreme Maßnahme, zum Beispiel der Bundesregierung, wenn eine Partei zu verbieten ist. Außerordentlich selten wird ein solcher Verbotsantrag

gestellt. Und wenn man seitens der CDU-Fraktion den Boden der Sachlichkeit verlässt in Bezug auf einen ganz normalen Antrag auf Überprüfung, ob ein Volksbegehren mit der Verfassung vereinbar ist – und das ist etwas, was viele Landesregierungen an fast allen Stellen immer gemacht haben, weil es eben relativ unklar ist, wie unsere Verfassung zu diesem Finanztabu steht –, dann ist das, glaube ich, nicht mehr ganz redlich. Ich will gerne einladen, Herr Kollege Scherer, dass wir wieder sachlich miteinander diskutieren, dann können wir all die Fragen, die sie zu Recht aufgeworfen haben, sehr gut diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz möchte unsere Verfassung in drei Artikeln und vier Punkten verändern und ich glaube, es sind gute, lohnenswerte Punkte, über die es zu diskutieren lohnt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der erste Punkt: Der Artikel 46 berührt die Frage, wer in Thüringen ab welchem Alter an Landtagswahlen mitwirken darf. Hier hat Kollege Scherer gesagt, es ist eben kein Element der Förderung der Demokratie, wenn jüngere Menschen mit abstimmen dürfen. Er sagte: Das einzige Ziel der rot-rotgrünen Koalition sei ein Fördern der Demokratie. Ich glaube, Herr Scherer, Sie haben selbst gesagt, wir haben hier schon sehr oft über das Wahlalter ab 16 diskutiert, und Sie haben eine sehr wichtige verfassungsrechtliche Debatte aus dem Blick verloren. Die meisten Verfassungsrechtler sagen: Alle Macht geht vom Volke aus – durch Wahlen. Das heißt, es geht gar nicht um die Qualität der Volljährigkeit, sondern es geht um die Qualität, abstimmungsberechtigt zu sein, weil man Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist. Man braucht eine Rechtfertigung, warum eine Bürgerin oder ein Bürger noch nicht mit abstimmen kann. Darüber gibt es jetzt Streit, ab welchem Alter. Um eine allgemeine Regel zu schaffen, macht man das fest. Richtig ist aber, dass es enorm viele Sachverhalte gibt, wozu 16Jährige Lebensentscheidungen treffen – zum Beispiel zu den Fragen: Welchen Beruf wähle ich?, Darf ich ein Moped führen und am Straßenverkehr motorisiert teilnehmen? – und damit eine enorme Alltagsverantwortung übernehmen. All das muten wir 16-jährigen Frauen und Männern natürlich zu. Deshalb ist die Frage zu stellen: Warum sollen sie sich nicht auch alle fünf Jahre auf der Ebene des Landtags an der Wahl beteiligen dürfen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Kollege Scherer, ich glaube, an der Stelle muss man eines sagen: Wer hier mit der Strafmündigkeit argumentiert – also der Möglichkeit, so viel Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen, dass man hinterher im Gefängnis landet oder eben nicht –: Ob man das bei einem 16-Jährigen erken

(Abg. Scherer)

nen kann, ist etwas vollkommen anderes als die Frage, sich entscheiden zu können, was ich denn möchte, dass es in den nächsten fünf Jahren in der Politik diskutiert werden soll. Es ist eben auch kein Vertrag, den man eingeht, für den man hinterher geradezustehen hat, wo man selbst höchstpersönlich etwas zu leisten hat, sondern es ist ein Ausdruck von Vertrauen für diese ohne jene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie es mich pointiert zusammenfassen: Man kann mit 16 dumme und kluge Entscheidungen treffen, man kann mit 26 kluge und dumme Entscheidungen treffen, man kann übrigens mit 46 oder 56 dumme und kluge Entscheidungen treffen und man kann das mit 76 oder 67 oder 68 auch machen. Es ist keine Frage des Alters, ob man dumme oder kluge Entscheidungen fällen kann. Wir möchten den jungen Menschen in diesem Land eine Stimme geben, wir wollen ihnen vertrauen und dieses Vertrauen ist gerechtfertigt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Artikel 68 der Thüringer Verfassung möchten wir den Bürgerantrag zu einem Einwohnerantrag machen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger, die mit uns gemeinsam leben, dem Thüringer Landtag auch eine Frage, einen Antrag, eine Willensbekundung vorlegen können. Damit ist noch nichts entschieden, damit ist nur dokumentiert: Wir Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Thüringen, alle, die wir hier leben, alle, die wir hier Brötchen kaufen, alle, die wir zu den Volksfesten gehen, alle, die wir hier arbeiten – sonst würden wir ja hier auch nicht leben und uns am Allgemeinwohl beteiligen – oder alle diejenigen, die wir, wo immer wir auch herkommen, natürlich auf Transferleistungen der Gesellschaft angewiesen sind, all diejenigen sollen das Recht haben, dem Thüringer Landtag eine Fragestellung oder eine Aufgabe zu übermitteln. Wo ist das Problem?

