Protocol of the Session on May 20, 2005

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Null-Toleranz ist das Gegenteil von Zivilcourage und heißt doch konkret: Noch mehr Wasserwerfer, noch mehr Reizgas, noch mehr berittene Polizei, noch mehr Demonstration der Stärke! Wofür, wogegen?

(Robert Clemen, CDU, steht am Mikrofon. – Dr. André Hahn, PDS: Bleiben Sie ruhig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist hohe Zeit aufzuhören, in solchen kurzsichtigen Kategorien zu denken; denn es geht nicht nur um ein polizeiliches Problem, sondern um ein gesellschaftliches. Ich will, dass nirgendwo mehr Nazis auf den Straßen marschieren. Darüber haben wir zu reden!

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Frau Ernst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Kollegin Ernst, geben Sie mir Recht, dass der Slogan „Keine Toleranz gegenüber Gewalttätern“ und nicht „Keine Toleranz gegenüber rechter Gewalt!“ hieß?

Ich habe Sie nicht verstanden.

Keine Toleranz gegen Gewalt!

Und das andere?

Keine Toleranz gegen Gewalttäter! Was Sie hier gesagt haben, ist meiner Meinung nach ein anderes Zitat gewesen, an das ich mich so nicht erinnern kann. Ich weiß nicht, ob Sie in Leipzig dabei gewesen sind, aber so habe ich das nicht in Erinnerung.

Der Herr Staatsminister hat von einer Null-Toleranz-Strategie gesprochen.

(Heinz Eggert, CDU: Gegen Gewalttäter!)

Gegen Gewalttäter, aber er meint es prinzipiell.

(Widerspruch bei der CDU)

Und es ist sein Mittel, in Demonstrationen vorzugehen, obwohl eigentlich Deeskalation angesagt wäre.

Vielfach ist vom 8. Mai gesprochen worden. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Hätten Sie sich einmal mit Ihren Kollegen in Berlin verständigt, die ja auch seit Jahren zum 1. Mai mit Auseinandersetzungen zu tun haben, hätten Sie über die Strategie der ausgestreckten Hand gesprochen, dann wären wir, glaube ich, heute in Sachsen einen großen Schritt weiter.

(Beifall bei der PDS)

Frau Ernst, es gibt weitere Zwischenfragen. Gestatten Sie diese?

Bitte, Herr Scheel.

Meinen Sie, dass eine so genannte Null-Toleranz gegenüber Gewalttätern ein ausreichendes Kriterium dafür ist, in friedliche Demonstranten

hineinzureiten, weil man einzelne Gewalttäter fassen will?

(Heinz Eggert, CDU: Wollen Sie die Gewalttäter laufen lassen?)

Im Gegenteil! Leider muss ich Ihnen das so sagen. Glauben Sie wirklich, Herr Eggert, dass wir mit mehr Gewalt Gewalttätigkeiten verhindern können? Glauben Sie, dass das der Weg sein kann, dass wir im nächsten Jahr noch mehr Polizei, noch mehr Berittene und dergleichen einsetzen und damit bessere Erfolge erzielen?

(Beifall bei der PDS – Zurufe von der CDU)

Schauen Sie sich die Erfolge am 8. Mai in Berlin an, vergleichen Sie einmal die Ausschreitungen dort und hier!

(Volker Bandmann, CDU: Wenn Sie Ihre Gewalttäter zu Hause lassen, brauchen wir das nicht!)

Herr Lichdi, bitte.

Frau Kollegin, teilen Sie meinen Eindruck, dass aufgrund dessen, dass einerseits der Innenminister von einer Null-Toleranz-Strategie und andererseits der Polizeichef von Leipzig unmittelbar danach undifferenziert von 2 000 gewaltbereiten Linksextremisten gesprochen hat, der Eindruck entstehen musste, dass alle, die in Leipzig gegen Nazis demonstriert haben, linksextremistische Gewalttäter sind, gegen die Null-Toleranz angezeigt ist?

(Volker Bandmann, CDU: Herr Lichdi, wollen Sie damit sagen, dass auch Grüne dabei waren?)

Das ist genau das Problem, das wir auch im Innenausschuss aufgeworfen haben, wobei wir vom Innenminister keine klare Aussage bekommen haben, wer tatsächlich gemeint ist. Wir sind der Auffassung: Es war eine Gegendemonstration gegen den Naziaufmarsch von Worch und es gab unglaublich viele friedliche Demonstranten.

Sehr viele haben auch in unserer Anhörung gesprochen. Wir haben Zuschriften von vielen Bürgern, die teilgenommen haben, bekommen, von älteren Menschen, von Menschen, die vielleicht auch das erste Mal auf einer Demonstration waren, und diese waren entsetzt. Erklären Sie deren Kindern einmal – das hat eine Augenzeugin in unserer Anhörung gesagt –, dass die Polizei ihre ganz normale Arbeit macht. Das fällt schwer nach einem solchen Polizeieinsatz.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, endlich die Augen zu öffnen und alle Möglichkeiten wirklich ernsthaft zu prüfen, um Nazis in Parlamenten und auf den Straßen keine Chance zu geben. Dazu ge

hört auch der Vorschlag, den wir als PDS-Fraktion gemacht haben, in der Sächsischen Verfassung

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

eine antifaschistische Klausel zu verankern, um als Staatsziel in Sachsen festzuschreiben, dass es zur Pflicht des Landes und zur Verpflichtung aller im Land werden muss, rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische Aktivitäten, für die Sie ja stehen, sowie eine Wiederbelebung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts nicht zuzulassen.

(Jürgen Schön, NPD: Stalin war Antisemit, ihr Bolschewisten! – Widerspruch bei der PDS und der SPD)

Das ist übrigens ein Vorschlag – bleiben Sie ganz ruhig! – der Gewerkschaft der Polizei gewesen.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir glauben, dass wir den gesamten Rahmen an Möglichkeiten der Bekämpfung von Nationalismus und Rassismus tatsächlich nutzen müssen. Das ist besser als jedes Herumschneiden – das will ich für diejenigen, die gern an so etwas denken, noch einmal ausdrücklich sagen – am Demonstrationsrecht und es ist auch besser als eine Rambopolitik auf der Straße.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Jetzt ist Herr Leichsenring noch einmal an der Reihe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Sie alle noch hier sind, sind Sie also in meinen Augen auch weiterhin noch Teilnehmer meiner virtuellen Demonstration.

(Beifall bei der NPD – Widerspruch bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Der Herr Präsident – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich. Bitte, Herr Porsch.