Protocol of the Session on January 26, 2012

Vielen Dank.

Auf diese Kurzintervention von Herrn Fischer reagiert jetzt Frau Bonk. Bitte.

Herr Fischer, wenn es Ihnen lieber wäre, dass wir keine Debatten zu diesen Themen führen, dann ist das doch der berechtigten Verunsicherung und auch den Befürchtungen der Verbraucher gegenüber Dioxin oder realen Erkrankungen wie BSE oder den Darmbakterien, die wir im letzten Jahr hatten, eine Frechheit. Sie wollen also, dass wir nicht darüber sprechen. Die reale Verunsicherung kommt daher, dass Sie nicht Ross und Reiter benennen. Wenn es nach Ihnen geht, ist das Betriebsgeheimnis wichtiger, damit bloß nicht in Erfahrung kommt, wer die eigentlichen Verursacherbetriebe sind. Dafür haben Sie sich in der Anhörung ausgesprochen. Das ist Ihre Güterabwägung.

Wir aber sagen: Transparenz setzt den Wettbewerb der guten Prinzipien in Gang. Wenn der Verursacher genannt

wird, dann bringt das auch nicht mehr die gesamte Sparte in Verruf. Es sind die guten Erzeuger, die wollen, dass veröffentlicht wird, damit ihre Bemühungen belohnt werden. Insofern ist mehr Diskussion und eine häufigere Benennung der Verursacher und Transparenz über das, was in den Bereichen vorgeht, das, was wir brauchen. Dazu tragen weder Ihre Kurzintervention noch generell Ihre Beiträge irgendetwas bei, weil sie nur auf Verhinderung gerichtet sind.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und der SPD)

Gibt es jetzt weiteren Redebedarf in einer dritten Runde? – Den kann ich nicht erkennen. Das Wort hat daher die Staatsregierung. Das Wort ergreift Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Tatsache des Antibiotikaeinsatzes bei Nutztieren ist nicht aktuell. Im Gegenteil, sie ist ein Dauerbrenner. Was die Studien anbelangt, die hier nochmals aufgeführt wurden, so ging es dabei vor allem um die Häufigkeit des Einsatzes von Antibiotika. Es waren keine nennenswerten Rückstände zu verzeichnen. Das muss noch einmal richtig gestellt werden.

Die Tatsache des Nachweises methicillinresistenter Keime auf Hühnerfleisch ist ebenfalls nicht aktuell. Der Nachweis wurde bereits 2005 erbracht.

Sehr wohl aktuell ist aber die Tatsache, dass pünktlich zur Grünen Woche die Problematik auf die politische Agenda flattert, um im Bild des Huhnes zu bleiben. Das ist gut so.

Gleichfalls außerordentlich aktuell ist die Tatsache, dass sich Veterinärmediziner ständig austauschen, wie das zum Beispiel in der letzten Woche auf dem 6. Leipziger Tierärztekongress der Fall war. Dieser Austausch geschieht bundes- und europaweit. Diese geballte Ladung von Kompetenz – circa 4 100 Tierärzte – habe ich selbstverständlich genutzt, um mich über dieses Thema zu informieren und nachzufragen.

Festzustellen bleibt: Antibiotika sind wichtig zur Behandlung von Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier. Deshalb ist es auch wichtig, dass Antibiotika nur eingesetzt werden, wenn es unbedingt erforderlich ist, und zwar bei Mensch und Tier.

In der Tiermedizin gibt es sehr klare Vorschriften, die den Einsatz von Antibiotika regeln. So dürfen sie nur zur Behandlung von Krankheiten und keinesfalls zur Wachstumsförderung eingesetzt werden. Antibiotikafutterstoffe sind bereits seit 2006 verboten. Wenn man diese doch einsetzt, dann ist das ein Verstoß bzw. ein Straftatbestand.

Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung hat vielerlei Gründe. Krankheiten können durch Strukturen, Haltungs- oder Hygienemängel entstehen. Nicht nur Hund und Katze zu Hause dürfen behandelt werden, sondern

auch kranken Nutztieren muss geholfen werden, auch mit Antibiotika – das gebietet der Tierschutz.

Gleichwohl: Alle Maßnahmen, die unsere Datenbasis verbessern und die Beteiligten für dieses Thema sensibilisieren, begrüße ich sehr. Nur so werden wir den Antibiotikaverbrauch senken.

