Protocol of the Session on October 19, 2004

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! – Ich spreche von hier vorn, weil ich mich freue, nach zehn Jahren einigen von Ihnen mal wieder ins Gesicht schauen zu dürfen, und ich hoffe, dass ich vielleicht auch ein paar neue Argumente beisteuern kann. Es geht hier nicht um ein mathematisches Verfahren, sondern es geht um Politik. Es ist eine hochpolitische Frage, wie Wählerstimmen in Sitze umgerechnet werden, und es ist die Frage der Gleichheit der Wahl, die sich hier mit einer Gleichgewichtigkeit der Stimmen in den Sitzen im Sächsischen Landtag und in seinen Gremien widerspiegeln soll. Deswegen ist die Debatte ja so lang.

Ich habe vorhin von Herrn Lehmann gehört, diese Anträge gehörten in die Mottenkiste. Ich denke, wenn etwas in die Mottenkiste gehört, dann ist es d'Hondt.

(Beifall bei den Grünen, der PDS und der FDP)

Wer einmal auf die beliebte Seite „wahlrecht.de“ schaut, da steht bei d'Hondt: „… noch in einigen Landtagen gebräuchlich“. Ich bin sehr dafür, dass der Sächsische Landtag nicht der letzte ist, der dieses Zählverfahren anwendet, denn aus guten Gründen gibt es bessere Verfahren – nicht nur im Deutschen Bundestag.

Der Algorithmus nach Sainte Laguë/Schepers hat den Vorteil, dass er genauso einfach wie d'Hondt ist, dass er keine Paradoxien hat wie der Hare/Niemeyer-Algorithmus und dass er keinerlei Benachteiligung hat – weder für große noch für kleine Fraktionen. Aus diesem Grunde ist er im Deutschen Bundestag bereits seit der 8. Legislatur im Gebrauch.

Überlegen Sie einmal: Da waren Mehrheiten – Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder hießen die Kanzler, die diesen Mehrheiten vorstanden. Keine dieser Mehrheiten hat diesen Algorithmus infrage gestellt. Er hat sich bewährt für die Gremienbesetzung und ich bitte Sie: Lassen Sie ihn

uns auch jetzt nach dieser langen Zeit hier im Sächsischen Landtag für die Gremien einführen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ihre Position doch noch einmal zu überdenken. Es ist viel in Bewegung gekommen. Halten Sie nicht an d'Hondt fest, das ist ein alter Zopf, lassen Sie ihn uns abschneiden!

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der SPD – Sie wissen ja eigentlich, dass das das bessere Berechnungsverfahren ist –: Lassen Sie sich jetzt nicht in eine Koalition pressen und hier eine Ablehnung herbeiführen! Bleiben Sie bei Ihren Anträgen aus der Vergangenheit! Sie hatten damals mit Ihren Anträgen zur Einführung dieses Berechnungsverfahrens Recht. Das ist kein Geschwätz von gestern, sondern heute noch richtig.

Stimmen Sie heute unserem Antrag zu!

(Beifall bei den Grünen, der PDS und der FDP)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 4/0027, Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 1, abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich lasse über § 9 der gemeinsamen Drucksache abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist dem mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir kommen zum Abschnitt IV. Mitglieder des Landtages. Zu den §§ 10 bis 12 gibt es keine Änderungsanträge. Ich lasse deshalb über diese von mir genannten Paragrafen abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist dem mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir kommen zu § 13. Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der NPD-Fraktion, Drucksache 4/0036. Ich bitte um Einbringung. Bitte, Herr Leichsenring.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, dass es aus unserer Sicht nicht möglich ist, dass selbst Präsidiumsmitgliedern die Einsicht verwehrt wird, ohne vorher bei Ihnen, sehr geehrter Herr Iltgen, um Erlaubnis gefragt zu haben. Die Opposition hat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Wir werden es nicht hinnehmen, dass wir die Regierung erst um Erlaubnis fragen müssen, um sie kontrollieren zu dürfen, um in die Verwaltungsakten Einsicht nehmen zu können. Aus diesem Grund möchten wir die Änderung gern eingebracht haben.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Lehmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Entwurf der GO die Regelung des Akteneinsichtsrechts bewusst kon

kretisiert und etwas schärfer gefasst, um von vornherein jeglichen Missbrauchsverdacht auszuschließen. Die Genehmigung, die eingeholt werden soll, ist nicht die Genehmigung der Regierung, sondern die Genehmigung des Präsidenten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Genehmigung nicht willkürlich, sondern nur aus wichtigem Grund durch den Präsidenten verweigert werden kann. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident, weil der Vertreter der NPD hier von „Kontrolle der Regierung“ gesprochen hat, will ich nur noch einmal klarstellen: Erstens. Es geht hier um Verwaltungsakten und um Akten des Sächsischen Landtages.

