Protocol of the Session on September 24, 2003

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, bitten kommen Sie zum Schluss!

- Ich komme zum Schluss. Es erzeugt und bestätigt Misstrauen in staatliches Handeln.

Es bleibt dabei: Naturschutz muss heute mehr denn je mit und nicht gegen die Menschen gemacht werden. Alles andere schadet letztlich dem Naturschutz und auch konkret dem Projekt NATURA 2000. Wir stimmen dem CDU-Antrag zu. Die im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD angesprochenen Dinge sind im Prinzip rechtlich geregelt und brauchen keine besonderen Bestätigung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile dem Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Wir wollen das NATURA-2000-Programm der Europäischen Union nicht nur umsetzen, weil die Vorschriften der EU dies erzwingen. Wir wollen es umsetzen, weil Naturschutz wichtig und richtig für unser Land Schleswig-Holstein ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

(Detlef Matthiessen)

Die langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen ist eine ständige und bedeutende Aufgabe für eine Politik, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert. Deutschland hat sich zusammen mit 170 Staaten im Rahmen der Arbeit der Vereinten Nationen hierzu verpflichtet. Die EU hat in diesem Rahmen die Umsetzung eines Programms zur Sicherung der Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume beschlossen, nämlich das Programm NATURA 2000 mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, der FFH-Richtlinie, und der Vorgelschutzrichtlinie. Dazu bekennen wir uns in Schleswig-Holstein. Dies ist unsere Aufgabe aus tiefster Überzeugung. Wir tun unserem Land Gutes damit, wir tun Gutes nicht nur für die Natur, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein.

Artenschwund und Flächenverbrauch interessieren die CDU offenbar nicht die Bohne. Bei der CDU vermisse ich das Bekenntnis zur Notwendigkeit des Naturschutzes, natürlich mit den Konsequenzen, die dies beinhaltet. Schutz bedeutet natürlich auch Schutz vor überbordenden wirtschaftlichen Aktivitäten. Sonst könnten wir uns das Ganze ja sparen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wo im Lande gibt es denn überbordende wirtschaftliche Aktivitäten?)

Die FDP verdient mit ihrem ungezügelten Wirtschaftsneoliberalismus in diesem Zusammenhang sowieso keine Erwähnung. Herr Garg wollte ja sogar Motorola in Flensburg ein FFH-Gebiet andichten.

(Veronika Kolb [FDP]: Ihnen fällt auch nichts Neues ein!)

Herr Hildebrand, was will die FDP eigentlich konkret in der Naturschutzpolitik anders machen? Haben wir in Ihrem Beitrag irgendein Stichwort dazu gehört, dass wir eine Durchführung anders machen sollen, dass wir ein fachliches Kriterium anders interpretieren sollen und so weiter? Wenn Sie Ihre Rede als Aufsatz eingereicht hätten, würde ein Deutschlehrer sagen: Thema verfehlt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Veronika Kolb [FDP]: Und weiter?)

Dieses Bekenntnis vermisse ich also bei der CDU. Ich höre sie schon sagen: Wieso? Das sagen wir doch! - Meine Damen und Herren, natürlich sagen Sie das in Ihrer Presseerklärung, und Sie haben es auch hier gesagt. Man nennt so etwas Lippenbekenntnisse oder Pharisäertum. Im psychologischen Kontext würde man von Schizophrenie reden. Es ist doppelzüngig, doppelbödig.

(Lachen bei der FDP)

In Wirklichkeit behindern Sie - verhindern können Sie es nicht -, wo Sie irgend können, wenn Sie sagen - ich zitiere die umweltpolitische Sprecherin -, NATURA 2000 gehöre zu den bedeutendsten Naturschutzprojekte der nächsten Jahre. Artenvielfalt, natürliche Lebensräume, die Bewahrung wild lebender Tiere und Pflanzen, ja sogar ein Wiederherstellen der Lebensräume erwähnt die umweltpolitische Sprecherin. Wenn Sie das sagen, so ist das lediglich der verbale Auftakt, genau diese Ziele bei der Umsetzung zu konterkarieren. Parolen wie „Naturschutz nur mit den Menschen“ heißen bei Ihnen: Wasch mir den Pelz, doch mach mich nicht nass. Transparenz und Partizipation, die Sie von der Landesregierung fordern, heißen bei Ihnen: Vor Ort werden wir es schon schaffen, Ressentiments zu wecken, vor Ort werden wir es schaffen, Aufstände zu organisieren, Ängste zu schüren und unsere vermeintliche Klientelpolitik umzusetzen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD] und Friedrich-Carl Wo- darz [SPD])

