Protocol of the Session on April 13, 2000

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte jetzt hier um Sachlichkeit. Herr Monty Schädel hat das Wort.

(Rainer Prachtl, CDU: Wenn Scharping Kriegsminister genannt wird, muss der Mann einen Ordnungsruf bekommen!)

Ich denke, dass es in unserem Land sowohl in der Bundeswehr als auch in den rüstungsproduzierenden Bereichen und auch in den Regionen der Bundeswehrstandorte Ressourcen gibt. Es gibt eine Vielzahl an Spezialisten, die sicher ganz genauso für zivile Arbeiten zur Verfügung stehen würden, wenn man sie dann wirklich dazu mit anhalten würde und sie in dieser Richtung fördert.

Menschen gehen in der Region der Kreise Ostvorpommern und Uecker-Randow doch nicht nur deshalb zur Bundeswehr – solche soll es sicherlich auch geben –, weil sie gerne Befehle empfangen oder nach Befehlen laufen, sondern weil es wirklich keine anderen Alternativen in dieser Region gibt. Für diese Menschen müssen Beschäftigungsalternativen entwickelt werden, möglichst gemeinsam mit denen, die dort leben und die heute dort beschäftigt sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und das hätte schon lange passieren müssen. Was ich damit sagen will, ist: Stehen wir doch nicht wie der Elefant vor der Schlange, der sich überlegt, wie er mit dem Reptil umgeht, drumrum laufen oder rauftreten, um dann letztlich doch umzudrehen und wieder zurückzugehen, weil es ein bequemer ausgetretener Weg ist. Folgen wir den Beispielen in Brandenburg und Schleswig-Holstein, die offensiv mit dem Abzug der Truppen dort umgegangen sind! Folgen wir diesen Beispielen und entwickeln wir gemeinsam mit den Menschen vor Ort und in den heute noch militärisch dominierten Strukturen an den Bundeswehr- und Rüstungsproduktionsstandorten Konversionsprogramme, Programme, die darüber hinausgehen – ohne gering zu schätzen, was hier in den letzten Jahren passiert ist in unserem Land –, dass aus Übungsgeländen wieder Wälder und Wiesen werden, auch wenn dieses sicherlich sehr schön sein kann, und dass aus Stahlhelmen Kochtöpfe werden. Darüber hinausgehend brauchen wir Konversionsprogramme in unserem Land, damit die Menschen hier eine Zukunft sehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Unterstützen wir mit einem Landesprogramm die Umwandlung von Rüstungs- zu ziviler Produktion! Beispiele für innovative Möglichkeiten gibt es viele und auch in unserem Land gibt es bei der richtigen Förderung und Unterstützung sicher weitere innovative Vorstellungen, die auf eine Verwirklichung nur noch warten. Darin einbezogen können und müssen natürlich auch die für unser Land typischen kleinen und mittelständischen Unternehmen und jetzigen Zulieferbetriebe sein. Die Entwicklung und Förderung ziviler Alternativen zu heutiger Beschäftigung in den gesamten Bereichen können für Mecklenburg-Vorpommern Fortschritt und Lebensqualität bedeuten,

(Sylvia Bretschneider, SPD: In der Theorie sind Sie immer gut, Herr Schädel, aber auch nur da.)

wenn wir nicht noch einige Jahre verschlafen und endlich anfangen zu arbeiten.

Vor diesem Hintergrund behindert der Einsatz für die heutige Struktur die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes erheblich, denn es bindet Kraft, Zeit und Potentiale für überholte Strukturen. Mit einer breit angelegten Informations- und Bildungsarbeit sollte zunächst für die Umstellung der Produktion geworben werden, anstatt an den alten Strukturen festzuhalten. Ein landesweites Konversionsprogramm muss her, damit die Arbeitsplätze wirklich und effektiv wirtschaftlich erhalten bleiben beziehungsweise neu entstehen. Die Umsetzung wird noch lange Zeit genug in Anspruch nehmen. Wir sollten endlich damit anfangen. Wir lehnen den Antrag der CDU natürlich ab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Gestatten Sie jetzt die Anfrage von dem Abgeordneten Dr. Born? interjection: (Zustimmung)

Bitte, Herr Dr. Born.

Herr Kollege Schädel, nachdem Sie dargestellt haben, dass Sie hier für die PDS-Fraktion sprechen, frage ich Sie, ob Sie mit dem Ausdruck „Kriegsministerium“ das Bundesministerium der Verteidigung gemeint haben und ob Sie demzufolge den Bundesminister der Verteidigung Herrn Scharping als Kriegsminister bezeichnen.

Ich habe das Ministerium als Kriegsministerium bezeichnet.

Das Bundesministerium der Verteidigung?

(Wolfgang Riemann, CDU: Pfui!)

Gestatten Sie jetzt die Anfrage des Abgeordneten Nolte? (Zustimmung)

Ich wollte noch mal nachfragen, Herr Schädel, ist denn der Bundesverteidigungsminister nach Ihrer Auffassung ein Kriegsminister?

Der sich Bundesverteidigungsminister nennende Rudolf Scharping hat einen Krieg geführt in Jugoslawien, hat dort …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Erhard Bräunig, SPD: Wo hat der denn Krieg geführt? Das geht ja wohl zu weit hier! – Rainer Prachtl, CDU: Das ist ja wohl Unsinn, was Sie erzählen.)

Er hat ihn befehligt.

(Erhard Bräunig, SPD: Das ist doch wohl nicht zu fassen! – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?

Noch eine, ja.

(Unruhe bei den Abgeordneten)

Ich darf noch mal nachfragen: Herr Schädel, ist Herr Scharping ein Kriegsminister, ja oder nein?

(Unruhe bei den Abgeordneten – Zurufe von der CDU: Pfui, pfui!)

Herr Abgeordneter Schädel, für die Ausdrücke „Kriegsministerium“ und „Kriegsminister“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Um das Wort hat der Wirtschaftsminister Herr Professor Eggert noch mal gebeten. Bitte, Herr Professor Eggert.

Wenn diese Anfragen eben nicht beantwortet worden wären, wäre ich davon ausgegangen, dass der Abgeordnete Schädel nicht von einer Institution der deutschen Bundesregierung gesprochen hat. Im Namen der Landesregierung und auch als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundesrates weise ich die Bezeichnungen „Kriegsministerium“ und „Kriegsminister“ entschieden und entschlossen zurück.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der SPD und Gerd Böttger, PDS)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Thomas von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Wirtschaftsminister, das ist Ihr Koalitionspartner und Sie müssten vor Scham im Boden versinken, wenn Sie so etwas hören hier in diesem Parlament!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Oh, oh, oh!)

Und wir werden nicht einen einzigen Arbeitsplatz retten, wenn diese Debatte im Bundestag hier öffentlich und bekannt wird. So etwas habe ich noch nicht gehört! Das ist ja wohl wirklich das Allerletzte, was wir in diesem Parlament hier und heute gehört haben!

(Siegfried Friese, SPD: Nun halten Sie mal Ihre Rede!)

Und es ist wirklich Ihr Koalitionspartner!

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Und, Herr Friese, Ihnen ist doch gar nichts mehr peinlich mit diesem Koalitionspartner.

(Glocke der Vizepräsidentin – Eckhardt Rehberg, CDU: … Da muss man sich wundern. – Siegfried Friese, SPD: Der Minister hat dazu Stellung genommen. – Eckhardt Rehberg, CDU: Nein!)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Friese,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

setzen Sie sich doch mal mit Ihrem Kollegen Monty Schädel hin!