Protocol of the Session on January 26, 2012

(Beifall bei den LINKEN)

Möchten Sie reagieren, Frau Staatsministerin? – Nein. Meine Damen und Herren! Ich sehe keinen Redebedarf mehr. Die Aktuelle Debatte ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Verdoppelung der Investitionspauschale für

die kreisfreien Städte und Landkreise im Jahr 2012

Drucksache 5/7777, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Aber es spricht die Einreicherin und die hat jetzt das Wort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Kollegin Junge, bitte.

(Präsidentenwechsel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am

gestrigen Abend hat die Mehrheit des Hohen Hauses dem Gesetz zur Änderung von Gesetzen des kommunalen Finanzausgleiches zugestimmt, wohl wissend, dass diese Finanzspritze für Sachsens Kommunen nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Meine Fraktion DIE LINKE schlägt Ihnen daher mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vor, die jetzige Investitionspauschale für die kreisfreien Städte und Landkreise in

diesem Jahr zu verdoppeln. Wir halten diese Erhöhung um 51 Millionen Euro für dringend notwendig.

Der Investitionsbedarf auf der kommunalen Ebene ist gewaltig. Laut einer Studie, die das Bremer Energieinstitut im Auftrag der KfW erstellt hat, besteht in den Gebäuden der kommunalen und sozialen Infrastruktur bundesweit ein Investitionsbedarf von mindestens 75 Milliarden Euro, um alle modernisierungsbedürftigen Gebäude nach der Energieeinsparverordnung bis 2020 zu sanieren.

Zusätzlich werden 50 Milliarden Euro für Neubauten, insbesondere im Pflegebereich sowie beim Bau von Sporthallen und Kindereinrichtungen, benötigt. Bund, Länder und Kommunen müssen sich gemeinsam dieser gewaltigen Aufgabe bis 2020 stellen.

In Sachsen sieht der Befund ähnlich aus. Stagnierenden Einnahmen stehen Mehrausgaben gegenüber. Die Konsequenz sind rückläufige Investitionsbudgets. Detailliert nachzulesen ist das im Gemeindefinanzbericht Sachsen 2010/2011.

Gerade der unter dem übermäßigen Spardiktat des Finanzministers entstandene Doppelhaushalt 2011/2012 führte zu erheblichen Kürzungen der investiven Zuweisungen. Den Städten, Gemeinden und Landkreisen stehen nur noch knapp 30 % der Investitionskraft des Jahres 2010 zur Verfügung. Beispielsweise sieht das Sächsische Finanzausgleichsgesetz für die zehn Landkreise in diesem Jahr nur noch insgesamt 393 000 Euro investive Schlüsselzuweisungen vor.

Spätestens die November-Steuerschätzung und der vorläufige Kassenabschluss 2011 haben die fehlerhaften Grundlagen des aktuellen Doppelhaushalts entlarvt. Der Freistaat wurde systematisch armgerechnet. Stattdessen sind jetzt massive Steuermehreinnahmen von

1,5 Milliarden Euro zu verzeichnen. Die Finanzsituation der sächsischen Kommunen bleibt dagegen weiter angespannt. Die leicht steigenden Steuereinnahmen können bei Weitem die rückläufigen Einnahmen, insbesondere aus dem Finanzausgleichsgesetz, nicht kompensieren. Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten laut gestrigem Beschluss aus den Steuermehreinnahmen des Landes im Jahr 2012 eine investive Zweckzuweisung in Höhe von 21 Millionen Euro für Maßnahmen der infrastrukturellen Grundversorgung. Das heißt, wir haben gestern beschlossen: Von den Steuermehreinnahmen sollen die Kommunen derzeit 21 Millionen Euro mehr erhalten. Sachsen beteiligt damit die Kommunen mit weniger als 1,5 % an diesen Mehreinnahmen. Das ist keine angemessene Beteiligung der Kommunen an den Steuermehreinnahmen.