Wir müssen bei unseren Maßnahmen und Forderungen viele Details bedenken, auch, was wir als Verbraucher dazu beitragen können. Solange wir ein Hühnchen im Supermarkt für zwei Euro kaufen können, werden sich die Bedingungen in der Nutztierhaltung nicht verbessern. Jeder kann etwas beitragen. Lebensmittel sind wertvoll. Auch auf die Hygiene in Bad und Küche muss jeder achten. Der eine oder andere Keim wird durch ungenügende Hygiene eingefangen. Gerade bei Salmonellen ist das wichtig, die man sowieso nicht mit Antibiotika behandelt.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat ganz aktuell ein Maßnahmenpaket gegen Antibiotikaresistenzen vorgeschlagen. Dies beinhaltet vor allem die Verschärfung der rechtlichen Bestimmungen und die Erweiterung der Befugnisse der Kontroll- und Überwachungsbehörden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Staatsministerin?

Ja, bitte.

Vielen Dank. – Ich möchte an dieser Stelle, Frau Staatsministerin, fragen, ob Sie damit Ihre Aussage wiederholen wollen, dass es im Konsumenten-, im Verbraucherverhalten liegt, kein billiges Fleisch und zum Beispiel kein günstiges Hühnchen zu kaufen. Das frage ich angesichts der Ihnen bekannten Berechnungen von Bedarfssätzen und gleichzeitig dem Nährwertbedarf. Ist es tatsächlich vertretbar, allein auf das Verbraucherverhalten beim Fleischkauf zu rekurrieren? Vielleicht können Sie dazu noch erweiternde Ausführungen machen.

Wir hatten jetzt gerade zur „Gesunden Woche der Schulspeisung“ eine ganz tolle Veranstaltung dazu, dass man sich sehr wohl auch ohne Fleisch gesund ernähren kann, und das sehr wohl dosiert. Auch wenn man Nahrungsmittel letzten Endes gemeinsam mit den Kindern herstellt und zubereitet, muss man nicht nur auf den Euro achten. Da lasse ich mich von Ihnen jetzt auch nicht auf die sozialpolitische Schiene drängen.

(Beifall bei der CDU)

Nochmals zu diesem entsprechenden Entwurf: Außerdem sind alle Beteiligten aufgerufen, gemeinsam ein Minimierungskonzept –

(Enrico Stange, DIE LINKE: Unverschämt!)

zum Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung zu erarbeiten und umzusetzen. Wir prüfen zurzeit alle diese

Vorschläge. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, um den Einsatz von Antibiotika und um die multiresistenten Erreger in der Humanmedizin kümmern wir uns schon lange. Das war auch ein Thema bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

So sind die Netzwerke gegen multiresistente Erreger ein Arbeitsschwerpunkt meines Hauses. Das dazugehörige Konzept besteht aus drei Ebenen: die regionale Ebene, auf der alle Beteiligten zusammenarbeiten und die durch die Landesarbeitsgemeinschaft „Multiresistente Erreger“

unterstützt wird, eine Arbeitsgruppe zwei und drei; das sind Facharbeitsgruppen zum Beispiel zur AntibiotikaStrategie, die auf einen rationalen Einsatz von Antibiotika hinwirken, um Resistenzentwicklungen letzten Endes bei bakteriellen Krankheitserregern zu vermeiden.

Ein weiteres Projekt dieser Facharbeitsgruppe ist es, den Antibiotikaverbrauch auch in der ambulanten und stationären Pflege erst einmal zu ermitteln. Denn der verantwortungsbewusste Umgang mit Antibiotika und die Vermeidung von multiresistenten Erregern ist im Freistaat Sachsen allen ein wichtiges Anliegen. Es ist unsere ethische Verantwortung für Mensch und Tier.

Ich möchte nur noch einmal auf die EHEC-Erscheinungen im letzten Jahr und vor allen Dingen auch 2009 und 2010 auf H1N1 reflektieren. Die beängstigende Anpassungsfähigkeit der Erreger – auch hier wieder unabhängig von Mensch und Tier – nehmen wir sehr ernst. Selbstverständlich gibt es unbeantwortete Fragen, auch was die Spur der Mikroben anbelangt. Denn es ist ein globales Problem. Aber essenziell wird sein und muss auch sein, dass wir das weiterhin beobachten und evaluieren auf allen Ebenen, gleichfalls mikrobiologische Labordiagnostik auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand und die Zusammenarbeit, wie zum Beispiel mit dem Robert Koch Institut, um weitere Synergien zu nutzen und das Thema auch entsprechend in Bund und Land zu platzieren, ebenfalls pharmakologische Weiterentwicklung.