Mehr Augenmaß heißt bei Ihnen: Lieber gar nicht. Diese Scheinparolen zum Naturschutz in SchleswigHolstein, diese Doppelbotschaften haben Sie auch in einer großen Pressekonferenz verkündet und dort geäußert, in einem „solchen Klima“ könne eine nachhaltige, erfolgreiche Naturschutzpolitik nicht gedeihen. Das ist das Klima, das Ihre Parteigänger hier im Lande bemüht sind, zu erzeugen, wo sie nur können. Insofern ist das zumindest in dem Sinne transparent, als es leicht durchschaubar ist. Die armen Journalisten haben sich wacker bemüht, von dieser Pressekonferenz zu berichten, wussten aber auch nicht so recht, was sie schreiben sollten, weil nicht klar war, was die CDU eigentlich will.

Was will die CDU? Halten wir uns an Ihren Text. Sie fordern Transparenz. Das ist in § 20 b und c des neuen Landesnaturschutzgesetzes geregelt. Dieser Bestimmung zufolge wird ohne rechtliche Verpflichtung verfahren. Kreise, kreisfreie Städte, Gemeinden, Ämter und Verbände können zu den Gebietsvorschlägen Stellung nehmen. Bürger können diese in den Ämtern einsehen, Kartenmaterial steht zur Verfügung, Begründungstexte können gelesen werden, und es findet sich garantiert auch ein freundlicher Beamter, der dies erläutern kann.

Jedermann kann sich im Internet unter „www.natura2000-sh.de“ informieren. Jeder Bürger kann sich äußern. Was wollen Sie noch? Ist das nicht

(Detlef Matthiessen)

transparent genug? Machen Sie einmal einen konkreten Vorschlag.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Gu- cken Sie sich doch mal die Fehler an, die darin stecken!)

Sie wollen eine Fristverlängerung. Ja, die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen wird verlängert. Sie wollen, dass nur Gebiete gemeldet werden, die tatsächlich den naturschutzfachlichen Kriterien entsprechen, wie es die Richtlinie fordert. Das ist der gesetzliche Auftrag und nichts anderes wird gemacht. Oder wollen Sie etwas anderes unterstellen, Frau Todsen-Reese? Dann sagen Sie auch, was und wo etwas nicht an fachlichen Kriterien ausgerichtet ist!

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Zuruf der Abgeordneten Herlich Marie Todsen- Reese [CDU])

Meine Damen und Herren, Sie haben schon in den ersten Meldungen deutlich gemacht, was Sie heute machen: Sie haben gegen den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer mobil gemacht, der heute ein wirtschaftlicher Verkaufsschlager ist und bei dem sich niemand über Nachteile beschwert.

(Veronika Kolb [FDP]: Auch das stimmt nicht!)

Die CDU muss sich sortieren, nicht die Landesregierung. Die CDU muss sich überlegen, ob Obstruktionspolitik wirklich ein Erfolgskurs ist.

(Zurufe von der CDU)

