Protocol of the Session on May 15, 2003

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Schwarz.

Herr Minister, Sie haben behauptet, dass es im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit keine Kürzungen geben wird. Können Sie mir sagen, wie das im Einklang steht mit der Kabinettsvorlage vom 7. April und der anschließend veröffentlichten Pressemitteilung vom 8. April, in der zu lesen ist: „Kürzungen bei Fördermitteln im Nachtragshaushalt 2003. - Zuschüsse für die Qualifizierung von Sozialhilfeempfängern und Langzeitarbeitslosen: minus 296 000, Beschäftigungsprogramme für jugendliche Arbeitslose: minus 500 000 Euro, Förderung von AB-Maßnahmen: minus 1,9 Millionen Euro,“

(Dieter Möhrmann [SPD]: Nichts als die Wahrheit!)

„Förderung und Schaffung von Dauerarbeitsplätzen in sozialen Betrieben: minus 600 000 Euro“? Das macht eine Kürzung von 3,2 Millionen Euro.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hört, hört! - Bernd Althusmann [CDU]: Können Sie mal den Gesamttitelansatz vorle- sen?)

Herr Minister Hirche!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt geht es aufs Glatteis, Herr Minister!)

Herr Jüttner, Bilder von Glatteis im Sommer sind immer etwas schwierig.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das Bild stimmt aber!)

- Frau Harms, es ist eine kleine Hilfe für Herrn Jüttner, in diesem Zusammenhang die Eisheiligen oder die Kalte Sophie anzuführen.

Aber nun zur Frage von Herrn Schwarz. Es ist richtig - Sie kennen das aus jahrelanger Praxis Ihrer eigenen Regierung -, dass mit Beschlüssen generelle Kürzungen verbunden sind und es dann der Intelligenz der Ressorts überlassen bleibt,

(Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das kann doch nicht wahr sein!)

an einigen Stellen schärfer zu kürzen - Herr Jüttner, das haben auch Sie so gemacht! - und dafür an anderer Stelle - dort, wo Schwerpunkte sind - Kürzungen zu vermeiden. Das heißt, wir werden im konkreten Vollzug Sorge dafür tragen müssen - so, wie ich das gesagt habe -, dass in diesen Schwerpunktbereichen der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit eben keine Einschnitte erfolgen. Wir haben dazu bestimmte Möglichkeiten. Ich denke in meinem Ressortbereich z. B. an bestimmte Kapitel, wo wir angesichts geringerer Landesmittel dafür Sorge tragen werden, dass Mittel aus europäischen Förderprogrammen stärker in diesen Bereich als in andere Bereiche gelenkt werden.

(Beifall bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Groskurt.

Herr Minister, was bedeutet die Zusammenlegung zu Pro-Aktiv-Zentren für die flächendeckende Existenz der Jugendbüros und für den Bestand der laufenden Jugendarbeitsmarktprogramme? Heißt zusammenlegen auch reduzieren?

Frau Ministerin Dr. von der Leyen für die Landesregierung!

Zusammenlegen heißt keineswegs reduzieren. Im Gegenteil, es heißt: Effektivität erhöhen. Wir haben einige Programme, die gut laufen. Ich habe mich vor Ort informiert. Aber die Klage allgemein vor Ort ist: verschiedene Förderanträge, verschiedene Nachweise, wie die Mittel verwendet worden sind, eine unendliche Bürokratie. Das Ziel muss sein: Oben drauf ein Dach, damit gebündelt vor Ort die Hilfe gezielt ankommt, nicht verschachtelt jeder für sich sein Feld betreibt; also das Geld konsequent zielgerichtet einsetzen. Deshalb die ProAktiv-Zentren, damit wir aus einer Hand, aus einem Topf, einem Guss die Hilfe anbringen. Das ist ja auch das Zeichen der Zeit, das wir im Augenblick erkennen müssen. Bei den knappen Mitteln, die Sie uns, wie bereits erwähnt, hinterlassen haben, müssen wir dafür sorgen, dass jeder Euro so effizient wie irgend möglich eingesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Kollegin Krämer.

Herr Minister, in welcher Weise wird sich die Landesregierung an der von der Bundesregierung initiierten Ausbildungsplatzoffensive beteiligen? Das hätte ich gern gewusst.

Für die Landesregierung antwortet Minister Hirche.

(Zuruf von der SPD: Ja, wer ist denn nun zuständig?)

Wie das so ist: Die Landesregierung ist insgesamt zuständig. Das wird ja auch die Opposition immer so sehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Minister, der hier spricht, spricht für die Landesregierung und nicht nur für sein Ressort. Das ist vielleicht im Fachausschuss etwas anders. Aber Sie kennen das ja alles.

(Zuruf von der SPD: Jetzt zum The- ma!)

Zu der Frage. Selbstverständlich beteiligt sich die Landesregierung an den Kampagnen oder Aktionen zur Behebung des Ausbildungsplatzmangels. Sie wissen das aber auch. Ich will das insofern gerne noch einmal bestätigen. Eine Hotline ist eingerichtet worden. Bei den Kammern sind Ansprechpartner vorhanden. Eine solche Hotline ist auch innerhalb der Landesregierung eingerichtet worden. Das heißt, hier sind genügend Ansprechpartner vorhanden. In Interviews ist auch immer wieder deutlich gemacht worden, welche Telefonnummern zur Verfügung stehen, wie man weiterkommt.

Ich sage noch einmal, meine Damen und Herren - insofern ist mir das sehr ernst; ich glaube, Sie alle im Hause können das nachvollziehen -, sehr neutral formuliert: Wenn wir die Konjunkturschwäche nicht überwinden, wird es äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein, neue Einstellungskorridore in der betrieblichen Ausbildung oder auch für neue Mitarbeiter zu schaffen.

