Protocol of the Session on December 15, 2011

Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Giegengack; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann als studierte Sozialpädagogin sagen, Schulsozialarbeit ist ein idealtypisches Arbeitsfeld lebensweltorientierter Sozialarbeit. Sie lässt sich ganz individuell auf die Problemlagen von Kindern und Jugendlichen in ihrem Alltag ein. Schulsozialarbeit ist niedrigschwellig, ist subsidiär organisiert. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um Kinder und Jugendliche auch zu erreichen.

Im schulischen Umfeld vollzieht sie alle sozialpädagogischen Interventionsformen, die wir kennen: Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit; es wurde ja schon ausgeführt. Sie berät Schüler, Eltern und Lehrer, vermittelt Hilfen, betreibt präventive Maßnahmen, führt Sozialtraining durch, beteiligt sich an der Schulentwicklungsarbeit, bietet offene Freizeitangebote an, begleitet die Übergänge in andere Schulen und in die Berufsausbildung.

Mit dieser Aufgabenvielfalt ist Schulsozialarbeit für uns kein Leistungsangebot der Kinder- und Jugendhilfe, sondern Schulsozialarbeit ist vielmehr die entscheidende Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und

Schule. Sie betreibt Jugendsozialarbeit im Sinne des § 13 SGB VIII, sichert jedoch gleichzeitig den in § 1 Sächsisches Schulgesetz beschriebenen Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule ab.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz nachvollziehbar, warum Schulsozialarbeit in Sachsen ausschließlich über den Bereich Jugendhilfe finanziert wird.

(Ganz vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Ebenfalls nicht ganz nachvollziehbar ist der inzwischen kaum noch zu überblickende Mix an Förderprogrammen für benachteiligte Schülerinnen und Schüler, der in unserem Land existiert. Am vergangenen Freitag ist ein weiteres Förderprogramm des SMS hinzugekommen: „Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern“, das explizit Schulabbrecher und junge Menschen, die Probleme mit dem Erreichen ihres Schulabschlusses haben, unterstützen will. Grundsätzlich begrüße ich das, aber es ist ein weiteres Förderprogramm neben vielen anderen.

Wenn ein Anliegen der Sachverständigen bei der Anhörung des Antrages der LINKEN deutlich geworden ist, dann, dass vor allem eine verlässliche und kontinuierliche Förderung in diesem Bereich nottut.

Aus diesem Grund unterstützen wir ausdrücklich den Punkt 2 des SPD-Antrages, in dem die Staatsregierung aufgefordert wird, ein Förderprogramm Schulsozialarbeit aufzulegen und dabei die kommunale Bedarfsprognose der jeweiligen Schulträger – und wir würden ergänzen: der Jugendhilfeträger – zu berücksichtigen. Aus unserer Sicht muss dieses Förderprogramm aus beiden Häusern – SMS und SMK – finanziert werden.

Wir plädieren darüber hinaus dafür, die verschiedenen Förderprogramme für Schulsozialarbeit für abschlussgefährdete Jugendliche, Schulabbrecher, Schulverweigerer usw. in einem Programm zusammenzuführen und die Zuständigkeit für die Planung und Bewilligung der Projekte jedoch auf kommunaler Ebene zu belassen.

Punkt 1 des Antrages können wir in seiner Pauschalität so nicht mit unterstützen. Wir halten die Forderung, an allen sächsischen Schulen mindestens eine Schulsozialarbeiterstelle sicherzustellen, für etwas undifferenziert. Warum die SPD das fordert, obwohl sie doch selbst in ihrer Großen Anfrage zur sozialen Lage von Kindern und Jugendlichen in Sachsen in Frage 7.14 explizit auf eine differenzierte Ressourcenausstattung der Schulen nach Schülerzusammensetzung abstellt, erschließt sich uns nicht. Von daher beantragen wir punktweise Abstimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Annekatrin Klepsch, DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Giegengack. – Die NPD-Fraktion hat keinen Redebedarf angemeldet. – Es bleibt dabei. Meine Damen und Herren,

damit ist die erste Runde beendet. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Die einbringende Fraktion? – Nicht. Herr Schreiber; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal auf Frau Klepsch eingehen: Frau Klepsch, ich finde es einfach unredlich, was Sie hier machen. Sie – wie viele andere Ihrer Partei, aber auch hier im Landtag – sitzen in den Kommunalparlamenten, Sie sitzen hier im Landtag und bringen ununterbrochen Forderungen, Anträge, mehr Forderungen im sozialen Bereich ein – in den kommunalen Gebietskörperschaften setzen Sie diese zum Teil auch durch; ich nenne nur ein Beispiel: Dresden-Sozialticket –, höhere Kosten der Unterkunft usw. usf.; alles, was dazu gehört. Dann stellen Sie sich hier hin, wenn es nach heutiger Gesetzeslage in Sachsen um eine originäre Aufgabe der kommunalen Gebietskörperschaften geht, und behaupten immer und immer wieder, die Decke sei zu kurz. Das ist einfach unredlich.

(Martin Dulig, SPD: Wer hat denn die Jugendpauschale gekürzt?!)

Sie können nicht für die vielen politischen Themen immer wieder mehr Geld fordern, teilweise umsetzen und mit vollen Händen ausgeben – und das nicht nur im Sozialbereich – und sich dann für die Themen, bei denen Sie meinen, sie wären auf Landesebene wichtig genug, um sie hier anzubringen – was ich überhaupt nicht in Abrede stellen will –, hier hinstellen und sagen, die Decke ist zu kurz. Das ist einfach unredlich, das macht man nicht.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Sie sagen auch an keiner Stelle, woher Sie die Mittel – es gab ja auch in einer der letzten Sitzungen einen Antrag von Ihnen zur Schulsozialarbeit – nehmen bzw. wo Sie das Geld wegnehmen wollen.