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das erklären wir Ihnen gleich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage ist: Wo ist das Problem? Kollege Scherer hat gesagt: Wie soll man das denn feststellen können? Dabei vergessen Sie, dass wir genau diesen Einwohnerantrag auf kommunaler Ebene doch schon haben. Wie macht denn das die Gemeinde, die Fragestellung zu lösen, wer hier seinen Aufenthaltsort hat? Und Kollege Scherer weiß doch, dass zum Beispiel bei der Frage der Berechtigung, für ein Amt zu kandidieren – wo auch immer diese Frage überprüft werden muss, zum Beispiel bei einer Liste –, dass derjenige Einwohner, zum Beispiel der

Stadt Erfurt, um für den Stadtrat zu kandidieren und dabei …

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Einwoh- ner!)

Einwohner, genau darüber reden wir. Einwohner: Wohnt der hier? Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch eine Frage, die wir ganz oft klären müssen. Die Verwaltung so dazustellen, als ob sie nicht in der Lage sei, den gewöhnlichen Aufenthalt eines Bürgers festzustellen: Das ist ja absurd.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Seit zwei Jah- ren!)

Da würden Sie ja behaupten, dass unser Verwaltungssystem vollkommen am Boden liegt und nicht in der Lage ist zu erkennen, wer in diesem Land lebt. Das ist purer Quatsch.

Purer Quatsch ist auch das Stichwort, damit möchte ich gern auf die Pressemitteilung der AfD eingehen. Sie hat ihre Pressemitteilung mit der Überschrift „Dieses Gesetz ist ein Putsch gegen das eigene Volk“ überschrieben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer verhindern will, dass die Menschen, mit denen wir gemeinsam leben, auch Anteil an den Debatten hier im Landtag haben – gar nicht mal entscheiden, nur Anteil an den Debatten hier im Thüringer Landtag –, der hat Angst vor der Bevölkerung dieses Landes. Ich sage Ihnen ganz offen: Sie haben Angst vor der Bevölkerung dieses Landes. Die Bevölkerung dieses Landes sind die Menschen, die Einwohner dieses Landes. Und die AfD fürchtet sich davor.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Abgeordneter Adams, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möller?

Ganz meine Freude.

Danke, Herr Kollege Adams. Mich würde interessieren, da ja die Staatsgewalt vom Volk ausgeht: Wie definieren Sie denn Volk angesichts der Tatsache, dass Sie jeden, der eine ausländische Staatsbürgerschaft hat, kein Deutscher ist, nun an der Staatsgewalt teilhaben lassen wollen?

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Es ist keine Staatsgewalt!)

Denn auch das ist ja eine direktdemokratische Abstimmung und damit Teil direkter Demokratie

(Abg. Adams)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht nicht um Staats- gewalt!)

und damit natürlich auch Teil von Ausübung und von Delegierung von Staatsgewalt.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Staatsgewalt ist etwas anderes!)