Deswegen ist das Kernproblem in diesem Bereich, dass uns bei allen Maßnahmen, die wir ergreifen müssen - auch die bisherige Landesregierung hat das wohl ähnlich gesehen, dass man mal Angebote machen kann, um Jugendliche für ein Jahr in einer verlängerten Ausbildung zu haben –, dies natürlich im Jahr darauf wieder ereilt. Wir erkennen jetzt z. B., wenn Sie die Daten vom März 2003 mit den - hässlich so genannten - Altfällen aus dem Vorjahr vergleichen, dass diese Zahl ansteigt. Dort haben wir etwas, was wir im Bereich der Arbeitslosigkeit unter dem Stichwort „Langzeitarbeitslose“ und im

Anstieg auch in der Vergangenheit beobachten konnten, und zwar unabhängig von der Couleur der jeweiligen Regierung.

Wenn es uns nicht gelingt, die zentrale Schwäche der Wirtschaft durch neue und richtige Setzung von Rahmendaten zu überwinden, dann wird jede Landesregierung diesem Problem hinterher hecheln. Dieses Hecheln mag ja die jeweilige Opposition erfreuen, aber es geschieht immer zulasten der Jugendlichen und der jungen Jahrgänge. Das möchten wir aufbrechen, das möchten wir verhindern. Wir möchten Angebote machen. Dazu bedarf es entscheidender Korrekturen im wirtschaftspolitischen Bereich und bei den Reformen, über die in Berlin bis jetzt noch immer nur sehr zaghaft diskutiert wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Lenz.

Heute Morgen war zu lesen, dass der Herr Ministerpräsident gestern die Handwerkskammer in Hannover besucht hat. Ich habe eine Menge darüber lesen können, was beispielsweise an Erleichterungen für Handwerksbetriebe eingeführt werden könnte, was gemacht werden müsste. Mir hat aber etwas gefehlt, nämlich gerade einen solchen Besuch zu nutzen,

(Zurufe von der CDU: Frage!)

um auch an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Betriebe zu erinnern, nämlich ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Deswegen meine Frage: Warum nutzen der Herr Ministerpräsident und auch die anderen Vertreter der Landesregierung nicht diese Gelegenheit, entsprechende Appelle in der Öffentlichkeit noch einmal zu formulieren?

(Zuruf von der CDU: Bringt doch nichts!)

Zusatzfrage dazu: In der gleichen Veranstaltung ist ja auch das Bekenntnis zum Erhalt des Meisterbriefes abgelegt worden. Wie bewertet die Landesregierung die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich der Aussetzung der Ausbil

dereignungsverordnung, um es in diesem Zusammenhang Betrieben zu erleichtern, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen?

Danke, Herr Kollege Lenz. Das waren Ihre zwei Zusatzfragen. - Für die Landesregierung antwortet der Ministerpräsident Christian Wulff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern Mittag nur eines vermisst, nämlich Sie, Herr Lenz. Die Kollegen der CDU-Fraktion waren dabei, als wir in der Mittagspause des Landtages mit der Handwerkskammer diskutiert haben. Das war auch gut so; denn wir müssen uns vor Augen führen, dass beim Handwerk allein im Kammerbezirk Hannover mehr Menschen beschäftigt sind als insgesamt beim großen Unternehmen VW in ganz Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen muss erkannt werden, dass das Handwerk in glänzender Weise in Deutschland die Ausbildungsqualität sichert, die unseren Standort gestärkt hat. Das heißt, wenn irgendein Bereich Dank und Anerkennung verdient hat, dann ist es das Handwerk.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Handwerk leidet unter ganz verschiedenen Dingen, über die wir gestern gesprochen haben. Es leidet erst einmal unter der sehr unterschiedlichen Qualität der Schulabgänger, was die Voraussetzungen für die Ausbildung anbelangt. Es gibt im Moment im Kammerbezirk Hannover 820 unbesetzte Ausbildungsplätze allein in 60 Branchen. Wir haben zu konstatieren, dass eines der Ergebnisse, die uns Ihre Regierung überlassen hat - wir sind nicht einmal 100 Tage im Amt -, ist, dass 10 % aller Absolventen eines Schuljahrgangs in Niedersachsen bisher ohne Abschluss ins Leben entlassen werden. Da, finde ich, hat der Staat, hat die Politik vollends versagt. Deswegen gilt mein Dank dem Kultusminister, dass er jetzt durch Unterrichtsversorgung dafür sorgen wird, dass die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss nachhaltig reduziert wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Selbstverständlich habe ich dazu aufgefordert, auszubilden, mehr auszubilden, mehr zu tun, noch mehr zu tun. Aber natürlich haben die uns vorgetragen, wie die Zahl der Auftragseingänge zurückgeht, wie sie der allgemeinen Wirtschaftskrise unterliegen, dass wir das neunte Quartal in Deutschland ohne Wachstum haben, d. h. die längste Phase der Stagnation, die unser Land seit dem zweiten Weltkrieg je erlebt hat.

Dass wir eine Finanzkrise haben, zeigt die Steuerschätzung dieser Stunden, wo alle öffentlichen Einnahmen zusammenbrechen und wo sich Körperschaften an der Steuerlast des Staates nicht mehr beteiligen, sondern die Steuerlast in Deutschland ausschließlich auf den Rücken von Arbeitnehmern, Handwerksbetrieben und Personengesellschaften liegt, weil sich andere der Verantwortung entziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)