Protocol of the Session on December 12, 2003

sondern sogar einen Spalt breit geöffnet haben musste. Gehört dies auch zu dem Sicherheitskonzept?

Herr Abgeordneter Licht, zu diesem Punkt geht öffentlich ziemlich viel durcheinander. Ich sage das jetzt auch unter dem Vorbehalt der Vorlage des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe.

Als erstes möchte ich Folgendes feststellen: Die Frage, ob diese Tür zum Betreuungszimmer offen oder verschlossen war, tut überhaupt nichts zum Tatvorgang. – Ich finde, das ist eine wichtige Feststellung, wenn man berücksichtigt, dass in allen möglichen Berichten die Frage aufgeworfen wurde, ob die Tür ein Spalt auf oder zu war und dies plötzlich die maßgebliche Geschichte wird.

Zweitens gab es keine Verabredung, dass das Zimmer der Betreuungsperson geschlossen sein muss. Wir haben das Konzept im Sinne der Sicherheitsvorstellungen so entwickelt, dass dieses Zimmer abschließbar ist, nicht allein von einem Jugendlichen betreten werden und sich die Betreuungsperson bei Not oder Gefahren in dieses Zimmer zurückziehen kann, ohne dass die Tür von außen geöffnet wird.

Ich möchte dies erklären. Wir sprechen von einem pädagogischen Konzept. Sie müssen sich vorstellen, dass ab 22:30 Uhr die Nachtruhe gilt. Es sind noch zwei Mitarbeiter anwesend. Die Jugendlichen müssen dann auf ihre Zimmer gehen. Ab 23:00 Uhr herrscht totale Nachtruhe. Die Erzieherin oder die Betreuungsperson hat die Tür einen Spalt offen, um beobachten zu können, ob sich draußen etwas tut oder nicht. Denkt man nicht im Sinne von Justizvollzug, sondern von Pädagogik, ist das eigentlich selbstverständlich.

Ich sage ausdrücklich: Es gab aus Sicherheitsgründen die Möglichkeit, die Tür zu verschließen, sodass von außen kein Jugendlicher das Zimmer betreten konnte. Es gab die Absprache in der Einrichtung, dass die Jugendlichen, auch wenn jemand anwesend war, nicht einfach das Zimmer betreten dürfen, sondern anklopfen müssen. Die Jugendlichen durften sich auch nicht allein in dem Zimmer aufhalten. Auch das war untersagt, weil in dem Raum bestimmte Gegenstände aus Sicherheitsgründen aufgehoben worden sind. Im Übrigen gilt das pädagogische Konzept, dass dann, wenn keine Gefahrensituation gesehen wird, der Kontakt dieser Person in die Gruppe vorhanden sein muss.

Ansonsten hätten wir es bei einer Nachtwache belassen können, die sich irgendwo einschließt und schaut, ob irgendetwas passiert. Das pädagogische Konzept der Nachtbereitschaft hat von Anfang an darauf gesetzt, dass es eine Nachtwache gibt und die Person gegebenenfalls verfügbar ist.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bischel.

Frau Staatsministerin, Sie haben ausgeführt, dass die Fluchtgefahr kein ausreichender oder alleiniger Grund sei, um die Aufnahme in das Heim zu verweigern. Gab es aufgrund der großen Strafregisterliste – ich meine die Liste, die im Rechtsausschuss vorgelesen wurde, die allerdings nicht allen bekannt ist – Zweifel an der Therapiefähigkeit der Jugendlichen im Heim? Sind zum Zeitpunkt der Aufnahme der Jugendlichen diese Zweifel, sofern sie vorhanden waren, alle ausgeräumt gewesen?

(Hartloff, SPD: Gibt’s denn die Zweifel in einem solchen Fall nicht?)

Ich habe nicht Sie gefragt.

Herr Abgeordneter Bischel, an der Stelle möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die Konzeption ist von Anfang an so angelegt, dass letztendlich nach dem Zusammenwirken aller Beteiligten nur die Einrichtung entscheidet, ob der Jugendliche für die Einrichtung geeignet ist oder nicht. Die Einrichtung ist damals zu dem Ergebnis gekommen, dass Ferid T. durchaus geeignet ist, aufgenommen zu werden.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Aber erst nach dem entsprechenden Intervenieren!)

