Das war für die NPDFraktion der Abg. Müller. Wir haben damit die erste Rederunde beendet und treten in eine zweite ein. Es ist schon angekündigt worden, dass es da von einigen Seiten Redebedarf gibt.
Zunächst hat als Antragstellerin die Fraktion der GRÜNEN das Wort. Das Wort wird von Herrn Kollegen Weichert ergriffen. – Es sieht sehr positiv aus mit diesem Stichwortzettel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An Aktualität ist diese Debatte kaum zu überbieten. Gestern „Spiegel online“, gestern Abend um 23:00 Uhr im ZDF eine große Sendung, heute eine ganze Seite in der „Sächsischen Zeitung“. Von Februar bis Juni 2011 – das wurde vorhin schon erwähnt – führte das Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eine Studie in Hähnchenmastbetrieben durch – ich erwähne das noch einmal, weil mir ein paar Zahlen dazu vorliegen – , und zwar in 182 Anlagen bei 962 Mastdurchgängen. Dort wurde festgestellt: 96,4 % der Tiere sind antibiotisch behandelt worden. Teilweise waren die Tiere nur über ein bis zwei Tage behandelt worden. Das konnte man dort auch erkennen. Das bedeutet, dass die Antibiotika überhaupt nicht in ihrem eigentlichen Sinne angewendet worden sind, nämlich um Bakterien zu vernichten. Vielmehr wurden sie – man kann nur vermuten – zur Wachs
tumsförderung und zu anderen Zwecken benutzt. Jedenfalls steht auf jeder Packungsbeilage, dass man eine Antibiotikagabe mindestens eine Woche oder entsprechend lange geben muss, damit das Medikament Bakterien abtötet.
Im Jahr 2010 gab es dann in Niedersachsen Stichproben zum Antibiotikaeinsatz. Dabei wurde festgestellt, dass bei den Mastdurchgängen durchschnittlich 2,3 Behandlungen durchgeführt worden sind. Zehn Jahre davor waren es nur 1,7 Behandlungen. Das heißt, es war ein massiver Anstieg zu verzeichnen, obwohl in der Zwischenzeit, nämlich in den Jahren 2004 und 2006, verboten worden ist, Antibiotika als Wachstumsförderer und zur Prophylaxe einzusetzen. Das bedeutet, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Das sehen auch Frau Ministerin Aigner und Frau Ministerin Clauß so. Es wird eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelverordnung gefordert, auch zur Dokumentation und Information. Man fordert einen bundesweiten Zugriff der Länderbehörden auf die Daten, man will die Kontrollen verstärken und den Einsatz von Antibiotika beschränken. Das ist gut so, aber es reicht nicht aus, meine Damen und Herren.
Nein, heute nicht. – Meine Fraktion wird einen Antrag zu diesem Thema einbringen. Wir wollen falsche Anreize abschaffen, beispielsweise das Rabattsystem für Antibiotika. Wenn nämlich ein Tierarzt heute eine Flasche Antibiotika kauft, zahlt er dafür 10 Euro und er verkauft sie für 15 Euro weiter. Wenn er aber 1 000 Flaschen kauft, kostet ihn eine Flasche nur noch 3,50 Euro.
Es gibt Tierarztpraxen, die ihr Einkommen zu 80 % aus dem Handel mit Medikamenten bestreiten. In Dänemark zum Beispiel ist Tierärzten das verboten, wie es bei uns in Deutschland in der Humanmedizin auch ist.
Die Dokumentation der Medikamentengabe bei Tierhalter und Tierarzt erfolgt momentan nur schriftlich und nur vor Ort. Wir brauchen dringend eine Vernetzung, eine Antibiotikameldedatei, und zwar bundesweit. Das entspricht übrigens auch dem Tierärztekongress, der das auf seiner Tagung, die in der letzten Woche in Leipzig stattfand, gefordert hat.
Alles zusammen heißt das: Die bisherigen Regeln reichen nicht aus. Frau Clauß, wir müssen handeln. Wir wollen Sie dabei gern unterstützen. Das ist allerdings nur mög
lich, wenn wir das in Kooperation machen. Bei der Vorarbeit für diese Debatte war es sehr schwierig, aus Ihrem Ministerium Informationen zu bekommen. Letztlich mussten wir uns in anderen Bundesländern bei den Verbraucherschutz- und Gesundheitsministerien die
Informationen holen, die wir selbstverständlich gern auch von unserem sächsischen Ministerium bekommen hätten. Vielleicht können wir das in Zukunft verbessern.
Der Kollege Weichert sprach für die einbringende Fraktion der GRÜNEN. – Als Nächstes spricht ein Vertreter der CDU-Fraktion. Das Wort ergreift erneut Herr Kollege Fischer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur ganz kurz einige Fragen. Herr hochgeschätzter Kollege Weichert, haben Sie denn selbst schon einmal Antibiotika genommen? Ist es Ihnen vielleicht schon einmal selbst so ergangen, dass Sie vorsorglich Antibiotika genommen haben?
Im Übrigen darf ich jetzt einmal ganz kurz auf die Regelungen bei der Tiermast hinweisen, die schon existieren. Wissen Sie denn überhaupt, welche Abstandsregeln es gibt, wenn ich Tiere medikamentös behandle, wie lange ich warten muss, bevor ich sie in Verkehr bringen darf, wie lange ich warten muss, bevor ich sie schlachten darf, und wie ich das alles deklarieren und vor allem auch dokumentieren muss?