Damit komme ich jetzt wieder, auch wenn es so manchen meiner Kollegen nervt, mit dem Beispiel von Dresden: Die kommunalen Mittel für Kinder- und Jugendhilfe, die zur Verfügung gestellt worden sind, sind in der Stadt Dresden – Frau Klepsch, Sie wissen das hoffentlich als Stadträtin – in den letzten vier Jahren um sage und schreibe 29 % gestiegen.

(Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Es gibt keine Betriebskostensteigerungen und es gibt auch keine Personalkostensteigerungen um 29 %. – Moment, jetzt kommen Sie mit den steigenden Kinderzahlen. Das ist alles gut und schön – man findet immer eine Begründung, Frau Dr. Stange.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Das ist aber so!)

Nein, ist es eben nicht, Frau Dr. Stange. Der Punkt ist ein anderer: Sobald man drei Groschen fünfzig – Sie können ins Protokoll vom letzten Mal schauen, da habe ich den gleichen Satz gesagt – mehr im Portemonnaie hat, werden diese hinausgeballert; sie werden einfach hinaus

geballert, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass man im Zweifel im nächsten Jahr wieder Personalkostensteigerungen hat, dass man Betriebskostensteigerungen hat. Es werden noch mehr Angebote gemacht. Keiner fragt wirklich planungsmäßig nach, ob diese überhaupt vonnöten sind, nein, das Geld wird hinausgeballert. Und im nächsten Jahr, wenn das Geld dann wieder nicht ausreicht, heißt es erneut: Die Decke ist zu kurz. Das ist unredlich, das ist unverantwortlich, und so kann man auch keine Kinder- und Jugendhilfe ausfinanzieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dulig?

Ich würde gern eine Kurzintervention machen.

Bitte.

Sie haben gerade vorgeworfen, man sage nicht, wo man denn das Geld hernimmt. Ich sage Ihnen erst einmal, wer es wegnimmt: Das sind nämlich Sie! Sie haben die Jugendpauschale gekürzt, Sie haben den Sozialhaushalt überproportional gekürzt, Sie haben die Kommunen in den Regen gestellt.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Jetzt den anderen vorzuwerfen, dass Sie für soziale Gerechtigkeit eintreten, dafür, dass Sie eine andere Balance für mehr Kinder und Jugendliche herstellen wollen, ist unredlich.

(Oh-Rufe von der CDU und der FDP)

Das Problem ist, dass Sie einteilen, was angeblich gutes und was schlechtes Geld ist, dass die Investition in Beton toll ist; aber wenn es um Kinder und Jugendliche geht, dann ist es schlechtes Geld, dann sollen wir rechtfertigen, warum man dieses Geld ausgibt.

Sie machen die Decke kurz für die Kommunen. Sie haben nämlich dazu beigetragen, dass die Kommunen ihre Aufgaben auch im freiwilligen Bereich nicht mehr erfüllen können – und dann stellen Sie sich hin und zeigen mit dem Finger auf den anderen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass Jugendarbeit nicht mehr so stattfinden kann.

Es ist auch ein Problem, dass wir bei dem Thema Prävention einen riesigen Nachholbedarf haben. Wir reden hier über ganz viele Themen: über Rechtsterrorismus, Rechtsextremismus oder sonst etwas. Wir reden aber vor allem über Prävention. Dazu gehört Kinder- und Jugendhilfe sowie Schulsozialarbeit. Sie sagen, dafür wollen Sie kein Geld ausgeben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Patrick Schreiber, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Schreiber, möchten Sie auf die Kurzintervention von Herrn Dulig reagieren?

Langsam bin ich es gewohnt, dass Herr Dulig sich immer angesprochen fühlt, auch wenn man die SPD-Fraktion in dem Moment überhaupt nicht angesprochen hat. Aber da mache ich es noch einmal konkret, Herr Dulig. Wir standen vor der Herausforderung, einen Haushalt absenken zu müssen, und Sie wissen ganz genau, warum. Der Freistaat Sachsen generiert gerade mal 56 % seiner Ausgaben aus eigenen Einnahmen. Sie wissen, dass bis zum Jahr 2020 aus dem Solidarpakt 1,6 Milliarden Euro nicht mehr zur Verfügung stehen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Steuermehreinnahmen! – Weiterer Widerspruch bei der SPD)

Ja, ja, Frau Dr. Stange.

Herr Präsident, geht das von meiner Zeit ab?

Nein. Reden Sie weiter.

Frau Dr. Stange, wenn Sie am Samstag Lotto spielen und sich im Kopf ausmalen, ich könnte am Wochenende 1 Million Euro gewinnen, gehen Sie dann sofort los und kaufen sich für eine halbe Million Euro irgendwo ein Haus? Sie tun es nicht! Sie machen es erst dann, wenn Sie die Million gewonnen haben. So ehrlich müssen Sie sein, und deswegen sind Steuermehreinnahmen erst dann wirkliche Einnahmen, wenn Sie sie haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie haben im Jahr 2010 sehr, sehr gut gesehen, wie schnell Steuermindereinnahmen kommen können. Das waren 800 Millionen Euro Steuermindereinnahmen.

(Widerspruch bei den LINKEN)

Ich wiederhole mich hier zum 150. Mal immer wieder gern. Die freiwillige Leistung der Jugendpauschale, die wir den Kindern und Jugendlichen nicht zugutekommen lassen, wie uns Herr Dulig immer unterstellt, wollen wir auch noch in zehn Jahren zahlen. Wenn wir Ihre Haushaltspolitik machen, jeden Cent sofort rauszuballern, sobald er in die Kasse kommt, dann werden wir in zehn Jahren keine freiwilligen Leistungen mehr zahlen können,