Protocol of the Session on January 20, 2011

Wenn wir jetzt hören, dass das also nicht möglich ist, wäre das aus meiner Sicht ein weiteres Versäumnis, denn dann hätte der Freistaat offensichtlich schon im Vorfeld keine Vorsorge dafür getroffen, dass tatsächlich Klage erhoben wird. Das finde ich ein interessantes Eingeständnis.

Zum Zweiten hat Herr Kollege Prof. Schmalfuß ausgeführt – so habe ich jedenfalls seine Ausführungen verstanden –, dass der Versicherungsfonds, der offensichtlich auf 50 Millionen Euro gedeckelt ist, schon durch die Klage gegen die Vorstände zu sehr ausgeschöpft werden würde. Was er dabei übersehen und der Öffentlichkeit hier nicht mitgeteilt hat, ist, dass dann möglicherweise der Haftungsunterlagenversicherungsfonds aufgebraucht ist, aber natürlich die Haftung weiterhin mit dem Privatvermögen der entsprechenden Beklagten besteht. Die Version von Wirtschaftlichkeit, die uns hier seitens der Koalition und der Staatsregierung offeriert wird, führt im Grunde dazu, dass die Banker und die Politiker, die durchaus sonst auch ein einkömmliches Vermögen haben, eben frei ausgehen und zu überhaupt keinem Schadensersatzbeitrag herangezogen werden. Das ist der Skandal, um den es hier geht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der NPD)

Herr Prof. Schmalfuß, auch hier haben Sie die Gelegenheit zur Erwiderung.

Herr Lichdi, nur ganz kurz: Sie müssten als Rechtsanwalt wissen, dass die RVG das übliche Verfahren festschreibt, wie entsprechend abgerechnet wird. Sie haben hier gerade eine Abweichung dargestellt. Das ist nicht das übliche Verfahren und ich gehe einmal davon aus, dass sich die Staatsregierung an das übliche Verfahren gehalten hat.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Herr Tischendorf.

Danke, Herr Präsident! – Ich möchte auch eine kurze Intervention machen. Ich möchte feststellen, dass mit der Rede von Herrn Schmalfuß klar war, dass er sich nicht an Verfassung und Gesetz halten will, wie übrigens das gesamte Parlament, wenn es den Antrag ablehnt.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Im Errichtungsgesetz der Landesbank von 1991 stand mit keiner Silbe, dass die Landesbank oder ihre Gremien Kredite aufnehmen können. Ein Finanzminister, der laut Verfassung dazu verpflichtet ist, die Verfassung einzuhalten – nun kommen wir zu den Verwaltungsregeln –, weiß, dass in der Verfassung steht, dass es eines Gesetzes für die Aufnahme eines Kredites bedarf. Das ist nie passiert.

Nun frage ich Sie: Wer ist dafür verantwortlich? Ist der zuständige Finanzminister dafür verantwortlich, der Vorsitzender des Verwaltungsrates ist, oder ist er es nicht? Was wir hier machen, ist ein klarer Verfassungsbruch. Das möchte ich einmal deutlich sagen. Wenn das durchgehen sollte, können Sie das niemandem mehr erklären.

Insofern wundere ich mich über Herrn Schmalfuß, der solche Reden hält. Ich kann gern ein paar Auszüge aus seinen Zeugenvernehmungen nennen. Darin kam das vor. Insofern wissen wir heute schon, was wir zu entscheiden haben. Auf jeden Fall nicht das, was uns Herr Schmalfuß vorgaukeln will.

Herr Schmalfuß, möchten Sie erwidern? – Sie möchten nicht erwidern.

Die Fraktion DIE LINKE hat ihre zwei Kurzinterventionen zu diesem Tagesordnungspunkt aufgebraucht. Wir setzen mit der Debatte fort. Herr Abg. Schimmer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Verabschiedung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2011/2012 ist klar, dass nun endlich auch die Staatsregierung mit einer vollen Inanspruchnahme der Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro für die Verluste der Sachsen LB rechnet. Neben der etwa 1 Milliarde Euro, die direkt in den sogenannten sächsischen Garantiefonds fließt, soll diesem Fonds noch bekanntlich eine Kreditermächtigung zur Sicherstellung seiner Liquidität über knapp 1,8 Milliarden Euro eingeräumt werden.

