Aber gehen wir jetzt vielleicht noch kurz auf einen Aspekt ein, der unseren Gesetzentwurf im Verhältnis zu dem der GRÜNEN etwas hervorhebt. Wir haben den Titel bereits genannt: „Gesetz zur Verbesserung der Informationsbeziehungen zwischen dem Sächsischen Landtag und der Staatsregierung – insbesondere in Angelegenheiten der Europäischen Union.“ Dazu werde ich etwas sagen und im Anschluss mein Kollege Stange. Ich will Ihnen nur noch einmal verdeutlichen, wie abstrus letzten Endes auch das Verhalten der regierungstragenden Mehrheit im Umgang mit ihren eigenen Erklärungen in diesem Hause ist bzw. mit Erklärungen von Verfassungsorganen aus diesem Hause.
Am 21. Juni 2010 hat der Präsident des Sächsischen Landtags, Herr Dr. Rößler, die einstimmig gefasste Stuttgarter Erklärung der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente unterzeichnet. Nach deren Ziffer 5 obliegt es den Ländern, „die jeweiligen Regeln im Landesrecht, vorzugsweise im Landesverfassungsrecht, so auszugestalten, dass die notwendigen Mitwirkungsmöglichkeiten des Landesparlaments gegenüber der Landesregierung zur Wahrnehmung der Integrationsverantwortung gesichert wird.
Zu dieser Mitwirkungsmöglichkeit gehört über Informationsrechte hinaus die Möglichkeit, landesverfassungsrechtlich eine Bindung der Landesregierung beim Stimmverhalten im Bundesrat und bei der Erhebung von Verfassungsklagen auf Bundesebene vorzusehen.“
Das hat unser aller Landtagspräsident nicht nur unterstützt; er hat es wiederholt auch vor diesem Hohen Hause gepriesen, dass wir den Weg gehen müssen. Wenn wir es jetzt bringen, wird das als Teufelszeug gesehen. Das ist nicht zu begreifen.
Am 18. August 2010 hat der Präsident des Sächsischen Landtags Dr. Rößler in der Sitzung des seinerzeitigen Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses erklärt, er sehe die Möglichkeit, die geltende Subsidiaritätsvereinbarung etwa zu einem Gesetz weiterzuentwickeln. Das war ja im Verfassungs- und Rechtsausschuss erklärt.
Am 17. Juni 2014 hat Herr Landtagspräsident Dr. Rößler die europapolitische Erklärung der Landtagspräsidenten unterzeichnet. Über die in dieser Erklärung formulierte Forderung nach einer Stärkung der Informationsrechte der Landesparlamente gegenüber der Landesregierung hinaus seien vor allem von den Parlamenten besondere – Zitat – „politische Anstrengungen und Initiativen“ zu unternehmen, „um ihre Mitwirkungsmöglichkeiten im Willensbildungs- und Entscheidungsprozess des Vertrags von Lissabon zu verstärken“. Es folgen dann entsprechende grundsätzliche Ausführungen zu Qualität und Quantität, wie wir sie im sogenannten Euro-Plus-Pakt als Grundlage des Urteils zum Euro-Plus-Pakt des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2012, finden.
Ich will damit nur sagen, dass es an der Zeit ist, dass es berechtigt ist, dass es Sinn macht, darüber nachzudenken, wie wir Informationsrechte in Ansehung der Weiterentwicklung seit Montesquieu in der modernen Auslegung der Trennung des Gewaltenteilungsprinzips, wie Kollegin Jähnigen das sagte, betrachten; das darf doch nicht im Streit stehen. Es kann doch, nachdem zum Beispiel Baden-Württemberg und Bayern die Frage der Subsidiaritätskontrolle gesetzlich geregelt haben, nachdem auch der Bundestag letzten Endes mit dem entsprechenden Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union eine Regelung getroffen hat, nicht ernsthaft im Streit stehen, dass wir uns dieser Frage nicht verschließen können.