Zweitens. Durch die hinzugefügte Formulierung, dass der Präsident dies nur aus wichtigem Grund verweigern kann, und durch die Möglichkeit, dass das Präsidium noch eine Letztentscheidung trifft – dort muss offen gelegt werden, warum die Einsicht verweigert wird –, ist aus unserer Sicht eine ausreichende Regelung getroffen worden. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der NPD, Drucksache 4/0036, abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich lasse über die §§ 13 und 14 in der Fassung der gemeinsamen Drucksache abstimmen. Wer den Paragrafen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist beiden Paragrafen zugestimmt worden.

Wir kommen zum Abschnitt V. Ausschüsse.

Zu den §§ 15 und 16 gibt es keine Änderungsanträge. Ich lasse deshalb darüber abstimmen. Wer den Paragrafen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist den beiden Paragrafen zugestimmt worden.

Wir kommen zu § 17. Hierzu gibt es zwei Änderungsanträge: Im gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der PDS, der FDP und Grünen, Drucksache 4/0029, wird eine Änderung des Abs. 1 gewünscht. Im Änderungsantrag der Fraktion der NPD, Drucksache 4/0035, wird eine Änderung des Abs. 3 gewünscht.

Ich bitte um Einbringung der Drucksache 4/0029. Herr Abg. Lichdi, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir schlagen Ihnen vor, für die Ausschüsse ein Selbstbefassungsrecht einzuführen. Wir alle wissen, dass die Hauptarbeit im Parlament in den Ausschüssen statt

findet. Das Selbstbefassungsrecht stärkt dieses Recht und diese Arbeitsmöglichkeiten. Wir bitten Sie deswegen, dem zuzustimmen. Ich möchte auf ein mögliches Gegenargument eingehen. Wahrscheinlich wird uns entgegengehalten werden, dass damit die regelmäßige Arbeit der Ausschüsse verzögert werden könnte. Dies ist aus unserer Sicht ganz bestimmt nicht der Fall; denn wir schlagen Ihnen – diverse Redner haben es schon angedeutet – dafür ein Ein-Drittel-Quorum vor. Sie merken, wir – gemeinsam mit den Fraktionen der PDS und der FDP – haben uns dabei etwas gedacht: Wir wollen die Oppositionsrechte, die Minderheitenrechte in wichtigen Punkten generell auf ein Quorum von einem Drittel stützen. Welchen Vorteil hat das? Das Quorum von einem Drittel fordert einen breiten Konsens aller Oppositionsfraktionen. So wie ich das einschätze, wird das eher selten der Fall sein. Das bedeutet, dass dort die regelmäßige Arbeit im Parlament nicht aufgehalten wird, andererseits aber in wirklich wichtigen und zentralen Fragen, in denen sich die Opposition einig ist, das Kontrollrecht des Parlaments wesentlich gestärkt wird. Ich bitte Sie deswegen, diesem Antrag der PDS, der FDP und von Bündnis 90/ Die Grünen zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Danke. – Wird dazu das Wort gewünscht? – Zunächst Frau Dr. Schwarz, bitte.

Ich habe es vorhin schon in meiner Rede ausgeführt: Durch die neue Praxis, die wir mit der Geschäftsordnung einführen, dass alle Anträge in den Ausschuss überwiesen werden und dort somit ganz zeitnah behandelt werden können, ist schon eine Art Selbstbefassungsrecht gegeben. Wir haben in der geltenden Geschäftsordnung die Formulierung, dass sich die Ausschüsse auch mit anderen Fragen aus ihrem Geschäftsbereich befassen können. Unsere Erfahrungen in der letzten Legislaturperiode haben durchaus gezeigt, dass das auch über Fraktionsgrenzen hinaus möglich ist.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es wird weiter das Wort gewünscht. – Herr Abg. Dr. Hahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass Frau Schwarz vielleicht in diesem Punkt einmal an ihre alten Reden hier im Landtag gedacht hätte. Ich muss Sie fragen: In welchem Landtag und in welchem Ausschuss haben Sie denn gesessen? Ich habe nur Ablehnung erlebt. Ich bin als Parlamentarischer Geschäftsführer Stellvertreter in allen Ausschüssen. Immer nur Ablehnung! Weil die Mehrheit über bestimmte Themen nicht reden wollte! Ich möchte zu dem, was Herr Lichdi gesagt hat, eines ergänzen – das ist, glaube ich, ein zentraler Punkt –: Es gibt nicht nur den Paragrafen, über den wir jetzt reden; ich habe das vorhin angesprochen. Es gibt zusätzlich die Möglichkeit, Sondersitzungen von Ausschüssen zu verlangen. Dort müssen wir den Gegenstand benennen, zum Beispiel ein konkretes Vorkommnis in diesem Land.

