Wenn man dann umblättert – es wird immer wieder auf die Fluchtgefahr abgestellt. Nehmen Sie mir das ab, ich bin auch Jurist, ich weiß, dass das einer der Gründe sein kann, warum das so läuft. Aber die Fluchtgefahr ist gar nicht der Grund, der hier zu Buche steht. Es ist etwas ganz anderes. Wir haben es hier nämlich mit einem gemeingefährlichen Täter zu tun, der in eine Einrichtung eingewiesen wurde, wo er nicht hingehört hätte. Das ist Ihnen jetzt bewusst. Das hätte Ihnen aber vorher bewusst sein müssen.
Das Problem ist vielschichtig. Bis heute ist auch nicht ganz klar, Frau Ministerin, welche Rolle das Landesjugendamt gespielt hat. Ich will gar nicht auf andere Bereiche verweisen, ob das in Frankenthal das islamische Wohnheim oder Ähnliches ist. Auch darüber werden wir uns noch unterhalten müssen. Aber das Landesjugendamt wird auch nicht so einfach davonkommen.
Ich möchte nur darauf verweisen, ohne dass man heute zu viel sagt, es ist immer wieder interessant: Haben wir wirklich einmal eine Geschichte, dann bekommt die Opposition nicht alles gesagt. Wenn man sich dann im Endeffekt überlegt, wie Sie versuchen, sich hier herauszuwinden – anders kann man es leider nicht sagen –, dann kann ich das nicht verstehen. Wenn ein Fehler passiert, dann muss man dazu stehen. – Dann muss man sagen: Das war nichts. – Dann muss man vielleicht auch einmal eine Konsequenz aus der ganzen Geschichte ziehen. Dies sehe ich bisher nicht.
Herr Hartloff scheint ein fotografisches Gedächtnis zu haben. Es ist immer wieder interessant, was man sich
alles merken kann. Wenn man nach dem Sprechvermerk fragt, um einfach einmal relationstechnisch gegenüberzustellen, was der eine oder andere sagt, dann ist es vorbei.
Frau Ministerin, Herr Minister, wir fordern Sie jetzt auf, uns sämtliche schriftlichen Unterlagen, die Ihnen vorliegen, inklusive der Urteile, der Befunde, der Voraussetzungen, der Dienstanweisungen, endlich binnen der nächsten acht Tage vorzulegen, damit wir uns endlich ein Bild von der ganzen Sache verschaffen können.
Sehen Sie mir es nach: Nehmen Sie es bitte ernst mit den acht Tagen. Wenn das bis dahin nicht der Fall sein sollte, müssten wir uns vielleicht sogar Weiteres überlegen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Baldauf, es ist einfach eine fiese Nummer, die Sie hier abziehen.
Das ist die Neuauflage des traurigen Auftritts vor einer Woche, in etwa eineinhalb Stunden Rechtsausschuss und eineinhalb Stunden Sozialpolitischer Ausschuss, bei der es Ihnen niemals darum ging, überhaupt mitzuhelfen, etwas aufzuarbeiten. Nein, es ging Ihnen von Anfang an darum, Schuldzuweisungen auszusprechen.
Sie wollten auch nicht im Sinne zielorientierter Gedanken auf eine mögliche Verbesserung des Konzepts hinarbeiten. Sie wollten Schuldzuweisung. Sie wollen keine Aufklärung. Sie wollen einfach jetzt schon wissen, was dabei herauskommt, nämlich, das alles war nichts. Wer ist schuld? Natürlich müssen die Schuldigen gesucht werden.
Frau Ministerin Dreyer hat auf Nachfrage des Herrn Kollegen Hartloff zugesagt, dass wir in den zuständigen Ausschüssen, wenn die Arbeitsgruppe gearbeitet hat und zu Ergebnissen gekommen ist, ausführlich darüber reden. Das sollte der Weg bei einem solch sensiblen Thema sein.
Wenn Sie immer vor sich hertragen, wie wichtig Ihnen das Konzept wäre und wie Sie hinter diesem Konzept stehen, nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen dieses Konzept überhaupt nicht und suchen einen Weg, wie man das verhindern kann.
(Beifall bei SPD und FDP – Anheuser, CDU: Das ist eine böswillige Unterstellung! – Rösch, SPD: Das ist nicht die Stunde der Schreier!)