Es muss doch im Grunde genommen 2015 diskutabel sein, wie wir uns jetzt, noch relativ zu Beginn der Legislaturperiode, bei solchen Fragen, die die alltägliche Arbeit des Parlaments und seine Aufgabenerfüllung nach der Verfassung betreffen, einfach einmal konstruktiv und ohne Ideologie verständigen zu können. Es tut uns sehr leid, dass dies offensichtlich bei diesen beiden Gesetzentwürfen als Versuch erneut gescheitert ist. Nichtsdestotrotz bitte ich um Besinnung und Zustimmung zu unserem Entwurf.
Danke, Herr Präsident! – Die Diskussion hinsichtlich der zwei verfassungsrechtlich im Wesentlichen identischen Anträge haben wir unter dem Tagesordnungspunkt 6 verfassungsrechtlich geführt. Es gab da Differenzen. Herr Bartl, wir haben uns darüber auch auseinandergesetzt. Verwunderlich ist, dass Sie jetzt direkt mit Europa einsteigen; denn mitberatend in dieser Angelegenheit ist auch der Europaausschuss gewesen. In einer zweiten Runde, so haben wir jetzt gehört, wird der Kollege Stange sich auch noch einmal zu Wort melden. Das ist bei uns die Thematik von Herrn Schiemann.
Insoweit sage ich: Es bleibt bei dem, was wir im Tagesordnungspunkt 6 unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel gesagt haben; da haben Sie mich leider auch nicht überzeugen können, Herr Bartl. Zum Thema Europa werden wir uns dann in der zweiten Runde äußern.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt die Argumente aus der anderen Debatte nicht wiederholen. Ich will einiges hinzufügen.
In der Tat haben wir als SPD 2003 schon einmal einen Antrag gleicher Stoßrichtung eingebracht; das wurde ja eben moniert. Es ist auch nicht so, dass wir in diesem Bereich verkennen würden, dass man da etwas tun kann. Nur ging das, was wir damals vorgeschlagen haben, in eine generell-abstrakte Regelung hinein und hat im Unterschied zu den hier vorgelegten Entwürfen in ihrer ganzen Konkretheit und ihrer direkten Einflussnahme auf die Erledigung der Aufgaben der Staatsregierung eine völlig andere Qualität gehabt.
Wie gesagt, wir wollten damals versuchen, die Balance etwas klarer zu kodifizieren. Heute soll doch im Grunde der Landtag ein wenig die Exekutive steuern. Es geht nicht mehr allein darum, dass der Landtag, also die Legislative, die Exekutive kontrolliert; meines Erachtens geht es doch eher darum, dass hier rückgekoppelt werden soll, dass der Landtag das Verhalten der Staatsregierung mit entscheidet. Meines Erachtens gibt das auch etwa das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht her.
Entschuldigung, hat die SPD – das ist ein Freudscher Versprecher – 2003, als sie ein Parlamentsinformationsgesetz einbrachte, die Notwendigkeit gesehen, dass wir die Parlamentsinformationsrechte im Freistaat Sachsen
ausbauen, ja oder nein, und hat sie diese Notwendigkeit gesehen, obwohl es Verfassungsgerichtsrechtssprechung gab? Ich frage dies, weil Sie vorhin gesagt haben, Verfassungsgerichtsrechtsprechung sei da, wir brauchten keine Änderung. Warum musste oder sollte damals geändert werden?
Ich habe den damaligen Gesetzentwurf sicherlich nicht verfasst. Sie wissen, dass ich ein junger Abgeordneter bin, der seit September letzten Jahres hier im Landtag ist. Dass die SPD-Fraktion auch damals einen Regelungsbedarf gesehen hat, will ich gerne konzedieren. Die Sichtweise, die ich vorhin vorgetragen habe, hat sich zwischenzeitlich aus der Diskussion ergeben; ich halte sie auch nicht für falsch.
Meines Erachtens gibt es in den uns vorliegenden Gesetzentwürfen einige Teilbereiche, über die man noch ausführlich diskutieren kann, ja; aber ich denke nicht, dass wir heute in der Situation sind, dies schon abschließend zu entscheiden, und meine, wir werden deshalb Ihre Anträge ablehnen.
