Protocol of the Session on December 15, 2011

Das führt im Moment dazu, die Bedarfserhebung zu verweigern und die Augen zu verschließen. Das halte ich für falsch und ich würde jetzt gern in meinen Ausführungen fortfahren.

(Patrick Schreiber, CDU, steht immer noch am Mikrofon.)

Das heißt, Sie gestatten keine weitere Zwischenfrage?

Nein, Kollege Schreiber hat die Möglichkeit, in einer Kurzintervention darauf einzugehen. Wir haben dann vielleicht noch eine zweite Runde.

Die Landkreise wiederum, die alle davon betroffen sind, dass die Zahl der jungen Menschen abnimmt, können aus der demografisch bedingt sinkenden Jugendpauschale gar keine neuen Projekte finanzieren, ohne andere Angebote zu kürzen oder zu schließen. Ich weiß, die Kollegen von Schwarz-Gelb und die Staatsregierung hören es nicht gern, aber ich muss heute wie Frau Stange vorhin darauf hinweisen: Mit der Kürzung der Jugendpauschale um ein Drittel Anfang 2010 haben Sie begonnen, der Kinder- und Jugendarbeit in Sachsen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Die von den LINKEN beantragte Anhörung im Schulausschuss vor drei Monaten hat es deutlich gemacht: Die Kürzung der Jugendpauschale hat zu Stellen- und Stundenkürzungen bei den etablierten Projekten der Schulsozialarbeit geführt. Wir haben teilweise Mitarbeiter, die mit 18 Wochenstunden an zwei Schulen aktiv sind. Damit kann keine fachlich qualitative Arbeit geleistet werden. An neue Projekte ist erst recht nicht zu denken.

Das weiß auch das Sozialministerium, denn schließlich ist aufgrund der neuen Förderrichtlinie vom Juli dieses Jahres kein einziges neues Projekt gestartet. Das wurde vor einer Woche auch im Landesjugendhilfeausschuss öffentlich zugegeben. Die Landkreise, die überhaupt bereit sind, etwas zu tun, werden frühestens im Jahr 2012 damit beginnen. Da sind die zwei Jahre Laufzeit viel zu kurz angesetzt, denn zu einer erfolgreichen Implementierung von Schulsozialarbeit – das sagen alle Erfahrungen – wird mit drei bis vier Jahren Einführungsphase gerechnet.

Zu hoffen ist, dass jetzt das SMS plant, die restlichen ESF-Gelder, die bis 2013 ausgegeben werden müssen, zielgerichtet für die Kompetenzentwicklung von Jugendlichen an Schulen auszugeben. Das lässt, wie gesagt, hoffen. Ich bin gespannt, was sich da ergibt.

Der Antrag der SPD geht aus unserer Sicht deshalb in die richtige Richtung, weil er erstens die flächendeckende Notwendigkeit der Schulsozialarbeit betont und weil er zweitens auch ein eigenes Finanzierungskonzept verlangt, damit es nicht auf Kosten der anderen Jugendhilfestrukturen geht. Ob die kommunale Bedarfsprognose der richtige Maßstab ist, daran haben wir Zweifel – das hatte ich schon angedeutet –, weil prognostizierter Mehrbedarf bekanntlich auch zu Mehrausgaben führt. Doch diese scheuen die Kommunen angesichts der Haushaltslage.

Ein Beispiel dazu: Woher soll ein Landkreis wie Görlitz solche wichtigen Zusatzaufgaben finanzieren, wenn dort sogar aus finanziellen Gründen der Anspruch auf einen Kita-Platz auf sechs Stunden begrenzt wurde und das Theater Zittau/Görlitz gerade wieder 24 Stellen abbauen muss, weil der Landkreis es nicht finanzieren kann? Das nur als Beispiel.

Insgesamt ist der Antrag der SPD aus unserer Sicht vernünftig. Nun muss die Staatsregierung ihre Hausaufgaben machen. Wir werden dem Antrag zustimmen, um zur Durchsetzung der Schulsozialarbeit beizutragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Klepsch. – Bitte, einen Moment, Frau Jonas. Herr Schreiber hat jetzt die Möglichkeit zu sprechen.

Eine Kurzintervention. Frau Klepsch hat davon gesprochen, dass nach Gutdünken entschieden wird, wohin die Gelder vor Ort gegeben werden. Ich habe ihr die Frage gestellt, ob es richtig ist, dass darüber die Jugendhilfeausschüsse entscheiden.