Nochmals zu dieser Anfrage an unser Ministerium: Ich habe hier eine E-Mail von einem Mitarbeiter, Herrn Horn, der sich bedankt: „Vielen Dank für die detaillierte Antwort im Ministerium.“ Herr Kollege, lieber Micha Weichert, nur so viel dazu, dass keine Reaktion gekommen sei. Der Dank ist am 16.01. ins Ministerium gekommen und ich bedanke mich bei den Mitarbeitern für die Beantwortung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Annekathrin Giegengack, GRÜNE, und Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, stehen am Mikrofon.)

Für die Staatsregierung war das Frau Staatsministerin Clauß. – Ich sehe nun zwei Kurzinterventionen. Zuerst kommt Frau Kollegin Giegengack; bitte.

Recht vielen Dank. – Der Beitrag von Frau Clauß hat mich jetzt doch wieder etwas beruhigt. Ich war doch sehr aufgebracht durch diese Debatte, vor allen Dingen der beiden Vertreter der Koalitionsfraktionen. Es hat mich schon erschüttert, in welcher Art und Weise hier mit dem Thema umgegangen worden ist. Ich habe auch den Eindruck, dass gerade diese beiden wahrscheinlich überhaupt nicht begriffen haben, worum es hier geht. Es geht nicht um Rückstände von Antibiotika im Fleisch oder so. Wer davon ausgeht, hat die Sache überhaupt nicht begriffen.

Wir haben einfach durch unseren hohen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin dazu beigetragen, dass wir viele verschiedene resistente Keime haben. Die gibt es überall. Die tragen Menschen zum Teil in sich, vielleicht auch Sie, Herr Fischer, weil Sie im ländlichen Raum unterwegs sind. Gerade diese Menschen haben die häufig.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Wenn diese Menschen krank werden bzw. mit Menschen in Kontakt kommen, deren Immunsystem geschwächt ist, dann kann man ihnen nicht mehr helfen. Ich weiß nicht, ob Sie sich über diese Radikalität und zum Teil existenzielle Bedrohung einiger Menschen durch diese Sachen bewusst sind. Da kann man nicht einfach so rummachen oder so etwas. Wir machen mal … Da müssen wir besser kontrollieren. Es geht auch nicht so richtig … Hier geht es um existenzielle Probleme. Ich finde, Sie nehmen sie nicht genug ernst. Gott sei Dank sieht das im Ministerium etwas anders aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Gibt es eine Reaktion? – Das kann ich nicht erkennen. Als Nächstes die Kurzintervention von Herrn Kollegen Pellmann.

Herr Präsident! Frau Staatsministerin! Ich bin deshalb ans Mikrofon

gegangen, weil mich eine Aussage von Ihnen in Reaktion auf meine Kollegin Bonk doch einigermaßen erschüttert hat. Sie hoben ab zu meinen, dass Sie sich nicht auf die sozialpolitische Schiene von Frau Bonk –

(Staatsministerin Christine Clauß: Bei diesem Thema!)

drängen lassen wollen. Ich bin bei diesem Thema, Frau Staatsministerin.

(Staatsministerin Christine Clauß: Offensichtlich nicht!)

Ich muss sagen: Ihr vorhergehender Satz hat mich noch mehr erschüttert. Denn er ließe sich interpretieren, dass Fleisch essen nur denen, die es sich finanziell leisten können, vorbehalten wäre.

(Unruhe im Saal – Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß – Zurufe von der CDU)

Ich erinnere Sie – ich meine, es war eine freie Rede, da kann auch einmal etwas missverständlich sein – an die Veranstaltung, die Sie erwähnten. Sie meinten nämlich in diesem Zusammenhang – dann brachten Sie das Gleichnis mit der sozialpolitischen Schiene –, dass man auch sehr gut ohne Fleisch leben kann. Genau das macht für mich die Sache problematisch. Ich will hier noch einmal deutlich sagen: Lebensmittel – und das ist unsere Grundposition – müssen für alle bezahlbar sein, sie müssen auch gesundheitstauglich sein. Das ist unser Grundprinzip. Und wenn ich sage, für alle bezahlbar, dann müssen wir auch deutlich machen, wie wir allen, auch denen, die von Hartz IV betroffen sind, eine gesunde Ernährung ermöglichen. Dazu gehört auch Fleisch.

(Beifall bei den LINKEN)