Aber ich glaube durchaus, dass wir auch im Europaausschuss beispielsweise für den Bereich, der davon insbesondere betroffen ist, Diskussionen haben werden. Wir werden über die Behandlung von Europaanträgen im Europaausschuss in den nächsten Tagen auch noch zu verhandeln haben. Meines Erachtens berührt dies eine Menge derjenigen Punkte, die wir auch im Zusammenhang mit diesen Anträgen heute hier diskutieren. Ganz bestimmt werden wir da weiteren Diskussionsbedarf haben.
Nach meiner Auffassung geht jedenfalls die starke Einflussnahme des Landtags auf das Verhalten der Regierung, die hier auch mit dem Gesetzentwurf der LINKEN verlangt ist, viel zu weit. Sie geht bei Weitem über das hinaus, was unsere Fraktion seinerzeit, also 2003, gefordert hat. Bei uns bleibt es dabei: Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen. Auch dem Gesetzentwurf der LINKEN wird die AfD-Fraktion nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten. Die Bedenken, die die AfD grundsätzlich in Bezug auf eine Neuregelung der Artikel 50 und 51 unserer Sächsischen Verfassung hat, habe ich bereits vorgetragen. Dabei möchte ich es belassen. Das gilt auch für diesen Gesetzentwurf.
Danke, Herr Präsident! – Ich habe mich vorhin schon ausführlich positioniert. Es gibt gemeinsame Schnittmengen zu diesem Gesetzentwurf, und es gibt auch Unterschiede. Insbesondere ist die Frage der Mitbestimmung des Parlaments aus unserer Sicht dort nicht völlig gelöst. Wir werden uns hierzu enthalten.
Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, damit ist die erste Runde in der Debatte abgeschlossen. Ich frage: Gibt es weiteren Redebedarf? – Danach brauche ich nicht zu fragen, weil das schon angekündigt war.
Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Stange. – Jetzt hätte ich Sie doch beinahe um Ihren Wortbeitrag gebracht; das geht ja gar nicht. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Zu mittäglicher Stunde wäre man hier fast noch eingeschlafen, wenn die Luft so raus ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht gestatten Sie mir einen Einstieg eines Nichtjuristen. Das ist in einer solchen Debatte vielleicht einmal etwas ganz anderes und kann zur Belebung beitragen. – Lieber Klaus, Du wirst mir das entschuldigen. Aber manches von dem erschließt sich dann einem Normalsterblichen nicht mehr ganz.
Ich habe einen anderen Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen: die Europäische Union. Darüber sprechen wir ja hier. Wie funktioniert die Europäische Union in einer Zeit, in der eine Fraktion – manchmal wird sie eurokritisch, manchmal europakritisch genannt – im Parlament sitzt, die ganz vehement auf den Putz hauen wollte, und wo auf den Straßen Menschen unterwegs sind und Politik eben nicht mehr verstehen? In dieser Zeit müssen wir feststellen, dass die Europäische Union ein erhebliches Demokratiedefizit hat.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Erstens. Die Europäische Kommission hat im Wesentlichen die Rechtsetzungskompetenz. Die Europäische Kommission ist demokratisch nicht legitimiert, nicht so, wie wir als Parlamente legitimiert sind.
Zweitens. Das Europäische Parlament ist im Grunde kein vollwertiges Parlament im Sinne, wie wir als Landtage oder als Bundestag mit entsprechender Rechtsetzungskompetenz als Gesetzgeber ausgestattet sind.
Drittens. Im Bundesrat, der über die zweite Schiene in europapolitischen Fragen zum Beispiel mitentscheidet, Stellungnahmen abgibt, wirkt die Staatsregierung. Die Staatsregierung ist aber nicht Legislative, sondern sie ist Exekutive. Drittes Defizit. Jetzt haben wir darüber hinausgehend den politischen Dialog, weil wir uns in der