Frau Klepsch, es ist so, dass die Jugendhilfeausschüsse über die Verwendung der Mittel entscheiden. Ich habe in meiner Rede davon gesprochen, dass ich die kommunale Struktur vor Ort einmal selbst in ihren Gegebenheiten und Angeboten, die sie vorhalten, überprüfen muss, und ob es nicht an der einen oder anderen Stelle sinnvoller wäre, das vorhandene Geld anders einzusetzen. Genau darum geht es. Daher finde ich es ziemlich ungerecht und etwas dreist, den Bürgermeistern zu unterstellen, dass nur sie entscheiden, wie die kommunale Jugendhilfe vor Ort ausgestattet ist.

Letzten Endes entscheiden darüber Stadträte und Ausschüsse und Jugendhilfeausschüsse. In einem davon sind wir in Dresden. Wenn Sie es nicht vermögen, in Dresden dafür eine Mehrheit auf die Beine zu stellen, dass mehr Geld hineingesteckt wird, dann ist es im Zweifel Ihr politisches Unvermögen. Aber Fakt ist eins: In den Jugendhilfeausschüssen sitzen Politiker und Vertreter der Kinder- und Jugendhilfe und freien Träger. Diese entscheiden gemeinsam darüber, welches Angebot gefördert wird und welches nicht, nicht das Gutdünken des einzelnen Bürgermeisters.

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Schreiber. Frau Klepsch, Sie möchten erwidern?

Herr Schreiber, Sie wissen doch genau, dass Jugendhilfeausschüsse einen Haushalt beschließen, der Ihnen zur Verfügung gestellt wird. Das hatte ich Ihnen vorhin gesagt. Natürlich ist es Aufgabe der Jugendhilfe, klaren Bedarf festzustellen und für einzelne Leistungsarten herunterzudeklinieren. Wenn aber die Gelder so gering sind oder seit Jahren nicht steigen, dann ist die Decke zu kurz, und dann reicht es nicht für den gesamten prognostizierten Bedarf.

Das Gleiche haben wir gerade auf der Landesebene, dass das SMS sagt, die landesweite Jugendhilfeplanung und die überörtliche Jugendhilfeplanung präjudizieren keinen Haushaltsansatz. Wenn die Decke zu kurz ist, dann friert irgendwer, und am Ende sind es Projekte, die nicht realisiert werden können, obwohl der Bedarf da ist. Entweder verstehen Sie das oder wir können noch lange darüber streiten.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort. Die FDPFraktion, Frau Abg. Jonas, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Das Thema Förderprogramme für die Schulsozialarbeit, wie bereits des Öfteren festgestellt, behandeln wir nicht zum ersten Mal. Damals haben wir uns ganz klar positioniert, dass ein neues Förderprogramm im laufenden Haushalt unsere Unterstützung nicht findet. Auch daran halten wir diesmal fest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schulsozialarbeit ist ein spezifisches Jugendhilfeangebot, das sich an Eltern, Schüler und Lehrer richtet und das durch zusätzliches professionelles sozial-pädagogisches Handeln damit auch eine zusätzliche Ressource im Lebensraum der Schule darstellt.

Wir halten dieses Unterstützungsangebot für wesentlich, dazu haben wir uns schon geäußert. Frau Dr. Stange, Sie haben aus dem Koalitionsvertrag zitiert. In ihm ist es erst festgeschrieben. Ich wiederhole noch einmal, damit es auch wirklich jeder glaubt, dass es darin steht: „Bedarfsgerechte Angebote zur Schulsozialarbeit werden wir in Zusammenarbeit mit den Kommunen anstreben.“ Daran halten wir uns, das ist die Arbeitsgrundlage. Daran hat sich nichts geändert.

Auf die Finanzierung und die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten ist mein Kollege, Herr Schreiber, so detailliert eingegangen, dass ich das an dieser Stelle nicht wiederholen möchte.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass der Freistaat für die Schulsozialarbeit die alleinige Verantwortung tragen muss, halte ich für vollkommen falsch. Die Kommunen müssen mit ins Boot. Sie sind die örtlich Verantwortlichen, sie sollen und dürfen auch selbst entscheiden, was vor Ort gebraucht wird – ohne Vorschriften seitens des Landes – und wie viele Schulsozialarbeiter an welchen Schulen eingesetzt werden müssen.

Frau Dr. Stange verwies vorhin auf den Landkreis Leipzig, der ganz deutlich gezeigt hat, dass das Bekenntnis zur Schulsozialarbeit von den Städten und Gemeinden da ist, auch die Ergebnisse und Projekte tiefgreifender sind.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle aus der Anhörung von Herrn Dr. Vogt zitieren, der allgemein in der SPD bekannt ist: „Wir haben eine Förderung als Grundstruktur angesetzt, die mit Kreismitteln und den Mitteln der Jugendpauschale, allerdings jetzt in etwas verringerter Form, abgesichert wird. Wir haben aber grundsätzlich ein Beteiligungsmodell. Das heißt, nicht ein Landkreis finanziert allein die Schulsozialarbeit, sondern wir haben immer eine Interessentenquote. Das heißt, wir wollen das Bekenntnis der Schulträger der Städte und Gemeinden. Auch das ist der Schlüssel zum Erfolg dieser Schulsozialarbeit, weil die

Städte und Gemeinden hinter dem Projekt stehen, wenn sie sich finanziell beteiligen.“

(Beifall bei der FDP)

Frau Jonas, Sie gestatten eine Zwischenfrage? – Frau Dr. Stange, bitte.