Für das Protokoll: Es gab eben den Ruf einer Abgeordneten, der Abgeordneten Müller aus der Linksfraktion, die gesagt hat: „Staatsgewalt ist etwas anderes“. Staatsgewalt ist etwas anderes als Einwohnerantrag. Ich habe das sehr deutlich gesagt. Sie versuchen, den Menschen, die heute hier zuhören, zu vermitteln, dass jemand, der gerade nach Deutschland gekommen ist, gar nicht Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland ist. Es wäre ja schon mal toll, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass wir hier ein richtiges Land haben, damit dieser Quatsch der Reichsbürger mal weg ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die über den Einwohnerantrag Staatsgewalt ausüben würden, das ist doch Unfug. Es geht beim Einwohnerantrag um nicht mehr und nicht weniger, als dass man eine Unterschrift mit vielen anderen Menschen unter einen Text setzen und sagen kann: Landtag, ihr gewählten Abgeordneten, bitte befasst euch mit dieser Frage. Nur darum geht es. Davor haben Sie Angst, das wollen Sie diskreditieren, das nennen Sie Putsch gegen das eigene Volk.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entschuldigung, da fallen mir eigentlich drastische Worte ein, die ich hier lieber nicht sagen möchte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollegin Müller hat vorhin einen berühmten Trainer bemüht, um zu zeigen, wie vernünftig es doch wäre, dass der Bürgerantrag zum Einwohnerantrag wird. Ich glaube, das Beispiel war ein bisschen weit hergeholt, nicht nur, weil das Steigerwaldstadion so nahe ist und wir wissen, dass da im Augenblick nicht alles so top läuft. Aber schauen wir mal nach Arnstadt. Dort gibt es ein Unternehmen, ein besonderes Unternehmen N3 – ein Turbinenhersteller. Dort arbeiten Menschen aus aller Welt. Wenn man sich das mal ansieht, in manchen Abteilungen ist die Arbeitssprache Englisch, die kommen aus vielen Ländern. Und wenn die ein Anliegen an den Thüringer Landtag hätten, weil in ihrem Gewerbegebiet irgendwas ganz Wichtiges passieren müsste, was wir hier zu entscheiden haben, dann wollten wir denen verwehren, sich daran zu beteiligen? Wollen wir uns nicht darüber freuen, wenn Menschen, die hier arbeiten und mit uns leben, sich daran beteili

gen können? Da verstehe ich auch die CDU nicht, dass Sie – ganz wie die AfD – diesen Punkt ablehnen. Ich finde, meine Damen und Herren, das sollten Sie überdenken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte ganz kurz noch auf das Finanztabu eingehen. Alle, die sich länger mit den Fragen von Volksbegehren hier in Thüringen befassen, wissen, dass wir eine schwierige Formulierung über den Ausschluss von finanzrelevanten Volksbegehren haben. Alles, was dieser Antrag, dieses Gesetz jetzt machen will, ist eine Klarstellung, zu sagen: Wir sagen sehr deutlich, wann es nicht mehr möglich ist, ein solches Volksbegehren zu machen. Das klären wir deutlicher und schaffen mehr Klarheit für alle Menschen, die jemals ein Volksbegehren auf den Weg bringen wollen. Es sind die einzigen Ausschlussgründe, dass wir sagen: nicht zum direkt bestehenden Landeshaushaltsgesetz, nicht zu Personalentscheidungen, nicht zu Dienst- und Versorgungsbezügen und nicht zu der Frage von Abgaben. Dafür schließen wir es aus, und zwar nur dafür. Jedes Volksbegehrten an jeder anderen Stelle soll zukünftig zulässig sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Klarheit dürfen unsere Bürgerinnen und Bürger mit großer Sicherheit von uns verlangen und wir sollten diese Klarheit geben. Wir sollten uns entscheiden, mehr Demokratie zu wagen. Wir sollten uns dafür entscheiden, mit diesem Gesetz einen kleinen Schritt weiterzukommen in der Demokratie, in der demokratischen Entwicklung unseres Freistaats, oder zunächst einmal mit diesem Gesetz einen guten Aufschlag zu haben, um mit der CDU zusammen über die Frage zu diskutieren: Wie wollen wir denn gemeinsam – denn wir können es nur gemeinsam – die Verfassung ändern, wie wollen wir diese Verfassung mit dem Ziel, direktdemokratische Mittel zu stärken, gemeinsam weiterentwickeln? Dieses Gesetz ist die Einladung an die CDU, mit uns, der Regierungskoalition, hier ins Gespräch zu kommen. Nutzen Sie diese Möglichkeit! Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, liebe Gäste, werte Abgeordnete, die Stärkung der direkten Demokratie ist für die Alternative für Deutschland eines der zentralen Anliegen. Wiederholt hat meine Fraktion da

(Abg. Möller)