Wissen Sie denn überhaupt, welcher unwahrscheinlich hohe bürokratische Aufwand für unsere heimische Landwirtschaft damit zusammenhängt?
Ganz kurz noch zu den Haltungsbedingungen, weil Großtiermast und Massentierhaltung immer mit im Raum stehen. Das ist gezielte Verunsicherung des Verbrauchers! Herr Nolle, Sie brauchen sich darüber auch nicht aufzuregen, Sie wohnen in Leipzig-Ost. Ich wohne im ländlichen Raum. Ich sehe es regelmäßig, jeden Tag.
Deswegen muss ich klar und deutlich sagen: Ich habe bei mir in Großenhain einen sehr guten Geflügelmaster. Er macht viele Dinge – das hätten Sie alle erfahren können, die GRÜNEN waren ja bei der Anhörung nur sporadisch anwesend – von sich aus, die nicht vorgeschrieben sind: erhöhte Schlafplätze, Kleintiergruppenhaltung usw. Sie
Die Novelle des Arzneimittelgesetzes, die auch Frau Bundesministerin Aigner angesprochen hat, beinhaltet ein Mehr an Länderkompetenzen. Das begrüße ich selbstverständlich, denn ich verspreche mir davon eine praxisnähere Diskussion.
Frau Aigner hat viele andere gute Vorschläge gemacht, die ich unterstützen kann. Eine Sache hat sie auch gesagt, die ich unterstreichen muss: Wir müssen ganz genau überlegen, wie weit wir den Verbraucher verunsichern können und wann wir uns und unser eigenes Vertrauen und unsere eigenen Lebensmittel auch gezielt kaputt machen. Das ist die Diskussion, die geführt werden muss. Dazu rufe ich Sie alle auf.
Für die CDU-Fraktion war das Herr Kollege Fischer. – Als Nächstes ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe. Das Wort ergreift die Abg. Bonk.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der zweiten Rederunde möchte ich auf einen Punkt noch einmal ausführlicher eingehen bzw. darauf reagieren. Herr Fischer, Frau Schütz, Sie haben erklärt, dass die Pflicht bestünde, den Antibiotikaeinsatz anzuzeigen. Die Pflicht dazu nützt am Ende natürlich nichts, wenn das nicht auch abgefragt wird, wenn das nicht auch Teil der Kontrolle und Berichterstattung ist. Anders, als dass da ein Mangel besteht, lässt es sich nicht erklären, wenn die Staatsregierung keine Erkenntnisse hat, wenn sie danach gefragt wird. Der Standpunkt, auf den sich die Staatsregierung stellt, sich nämlich allein auf die Betriebsgröße und das Verbraucherverhalten zu verlassen, negiert ihre eigene Steuerungsfähigkeit und macht deutlich, dass sie bisher selbst nicht ausreichend aktiv geworden ist, um steuernd einzugreifen. Das ist es, was – so denke ich – als Ergebnis dieser Debatte stehen bleiben sollte.
Diese Ergebnisse zu veröffentlichen ist der zweite Punkt, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher die Kontrollergebnisse zum Antibiotikaeinsatz auch kennen. Da ist es auffällig, dass auf dem von mir vorhin schon kurz angesprochenen Portal Lebensmittelwarnung.de die Fälle, die den Skandal ausgelöst haben, nicht verzeichnet sind. Das ist so, weil die riesige Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Untersuchungen von Verbraucherorganisationen und dem öffentlichen Kontrollsystem besteht. Daher kommt ein Vertrauensverlust.
Herr Fischer, Verbraucherinnen und Verbraucher mögen Transparenz. Das ist nachweisbar am Verhalten der Organisationen und am Bedürfnis der Verbraucherinnen
und Verbraucher, sich zu informieren. Ihre Unterstellung, dass die Debatten zur Verunsicherung beitragen, ist diesem Informationsbedürfnis gegenüber eine Frechheit.
Die Leugnung dieser Diskrepanz ist es, was eigentlich die Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert. Mehr Transparenz, mehr Veröffentlichungen der Ergebnisse wären erforderlich, um das Vertrauen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu stärken.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Bonk. Jetzt gehe ich weiter in der zweiten Rednerrunde. Die SPD hat keine Redezeit mehr. Gibt es bei der FDP noch Redebedarf? Redezeit wäre noch vorhanden. – Das sehe ich nicht. Die NPD hat auch keine Redezeit mehr. Wir könnten in eine dritte Rednerrunde eintreten, so es denn Redebedarf und Redezeit gäbe. – Ich sehe eine Kurzintervention. Bitte.
Frau Bonk, wir haben uns wahrscheinlich nicht richtig verstanden. Schauen Sie sich doch einmal die Realitäten in den letzten Debatten bezüglich dieses Themenkomplexes an: Dioxin in Eiern, BSE. Was war denn dran? Was kam denn heraus, außer Verunsicherung des Verbrauchers? Das war doch alles nur heiße Luft. Das ist doch das Problem. Das meine ich mit den gezielten Debatten, die Sie hier führen.
Einen weiteren Aspekt möchte ich unbedingt hinzufügen. Wenn es bei diesen aufgeregten Scheindebatten wirklich einmal vorkommt, dass es einen tatsächlichen Verstoß und ein tatsächliches Problem gibt, dann ist die Sensibilisierung sehr schwer zu erzeugen. Das ist das Grundproblem, das ich mit Ihrem Ansinnen und der Art und Weise, wie Sie die Debatte führen, habe.