Angesichts solcher astronomischer Summen gewinnt die Frage nach der juristischen Aufarbeitung des Sachsen-LBDebakels an politischer Brisanz – wie man an der heutigen Debatte unschwer feststellen kann. Der außergerichtliche Vergleich der Staatsregierung mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC kann dabei nur als erster Schritt im Rahmen dieser Aufarbeitung angesehen werden. Für uns von der NPD steht außer Zweifel, dass das Sachsen-LB-Debakel in erster Linie von der Politik zu verantworten ist, die das System der kollektiven Verantwortungslosigkeit innerhalb der Landesbank nicht nur bis zum bitteren Ende tolerierte, sondern sogar tief darin verstrickt war.

Erinnern wir uns: Die Gemeinschaft der kollektiven Verantwortungslosigkeit bestand auf der einen Seite aus zugereistem westdeutschem Führungspersonal im Management und Vorstand der Sächsischen Landesbank, das in halbkolonialen Allmachtsfantasien schwelgte, eine Feudal- und Mätressenwirtschaft installierte, sich an seinen eigentlichen Aufgaben – nämlich der Firmenfinanzierung in Mitteldeutschland – verhob bzw. diese erst gar nicht anpackte und die sächsische Aufbauleistung von fast zwei Jahrzehnten in Dublin aufs Spiel setzte. Auf der anderen Seite der kollektiven Verantwortungslosigkeit findet man die zahlreichen Vertreter der sächsischen Landespolitik im Verwaltungsrat und im Kreditausschuss der Bank, die nicht nur die Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben schlichtweg verweigerten, sondern die globalistische Kamikazestrategie der Sachsen LB durch unfassbar verantwortungsloses Handeln erst ermöglichten.

(Andreas Storr, NPD: So sieht es aus!)

Der Kreditausschuss der Bank nickte nicht nur immer neue Erhöhungen der Kreditlinien für die außerbilanziellen Zweckgesellschaften der Sachsen LB in Dublin ab, er genehmigte auch jenes so fatale valuation agreement, durch das der Sachsen-LB-Konzern faktisch eine vollständige Verlustgarantie für die irische Zweckgesellschaft Ormond Quay und damit für hochkomplexe Wertpapiere in einem hohen zweistelligen Milliardenbereich übernahm.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Personen, die das zu verantworten haben, sind keine Biedermänner, wie sie sich hier heute darzustellen versuchen, sondern Brandstifter. Der Sächsische Rechnungshof kommt in seinem Sonderbericht auch zu dem klaren Ergebnis einer Sorgfaltspflichtverletzung der Mitglieder des Kreditausschusses.

Vergessen sollten wir bei dieser Debatte außerdem nicht, dass die Grundlagen des Landesbankenabenteuers und damit die Basis aller sächsischen Hasardspiele an den internationalen Finanzmärkten durch die Gründung der Sächsischen Finanzgruppe (SFG) im Jahr 2002 gelegt wurden, durch die sich die Sächsische Landesbank erst die notwendige Kapitalsicherheit für ihre internationalen Kapitalmarktoperationen verschaffte.

Ich muss es hier noch einmal erwähnen: Besonders skandalös ist, dass sich die Sachsen im Jahr 2001 in dem bislang einzigen seit Wiedergründung des Freistaates abgehaltenen Volksentscheid mit einer überwältigenden Mehrheit von 85,2 % gegen einen solchen Finanzverbund ausgesprochen haben. Diese basis-demokratische Entscheidung wurde – ich finde keinen anderen Begriff – von den CDU-Blockpolitikern auf kaltem Wege durch die Verabschiedung eines neuen Sparkassengesetzes aufgehoben. Das ist ein typisches Beispiel für eine Demokratie à la BRD.

