Protocol of the Session on July 11, 2013

diese gute Verfassung befindet. Nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen befindet sich in guter Verfassung; es hat auch eine gute und bewährte Verfassung. Das wird allein daran deutlich, dass trotz ihres langjährigen Bestehens nur 20 Änderungen vorgenommen werden mussten. Nur für 20 Änderungen fand sich die verfassungsändernde Mehrheit von zwei Dritteln.

Dem wird gerecht, eine gemeinsame Kommission über alle Fraktionsgrenzen hinweg einzusetzen.

Dem wird gerecht, den Schwerpunkt auf den dritten Teil der Verfassung und damit auf das Staatsorganisationsrecht zu legen und zu fragen, wie die gemeinsame Arbeit von Landtag und von Landesregierung auf der Basis der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Wahlen, aber auch in der direkten Demokratie stattfinden kann und stattzufinden hat. Außerdem stellt sich die Frage, wie der Zugang zum höchsten Gericht ist.

Dem wird gerecht, dass wir uns darauf verständigt haben, in der Verfassungskommission ergebnisoffen diskutieren zu wollen. Wir wollen eben nicht von vornherein die Kataloge so verstehen, dass wir gegeneinander abstimmen, um dann zu schauen, ob sich eine entsprechende Mehrheit bildet.

Ich möchte zwei große Blöcke hervorheben, die mir wichtig sind. Der erste große Block ist die Balance zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. Wir haben alle gelernt und mitbekommen, dass die Ansprüche an Demokratie – an repräsentative Formen und an direkte Beteiligungsmöglichkeiten – gewachsen sind.

Wir werden dem mit der Diskussion darüber gerecht, welche Anforderungen zu stellen sind, damit jemand aufgrund seines Alters von der Wahl ausgeschlossen bleibt. So herum wollen wir das gern diskutieren. Wir wollen nicht fragen: Ab wann darf man einem Bürger das Wahlrecht geben? Vielmehr fragen wir: Gibt es gute Gründe dafür, jemanden aufgrund seines Alters, weil er noch jünger als 18 Jahre ist, vom Wahlrecht auszuschließen? Wir debattieren das unter dem Punkt „Wahlalter 16 Jahre“.

Wir wollen miteinander diskutieren, ob die Grenzen und die Hürden, die die Verfassungsväter und mütter für das direktdemokratische Engagement von Bürgerinnen und Bürger gesetzt haben, noch zeitgemäß sind. Muss in einer gewachsenen Demokratie wirklich der Vorbehalt gelten, dass äußerst hohe Hürden zu überwinden sind, damit sich Menschen direktdemokratisch an den Entscheidungen über ihre Angelegenheiten beteiligen können? Müssen die Hürden für die Ausschlüsse so hoch sein, wenn die Menschen direktdemokratisch entscheiden sollen?

Wir wollen uns drittens – das gehört zur anderen Seite der Balance – selbst in den Fokus nehmen und schauen, wie es mit der Stellung des Parlaments und der Abgeordneten im Besonderen ge

genüber der Landesregierung aussieht. Damit machen wir deutlich, worauf Präsidentin Gödecke schon in ihren Eingangsstatements hingewiesen hat, und unterstreichen das: erst das Parlament, dann die Regierung.

Wir haben als Letztes miteinander die nordrheinwestfälische Ausgestaltung der Schuldenbremse zu verhandeln. Mir und meiner Fraktion ist wichtig: Wir reden nicht einfach über ein Abschreiben der Schuldenbremse auf Bundesebene, sondern wir haben in unserem Haushalt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal, nämlich die Kommunalfinanzierung.

Die Kommunalfinanzierung ist, was die Übertragung der Aufgaben angeht, durch den Verfassungsgrundsatz der Konnexität geschützt. Für uns ist wichtig, dass wir miteinander darüber diskutieren, wie wir die kommunale Finanzausstattung von Landesseite davor schützen können, dass eine einfachgesetzliche Tätigkeit des Landesgesetzgebers an einer solchen Stelle den Kommunen wesentliche Finanzmittel vorenthält.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ganz sicher: Diese Verfassungskommission wird eine gute Arbeit leisten. Sie wird nicht im eigenen Saft schmoren. Dafür werden die entsprechenden Anhörungen und die Experten sowie die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände sorgen.

Am Ende werden wir mit ein bisschen gutem Willen ein Ergebnis bekommen, das uns alle hoffentlich stolz darauf macht, dass wir diese Landesverfassung in dieser Legislaturperiode weiterentwickeln konnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Lienenkämper das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Landesverfassung ist die rechtliche Grundlage der Demokratie für das Land Nordrhein-Westfalen. Ich freue mich, dass wir feststellen können: Sie ist eine ausgesprochen gute, eine ausgesprochen taugliche und eine sehr bewährte Grundlage für diese Demokratie.

