Protocol of the Session on June 26, 2003

Ich bin Ihnen für den Vorspann dankbar, weil mir das noch einmal Gelegenheit gibt, zu erklären, warum ich diese Pressekonferenz gehalten habe. Im Vorfeld sind astronomische Zahlen dazu durch die Presse gegeistert,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: 156 Millio- nen!)

- nein, nein -, wo wir streichen könnten, sollten, würden – wie auch immer. Zum Teil sind einfach Zahlen aus der mittelfristigen Finanzplanung in Klammern nach den Bemerkungen gesetzt worden. Es sind ganz falsche Angaben gemacht worden: Streichung von 100 Millionen im Bereich Pflegewohngeld. Diesen Gerüchten, die durch das Land geisterten und die wirklich verunsichert haben, mussten wir entgegentreten. Wir haben gesagt, wie sich unser Sozialhaushalt zusammensetzt, was überhaupt wo möglich ist und wie wir darüber grundsätzlich denken. Das habe ich Ihnen bereits ausführlich dargelegt. Bei der Eingliederungshilfe geht es in der Tat nicht darum zu streichen. Vielmehr geht es hier wie auch bei allen anderen Posten darum, zu sehen, wie die Hilfen angewandt werden und ob sie effizient sind. Das Stichwort „persönliches Budget“ ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Prävention und Eigenverantwortung richtig eingesetzt sind. Bei der Forderung „ambulant vor stationär“ sind wir beide wohl auf der gleichen Linie, wenn wir sagen: Das ist grundsätzlich richtig. – Das verfolgen wir auch.

(Zuruf von der SPD: Das war wieder keine Antwort!)

Herr Bartling!

Frau Ministerin, Sie haben auf die erste Frage des Kollegen Harden zum Jugendhilferecht sinngemäß geantwortet, dass Sie auch gemeinsam mit den anderen Bundesländern Überlegungen zu einer völligen Neuordnung anstellen, um auch zu einer Entlastung von Haushalten der Gemeinden und Länder zu kommen. Mit welcher zeitlichen Perspektive rechnen Sie, um auch tatsächlich solche Einsparungen realisieren zu können?

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das weiß sie aber doch auch noch nicht!)

Ich könnte antworten: Qualität geht vor Schnelligkeit. Es gibt bereits eine Bundesratsinitiative des Landes Bayern, die wir unterstützen. Sie selbst kennen den Gang der Dinge.

(Lachen bei der SPD)

Frau Heiligenstadt zu Ihrer zweiten Frage.

Frau Ministerin, als neue Abgeordnete kennt man noch nicht so den Gang der Dinge. Deswegen frage ich noch einmal ganz konkret nach: Sie haben vorhin eine Bundesratsinitiative angesprochen. Sie sagten, es sei richtig, dass die Landesregierung Bundesratsinitiativen plant. Wie viele Milliarden werden durch diese Initiativen, die Sie anstreben, für das Land konkret eingespart?

Es wäre nun wirklich vermessen, bei Bundesratsinitiativen von konkreten Milliardenbeträgen zu sprechen. Aber um das noch einmal klarzustellen: Ich habe gesagt,

(Heinrich Aller [SPD]: Nicht so laut!)

- ja, Sie haben Recht, nicht so laut – dass wir 2004 aus Bundesratsinitiativen keine konkreten Milliardenbeträge an Einsparungen erzielen können. Aber glauben Sie nicht, dass wir nach dem, was Sie uns an desaströsen Zuständen im Finanzhaushalt des Landes hinterlassen haben, mit den Problemen des

Haushaltes 2004 des Landes Niedersachsen durch wären.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Es ist meine Verantwortung, hier und heute anzufangen, darüber nachzudenken, wie wir auch im Jahr 2005, wie wir auch im Jahr 2006, wie wir auch im Jahr 2007 an die Dinge herangehen werden. Wenn ich Ihnen vorhin gesagt habe, dass ein Großteil meines Haushaltes durch Bundesleistungsgesetze bestimmt wird, dann ist es nicht nur legitim, sondern auch zwingend notwendig, sich die Effektivität dieser Bundesleistungsgesetze anzuschauen, wenn man für das Land verantwortlich handelt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Althusmann!

Sehr geehrte Frau Ministerin, halten Sie es wirklich für glaubwürdig und vor allem für ein glaubwürdiges sozialpolitisches Konzept der Sozialdemokratie in diesem Hause, jetzt zum Nachtragshaushalt etwa 2 Millionen Euro mehr an Ausgaben angesichts der desaströsen finanziellen Haushaltslage zu beantragen? Gleichzeitig sollten aber - Herr Gabriel verkündete es bei einer Pressekonferenz am 14. November 2002 – bei Kleinstprogrammen, wie Sie es gestern bereits darstellten, 13 Millionen Euro für soziale Leistungen im Bereich der Arbeitsbeschaffung, der Nichtsesshaftenhilfe oder aber im Bereich der Wohlfahrtspflege für das Haushaltsjahr 2003 in einer Größenordnung von 1,8 Millionen, für das Haushaltsjahr 2004 von 2,8 Millionen und für 2005 von 4,2 Millionen eingespart werden. Genauso verhält es sich im Bereich der Erwachsenenbildung für diese Jahre mit 2,6 Millionen, 5,2 Millionen und 8 Millionen. – Herzlichen Dank.

Herr Althusmann, Sie haben eben sehr plastisch die Probleme der ehemaligen SPD-Landesregierung dargestellt. Ich werde diese nicht weiter kommentieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Voigtländer zu seiner zweiten Frage!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage die Landesregierung:

(Zuruf von Bernd Althusmann [CDU])

Herr Althusmann, das Wort hat jetzt Herr Voigtländer!