Frau Jonas, ich weiß nicht, ob Ihnen die Pressemitteilung aus der „FAZ“ von Borna von heute bekannt ist, was das Ergebnis des Jugendhilfeausschusses von gestern im Landkreis Leipzig gewesen ist.

Sehr geehrte Frau Dr. Stange! Da ich den ganzen Tag hier intensiv beschäftigt war, hatte ich keine Zeit, Zeitung zu lesen.

Das ist mir gerade im Zusammenhang mit der heutigen Debatte ins Netz geflattert. Meine Frage: Welche Rechtssicherheit hat der Landkreis Leipzig durch die Landesregierung, dass die Mittel auch weiterhin ab 2012/13 für Schulsozialarbeit eingesetzt werden können? Genau diese Frage hat Herr Geyer vorhin gestellt. Daraufhin hat der Jugendhilfeausschuss die Fortsetzung der Schulsozialarbeit abgelehnt.

Bitte, Frau Jonas.

Sehr verehrte Frau Dr. Stange! Die Rechtssicherheit, die Sie in diesem Rahmen verlangen, kann Ihnen zum aktuellen Zeitpunkt gar keiner geben. Es geht um die Perspektiven. Dieser Landkreis – das wissen Sie sicher, auch wenn Sie sich über die Landkreisentwicklung damit befasst haben – war immer einer, der sehr aktiv an der Schulsozialarbeit festgehalten hat, der sich immer im Jugendhilfeausschuss aktiv für die Schulsozialarbeit eingesetzt hat. Genau das ist ja der Weg, den wir gehen wollen, indem wir sagen: Mit den Kommunen, mit den Verantwortlichen werden wir diesen Weg gehen. Ich bin fest davon überzeugt, auch durch die Aussagen des Koalitionsvertrages, dass wir in Zukunft die Schulsozialarbeit als wesentlichen Eckpunkt ansehen. Genauso, wie es Herr Schreiber gesagt hat, wird es ein Projekt für unseren Freistaat sein, das in einer langen Perspektive die Zuständigkeiten gewährleistet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Jonas, Sie gestatten eine weitere Zwischenfrage?

Sehr gern.

Frau Klepsch, bitte.

Danke, Herr Präsident. Frau Jonas, Sie haben gerade aus dem Anhörungsprotokoll des Sozialdezernenten des Landkreises Leipzig, Herr Dr. Thomas Vogt, zitiert. Haben Sie denn auch weitergelesen? Er hat nämlich dann Folgendes zu dem, was Sie vorgelesen haben, gesagt, dass bei ihm eine Warteliste von vielen Kommunen vorliegt, die auch gern

Schulsozialarbeit einführen würden, und er das aber nicht finanziell untersetzen kann, weil seine Mittel auch begrenzt sind.

Ist Ihnen also bekannt, dass die Mittel offenbar doch nicht reichen, um alle notwendigen Projekte durchzuführen?

Sehr geehrte Frau Klepsch, der Landkreis hat in dieser Struktur gesagt, es bedingt eine Finanzierung seitens der Kommune und seitens des Landkreises. Gerade in diesem Prinzip ist es ja notwendig, dass alle die gleichen Finanzierungsbedingungen haben. Aus der Anhörung erschließt sich mir aber nicht, dass für die Schulen, in denen es momentan noch keinen Schulsozialarbeiter gibt, auch in der Perspektive keine Lösung gefunden wird, sie zu versorgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Situation für die Schulsozialarbeit im ländlichen Raum schwierig ist – sogar viel schwieriger als in den städtischen Ballungsgebieten –, bestreite ich keinesfalls und es ist wichtig, immer wieder den Fokus darauf zu legen. Wir müssen über strukturelle Änderungen zum Beispiel in der Bündelung der Finanzierung nachdenken und darüber, wie langfristig mit diesen Fragen und Problemen vor allen Dingen auch im Rahmen der Haushaltsaufstellung umzugehen ist. Deswegen gilt es, diese Anregung mitzunehmen und an geeigneter Stelle wieder hervorzubringen. Ihren Antrag werden wir an dieser Stelle allerdings ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Giegengack; bitte, Sie haben das Wort.