Das ist Ihre Auslegung. Ich sehe das anders. Es gab am Ende, bevor Ferid aufgenommen worden ist, ein einvernehmliches Votum aller Beteiligten, dass Ferid T. aufgenommen werden soll.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wiechmann.

Frau Ministerin, teilen Sie meine Auffassung, dass das Prinzip „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ trotz dieses tragischen Zwischenfalls auch insbesondere aus jugendhilfepolitischer und sozialpädagogischer Sicht absolut sinnvoll ist? Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass es nach einer konzeptionellen Überarbeitung eine Fortführung dieses Konzepts gibt?

Herr Abgeordneter Wiechmann, natürlich halte ich die Möglichkeit „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ für sinnvoll. Ansonsten wären wir nie zu der Entscheidung gelangt, eine solche Einrichtung zu gestalten und einzurichten.

Darüber hinaus habe ich alles gesagt, was es zu Ihrer Frage der Weiterführung dieser Einrichtung zu sagen gab. Nach einem solch schwierigen und schrecklichen Vorfall müssen wir uns alles sehr genau anschauen und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abwarten. Wir brauchen auch einen Austausch mit externen Expertinnen und Experten. Ich glaube, danach ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man definitiv sagen kann, so oder so könnte eine Fortführung des Konzepts tatsächlich aussehen. Wir haben nach wie vor den festen Willen, eine Einrichtung dieser Art auch in Rheinland-Pfalz anzubieten, um den Jugendlichen, die in eine solche Situation kommen, auch eine Perspektive in der Jugendhilfe zu geben.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Altherr.

Frau Ministerin, ich glaube, es ist unstrittig, dass wir alle der Meinung sind, dass Hilfe statt Repression Vorrang haben muss. Für mich stellt sich allerdings die Frage nach dem zeitlichen Ablauf des Geschehens. Ich möchte wissen, ob die junge Frau eine Überlebenschance gehabt hätte, wenn die Möglichkeit der zeitgerechten und suffizienten Hilfe gegeben gewesen wäre, das heißt, wenn es quasi eine „second line of defence“ gegeben hätte.

Herr Abgeordneter Altherr, sehen Sie es mir nach, dass ich diese Frage nicht beantworten kann. Das ist natürlich einer der vielen Punkte, die in dieser Arbeitsgruppe bearbeitet werden müssen. Wir kennen bis jetzt den Tathergang nur aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Ich glaube, wir müssen die Geduld aufbringen und abwarten, was in Details nachvollzogen werden kann und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können. Das ist selbstverständlich.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders.

Ich möchte anders fragen als Herr Bischel. Wäre nicht im Gegensatz zur Fluchtgefahr das bekannte Gewaltpotenzial des Jugendlichen ein Grund gewesen, die Aufnahme zu verweigern?

Herr Dr. Enders, das ist eine hypothetische Frage. Die Einrichtung steht heute noch auf dem Standpunkt, dass

der Jugendliche geeignet ist. Natürlich müssen solche Fragen im Lauf dieser Untersuchungen, die wir vornehmen, hinterfragt werden.

Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer.

Anknüpfend an Ihre Antworten habe ich noch eine Frage. In dem Schreiben ist aufgeführt: „Obwohl unsere UHaft-Vermeidungsgruppe dementsprechend gesichert ist, sehen wir uns aufgrund unserer Rahmenbedingungen/Konzeption nicht in der Lage, die erforderliche Sicherstellung der Hauptverhandlung und pädagogischen Arbeit (Entwicklung von positiven Perspektiven) zu leisten.“ – Sie haben gesagt, es wäre nur um die Fluchtgefahr gegangen. Für mich steht mehr drin.

Sie sollen bitte nicht kommentieren, sondern eine Frage stellen.

Herr Präsident, ich komme schon dazu.

Das dauert aber. Wir haben schon längst die Zeit für die Fragestunde überschritten. Bitte, kommen Sie zur Frage.

Vielen Dank. Jetzt hätte ich schon fertig sein können.