Das ist Ihr inneres Problem - wobei wir uns natürlich freuen, Herr Maurus, dass Sie diesen Antrag gestellt und uns damit Gelegenheit zu dieser Debatte gegeben haben. Unsere Naturschutzpolitik braucht sich nicht zu verstecken. Unsere Naturschutzpolitik ist ein Erfolg für die Zukunft unseres Landes. Davon profitieren nicht nur der Tourismus, nicht nur die zukünftigen Generationen, sondern er ist auch insgesamt ein positiver Standortfaktor für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussionen um NATURA 2000Schutzgebiete sind in den letzten Monaten völlig fehlgeleitet geführt worden. Die Rede der Kollegin Todsen-Reese war gerade wieder ein Beweis dafür. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich in meinem Leben die Kollegin Happach-Kasan in diesem Hause vermissen würde, aber bei der Rede von Herrn Hildebrand habe ich sie schmerzlich vermisst.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist völlig unerheblich, ob man die Ausweisung von Schutzgebieten gut findet oder nicht. Einzig und allein maßgebend ist, dass es eine Pflicht zur Ausweisung von Schutzgebieten nach naturschutzfachlichen Kriterien gibt. Wirtschaftliche Kriterien spielen dabei keine Rolle. Daher werden auch Argumentationen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Gebieten oder auf Eigentumsverhältnisse beziehen, von der EU nicht anerkannt. Es geht also nicht um das Ob, sondern um das Wie, wenn man sich mit der Ausweisung der Gebiete befasst. Deshalb ist es nicht in Ordnung, dass die CDU in ihrem Antrag suggerieren will, dass man hier noch etwas drehen könnte. Im vorletzten Punkt des Antrages fordert die CDU sogar - freundlich formuliert - zum Umgehen der Rechtslage auf, indem sie fordert, Gebiete nicht auszuweisen, weil wirtschaftliche Interessen einer Ausweisung entgegenstehen. Damit wird den Betroffenen nur Sand in die Augen gestreut.

Die Regierung Kohl ist 1992 die Verpflichtungen hinsichtlich der NATURA 2000-Gebiete eingegangen und heute kann man sich diesen Verpflichtungen nicht mehr entziehen. Wenn man so will, kämpft die CDU gegen die Geister, die ihr Kanzler vor mehr als einem Jahrzehnt selber rief.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ausschließlich maßgeblich für die Ausweisung von Schutzgebieten sind nur naturschutzfachliche Kriterien. Daran wird auch manche gut gemeinte Kritik nichts ändern. Erst nachdem NATURA 2000-Gebiete nach naturschutzfachlichen Kriterien ausgewiesen worden sind, ist es möglich, eine andere als die heutige Nutzung zu beantragen. Das Beispiel „Mühlenberger Loch“ hat auch deutlich gemacht, dass die EUKommission sogar im großen Stil bereit ist, wirtschaftlichen Interessen entgegenzukommen. Ein gesamtes NATURA 2000-Gebiet wurde dort für die wirtschaftliche Nutzung, zum Bau des Airbus, freigegeben. Das ist der Beweis, dass es geht. Allerdings

(Lars Harms)

geht es bloß auf Antrag, nach Ausweisung als NATURA 2000-Gebiet und mit einer guten, in sich schlüssigen Argumentation. Was auf keinen Fall geht, ist, dass man nur Landesflächen oder Flächen, die sich im Besitz der Stiftung Naturschutz befinden, meldet. Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Meldung geht es nur um die naturschutzfachliche Prüfung. Sollten Flächen außerhalb des Landesbesitzes meldepflichtig sein, so kann man sich der Meldung dieser Flächen nicht verschließen. Dies wird in der Aufforderung an das Umweltministerium zur Ausweisung weiterer Flächen auch deutlich. Hier werden dezidiert Regionen genannt, die aus naturschutzfachlicher Sicht nachgemeldet werden müssen. Es gilt jetzt, die naturschutzfachliche Argumentation zu überprüfen und dann nach genauen Kriterien nachzumelden. An dieser Vorgehensweise kommen wir nicht vorbei.

Jetzt kommt es darauf an, die Umsetzung der Ausweisung so zu gestalten, dass man vor Ort mit dem NATURA 2000-Netz leben kann. Zwar gibt es eine Bestimmung, die vorschreibt, dass sich die ökologische Wertigkeit von betroffenen Flächen nicht verschlechtern dürfe und man somit weiterhin die Flächen genauso nutzen dürfe wie bisher. Aber es wird auch vorgeschrieben, dass die betroffenen Flächen später einen rechtlichen Schutzstatus erhalten sollen. Die EU versteht darunter vornehmlich die Ausweisung von Nationalparks und Naturschutz- gebieten sowie von Biosphärenreservaten. Genau hier müssen wir ansetzen, wenn wir den Menschen vor Ort wirklich einen Weg aufzeigen wollen, wie sie mit den NATURA 2000-Gebieten trotzdem gut leben können. Während die Einrichtung eines Nationalparks sicherlich nicht zur Debatte steht, sind Naturschutzgebiete durchaus realistisch. Bei den Flächen, die ohnehin nicht einer Nutzung unterliegen und wirklich nur dem reinen Naturschutz dienen, sollte die Einrichtung von Naturschutzgebieten auch kein Problem sein. Schwierig wird es mit noch genutzten Flächen. Hier befürchtet man schon mittelfristig Einschränkungen der Nutzung, wenn Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Diese Befürchtungen sind auch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Nicht viel leichter wird es da mit der Ausweisung von Biosphärenreservaten. Solche Reservate können auch so genannte Pufferzonen enthalten. Das heißt, es werden hier über die eigentlich zu schützende Fläche hinaus weitere Bereiche unter zumindest teilweisen Schutz gestellt. Dass Landnutzer, deren Flächen an NATURA 2000-Gebiete angrenzen, mit solchen Pufferzonen nicht einverstanden sein können, ist klar. Die von der EU favorisierten Arten des rechtlichen Schutzstatus sind somit wirklich nur im Ausnahme

