Ich komme zum vorgeschlagenen Gesetzentwurf zurück. Den Bereich der laufenden Verfahren der Regierung stellt unsere Verfassung ausdrücklich unter ihren besonderen Schutz. Mehrere Gutachter haben in der Anhörung darauf hingewiesen, dass die Staatsregierung im Bundesrat unabhängig und frei entscheiden dürfe. Der Landtag ist nicht berechtigt, die Staatsregierung in diesem Bereich an seine Voten zu binden. Ein solches Gesetzesvorhaben ist verfassungswidrig.
Außerdem kann ich hier feststellen, dass der Sächsische Verfassungsgerichtshof die Rechte der Abgeordneten durch eine außerordentlich abgeordnetenfreundliche
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Jähnigen. Sie haben das Wort, Frau Jähnigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Modschiedler, es ist wirklich nett und ein Anlass zur Heiterkeit, dass Sie uns auffordern, unsere Abgeordnetenrechte wahrzunehmen. Na klar, das tun wir stetig. Tun Sie es auch einmal!
Noch einmal zur Staatsrechtslehre: Gewaltenteilung – Montesquieu schätze ich sehr – ist nicht mehr der Stand der aktuellen Staatsrechtslehre. Ich denke, Sie wissen das auch. Im modernen Staat, im föderalen Staat, mitten in diesem europäischen System, in dem wir uns bewegen, ist das Thema der Gewaltenverschränkung ein wichtiges, ein reales; und mehr Informationen zu bekommen ist eindeutig keine Übernahme von Regierungsgeschäften oder Regierungsverantwortung, sondern nur Kooperation, die die Demokratie in einem modernen Staat fordert. Deshalb möchte ich Ihre Unterstellung an dieser Stelle erst einmal zurückweisen.
Zur Berücksichtigungspflicht: Man kann darüber diskutieren, wie weit das gehen darf. Wir haben das nur an ganz wenigen Stellen vorgeschlagen, nämlich dort, wo es Sinn macht, dass die Meinung eines Parlaments frühzeitig in die Verhandlung eines Staatsvertrages einfließt und er nicht erst zum Schluss, also hinterher, abgelehnt werden muss. Wir halten das für effiziente Demokratie, und wir halten das deshalb für aktuell, weil Europa – obwohl wir ein wirklich geschätztes Europäisches Parlament haben – in seiner Rechtsfindung eben doch ganz stark von den nationalstaatlichen Regierungen abhängt und gerade die Länderparlamente hier sehr wenig beeinflussen können.
Die Einbindung der Länderparlamente in EU-Angelegenheiten war wahrlich kein Gegenstand unserer Verfassungsgebung Anfang der Neunzigerjahre. Wie auch? Die EU sah damals noch anders aus, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur EU konnte es noch nicht geben, und der Verfassungsgesetzgeber – ich habe das damals als Studentin während meiner Staatslehrevorlesung beobachtet – konnte die heutige Dimension der Europäischen Union so noch nicht absehen. Da sind wir gehalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Gesetzgeber aktiv zu überlegen, wie wir das System auf gesetzlicher Ebene weiterentwickeln. Das ist nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, den wir sehr schätzen, sondern es ist unsere Aufgabe, die Demokratie und unsere Informations
Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Gemkow, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte ich für die Staatsregierung nur kurz Stellung nehmen. Der Entwurf betrifft die Informationspflichten der Staatsregierung gegenüber dem Sächsischen Landtag und seinen Mitgliedern. Diese Informationspflichten sind Grundlage einer effektiven parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung.
Wie die Informationspflichten in der Sächsischen Verfassung im Einzelnen ausgestaltet werden sollten, um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, das muss von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, beurteilt werden. Zur Zielsetzung und zur Erforderlichkeit der vorgeschlagenen Regelungen möchte ich aus diesem Grund von einer Stellungnahme absehen. Ich möchte lediglich auf folgende drei Problemkreise aufmerksam machen: Zum Ersten geht es um rechtstechnische Fragen, zum Zweiten um verfassungsrechtliche Überlegungen und zum Dritten um praktische Erwägungen.
Zu den rechtstechnischen Fragen: Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Das allein ist sicher noch kein Anlass zur Kritik. Ohne unbestimmte Rechtsbegriffe ist diese Materie gar nicht zu bewältigen. Wenn dann aber im Landtagsinformationsgesetz mit anderen Begriffen als in der Verfassung gearbeitet wird, dann trägt das nicht zur Präzisierung der Materie bei.