Man kann dem früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel nur zustimmen, wenn er in seinem Vorwort zur Neuauflage seines Buches „Die Abwracker“ feststellt – ich zitiere: „ Auch heute noch, Ende 2010, hat die größte Krise unserer Finanzwelt für die Verantwortlichen und Mitverantwortlichen zu keinerlei Konsequenzen geführt. Zum finanziellen Debakel kommt noch ein moralisches Debakel hinzu.“ Was mich zur Weißglut bringt, ist diese Untätigkeit der Regierung, die ganz offensichtlich das Ziel verfolgt, die Hauptschuldigen davonkommen zu lassen. Schließlich war Angela Merkel schon damals Kanzlerin und ihr damaliger Finanzminister Steinbrück scheint sogar, wenn man den Andeutungen der Presse folgt, mit ihrem Posten zu liebäugeln. Stillschweigen oder besser totschweigen liegt also im allseitigen Interesse unserer Politiker, zumal die Politikverdrossenheit der Bürger im Augenblick neue Höchststände erreicht.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns dieses moralische Debakel, wie es Hans-Olaf Henkel zutreffend bezeichnet, wenigstens auf der sächsischen Landesebene schnellstens beenden. Lassen Sie uns endlich die verantwortlichen Mitglieder des Kreditausschusses auf Schadensersatz verklagen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es weiteren Redebedarf für eine zweite Runde? – Das stelle ich fest. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Lichdi. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Unland, Ihre Entscheidung, die Mitglieder des Kreditausschusses der Sachsen LB nicht auf Schadensersatz zu verklagen, ist durch nichts zu begründen und zu rechtfertigen. Herr Staatsminister, Sie haben gehofft, dass Ihre Skandalentscheidung – so nenne ich sie ausdrücklich – in der Weihnachtsruhe untergehen würde.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das war das Kabinett!)

Wir lassen Ihnen und Ihren Koalitionsfreunden das nicht durchgehen. Für diese Fehlentscheidung müssen Sie und die anderen Mitglieder des Kabinetts und die Koalitionsfraktionen hier und heute öffentlich geradestehen.

Herr Finanzminister, ich sage es deutlich: Sie haben versucht, der Öffentlichkeit – ich sage nicht das Wort täuschen – nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Sie haben den Eindruck erweckt, als ob eine Klage gegen die Mitglieder des Kreditausschusses rechtlich aussichtslos erscheint. Dies ist gerade nicht der Fall. Es wurde des Öfteren schon angesprochen. Eines steht in dieser Debatte juristisch fest und ist auch nicht zu bezweifeln: Der Freistaat kann die Mitglieder des Kreditausschusses mit Aussicht auf Erfolg auf Schadensersatz verklagen. Dies steht fest – aufgrund der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes sowie der Einschätzung des Sächsischen Rechnungshofes und der mit der Prüfung beauftragten Anwälte des Finanzministeriums.

Ich hatte heute noch einmal die Gelegenheit, in die Präsentation, die Sie im Finanzausschuss gezeigt haben, Einsicht zu nehmen. Dort sind ein paar mehr Informationen – wenn auch wenige – enthalten. Diese bestätigen die klare Einschätzung, die Sie selbst in Ihrem Statement am 22. Dezember vor der Öffentlichkeit abgegeben hatten.

Deshalb können wir Ihnen Ihre Schutzbehauptung und -erwägung, mit der Sie versuchen, die Öffentlichkeit zu verwirren – dass es angeblich wirtschaftliche Erwägungen anraten lassen, dass nicht geklagt wird –, nicht durchgehen lassen. Wirtschaftliche Erwägungen sprechen schon deshalb nicht gegen eine Klageerhebung, weil Sie es selbst als Freistaat Sachsen im Wege der Klagehöhe im Griff haben zu bestimmen, wie hoch die potenziellen Verfahrenskosten sind, die auf den Freistaat – falls die Beklagten nicht zahlen können – zukommen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Minister, wir sind ausdrücklich der Auffassung, dass wirtschaftliche Erwägungen fehl am Platz sind. Sie sind fehl am Platz. Es gibt nach unserer festen Überzeugung in der Politik Momente, in denen es darauf ankommt, klar zu sehen und nach grundsätzlichen Erwägungen zu entscheiden, weil eine solche Entscheidung weitreichende Folgen für die Unterstützung von Demokratie und Rechtstaat hat.