Meine Damen und Herren, ich finde es schon erstaunlich, dass uns die Betroffenheit und die Trauer, die wir eigentlich über diesen schrecklichen Vorfall alle gefunden haben – das ist ganz klar –, nicht dazu führt, etwas behutsamer mit der Sache umzugehen, sondern dass man jetzt versucht, – – –
Ich sehe auch Kritikpunkte. Ich komme noch darauf. Es ist immer eine Frage, wie man eine solche Sache vorbringt, ob man konstruktiv an diese Sache geht. Das ist ein Vorfall, der wirklich dann, wenn er dazu benutzt wird, parteipolitisch ausgeschlachtet zu werden, nachträglich noch einmal sehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Davor sollten wir uns alle hüten.
Meine Damen und Herren, vor allem darf es nicht dazu führen, dass die mögliche Unterbringung von straffälligen Jugendlichen in einem Heim infrage gestellt wird. Ich glaube, dass das grundsätzliche Konzept, wie es das Jugendgerichtsgesetz vorsieht, dass Jugendlichen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die besondere Belastung der Untersuchungshaft erspart werden soll, und wie es auch das Ziel des Jugendstrafrechts ist, dass mit erzieherischen Mitteln versucht wird, Jugendliche wieder
auf den rechten Weg zu bringen, Grundlage und Verpflichtung genug sind, dass es solche Heime für Jugendliche geben muss.
Wir sollten uns wirklich alle einmal grundsätzlich darüber einig sein, dass der tragische Tod dieser jungen Frau dieses Programm nicht grundsätzlich infrage stellen darf. Wir müssen uns auch alle darüber einig sein, dass es natürlich zwischen Strafrecht und Jugendhilfe wirklich auch teilweise unauflösliche Widersprüche gibt. Das ist nicht hundertprozentig kompatibel miteinander. Natürlich kann eine pädagogische Ausgestaltung eines solchen geschlossenen Heimes nie so sein wie eine geschlossene Justizvollzugsanstalt. Wir waren in Stutensee und haben uns das angesehen. Wir wollten und werden auch sehr bald nach Rodalben gehen. Aber in Stutensee hat der Leiter dieses Heimes gesagt: Wenn Jugendliche hierher kommen, dann sind sie vielleicht zwei, drei Tage in wirklich geschlossenen Räumen. Danach müssen wir anfangen, mit ihnen offener umzugehen. – Das sind Widersprüche, die einfach nicht auflösbar sind und manchmal zu solch furchtbaren Ereignissen führen.
Natürlich muss sehr genau überlegt werden. Natürlich stehen sehr viele Fragen im Raum. Das ist vollkommen klar. Einige Fragen haben Sie teilweise schon beantwortet. Beispielsweise die mit dem Messerblock.
Was ich noch fragen wollte, wozu ich aber nicht mehr gekommen bin, ist, wie es kommt, dass die Erzieherin nachts allein dort war. Sie haben gesagt, telefonisch wäre jemand anderes erreichbar gewesen. Gibt es andere Möglichkeiten der Alarmierung? Reicht es, wenn das telefonisch geht?
Diese Fragen sind alle wichtig, aber auch die Frage des Briefes. Ich komme jetzt darauf, was die CDU in den Vordergrund gestellt hat.
Es ist schon die Frage, wenn man sich den Brief des Mitarbeiters ansieht, ob es wirklich nur die Fluchtgefahr gewesen ist, warum er meint, dass dieser Jugendliche nicht für das Jugendheim geeignet ist. Ich lese auch etwas anderes daraus. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen.
Ich glaube schon, dass man mit der Argumentation vorsichtig sein sollte, auch von der Regierung her; denn wenn dort steht, dass die Sicherung für diesen Jugendlichen nicht gewährleistet und die pädagogische Arbeit mit einer sinnvollen Perspektive nicht geleistet werden könne, dann geht das meiner Meinung nach über die Bedenken der Fluchtgefahr hinaus.
Natürlich haben alle zusammen gemeinsam gesagt, wenn man alles gegeneinander abwägt, dann sind wir der Meinung, dass dieser Jugendliche in dieses Heim kommen kann. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ein Brief eines Ministeriums an einen Heimleiter doch einen gewissen Druck darstellt, dem man sich vielleicht schwer entziehen kann.
Ich möchte gern, dass sich das Justiz- und Sozialministerium hierüber grundsätzlich Gedanken machen, ob das der richtige Weg war, um damit umzugehen.
Grundsätzlich möchte ich noch einmal für meine Fraktion festhalten, wir wollen nicht durch diesen tragischen Vorfall das an sich gute Konzept der Heimunterbringung für Jugendliche – – – Bitte schön, dann möchte ich, dass sich alle dahinterstellen.
Es geht um Untersuchungshäftlinge, straffällige Jugendliche, die sonst in Untersuchungshaft gekommen wären. Das ist der entscheidende Punkt.