Wie beurteilt die Landesregierung die Rückfallquote angesichts des Großvaterprojektes, von dem wir eben gehört haben - gemeint war das Uelzener Projekt -, innerhalb dieses Projekts von etwa 25 % im Vergleich zur Rückfallquote zwischen 60 und 95 % bei Straftätern, die sonst in einer JVA gewesen sind?

Herr Voigtländer, bei aller gemeinsamen Wertschätzung für die Großväter dieser Zeit – bei mir ist die Wertschätzung besonders hoch -, ist das keine Frage, die sich auf den Themenkreis, den wir heute diskutieren, bezieht.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Jüttner, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass wir eben zur Kenntnis genommen haben, dass es heute einer neuen Sozialpolitik bedarf und viele Antworten von früher nicht mehr richtig sind, und vor dem Hintergrund der Aussage von Frau von der Leyen, dass sich Sozialpolitik nicht nur im Haushalt für Soziales niederschlägt, sondern auch in anderen Bereichen, habe ich die Frage an die Landesregierung, wie sie ihr

neues sozialpolitisches Konzept umsetzt. Insbesondere interessiert mich die Zukunft der Vermögensteuer und die soziale Ausgestaltung der Lernmittelfreiheit.

Beim Thema Vermögensteuer nehme ich gerne Ihren Kanzler als Verbündeten, der ja eindeutig dagegen ist und sehr wohl weiß, dass durch die Vermögensteuer die Effekte, die man sich vielleicht in einer blumigen Sprache erhoffen würde, unter dem Strich nicht herauskommen würden. Zum Thema Lernmittelfreiheit sage ich Ihnen Folgendes: Wir müssen aufrichtig mit dem Gedanken umgehen, dass derjenige, der fähig ist, aus eigener Kraft für sich zu sorgen, nicht Gelder bekommen kann, die er aus eigener Kraft auch einsetzen könnte.

Das ist abaer ein wichtiges Thema. Weil Sie es angesprochen haben, möchte ich da auch ein bisschen weiter gehen. Eine ganz entscheidende Linie, die wir da fahren, ist, den Familien die Möglichkeit zurückzugeben, aus ihrer eigenen Kraft der Erziehung von Kindern nachzukommen.

(Lachen bei der SPD)

- Hören Sie mir zu Ende zu. Fangen Sie nicht gleich wieder das übliche Spiel an, dazwischen zu lachen. - Richtig und aufrichtiger wäre es, das Thema der steuerlichen Gerechtigkeit für Familien anzugehen, sie also nicht überproportional zu besteuern gegenüber den Aufwendungen, die sie für Kinder und Erziehung haben, d. h. die strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien zu beenden. Wir gehen dieses Thema an.

Der zweite wichtige Aspekt ist, z. B. den Steuerfreibetrag für die allein Erziehenden nicht abzusenken, sondern man hätte umgekehrt den Weg beschreiten müssen, ihn für die Familien, die nicht allein erziehend sind, heraufzusetzen, wie es das Bundesverfassungsgericht zu Recht angemahnt hat.

Der dritte Punkt ist, den Beitrag der Erziehungsleistungen von Familien auch tatsächlich als Sozialbeitrag in den Sozialversicherungssystemen zu werten, d. h. ihn z. B. in der Rente aufrichtig zu werten. Eine Frau muss heute acht Kinder erziehen, um überhaupt die Grundsicherung zu erreichen. Diese acht Kinder werden abertausende in die Sozialversicherungssysteme einzahlen.

Was ich damit sagen will, ist: Wir müssen davon wegkommen, zu glauben, dass es richtig ist, dass der Staat Almosen an die Familien verteilt. Nein, den Familien muss wieder Gerechtigkeit zuteil werden!

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Und was ist mit dem Ehegattensplitting?)

Geben Sie den Familien die Freiheit, auch finanziell damit umzugehen und aus der Haltung „Der Staat gewährt großzügig Almosen an die Familien“ herauszukommen. Die Familien haben ein Recht, wieder Gerechtigkeit in der finanziellen Behandlung zu erfahren.

Die Lernmittelfreiheit ist einer der Punkte, bei denen man sich tatsächlich fragen muss, ob das System mit seinen Anreizen richtig ist. Den Familien wird auf der einen Seite etwas weggenommen - z. B. über die Ökosteuer; Familien sind energieintensive Betriebe -,

(Lachen bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

und dann kommt der Staat mit den Almosen von der anderen Seite und sagt „Ich gebe zurück“.

Wir haben mal spitz gerechnet, was zwischen 1998 und 2002 - einer Zeit, in der die Transferleistungen an die Familien mit großem öffentlichen Aufsehen gestiegen sind, z. B. Kindergeldzahlungen - für eine durchschnittlich verdienende Familie mit zwei Kindern dazugekommen ist

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war ei- ne gute Politik in Berlin!)

- Sie sprechen Themen an, die im Gesamtzusammenhang stehen; wir können das hier ja nicht isoliert betrachten

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich freue mich, dass Sie die Bundesregierung loben!)

und was in der gleichen Zeit den Familien über die Steigerung von Sozialabgaben und über indirekte Steuern, die sie immer stärker belasten, weggenommen worden ist. Danach hatte im Jahr 2002 eine durchschnittlich verdienende Familie mit zwei Kindern 1 000 Euro weniger als 1998. Das heißt, das, was Sie ihnen auf der einen Seite gegeben haben, haben Sie auf der anderen Seite überproportional herausgezogen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Albers!