Um die Haushaltssituation der Landkreise und kreisfreien Städte zu entspannen und den Investitionsstau ein wenig abzubauen, schlägt die Fraktion DIE LINKE vor, die

kommunale Investitionskraft durch die Zahlung einer Ergänzungsinvestitionspauschale von derzeit 51 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 102 Millionen Euro zu erhöhen. Die Kommunen können einerseits mit dieser gestärkten Investitionskraft als örtlicher Auftraggeber Impulse für die Belebung der Wirtschaft setzen und andererseits den Investitionsstau an Schulen, Kindereinrichtungen, Straßen und Sportstätten abbauen.

Eine wesentliche Erhöhung der Investitionspauschale ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, die Eigenanteile bei Fördermittelprogrammen darstellen zu können. Das gilt besonders für die finanzschwachen Kommunen, welche sonst nicht in der Lage wären, Landesinvestitionsprogramme zu nutzen.

Mit der Erhöhung der Investitionspauschale ist das Problem der Haushaltsdefizite, insbesondere der Landkreise, aber nicht gelöst. Deshalb wollen wir in den Fachausschüssen miteinander diskutieren, welche Maßnahmen und Änderungsbedarfe innerhalb des Systems des Sächsischen Finanzausgleichsgesetzes notwendig sind. Das gemeinsame Ziel muss sein, allen Gemeinden, Städten und Landkreisen das notwendige Maß der Finanzmittel zu einer angemessenen und dauerhaften Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung zu stellen.

Erste Vorschläge unsererseits liegen auf dem Tisch. Ich verweise zum Beispiel auf unseren Antrag zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen, Drucksache 5/7779. Insbesondere müssen kurz- und mittelfristige Lösungen für die defizitäre Situation der Landkreise sowie im Investitionsbereich gefunden werden. Zusätzliche

51 Millionen Euro für Investitionen in den Kommunen sind kurzfristig ein notwendiger Schritt, um den großen Investitionsstau ein wenig abzubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns auf eine gemeinsame Debatte in den Ausschüssen. Ich bitte um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfs an den Haushalts- und Finanzausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Bei Zustimmung bitte ich um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Stand und Perspektiven der ambulanten und

stationären ärztlichen Versorgung in Sachsen

Drucksache 5/5858, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Es spricht zuerst die Einbringerin, danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Danke, Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Seit Jahren steuern wir in Sachsen auf einen Ärztemangel zu. Erst belächelt, dann halbherzig gegengesteuert und Berechnungsgrundlagen immer wieder korrigiert, sind wir heute an einem Punkt angekommen, an dem nur noch das tagtägliche überdurchschnittliche Wirken von Ärzten und allen an der gesundheitlichen Versorgung Beteiligten eine gute Qualität sichern kann. Dafür vielen Dank von meiner Fraktion und von mir.

(Beifall bei den LINKEN)

Deshalb war die Große Anfrage „Stand und Perspektiven der ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung in Sachsen“ dringend notwendig, was die Antwort nur bestätigt. Diese liegt nun schon einige Zeit zurück, was nicht schädlich ist; denn das Thema ist immer aktuell und beschäftigt die Menschen in Sachsen. Und: Es gibt inzwischen ein Versorgungsstrukturgesetz, das neue Verantwortlichkeiten für die Länder vorsieht. So erhoffe ich heute schon von Frau Staatsministerin aktuelle Aussagen.

„Die ärztliche Versorgung gestaltet sich trotz steigender Arztzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung, des hohen Durchschnittsalters der Ärzte und des fehlenden Nachwuchses zunehmend schwieriger.“ Das ist eine Antwort zur Großen Anfrage.