Die Verfahrensweise, die wir bisher hatten, bedeutet, dass der Ausschuss zusammenkommen muss, die Leute aus allen Teilen Sachsens anreisen, die CDU-Fraktion dann zum Tagesordnungsbeginn sagt: April, April! Wir wollen darüber nicht reden! Abstimmung zur Tagesordnung, Ende der Sondersitzung, Schluss!

Nur über ein Selbstbefassungsrecht ist es möglich, dieses Recht auf Sondersitzung auch praktisch umzusetzen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der PDS, der FDP und den Grünen)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bringe ich die Drucksache 4/0029, Änderungsantrag der Fraktionen der PDS, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen, zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag Nr. 1 der genannten Drucksache abgelehnt worden.

Ich bitte jetzt um Einbringung des Änderungsantrages der Fraktion der NPD, Änderung von Abs. 3, Drucksache 4/0035. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da Teile des vorhergehenden Antrages schon mit unserem übereinstimmen, ziehen wir unseren Antrag zurück.

Danke. – Meine Damen und Herren! Dann lasse ich über die §§ 17 und 18 bis 28 in der gemeinsamen Drucksache abstimmen. Wer den Paragrafen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dagegen und Stimmenthaltungen ist dem mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir kommen jetzt zum § 29. Hier gibt es einen Änderungsantrag der PDS-Fraktion, die Nr. 2 in der Drucksache 4/0038. Ich bitte um Einbringung. Herr Abg. Dr. Hahn.

Herr Präsident! Ich habe in meiner Rede vorhin schon deutlich gemacht, dass wir prinzipiell mehr Transparenz im Parlament wollen. Dazu gehört für uns die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen. Ich verweise dabei auch noch einmal auf die von CDU und SPD geplante Änderung, dass künftig sämtliche Anträge automatisch an die Ausschüsse verwiesen werden sollen. Dann findet dort die Fachdebatte statt. Dann müssen diese Sitzungen auch öffentlich sein. In der Sammelvorlage – das wissen alle, die schon im Landtag gesessen haben – geht es unter, wenn wir künftig 60 Anträge in einer Sammelvorlage haben. Eine sinnvolle Debatte zu Sachfragen ist dann nicht möglich. Jede Fraktion redet über ein anderes Thema, weil ihr ein bestimmter Antrag aus der Sammelvorlage wichtig ist. Nur die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen garantiert aus unserer Sicht eine transparente Debatte im Landtag.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Abg. Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war ja, wie mancher von Ihnen weiß, in den letzten fünf Jahren Vorsitzender eines Ausschusses. Ich habe es immer als sehr wohltuend empfunden, dass in der geschlossenen Sitzung der Ausschüsse die Fachleute der Fraktionen zu Sachthemen Stellung nehmen konnten – immer mit dem Ziel, das Beste für Sachsen zu erreichen. Ich weiß ganz genau, dass die Kollegen – die schon länger im Geschäft sind, wissen das auch genau – bei angeschalteter Kamera anders agieren als bei ausgeschalteter Kamera. Es muss einfach sein, dass man über die Fraktionen hinweg in der Abgeschiedenheit des Ausschusses einmal reden und streiten kann, wobei nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss. Das öffentliche Repräsentieren geschieht dann im Plenum. Dort können wir alles vortragen. Ich bitte herzlich darum, an dieser wirklich bewährten Art und Weise festzuhalten.

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Prof. Porsch, bitte.

Ich möchte für den Antrag sprechen. Herr Lehmann, wenn Sie nur in der Abgeschiedenheit die Wahrheit sagen, dann ist das Ihre Sache.

(Lachen bei der CDU)

Das, was Sie als wohltuend empfinden, muss nicht immer gut für Sachsen sein. Wir sollten dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der PDS)