Wir müssen den Verfassungsmüttern und Verfassungsvätern heute noch dankbar sein dafür, dass in den Zeiten ihrer Erarbeitung – also in sehr schwierigen Zeiten – eine Verfassung herausgekommen ist, die in den Jahrzehnten, in denen sie inzwischen angewendet wird, nicht nur standgehalten hat, sondern auch heute noch in ihren Grundlagen eine taugliche und gute Verfassung ist.

(Beifall von der CDU)

Gleichwohl ist in den Jahrzehnten, die ins Land gehen, auch eine solch gute Grundlage immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls in einzelnen Bereichen auch an veränderte Entwicklungen anzupassen.

Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das ergebnisoffen zu machen. Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das in diesem Hause gemeinsam zu machen. Es ist gut, dass wir uns darauf verständigt haben, das in einer Größe zu machen, die eine qualitativ hochwertige Beratung genauso gewährleistet, wie sie die Mehrheitsverhältnisse dieses Landtags von Nordrhein-Westfalen abbildet.

Es ist gut, dass wir keine inhaltlichen Vorgaben gemacht haben. Jeder kann mit seinen Standpunkten und mit seinen werteorientierten Ideen und Grundlagen in diese Kommission gehen. Dann werden wir miteinander und mithilfe des Expertenrats, den sich diese Kommission richtigerweise einholen wird, im Diskurs zu vereinbaren haben, ob und in welchen Bereichen wir mit verfassungsändernden Mehrheiten die Notwendigkeit sehen, die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen weiterzuentwickeln. Das wird ein für das Land Nordrhein-Westfalen wichtiger Prozess sein. Die Verfassung ist nicht irgendein Gesetz, sondern, wie gesagt, die zentrale Grundlage.

Deswegen werde ich heute, anders als Herr Kollege Herter, noch keine inhaltlichen Punkte ansprechen. Die Ergebnisoffenheit soll sogar meinen Eingangsvortrag von heute prägen. Wir sind wirklich offen, was das Ergebnis angeht.

(Beifall von der CDU)

In einem sind wir aber sicher: Die Verfassung wird auch nach diesem Prozess noch wiederzuerkennen sein. Sie ist nämlich eine gute Verfassung.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir gemeinsam die Einsetzung einer Kommission zur Reformierung unserer Verfassung. Wir tun dies im Bewusstsein der Tatsache und im Respekt vor ihr, dass sie – seit gestern übrigens genau – seit 63 Jahren eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines demokratischen Nordrhein-Westfalens gespielt hat. Sie hat mit dazu beigetragen – das finde ich besonders erwähnenswert –, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg so

etwas wie eine nordrhein-westfälische Identität entwickeln konnte.

Damit dieses Identitätsstiftende nicht schleichend an Wirkung verliert und damit unser Verfassungsrecht weiterhin Strahlkraft entwickeln kann, die letztlich den staatsbürgerlichen Zusammenhalt der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen stärken soll, werden wir ab heute gemeinsam überprüfen, ob der fortgeschrittene gesellschaftliche Wandel, der von 1950 bis heute stattgefunden hat, noch hinreichend von ihr abgebildet wird.

Diese Überprüfung – meine Vorredner haben es gesagt – erstreckt sich zunächst aber nur auf den dritten Teil unserer Verfassung, der von den Organen und den Aufgaben des Landes handelt. Wir werden uns in der Kommission also erst einmal mit den Themen beschäftigen, die in Bezug zu unserer politischen, demokratischen Kultur in NordrheinWestfalen stehen.

Meine Damen und Herren, ich verspreche mir von der intensiven Befassung mit diesen Themen einen echten Schub. Ja, ich verspreche mir eine Vitaminspritze für unser demokratisches System in Nordrhein-Westfalen; denn gerade der dritte Teil hat einiges zu bieten.

Mit dem rasanten, inzwischen weit fortgeschrittenen digitalen Wandel haben sich für die Bürgerinnen und Bürger des Landes neue technische Möglichkeiten der Gewinnung politischer Informationen eröffnet. Dass der politische Alltag damit verstärkten Eingang in das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger gefunden hat, ist Tatsache. Das kann leicht anhand der unzähligen täglichen Kommentare auf Online-Portalen und in sozialen Netzwerken nachvollzogen werden. Der Ruf nach Transparenz von politischen Entscheidungen und nach demokratischer Partizipation darin wird lauter, sodass auch die in der Verfassung vorgesehenen plebiszitären Instrumente dahin gehend zu untersuchen sind, ob sie den Partizipationswünschen der Bevölkerung noch hinreichend Rechnung tragen.

Uns Grüne interessieren in der Kommissionsarbeit besonders folgende Fragestellungen – ich nenne Ihnen drei –:

Erstens. Ist das auf 18 Jahre festgelegte Wahlalter beim aktiven und beim passiven Wahlrecht noch zeitgemäß?

Zweitens. Können die Beteiligungsrechte der Bevölkerung an der Politik ausgebaut werden, bzw. sind die bestehenden Zugangshürden für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide herabzusetzen?

Drittens. Gibt es verfassungsmäßige Bedenken dagegen, die politischen Partizipationsmöglichkeiten der bei uns in Nordrhein-Westfalen lebenden Bürgerinnen und Bürger aus der Europäischen Union auf der Landesebene auszubauen?