fall akzeptable Lösungen. Im Regelfall verhindern sie die Akzeptanz von Naturschutz, was uns allen nicht recht sein kann.

Unser Vorschlag in unserem gemeinsamen Antrag mit Rot-Grün stellt darauf ab, dass durch den Vertragsnaturschutz genau dieser rechtliche Schutzstatus gewährleistet werden kann. In solchen Verträgen könnten entsprechende finanzielle Regelungen zugunsten der Landbesitzer und Landnutzer genauso festgeschrieben werden wie auch die zukünftige weitere Nutzung von Flächen, sodass sich niemand Sorgen um diese Nutzung machen muss. Wichtig für uns ist, dass solche Regelungen verlässlich sind und wir für die Betroffenen Planungssicherheit schaffen.

Bisher gibt es keine Aussage seitens der EUKommission, die den Vertragsnaturschutz in diesem Zusammenhang ausschließt. Auch der Europäische Gerichtshof hat sich hierzu noch nicht abschließend geäußert. Daher besteht die Möglichkeit, den Vertragsnaturschutz als erlaubten rechtlichen Schutzstatus festzuschreiben. Der Vertragsnaturschutz hat sicherlich mehr Akzeptanz in der Bevölkerung als die neuerliche Ausweisung von starren Naturschutzgebieten, Nationalparks oder Biosphärenreservaten. Außerdem sind die Gestaltungsmöglichkeiten im Vertragsnaturschutz so vielfältig, dass man hierdurch den betroffenen Landbesitzern und Landnutzern am besten entgegenkommen kann. Deshalb muss die Landesregierung mit der EU-Kommission eine Regelung herbeiführen, die den Vertragnaturschutz im Rahmen der NATURA 2000-Umsetzung ausdrücklich erlaubt. Ich bin mir sicher, dass dies möglich sein wird.

Hier möchte ich ebenfalls auf den von der Kollegin Todsen-Reese gerade vorgetragenen Fall eingehen und zeigen, wie gerade der Vertragsnaturschutz in diesem Fall helfen kann. Aus dem Kurzbericht zum Gebietsvorschlag „Helgoländer Düne" geht hervor, dass unter anderem der Strandbereich im Norden der Inseldüne als Setz- und Liegeplatz für Kegelrobben auszuweisen ist. Daran führt kein Weg vorbei. Als Einflüsse und Nutzung werden im Kurzbericht der Tourismus und der Badebetrieb angegeben und man ist auf Helgoland in Sorge, dass auch die Küstenschutzmaßnahmen zum Erhalt der Düne eingeschränkt werden könnten. Nun kann man die touristische Nutzung - die für Helgoland nicht unerheblich ist - natürlich als negativen Einfluss auf das Verhalten der Kegelrobben ansehen. Doch sollte man hierbei bedenken, dass Kegelrobben ihre Jungen im Dezember am Strand zur Welt bringen, also in einer Zeit, in der der touristische Einfluss auf diese Tiere nicht besonders hoch ist. Hier muss es daher nach Auffassung des SSW Möglichkeiten geben, wie man den

(Lars Harms)

Schutz dieser Tiere, die touristischen Interessen und das Küstenschutzinteresse der Gemeinde Helgoland im Rahmen von NATURA 2000 unter einen Hut bringen kann.