Nur ein Beispiel: die Informationspflichten in Angelegenheiten der Europäischen Union. Nach dem vorgeschlagenen Artikel 50 a der Verfassung soll über alle Vorhaben informiert werden, die nicht unwesentliche Interessen des Freistaates berühren. Dagegen spricht das Landtagsinformationsgesetz von Vorhaben von nicht unerheblicher Bedeutung für den Freistaat. Zur Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates wird einerseits vorausgesetzt, dass diese betroffen ist, andererseits, dass sie berührt ist. Für Nichtjuristen mag das keinen großen Unterschied machen, aber solche Abweichungen werden eine einheitliche und präzise Anwendung der Regelung nicht gerade fördern.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, soweit der Landtag über alle Gutachten informiert werden soll, die von der Staatsregierung oder ihren Beauftragten in Auftrag gegeben wurden. Diese Auskunftspflicht berücksichtigt den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung
nicht hinreichend. Diesen Kernbereich hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen wie folgt umrissen: „Die Verantwortlichkeit der Staatsregierung gegenüber Parlament und Staatsvolk setzt notwendigerweise einen eigenverantworteten Kernbereich des Regierungshandelns voraus, der weder Ausforschungseingriffen des Parlaments ausgesetzt ist noch von eigenen Auskunftspflichten überlagert wird.“
Geschützt wird hier in erster Linie der Prozess der Willensbildung der Staatsregierung. Holt die Staatsregierung in Vorbereitung einer Entscheidung ein Gutachten ein, kann die Offenlegung des Gutachtens den exekutiven Kernbereich berühren. Erst wenn die Meinungsbildung innerhalb der Staatsregierung abgeschlossen ist, tritt dieser Schutz in der Regel hinter das Informationsrecht des Parlaments zurück.
Die im Entwurf zum Landtagsinformationsgesetz vorgesehenen Regelungen gehen auch im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr weit – so weit, dass an ihrer Praktikabilität gezweifelt werden muss. Beispielsweise beschränken andere Länder die Informationspflicht auf die Vorbereitung von Gesetzen. Der vorliegende Entwurf erfasst hingegen auch alle Verordnungen und alle Verwaltungsvorschriften. Mit § 1 Abs. 1 des Entwurfs soll außerdem zur Unterrichtung über sämtliche Bundesratssachen verpflichtet werden, während Regelungen anderer Länder nur Bundesratsangelegenheiten von grundsätzlicher
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine derart umfassende Informationspflicht würde vermutlich dazu führen, dass die Staatsregierung über die grundsätzlichen und wichtigen Angelegenheiten nochmals gesondert informieren müsste, weil diese sonst in der Masse anderer Vorhaben untergehen würden. Um die Menge einmal zu veranschaulichen: Es gibt über 500 Verordnungen und über 1 200 Verwaltungsvorschriften in Sachsen. Die Tagesordnung des Bundesrats umfasst im Schnitt 50
Punkte in jedem Monat. Vorzubereiten sind neben dem Plenum für den Bundesrat auch die Sitzungen der 16 Ausschüsse des Bundesrats, deren Ergebnisse dann jeweils noch koordiniert werden müssen.
Vor diesem Hintergrund muss man feststellen: Eine Konzentration auf das Wesentliche ist sachgerecht und geboten. Im Namen der Staatsregierung bitte ich um Erwägung und Berücksichtigung dieser Bedenken.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist der Entwurf zum Gesetz zur Stärkung der Informations- und Beteiligungsrechte des Sächsischen Landtages und seiner Mitglieder, Drucksache 6/136, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgestimmt wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfs. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Darf ich Ihnen vorschlagen, dass ich die einzelnen Teile benenne und dann en bloc zur Abstimmung aufrufe?
Dann werde ich das so tun, vielen Dank. – Zur Abstimmung werden also gebracht: die Überschrift, Artikel 1 – Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen –, Artikel 2 – Gesetz über die Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung – und Artikel 3 – Inkrafttreten. Wer seine Zustimmung geben möchten, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dem Entwurf in der 2. Lesung nicht zugestimmt worden, meine Damen und Herren. Insofern erübrigt sich auch die Schlussabstimmung. Dieser Tagesordnungspunkt ist damit beendet.
Den Fraktionen wird das Wort zur Allgemeinen Aussprache erteilt. Zunächst spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Bartl, sodann die CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. – Herr Abg. Bartl, ich erteile Ihnen das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fange nun nicht noch einmal an – wie vorhin bei dem Entwurf der Fraktion GRÜNE –, die staatstheoretischen, staatspraktischen und verfassungspraktischen Erwägungen hier darzulegen, nachdem Sie soeben den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE mehrheitlich abge
lehnt haben. Jetzt noch einmal Herzblut in unseren Entwurf zu stecken und ihn anzupreisen wäre dann sicherlich daneben. Wir leben damit, dass Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen von den Fraktionen CDU und SPD, von der Koalition, schwerlich von irgendetwas zu überzeugen sind, überhaupt nicht zu überzeugen sind, wenn es nicht von Ihnen selbst kommt.
Das ist halt so. So ist es. Zu versuchen, dies zu ändern, ist eine blanke Leibesübung, die ich mir jetzt spare.
Ich will ganz bewusst den Gesetzentwurf, der in vielen Punkten mit dem Entwurf der Fraktion GRÜNE Schnittmengen hat – wir verfolgen ja dasselbe Anliegen mit einem Gesetzentwurf; nebenbei bemerkt ein Anliegen, das im Jahr 2003 in diesem Hause die SPD verfolgt hat.