Meine Damen und Herren! Dies ist ein solcher Zeitpunkt. Es geht schlicht und ergreifend um die Frage, ob der Sächsische Landtag die Kraft aufbringt, der sächsischen Bevölkerung zu zeigen, dass er in der Lage ist, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Hier hat Prof. Schmalfuß recht. Nur die Pflicht des Sächsischen Landtages reicht eben auch bis hierher.

Auf der politischen Ebene hier im Landtag müssen wir uns mit den Fragen auseinandersetzen, welche Wirkungen denn ein Klageverzicht hätte, wie dieser mit dem Gerechtigkeitsempfinden der allermeisten Menschen und auch der Verbindlichkeit der Rechtsordnung zusammenpassen kann. Das blenden Sie von der Koalition einfach aus und verstecken sich hinter einer vermeintlich rechtlichen Frage oder einer wirtschaftlichen Erwägung. Ein Klageverzicht bedeutet nach unserer festen Überzeugung einen schwerwiegenden Schaden für das Ansehen des demokra

tischen Rechtsstaates sowie seiner Fähigkeit und seines Willens zur Aufarbeitung seiner Skandale.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die Klage ist in erster Linie geboten, um die Verbindlichkeit der Rechtsordnung auch und gerade für politische Verantwortungsträger klarzustellen. Bei der Sachsen-LBPleite besteht das denkbar größte öffentliche Interesse an einer vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes, an einer unabhängigen gerichtlichen und rechtskräftigen Feststellung der Verantwortlichen, ihres Fehlverhaltens und ihrer Schadenersatzpflicht. Dies kann ein Strafverfahren nicht zeigen. Wie jämmerlich so etwas ausgehen kann, haben wir heute beim Heininger-Prozess in Leipzig gesehen, der zu Recht kritisiert worden ist.

(Beifall des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Die Klage ist geboten, um den Eindruck zu vermeiden, die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen. Überall sonst gilt der Grundsatz, erst die Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen, bevor der Steuerzahler haftet. Die Bevölkerung versteht doch nicht, dass sie mit ihren Steuergeldern

Bitte zum Schluss kommen.

die Banken mit Milliarden retten muss, während die Staatsanwaltschaft Hartz-IVEmpfänger wegen 2,73 Euro wegen Betruges verfolgt. Die Bevölkerung nimmt doch ohnehin an, dass sich die Politiker in wechselseitiger Kumpanei nach dem Motto „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ decken würden.

Herr Lichdi!

Nein, meine Damen und Herren – ich komme zum Schluss –, wir haben hier eine politische Grundentscheidung zu treffen: Haben wir als parlamentarische Demokratie in Sachsen die nötige Selbstreinigungskraft oder versagen wir vor dieser Aufgabe?

Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Das war Herr Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage die CDU-Fraktion: Wird noch einmal das Wort gewünscht? – Das kann ich nicht feststellen. Die Fraktion DIE LINKE? – Herr Abg. Bartl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hermenau und Kollege Lichdi haben den Finger auf der Frage. Es geht nicht vordergründig darum, ob wir das politisch zu bearbeiten und zu bedenken haben, ob der Untersuchungsausschuss einen Abschlussbericht hätte vorlegen müssen oder nicht und dergleichen mehr.

Es ist die Frage, ob sich dieses Haus, die Stätte der Gesetzgebung, so versteht, dass die Gesetze, die das Haus erlässt, für jedermann gelten,