Sehen wir uns die Bedarfsplanung etwas genauer an. Die Antwort zeigt in der Anlage 5 noch mögliche Zulassungen bis zu einem Versorgungsgrad von 110 % einschließlich demografischen Faktors zum 01.01.2011, also vor circa einem Jahr. Bei Augenärzten gab es noch 56 mögliche Zulassungen, bei Hausärzten sogar 394. Es gibt zahlreiche offene Stellen, auch bei Nervenärzten, Orthopäden oder Urologen, um nur einige Beispiele aus der Anfrage zu nennen; also Arzte, die eben der alternden Gesellschaft entsprechend notwendig sind. Wir wissen es eigentlich alle, die Zahlen standen mehrfach in der Presse.

Es ist ein Jahr vergangen. Wie geht die Staatsregierung mit diesen Zahlen heute um? Das wäre wichtig zu wissen; denn sie trägt doch jetzt eine gewisse Mitverantwortung. Manchen Patienten, vielleicht auch Ihnen, ist es durchaus schon einmal passiert, dass sie in ein leeres Wartezimmer kommen. Das wird im ländlichen Raum eher selten der Fall sein, in größeren Städten vielleicht noch. Wie gehen

Sie mit Überstrukturen, mit Überversorgung und mit Nachbesetzungsverfahren um? Wie ist Sachsen auf eventuelle Entschädigungszahlungen für nicht mehr zu besetzende Arztsitze bei der Kassenärztlichen Vereinigung vorbereitet?

Werte Abgeordnete! Diese Entwicklung ist nicht losgelöst von der Anzahl der Studierenden an den Medizinischen Fakultäten zu betrachten. 2003 waren es an der TU Dresden 269 Studienanfänger und 2010 nur noch 238; an der Uni Leipzig ist die Zahl der Studienanfänger im gleichen Zeitraum von 436 auf 330 gesunken. Das sind über sieben Jahre sinkende Zahlen bei den Absolventen, die in Sachsen nicht ankommen oder keine ärztliche Tätigkeit aufnehmen. Ursachen sehe ich zum einen vor allem in der Kürzung der finanziellen Mittel im Hochschulbereich. Damit sinken die Kapazitäten der Hochschulen. Somit ergeben sich sinkende Studienanfängerzahlen, trotz steigenden Bedarfs an Ärzten und trotz Wartelisten von jungen Menschen, die gern Arzt oder Ärztin werden wollen. Das ist der falsche Weg. Das ist eine Sackgasse.

Der Gesundheitssektor ist einer der größten Beschäftigungssektoren. Das gilt nicht nur für den ärztlichen, sondern vor allem für den pflegerischen Bereich. Er ist leider auch ein großer Wirtschaftszweig. Jedoch brauchen wir hierbei mehr als Wirtschaftsförderung. An der Nutzung der Programme sehen wir, dass diese Programme einfach nicht passen. Sie werden viel zu wenig in Anspruch genommen. Von den neun aufgeführten Förderprogrammen konnten in den letzten zehn Jahren nur drei wirklich genutzt werden. Alle anderen Programme gingen an dem Bedarf der Ärzte und am Leben vorbei.

Kommen wir zur stationären Versorgung. Sie beantworten viele Fragen gar nicht. Insiderwissen: Es war ein Krankenhausplan 2012/2013 in Arbeit. Interessierte Menschen in Sachsen können das nicht verstehen, weil ihnen dieses Hintergrundwissen fehlt. Seit 1990 gab es in der sächsischen Krankenhauslandschaft einen tief greifenden Modernisierungsprozess. Die Trägerlandschaft hat sich wesentlich verändert. Sachsen hat heute mit den höchsten Anteil an privaten Klinikbetreibern, was nicht immer zur Verbesserung der Versorgung aller Patienten führt. Die Krankenhäuser geben bereits heute an, dass 2013 voraussichtlich 1 026 freie Stellen zu besetzen sind.

Wir als LINKE sind gegen jede weitere Privatisierung der gesundheitlichen Daseinsvorsorge. Das hieße nichts anderes als Gewinnoptimierung. Doch Gesundheit ist keine Ware. Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand, um eine gute Versorgung für alle Patienten in

Sachsen zu sichern und einer Zweiklassenmedizin vorzubeugen.