Die Frage lautet: War zurzeit der Aufnahme schon bekannt, dass noch eine Raubüberfalltätigkeit im Hintergrund stand und dies auch ein Ablehnungsgrund für die Aufnahme war?

Alle rechtsanhängigen Verfahren waren bekannt. Auf dieser Grundlage hat die Einrichtung mit der Jugendgerichtshilfe die Entscheidung abschließend getroffen, Ferid T. aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist abgelaufen. Es liegt ein Antrag zur Geschäftsordnung vor, zu dem ich Herrn Abgeordneten Jullien das Wort erteile.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die CDUFraktion beantrage ich eine Aussprache gemäß § 99 der Geschäftsordnung des Landtags zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU), Jugendheim „Mühlkopf“ in Rodalben, Modell „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ – Nummer 9 der Drucksache 14/2732 – betreffend.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hartloff zur Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident! Seitens der SPD-Fraktion beantrage ich eine Aussprache zur Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Ulla Brede-Hoffmann (SPD), Ganztagsschulentwicklung in Rheinland-Pfalz – Nummer 8 der Drucksache 14/2732 – betreffend.

Wir beginnen mit der Aussprache über die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU), Jugendheim „Mühlkopf“ in Rodalben, Modell „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir die Frage gestellt haben, haben wir fast befürchtet, dass wir heute leider wieder kein Stück weiterkommen.

(Beifall der CDU)

Wenn ich mir überlege, dass wir im Übrigen heute nicht einmal die Frage beantwortet bekommen haben, weshalb die einzelnen Personen verurteilt worden sind – wir haben bisher nur das Vorstrafenregister erzählt bekommen –, ist das alles mehr als verdächtig.

Ich muss Ihnen auch einmal sagen, es ist natürlich einfach, wenn zwei Ministerien davon betroffen sind, dass man dann versucht, mit der Opposition ein bisschen Hase und Igel zu spielen. Gehen Sie aber bitte davon aus, dass wir das so nicht mitmachen werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben heute den 12. Dezember. Ich kann mich erinnern, dass wir vor einer Woche eine Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses hatten. An einem Tag tagte auch der Rechtsausschuss. Es wurde uns versprochen, dass wir die Unterlagen, die Sprechvermerke und die Dienstanweisungen, die es gegeben hat, erhal

ten. Das wurde uns zugesagt. Entweder ist mein Pos tfach nicht richtig bestückt oder ich habe es bis heute nicht gesehen. Uns fehlen die kompletten Unterlagen. Es wird immer wieder irgendetwas in allen Richtungen erzählt. Das kann so nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

Wir lassen uns das in dem Fall auch nicht mehr gefallen.

Leider ist das Thema – das wissen Sie selbst – natürlich mehr als traurig, weil jemand umgekommen ist. Wenn man über eine Konzeption nachdenkt, dann muss man sich auch fragen: War sie vorher richtig?

Herr Mertin, grundsätzlich ist es immer wieder Ihre Meinung im Rechtsausschuss, wenn es um irgendwelche Neuerungen geht, zu sagen, wir schauen einmal, wie es die anderen Bundesländer machen. Wenn das bei denen gut geregelt ist, schließen wir uns dem an. Warum haben Sie es in diesem Fall nicht gemacht? Wo sind die Vergleiche mit anderen? Wenn ich mir dieses Schreiben des Internationalen Bundes anschaue, dann steht in der dritten Zeile, dass wir uns aufgrund der neuen Sachlage nicht imstande sehen. Was ist denn neu, was ist alt? Alles dies wissen wir leider bis heute nicht.

Wenn man dann umblättert – es wird immer wieder auf die Fluchtgefahr abgestellt. Nehmen Sie mir das ab, ich bin auch Jurist, ich weiß, dass das einer der Gründe sein kann, warum das so läuft. Aber die Fluchtgefahr ist gar nicht der Grund, der hier zu Buche steht. Es ist etwas ganz anderes. Wir haben es hier nämlich mit einem gemeingefährlichen Täter zu tun, der in eine Einrichtung eingewiesen wurde, wo er nicht hingehört hätte. Das ist Ihnen jetzt bewusst. Das hätte Ihnen aber vorher bewusst sein müssen.