Meine Damen und Herren, anlässlich der Entwicklung des Föderalismus und des zusammenwachsenden Europas sind auch Fragen nach den parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten NordrheinWestfalens auf beiden Ebenen zu beleuchten. Es ist zu überprüfen, ob mit diesen Entwicklungen eine Stärkung der parlamentarischen Rechte einhergehen müsste, um einem eventuellen Verlust an demokratischer Mitsprachemöglichkeit auf nationalstaatlicher Ebene sowie bei der Einbindung in den europäischen Rechtssetzungs- und Entscheidungsprozess entgegenzuwirken.

Dass wir im Rahmen der Verfassungskommission gemeinsam an der Ausgestaltung und Umsetzung der Schuldenbremse arbeiten werden, kann der Herausbildung einer interfraktionellen Verantwortung für einen ausgeglichenen Haushalt ohne Kreditaufnahme nur dienlich sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne hoffen sehr und setzen auch sehr darauf, dass der Arbeitsprozess von einem Höchstmaß an Transparenz gekennzeichnet ist und von der interessierten Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt werden kann. Wir werden uns dafür einsetzen, dass effektive niederschwellige Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger bereitgestellt und auch genutzt werden.

Ebenfalls von besonderer Bedeutung ist für uns Grüne die Fragestellung, ob über die Ergebnisse am Ende des Arbeitsprozesses nicht ein Referendum, also eine Abstimmung aller wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, durchgeführt werden sollte. Von der Bereitstellung dieses Mittels der direkten Demokratie versprechen wir uns positive Resonanz bei der Mehrzahl der Nordrhein-Westfalen und gleichzeitig eine Durchbrechung vorhandener politikverdrossener Grundeinstellungen bei leider viel zu vielen Menschen in unserem Land.

Aber, Herr Lienenkämper, ich will auch ergebnisoffen an die Kommission herangehen und mit meinem Redebeitrag nicht vorgreifen. Ich hoffe dennoch, dass wir eine rege und fruchtbare Diskussion gerade zu diesem Thema haben werden.

Es geht also bei der uns bevorstehenden Kommissionstätigkeit keineswegs um zeitgeistigen Modernismus, sondern um eine gemeinsame inhaltliche Überarbeitung gerade auch im Zusammenwirken mit der interessierten Öffentlichkeit, die Bewährtes achtet, aber Rechtsentwicklungen und neue Werteentscheidungen in Verfassungsrecht gießt. Denn auch höchstrangiges Landesrecht muss in gewissen Abständen einer Revision unterzogen werden, damit gar nicht erst die Gefahr entsteht, dass es irgendwann einmal komplett an den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigeht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Übereinstimmung der Fraktionen bei diesem Antrag will ich mich kurz fassen. Eine Verfassung, wie sie hier schon beschrieben worden ist, ist ein höchstes Gut. Ich glaube, wir alle sind froh darüber, dass es eine solche Kontinuität in der Verfassung gegeben hat. Man soll nicht bei jedem schärferen Wind die Verfassung ändern. Andernfalls besteht die Gefahr, dass tagespolitischer Aktionismus und Verschlimmbesserungen der Verfassung entstehen.

Wir wollen keine Generalrevision, sondern an einigen entscheidenden Stellen eine schwerpunktmäßige Überprüfung vornehmen, was möglicherweise durch Zeitablauf an Veränderungen notwendig ist. Als Europapolitiker freut mich ganz besonders, dass auch das Verhältnis des Landtags zu den Angelegenheiten der EU neu beleuchtet werden soll. Das halte ich für einen ganz wesentlichen Faktor – gerade wenn man bedenkt, dass die Verfassung schon 63 Jahre alt ist. Damals gab es noch nicht einmal die EGKS. Der Schuman-Plan lag noch in den ersten Anfängen. Es ist klar, dass sich mittlerweile die Mitwirkungsnotwendigkeiten völlig geändert haben, zumal die EU mittlerweile Regionen anerkennt, was in früheren Zeiten nicht in gleicher Weise der Fall war.

Der zweite Punkt ist auch schon von Vorrednern erwähnt worden, nämlich das Verhältnis von Parlament und Regierung. Über die Jahre und Jahrzehnte hinweg ist natürlich auch Bedarf entstanden zu klären, wie dieses Verhältnis ist. Wir alle wollen eine Stärkung der Parlamentsrechte. Das muss mit dem Regierungshandeln in einen vernünftigen Kompromiss gebracht werden. Ich glaube, auch da sind alle guten Willens.

Reizpunkte, die von den Vorrednern genannt worden sind wie Schuldenbremse, Spannungsfeld, repräsentative und direkte Demokratie, will ich nur ganz kurz anreißen. Dabei gibt es unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Es wird eine intensive Diskussion geben. Die FDP-Fraktion wird sich mit großem Engagement dieser Arbeit widmen. Mein Kollege Dr. Stamp und ich freuen uns auf die Arbeit in der Kommission. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Sommer.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle