Monty Schädel

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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der 3. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung liegt vor und wir diskutieren ihn am Ende der Legislatur. Die Vorredner sind bereits darauf eingegangen. Damit haben wir eine vergleichbare Situation zur zweiten Wahlperiode, außer dass – und das betonte ja die Frau Ministerin – wir hier im Plenum diesmal darüber auch debattieren können. Der Zeitpunkt hängt zweifelsohne mit dem Auftrag an das zuständige Ministerium zusammen, in jeder Legislaturperiode einen solchen Bericht dem Landtag zuzuleiten. Ich denke jedoch, dass es gut wäre, wenn der 4. Kinder- und Jugendbericht bereits zur Mitte der nächsten Wahlperiode des Landtages vorgelegt wird und dann auch zum Beispiel der Landesjugendring und der Landesjugendhilfeausschuss mit in die Erarbeitung einbezogen werden. Dann bestünden die realen Chancen, den Bericht nicht nur hier zur Kenntnis zu nehmen, bevor er nur noch Papier ist, welches der Diskontinuität zum Opfer fiele, dann könnte er mit seinen Informationen und Schlussfolgerungen noch in der laufenden Legislaturperiode zur Arbeitsgrundlage gemacht werden, um auf Änderungen in der Praxis hinzuwirken. So bleibt heute hier nur die Kenntnisnahme und der neue Landtag mit den neuen Abgeordneten muss dann darauf reagieren oder eben auch nicht.
Trotz einiger Kritikpunkte ist der vorliegende Bericht es eigentlich wert, nicht lediglich zur Kenntnis genommen zu werden, sondern er sollte in die Arbeit einfließen. Über viele interessante und wichtige analytische Angaben zu den Lebenslagen der 10- bis 14-Jährigen hinaus verweist er sowohl auf Fortschritte als auch auf abzubauende Defizite, die die Kinder und Jugendlichen direkt und mittelbar betreffen, wie auch Kollege Albrecht, Kollegin Bretschneider und auch die Ministerin schon darauf eingingen.
Sie werden entschuldigen, wenn ich vielleicht ein wenig weiter aushole, um nicht die ganzen Statistiken noch einmal neu oder erneut hier vorzulegen. Ich versuche bei dem Thema Jugend und Zukunft zu bleiben und nicht zu weit abzuschweifen. Unsere heutige Aussprache erfolgt circa vier Wochen nach dem UN-Kindergipfel in New York und etwa sechs Wochen nach dem entsetzlichen Geschehen an einem Erfurter Gymnasium. Es sind also einige Sachen geschehen, die mich veranlassen – zumal Meck
lenburg-Vorpommern ja trotz reichlicher Küsten und Uferbereiche keine Insel ist, sondern in Beziehung zu diesen und anderen Entwicklungen und Ereignissen steht –, auch über die direkte Aussage des 3. Kinder- und Jugendberichtes hinauszublicken.
Der erste Weltkindergipfel fand bekanntlich 1990 statt. Vertreterinnen und Vertreter aus 150 Staaten hatten sich auf 27 Entwicklungsziele für das Jahr 2000 geeinigt. Davon wurden bisher nur 6 erreicht, wie zum Beispiel die Ausrottung von Polio. Alle anderen sind nur teilweise oder gar nicht umgesetzt. Es gibt sogar weitere Rückschritte. So leben heute auf der Erde mehr Kinder in Armut als noch vor zehn Jahren, mehr Kinder kämpfen mit den Folgen von Aids. In vielen Staaten sind die Rüstungsausgaben wesentlich höher als die für Bildung und Gesundheit. Gleichzeitig ist die Entwicklungshilfe der wohlhabenden Länder teilweise erheblich zurückgefahren worden.
Und Deutschland als eines der wohlhabendsten Länder? Auch hier sind die Kinderrechte noch immer nicht vollständig verwirklicht, und das ganz besonders mit dem Blick auf die Rechte von ausländischen Kindern und Flüchtlingen, denn es gibt leider auch in der zivilisierten Bundesrepublik Deutschland Menschen, die Kindern, weil sie nicht Deutsche sind, ihre Rechte vorenthalten.
Unsere Landesregierung – und das ist ein besonderer Verdienst der PDS-Fraktion – wird gegenwärtig im Bundesrat initiativ, um die deutschen Vorbehalte gegen die UN-Kinderrechtskonvention abzuschaffen.
Das wäre ein tatsächlicher Fortschritt, wenn er denn endlich kommen würde, denn angesichts der neuen Mehrheiten im Bundesrat und angesichts der Tatsache, dass die amtierende Bundesregierung mehrfach Aufforderungen selbst des Bundestages bisher negiert hat, stimmen mich nicht sonderlich optimistisch. Es spricht nicht für kinderfreundliche Rahmenbedingungen in Deutschland, wenn nur noch ein Sechstel – also circa 1 2 , 3 Millionen – der Gesamtbevölkerung unter 14 Jahre alt ist. Statistisch gesehen stehen in Essen jedem Kind drei Autos gegenüber, in Hamburg vier, in München fast fünf. Doch was sollen Kinder mit so vielen Autos?
In den Familien von rund 4 Millionen Arbeitslosen befinden sich mehr als 1,7 Millionen Kinder und ich könnte hier noch weitere Zahlen auflisten, die die Kinderunfreundlichkeit der Bundesrepublik verdeutlichen – Stichpunkte: Kinder in Sozialhilfefamilien, fehlender Platz zum Spielen, schlechte Wohnverhältnisse und Obdachlosigkeit, sexueller Missbrauch von Kindern, Scheidungskinder und vieles mehr.
Im vorliegenden Kinder- und Jugendbericht ist in seinem Teil II, also zur „Sozialberichterstattung für Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren“ zu lesen: „Während im Jahre 1999 mehr als 40 % der Ehepaare mit Kindern über ein monatliches Familiennettoeinkommen von 4.500 DM und mehr verfügten, konnten mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden nur ein monatliches Familiennettoeinkommen bis zu 2.500 DM realisieren …“
Wer in der Fülle von Daten und Aussagen des Berichtes die Lebenslagen der 10- bis 14-Jährigen speziell unter dem Aspekt Arbeitslosigkeit der Eltern und Leben unter den Bedingungen Alleinerziehender nicht aus den Augen verliert, muss alarmiert sein, denn neben den materiellen Einschränkungen werden zahlreiche für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen nachteilige Auswirkungen festgestellt. Um auch die Quantität deutlich zu machen: Unter den 1999 in Mecklenburg-Vorpommern lebenden 308.000 Familien mit Kindern befinden sich 100.000 Alleinerziehende, überwiegend Frauen. Nach Angaben der befragten Kinder sind von den allein erziehenden Müttern 22 Prozent arbeitslos. Für den Aspekt des politischen Handelns verweise ich auf weitere Aussagen im Bericht Teil I.
Von den befragten Kindern, die zwei Geschwister haben, erlebt mindestens jedes dritte Kind die Arbeitslosigkeit zumindest eines Elternteils und die damit bestehenden Alltagssorgen und -ängste sowie die damit zusammenhängenden sozialpsychologischen Belastungen des innerfamiliären Klimas. Kinder von Arbeitslosen erleben häufig, dass ihnen die Eltern bei Fragen und Problemen nicht helfen können, insbesondere dann, wenn es notwendig ist, Kontakte und Vermittlungen herzustellen. Auch die Nutzung von Heimtechnik wie PC und Internet ist kaum möglich sowie zum Beispiel die Bereitstellung des – Zitat – „liebsten Freizeitgerät(es) für ,draußen‘, (des) Fahrrad(es)“ oder auch öfters der Kauf von „coolen Klamotten“. Benachteiligt fühlen sie sich natürlich in puncto Taschengeld, das aus ihrer Sicht nicht unwesentlich ist, um richtige Freunde zu haben oder der richtigen Clique angehören zu können. Sie verbringen weniger Zeit auf der Straße oder im Wald, in Freizeiteinrichtungen, Sport- und anderen Vereinen sowie Diskotheken. Kinder mit arbeitslosen Eltern nehmen weniger an gesundheitlichen Vorsorgeuntersuchungen teil und gehen weniger zur Behandlung.
Weitere Punkte sind aufgezählt, die ich hier aber nicht wiederholen will, die aber deshalb nicht weniger von Bedeutung für die zukünftige Politik in diesem Land sein sollten, damit Kinder und Jugendliche keine Angst vor der Zukunft haben. Und Ängste haben die Kinder. Ängste haben die 10- bis 14-Jährigen nach der Studie insbesondere mit 57 Prozent vor Krieg, mit 56 Prozent vor unheilbaren Krankheiten, mit 49 Prozent vor Schlägern und mit 47 Prozent davor, arbeitslos zu werden – alles Punkte, denen durch ein ordentliches Betreuungs- und Sozialsystem wie auch eine hochwertige qualifizierte Jugendhilfe begegnet werden könnte. Was übrigens die Angst vor Ausländern betrifft, so liegt sie mit 9 Prozent am Ende der Rangfolge.
Um die von mir genannten und nicht genannten sozialen Defizite zu beseitigen oder zumindest zurückzudrängen, reichen Kraft und Möglichkeit eines Bundeslandes, zumal des ärmsten, natürlich nicht sehr weit, wenn es sich zudem in Krisenzeiten auch noch den Zwängen eines Sparhaushaltes unterwirft. Und der Bund ist dann in der Lage, haste nicht gesehen, flugs Milliarden für Kriegsbeteiligung und Aufrüstung bereitzustellen, aber eben nicht für Investitionen in lebendige Zukunft,
in Kinder und Jugendliche und Familien. In der Stellungnahme der Landesregierung zum 3. Kinder- und Jugendbericht hätte ich mir zum Beispiel schon zum Punkt „Kindergeld“ differenziertere und kritischere Aussagen gewünscht, denn dass das vom Bund bereitgestellte Kindergeld das Existenzminimum sichere, hält der Prüfung durch Wissenschaft und vor allem der Praxis wohl nicht stand.
Eine monatliche Grundsicherung in Höhe des Existenzminimums erfordert mindestens 750 Euro. Ähnliche unverständliche Verschiebungen gibt es in anderen Bereichen.
Ich möchte noch kurz an den 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung erinnern. In ihm fordert die unabhängige Sachverständigenkommission ausdrücklich eine Verbesserung der sozialen Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und ihre Familien. Im Lande sind wir mit dem Programm „Jugend- und Schulsozialarbeit“ einen Anfang gegangen und werden ihn auch weiter gehen.
Begrüßenswert aus meiner Sicht ist, dass der Bericht der Landesregierung im Punkt 2 des Teils I auf die grundlegende Umwälzung verweist, die Kinder, Jugendliche und Eltern seit der Wende zu bewältigen hatten und die sie künftig zu meistern haben werden – Stichworte: Globalisierung, weltweite Kommunikation, Migration und Mobilität. Das alles verändert das Aufwachsen der jungen Menschen. Und darauf muss auch von der Politik reagiert werden. Die Art und Weise, wie Globalisierung betrieben wird, nämlich unter neoliberaler Dominanz, zerstört Möglichkeiten zum Abbau von Armut und Massenarbeitslosigkeit, schürt Konflikte dieser Welt, die die reichsten Industriestaaten wie Deutschland zu Maßnahmen militärischer Absicherung ihres Reichtums und ihrer Macht greifen lassen, mit dem Ziel der Unterordnung der übrigen Welt.
Kinder und Jugendliche, Frau Bretschneider sagte es bereits, werden mit vielfältigster Gewalt groß. Umweltzerstörung ist Gewalt, schlechte Ernährung ist Gewalt, gefährliche Technologien sind Gewalt, ganz klar auch Kriege. Die Industrie entscheidet über die Zukunft der Völker und jedes einzelnen Menschen. Nicht nur körperliche Gewalt ist Gewalt. Die Welt hat sich auch nach Erfurt nicht geändert, erst recht nicht durch novellierte Waffengesetze und verbotene Gewalt auf Videos und im Internet. Die betroffenen Familien werden nicht zur Tagesordnung übergehen können. Die anderen harren der nächsten Katastrophe, der nächsten Kriegsberichterstattung, die den modernen Medien Einschaltrekorde bescheren. Nach Djerba Erfurt, nach Erfurt Ramallah, Kandahar Haifa oder Kabul, danach ein Kapitalverbrechen irgendwo.
Könnte es nicht sein, dass ein Gewalttäter aus der Bevölkerung, wie zum Beispiel in Erfurt, sein Recht auf Intervention von einer Politik ableitet, die ununterbrochen den Ausnahmezustand erklärt? Oder den Einsatz von Waffen zur Lösung von Problemen propagiert? Oder heuchelnd am Grab der Opfer soziale Kälte und Anonymität beklagt, nachdem sie über Jahrzehnte die Erosion des Sozialstaates betrieben haben oder ihr zumindest tatenlos zusahen?
Und unsere 10- bis 14-Jährigen? Günstigenfalls vermehrt sich ihr Spielzeug und ihr Taschengeld stetig. Doch das Leben um sie herum setzt Kinder unter Druck, prägt
ihr Aufwachsen. Sie müssen sich den Bedürfnissen der Erwachsenen, der Wirtschaftswelt, der Schule anpassen. Wie sollen sie dabei unabhängige, selbstbewusste Persönlichkeiten werden?
Letztlich bleibt, dass die Schwerpunkte, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme für die nächsten Jahre setzt, mit Leben ausgefüllt werden müssen. Werden sie nicht formal verwaltungstechnisch betrachtet abgehakt, sondern als zu erbringende Leistung durch alle Fachressourcen und Fachämter ernst genommen, können sie verwirklicht etwas Positives bewirken. Eine wie im Teil II des Berichtes vorgeschlagene Weiterführung der Analyse erachtet die PDS-Fraktion für notwendig. Noch fehlende Datenlagen müssen verbessert werden.
Drei Fragen möchte ich noch benennen, sozusagen zum Hinterfragen von kinder- und jugendpolitischer Arbeit: Woran werden unsere Kinder uns einst messen – am Wohlstand gesunkener Staatsverschuldung oder am Zustand unseres Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Systems und deren Einrichtungen? Wie sollen wir ihre und unsere Zukunft unabhängig von der Zukunft unseres Bankkontos gestalten? Welche Vorbilder, was für eine Welt wollen wir für unsere Kinder haben? Es gibt also genug zu tun. Material liegt hiermit auch wieder vor. Wir sollten es nutzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Caffier, wer das eine will, muss das andere mögen. So einfach ist es dann ja wohl doch nicht. Ich denke nicht, dass mensch den Antragstellern nur unterstellen kann, pazifistische Grundhaltung
gegen die Bundeswehr zu pflegen und deshalb den Bombenabwurfplatz abzulehnen.
Wer das eine will, muss das andere mögen. Und wer also …
Herr Riemann, bitte laut und deutlich, so dass ich es verstehen und darauf reagieren kann, oder gar nicht.
Alles andere ist ja wohl kontraproduktiv.
Ich denke, meine Kollegin Barbara Borchardt hat eine ganze Menge zu dem Thema gesagt und hat auch die Punkte erläutert, so dass eigentlich jeder hier im Raum dem Antrag zustimmen könnte in der einen oder anderen Form. Leider habe auch ich auf Änderungsvorschläge gewartet. Mensch hätte ja in einer anderen Variante vielleicht einen gemeinsamen Nenner finden können,
aber dafür standen für die SPD-Fraktion drei Wochen bis zum heutigen Tag und für die CDU-Fraktion 14 Tage zur Verfügung. Wir hätten eine einheitliche Position finden können,
in der wir uns dazu äußern und die wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern den Menschen in der Region Müritz und Mecklenburg-Strelitz auch rüberbringen könnten. Es ist ja bekannt, dass es immer noch unterschiedliche Auffassungen zwischen der PDS-Fraktion und den anderen Fraktionen in Bezug auf die Kritik an der Bundeswehr gibt, aber im Vorhaben oder Handeln, das wir hier an den Tag legen, sollte es dann eben keine Unterschiede geben. Ich denke, wir hätten eine Lösung gefunden, wenn denn offensiv daran gearbeitet worden wäre.
Es gibt in dem Text, wie gesagt, sicherlich eine ganze Reihe von Vokabeln, die Sie nicht mittragen können. Tut mir Leid, dass Sie es nicht getan haben. Die PDS-Fraktion ist aber der Meinung, gerade auch jetzt, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Diskussion sich auch in Mecklenburg-Vorpommern zu diesem Thema entwickelt, gerade auch jetzt vor den Ostermärschen hätten wir sagen können: Wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern, wir, das Land Mecklenburg-Vorpommern, unterstützen nicht die militärische Nutzung der Ruppiner Heide, sondern die zivile Nutzung.
Wir haben andere Ideen, wir haben andere Vorstellungen dazu und bringen diese ein. Wir als Landtag hätten uns positionieren können. Hätten – zum wiederholten Male. Nicht, dass nach Ostern alles vorbei wäre, auch da, denke ich, haben wir noch die Zeit dazu, um uns zu positionieren, doch in der Region, denke ich, wäre es gerade in der jetzigen Zeit ein gewaltiger Schritt gewesen zur Unterstützung der Menschen, die sich dort zusammenfinden.
Mit fadenscheinigen Ausreden verhindert zurzeit die Bundeswehr, nachdem sie vom Bundesverwaltungsgericht zum Anhörungsverfahren gezwungen wurde, dass die Betroffenen auch in unserer Region angehört werden. Ich denke, noch einmal, es sind fadenscheinige Anhörungen. Das Wort, das die Runde macht, hat die Kollegin Borchardt schon gesagt. Nicht einmal einfachste Spielregeln werden eingehalten. Der Vergleich mit der allmächtigen und die Probleme der Menschen ignorierenden Roten Armee machte auch hier die Runde.
Mich als Pazifisten stört das weniger, wo ich die Unterschiede bei Armeen sowieso lediglich in den Uniformen sehe. Das unterscheidet mich vielleicht von den Menschen in Afghanistan, die ja nicht so ganz die Uniformen zwischen der russischen und der deutschen Armee unterscheiden können. Aber die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und CDU sollte es doch schon zum Nachdenken anregen, wenn denn die Menschen sagen, wir werden genauso behandelt, wie es zu DDR-Zeiten war, wie es zu den – ja, hier oftmals auch gesagt – nicht demokratischen Zeiten passierte. In unser aller Interesse kann es wirklich nicht sein, dass die Menschen erleben müssen, dass ihre Interessen von den Herrschenden ignoriert werden. Deshalb bitte ich Sie, positionieren Sie sich mit uns gegen die Einrichtung des Bombodroms.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich jetzt nicht weiter in Einzelheiten darüber, welche ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen die militärische Nutzung für die Menschen hat, verlieren. Dieses ist, denke ich, in den vergangenen zehn Jahren von der Bür
gerinitiative „FREIe HEIDe“ in Brandenburg und jüngst auch von der neu gegründeten Aktionsgemeinschaft „Freier Himmel“ der Müritz-Strelitz-Region mehrfach in unterschiedlichster Form publiziert worden. Im Internet für die, die immer noch nicht genug Informationen dazu haben, ist es unter www.freieheide.de oder unter www.freier-himmel.de zu finden und nachzulesen. Informationen zu dem Thema gibt es, wenn mensch sie denn wünscht, wirklich genug und das dürfte wohl nicht, wirklich nicht als Argument gegen eine Positionierung des Landtages gelten.
Leider war die Bundeswehr nicht ganz so freigiebig mit ihren Informationen. Sie wird schon wissen warum. Wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nicht mit Informationen hinter dem Berg zu halten. Das kriege ich sehr häufig zu hören. Der Bundeswehr, denke ich, würde es gut zu Gesicht stehen, wenn sie denn endlich mit Informationen, mit Detailinformationen, wie sie den Platz nutzen will, rausrückt.
Da sind zum Beispiel Gerüchte im Umlauf, dass von der Nutzung des Areals später dann auch die NATO-Verbündeten profitieren sollen, dass auch diese dort üben sollen. Das würde weitere Bewegungen über die bereits jetzt zu erwartenden in der Heide verursachen. Ob da etwas dran ist – keiner weiß etwas Genaues. Die Bundeswehr hält sich leider bedeckt.
Als Argument für die Region jenseits der Grenze für den Truppenübungsplatz führt die Bundeswehr Investitionen in Milliardenhöhe und die Schaffung von Arbeitsplätzen an. Doch rechtfertigt das die Vernichtung von bereits getätigten Investitionen in vielfacher Höhe diesseits, aber auch jenseits der Landesgrenze? Der Kollege Caffier hat genauso wie die Kollegin Borchardt ja schon Ausführungen dazu gemacht, wer davon vor allen Dingen mit betroffen sein wird. Es gibt immer bessere Investitionsmöglichkeiten als für einen Schießplatz. Wenn die Bundeswehr nicht weiß, wohin mit ihrem oder auch unserem Geld, dann soll sie es doch bitte in zivilen Bereichen zur Konversion ehemaliger verlassener Bundeswehrliegenschaften –
meinetwegen auch in unserem Bundesland oder vielleicht auch vor allen Dingen in unserem Bundesland – nutzen. Damit wir uns hier nicht falsch verstehen, ich rede hier nicht den Stimmen das Wort, die das Bombodrom eben nicht da wollen, sondern vielleicht an einer anderen Stelle. Das ist natürlich nicht meine Absicht. Doch, wie gesagt, auch die Bundeswehr sollte nicht das Recht haben, Landesinvestitionen und Existenzen in Mecklenburg-Vorpommern zu vernichten.
Alles Weitere wurde, glaube ich, bereits gesagt.
Wir bitten Sie um Zustimmung zum Antrag. Vielleicht hat ja der eine oder andere jetzt auch noch einen Änderungsvorschlag dazu, damit die Sicherung der touristischen Region Müritz/Strelitz nicht gefährdet ist. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die CDU klimpert auch heute wieder auf ihrer Klaviatur, auf ihrer sicherheitspolitischen, wie sie es jedes Mal in einer Landtagssitzung nicht versäumen will, auf dieser Klaviatur hin und her zu spielen.
Ach, Herr Thomas ist wieder da. Schön, dass Sie extra für mich reingekommen sind. Früher sind Sie extra rausgegangen.
Ach so!
Ach, Herr Jäger, Sie haben ja meine noch gar nicht gehört, dass Sie so lange sitzen bleiben wollen.
Ist in Ordnung.
Wir sind es gewohnt hier im Landtag, dass die CDU diese sicherheitspolitische Karte jedes Mal wieder zieht. Allerdings ist es aus Sicht der CDU eben auch nur allzu verständlich, denn sie hat ein Problem: Die Wahlen stehen in diesem Jahr an und da besteht natürlich einiger Handlungsbedarf für die CDU, den eigentlichen Spagat zu machen, zwischen der Rasenmäherpartei von Schill auf der einen Seite und auf der anderen Seite
der nicht weniger hartleibigen Law-and-Order-Politik des Bundesinnenministers auch noch irgendwo eine Stelle für sich zu finden.
Und so übt die CDU zu jeder sich bietenden Gelegenheit diesen Spagat, indem sie sich in beliebigen Landtagsanträgen sicherheitspolitisch mächtig spreizt und
fortwährend immer dasselbe redet. Herr Thomas hat es gerade wieder einmal begründet, dass er Jugendliche vor allen Dingen als Kriminelle sieht. So weit, so gut beziehungsweise natürlich so weit, so schlecht! Doch Neues bringen eben diese CDU-Anträge nicht.
Sie zeigen uns lediglich, dass die CDU zu keinen neuen Einsichten auf diesem Gebiet kommt. Und so werden eben alte Hüte gestanzt und es wird das erneuert, was wir in den letzten Landtagen auch schon immer zu hören gekriegt haben, was die CDU-Propagandamühle eben so hergibt.
Und das ist eben Schrott, sage ich!
Um es vielleicht ein wenig konkreter zu machen –
Herr Krumbholz hat schon einige Punkte genannt, auf die werde ich nicht mehr eingehen, da stimmen wir heute ausnahmsweise mal wirklich überein, das kommt ja auch nicht so häufig vor –, in Ziffer 1 werden wir zunächst reichlich hochtrabend, denke ich, das heißt vor allen Dingen eben auch gespreizt im Spagat belehrt, es müsste ein „umfangreiches Maßnahmebündel gegen Kinderdelinquenz und Jugendkriminalität“ beschlossen werden und, was der CDU natürlich ganz besonders am Herzen liegt, es müssten „jugendstrafrechtliche Instrumentarien“ ausgebaut werden. Beides kein neues Vorbringen und so wird es ja auch im CDU-Wahlprogramm wieder präsentiert. Die Forderung nach dem Maßnahmebündel ist in Mecklenburg-Vorpommern jedoch schon so alt, solange sich der Landtag mit diesem Problem befasst. Die Formulierung hat doch schon einen recht langen Bart, denn mensch findet sie in allen möglichen Deklarationen und Programmen und man findet sie natürlich auch in allen möglichen Maßnahmepaketen der Regierung und auch der Präventionsräte, in „Maßnahmebündeln“.
Insoweit ist es jedenfalls kein besonderes politisches Signal, was die CDU hier von uns verlangt. Von der Landesregierung liegen verschiedene „Maßnahmebündel“ vor, die versuchen, auf die beschriebene Situation zu reagieren. Die Experten des Landesjugendhilfeausschusses machten verschiedene Vorschläge und es liegen insbesondere auch Untersuchungen und Vorschläge von wissenschaftlicher Seite vor, zum Beispiel von der Universität Greifswald.
Also, meine Damen und Herren, es gibt so viele Bündel und Pakete an Maßnahmen, dass wir sie auch mit Ihrer Hilfe nicht wegschleppen können. Es hapert, das ist meine Einschätzung, also weniger an Maßnahmen als an deren Umsetzung und Abrechnung sowie insbesondere an deren finanzieller Untersetzung im sozialen und intervenierenden Bereich. Papiere und selbst Gesetze und Verordnungen, in denen Maßnahmen stehen, haben wir genügend. Bei dieser generellen Kritik möchte ich aber dennoch die Nützlichkeit insbesondere von präventiven Ansätzen unterstreichen. Mag sich das eine oder andere,
was geschrieben steht, letztlich auch als feuchtes Stroh erweisen, doch es steht erst einmal da und wir müssen es vor allen Dingen umsetzen.
Niemand hat unfehlbare Rezepte – und das sage ich auch in Bezug auf diese Regierungskoalition – und manches muss eben praktisch auch erst einmal erprobt werden. Dies alles, denke ich, ist bekannt und dürfte wenig strittig sein. Herr Jäger nickt mir ja schon die ganze Zeit zu.
Eben! Eben drum! Aber das, was Sie vorschlagen, liegt einfach nur im repressiven Bereich und dieses kann natürlich nicht unsere Zustimmung finden.
Der Antrag sagt, wir brauchen ein Maßnahmebündel. Fragt sich dann, welches wir brauchen, welches wir eben zusätzlich noch brauchen. In Ziffer 2 sind dann lediglich drei kleine Erbschen aufgezählt. Herr Krumbholz ist schon darauf eingegangen, das kann ich mir sparen. Sie möchten das strafrechtliche Waffenarsenal letztlich – und das machen Sie mit Ihren Punkten – deutlich aufbessern, um die anderen, die ich am Anfang nannte, Schill und Schily, zu übertrumpfen. Fahrverbot als Sanktion, Einführung von Meldepflichten,
den Warnschussarrest, das sind einfach althergebrachte Sachen, die schon in verschiedensten Papieren enthalten sind und letztlich überhaupt nicht dazu taugen,
auf Jugendliche zu reagieren, auf Probleme von Jugendlichen zu reagieren. Diese Maßnahmen würden, so sagt die CDU in der Antragsbegründung, eher abschrecken als die herkömmlichen Maßnahmen des Jugendstrafrechts. Nun, wer es glaubt, wird selig.
Nur, meine Damen und Herren von der CDU, an generalpräventive Wirkungen von Strafen glaubt so gut wie keiner mehr. Man braucht nur in seriöse strafrechtliche und kriminologische Ausarbeitungen reinzuschauen. In ihrer Auffassung stehen die Herren Verfasser des Antrages denn doch wohl ziemlich allein auf weiter Flur, vielleicht in Gemeinsamkeit mit einigen Leuten aus der SchillRichtung und einigen klinisch zu beurteilenden Leuten.
Der Antrag der CDU, der wieder auf reine Repression setzt, ist ganz und gar in der Wurzel verdorben. Denn viel Repression bringt nicht weniger Kriminalität, sondern bringt vor allen Dingen Demokratie- und Rechteabbau. Das und nichts anderes ist Ihr – aber sehr trügerisches – Konzept, meine Damen und Herren von der CDU. Sie sollten hier der Ehrlichkeit halber bei einer solchen Herangehensweise nicht das Wort „Prävention“ in den Mund nehmen.
Zur Begründung führen Sie, Herr Thomas, die, wie Sie sagen, besorgniserregenden Zahlen von Kinderdelinquenz und Jugendkriminalität an. Ich sage mal: Besorgnis
erregend hin, besorgniserregend her, doch Strafe und Knast sind keine geeigneten Mittel, um Kindern und Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen. Vom Innenminister und aus seiner Umgebung hört man interessanterweise nach der Veröffentlichung der letzten polizeilichen Geschäftsstatistik jedenfalls optimistischen, wenn auch insgesamt gedämpften Trommelwirbel. Die Jugendkriminalität sei gesunken, ist die Botschaft aus dem Hause von Herrn Timm. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, die einen sagen es so, die anderen sagen es wieder anders.
Wie aber auch immer!
Dafür hast du ja dann Zeit.
Ich denke, für derartige weitgehende Schlussfolgerungen, wie sie jedenfalls die CDU aus den Zahlen zieht, fehlt nicht nur eine genaue Analyse, sondern auch die jugendpolitisch fachliche Aussage, denn jeder weiß doch, wie viel flaue Luft in der Statistik steckt, wie die Dunkelfeldzahlen im Verhältnis dazu sind, dass in der Statistik gerade auch bei Jugendlichen viele Mehrfachtäter erfasst sind, dass etwa ein Viertel der Statistikzahlen nicht einmal für eine Anklage reicht und so weiter und so fort.
Und dann ist doch wohl eines auch klar, wenn Sie schon mit den Zahlen operieren, sehr geehrte Damen und Herren: Kriminalität ist von der Sache her wohl eher etwas für junge Menschen als für reife alte Herren, mal abgesehen von Veruntreuung, Betrug, Konkursstraftaten und Führen von schwarzen Parteikassen. Kriminalität läuft eben vor allen Dingen bei jungen Menschen. Und deshalb fällt sie dort vor allen Dingen auf, deshalb werden sie in der Statistik als was Besonderes erfasst. Die alten Herren und die alten Damen über 25 oder 27,
die nehmen dann eben einen etwas breiteren Raum ein und deshalb werden sie nicht mehr als gesonderte Statistik aufgeführt.
Die rote Lampe blinkt jetzt schon.
Na, so was können Sie auch nicht sagen.
Dadurch, dass wir uns hier mit dem Antrag beschäftigen müssen, denke ich, haben wir eine ganze Menge an Zeit vertan, die wir für andere Sachen hätten verwenden können,
um in unserem Land Strafe für Jugendliche überflüssig zu machen. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Herr Präsident!
Schädel, nicht Gott.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ärgerlich, sehr ärgerlich vor allem für die BesitzerInnen, aber auch für die MieterInnen oder einfach auch für unbeteiligte PassantInnen ist Graffiti an Häuserwänden. Besonders dann, wenn es gerade neu renovierte Häuser sind,
ist dieses nach dem CDU-Antrag sogar ein Symbol für den Verfall von Ordnung und als Vorläufer für weitere Zerstörung und Wandalismus zu sehen. Die CDU meint, damit die Einschätzung von breiten Bevölkerungskreisen zu transportieren, auch auf die Gefahr hin, dass sie – das ist hier mehrfach ausgeführt worden – damit hier im Lande wieder durchfällt. Deshalb soll das Strafgesetz geändert werden und nicht mehr nur die Beschädigung und Zerstörung von Malereien auf Gegenständen anderer unter Strafe gestellt werden, sondern bereits die Verunstaltung. Abgesehen von der subjektiven Wahrnehmung von Ver
unstaltung ist das CDU-Anliegen aus Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern aus meiner Sicht doch eine recht überzogene Reaktion.
Zu meiner Kinder- und Schulzeit – das ist noch nicht ganz so lange her, wie es bei den meisten anderen Kolleginnen und Kollegen hier der Fall ist – hieß es noch: „Nur Narrenhände beschmieren Tisch und Wände.“ Dann war es damit gut, dann musste wieder sauber gemacht werden und es fanden eingehende Gespräche dazu statt. Jetzt, sollte es nach dem Willen der CDU gehen, soll Strafe folgen. Ein wenig überzogen, denke ich, zwei Jahre oder bis zu zwei Jahren dafür in den Knast zu gehen. Dabei wird außer der subjektiven Wahrnehmung oder optischen Beeinträchtigung des Gebrauchswertes der bemalten Fläche nichts beeinträchtigt.
Das bayrische Oberlandesgericht München formulierte dazu am 17. Mai 1999: „Durch Sprühaktionen werden diese Gegenstände zwar beschädigt, ihre jeweilige Zweckbestimmung wird jedoch nicht beeinträchtigt.“ Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte gar bereits 1997 fest: „Die durch Spraytechnik hergestellte Graffiti-Malerei ist eine moderne Form bildender Kunst.“
In welchem Verhältnis stehen hier die Auswirkungen von Graffiti und die Reaktionen des Staates?
Doch wir sollten uns davor hüten, denke ich, alles, was uns ärgert, unter Strafe zu stellen. Mich ärgert eine ganze Menge. Wenn wir das alles unter Strafe stellen würden! Ich denke, auch hier im Saal gibt es einige, die einiges andere ärgert. Ich denke, das ist der verkehrte Weg, so kann nicht darauf reagiert werden.
Dass Graffiti gar teilweise subjektiv als Gefährdung des Sicherheitsgefühls wahrgenommen werden soll, ist dann, denke ich, doch wirklich sehr übertrieben, vielleicht gar gleich nach dem Terrorismus, vielleicht auch noch davor. Strafe schützt weder die Hauseigentümer noch kann sie zur Bildung von Kunstverständnis und Gefühl beitragen. Hier sollen Schreckgespenster an die Wände gesprüht werden,
so, wie es der Kollege Bartels gerade vorhin auch schon in einem anderen Fall sagte.
Die Gedankengänge von Kolleginnen und Kollegen werden mir wohl ewig unergründlich bleiben.
Das wird so sein.
Da wird im Antrag aus Baden-Württemberg unter anderem bereits festgestellt: „Der Missstand des Sprühens und Bemalens privater und öffentlicher Flächen wird als ein Symbol für den Verfall von Ordnung und auch als Vorläufer für weitere Zerstörung und Wandalismus angesehen, ebenso, dass der mangelnden Akzeptanz der Rechtsnormen durch Jugendliche entgegengetreten werden muss.“ Doch was dann daraus folgt, ist für mich wirklich unergründlich. Aber deshalb diskutieren wir ja hier.
Strafandrohung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren kann es, denke ich, nicht sein. Wer soll das nachvollziehen können? Meinen Sie denn wirklich, dass mit immer mehr Strafen die Menschen mehr Achtung voreinander oder
dem Eigentum anderer haben werden? Sie erheben doch dieses Gesellschaftssystem alle hier regelmäßig zum besten auf der ganzen Welt und dann sind Sie unentwegt dabei, Gesetze zu verschärfen und Regeln bis in die kleinsten Ecken der Gesellschaft aufstellen zu wollen. Wie sollen Jugendliche – und über die reden wir hier ja wohl überwiegend – zu dem System finden, wenn sie bei den Alten mit allen Ausdrucksweisen nur auf Unverständnis stoßen und Strafe zu erwarten haben?
Zu den nach Ihrer Meinung notwendigen sozialpädagogischen Maßnahmen haben Sie kurze Ausführungen gemacht, aber dabei ist, denke ich, noch lange nicht das Muss erreicht. Und in Ihrer Regierungsverantwortung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, hat es doch die junge Generation dazu gebracht und ist es doch in diesem Lande so weit gekommen, dass vor allen Dingen das Ich zählt, anstatt das Wir. Und ich denke, das ist auch eine Reaktion darauf.
Bei allem bleibt aber insbesondere zu berücksichtigen – und das, denke ich, ist der wichtigste Punkt bei dieser g a nzen Angelegenheit, ich werde dazu allerdings auch nicht so sehr viel sagen oder gerade deshalb –, dass erst dann gestraft werden kann, wenn die Straftäter oder diejenigen, die sich daneben benommen haben, wirklich gefasst werden. Wenn die Verantwortlichen gefunden sind, kann man sie auch erst bestrafen. Und daran mangelt es ja wohl offensichtlich zurzeit. Auch das Programm der Kopfprämien des Justizministeriums hat nach meinen Informationen noch nicht so sehr viel gebracht. Wir werden weiter sehen, wie es sich entwickeln wird.
Das ist alles nur Bekämpfung der Erscheinungen und nicht der Ursachen von Graffiti beziehungsweise von Menschen, die sich in dieser Gesellschaft eben nicht so benehmen, wie es alle anderen erwarten. Ich denke, es ist einem sich demokratisch nennenden System unwürdig, auf Drohungen, Polizei, Denunziation und Kopfprämien zu setzen. Aber da können wir auch unterschiedlicher Meinung sein, so ist das eben in der Demokratie, dass wir unterschiedlicher Meinung sind.
Abschließend ein Zitat, was die Motivation von denjenigen, die sich dort produzieren, ausdrücken könnte: „Wenn ihr unser Leben nicht achtet, achten wir eure Gesetze nicht.“ Und ich denke, selbst wenn wir neue Gesetze schaffen
und nichts zur Ursachenbekämpfung tun, werden wir nicht vorankommen. Die sozialpädagogischen Maßnahmen müssten ausgebaut werden und das heißt dann natürlich aktive Jugendarbeit
und aktive Beschäftigungspolitik. Das heißt nicht, mehr Polizei zu fordern. Wir werden diesen Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ursachen, warum wir über das SOG verhandeln, liegen nicht in den Ereignissen des 11. Septembers begründet. Die Änderungsnotwendigkeit beim SOG lag in den rechtswidrigen Formulierungen, die bereinigt werden mussten. Andere Änderungen wurden damit verbunden, und mensch könnte fast geneigt sein zu frohlocken, dass die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sich darüber einig sind, die weiteren Grundrechtseinschränkungen, die die CDU damit zu verbinden versuchte, nicht zuzulassen. Doch leider eben nur fast, denn einige neue Punkte dieses Gesetzes verdienen ebenso kritisiert zu werden wie die Versuche der CDU, da sie sich als nicht viel weniger als Einschränkungen von Grundrechten erweisen, politische Betätigung behindern können und der Polizei beinahe willkürliches Vorgehen ermöglichen.
Ich habe zum neuen SOG eine etwas andere Einschätzung als die bisher hier gemachten.
Dass ich das so sage, ist keine bösartige Unterstellung, auch wenn es sicher einigen hier das Bild meiner Person bestätigen würde. Meine Einschätzung beruht auf meinen Erfahrungen in außerparlamentarischer Arbeit mit der Polizei. Und diese Erfahrungen sind sicher auch ein wenig anders als die der meisten Kolleginnen und Kollegen.
Hierbei, um das auch mal zur Kenntnis zu geben, konnten mir trotz wiederholter Versuche von Polizei und Ermittlungen von Staatsanwaltschaften niemals Straftaten nachgewiesen werden. Niemals bin ich für irgendetwas verantwortlich gemacht worden von Gerichten, es sei denn, es waren Aktionen des gewaltfreien Widerstandes,
und da ist es einfach gesetzmäßig, da solche Verfahren eingeplant werden.
Die von mir angesprochenen drohenden Einschränkungen von Grundrechten, die ich sehe, sehe ich in der Ergänzung des Paragraphen 52 Absatz 3 der Wegweisung beziehungsweise des Aufenthaltsverbotes von bis zu zehn Wochen aus ganzen Gemeinden. Ich sage bereits heute voraus – trotz aller anders lautenden Versicherungen des Ministeriums sowie auch der Rednerin und der Redner hier –, dass hiermit ein Mittel für die Ordnungsbehörden und die Polizei geschaffen wird, mit denen sie Protestveranstaltungen gegen herrschende politische Verhältnisse oder aktuelle Vorgänge be- und verhindern werden. Das sage ich hier heute voraus.
Es wird mit dem Verweis auf das neue SOG zu willkürlichen Einschränkungen von Grundrechten auf Freizügigkeit und/oder der Demonstrationsfreiheit und/oder der freien Meinungsäußerung für Personen kommen, denen nachgesagt wird – nicht nachgewiesen –, dass sie sich, in welcher Form auch immer, kriminell betätigen werden. Die „tatsächlichen Anhaltspunkte“, die die Behörden dafür haben müssen, werden genauso vorhanden sein, wie sie momentan für die Rasterfahndung und die damit verbundene Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen begründbar sind. Etwas Genaues weiß mensch nicht! Doch es wird jetzt erst einmal gerastet und es wird dann erst einmal ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen und Grundrechte werden eingeschränkt.
Die Proteste im Nachhinein werden bedeutungslos sein! Unschuldsvermutungen gelten nicht mehr! Das ist Handeln, bevor eine Straftat begangen werden wird. Die Polizei weiß bereits im Vorfeld, wann jemand eine Straftat begehen will, und weiß auch bereits im Vorfeld, dass diese Person diese auch wirklich umsetzt. Deshalb wird sie vorher das Betreten der betreffenden Gemeinden verbieten. Die Demonstrationsverbote bei Castortransporten, zum Beispiel entlang der Bahnstrecke, sind dann nicht mehr nötig. Die Demonstranten erhalten einfach ein Aufenthaltsverbot. Die Ordnungsbehörden brauchen sich dann nicht mehr von Gerichten nachsagen zu lassen, wie es nach dem letzten Castortransport ins Wendland geschehen ist, dass solche umfassenden Demonstrationsverbote ungerechtfertigte Eingriffe in Grundrechte sind. Veranstaltungen zum Beispiel in Städten sind nur noch mit durch die Polizei ausgesuchtem Publikum möglich.
So wird Demonstrationsfreiheit in Mecklenburg-Vorpommer politisch eingeschränkt werden, aber auch auf viele andere Ereignisse wird es anwendbar sein. Die Polizei und die Ordnungsbehörden werden schon Begründungen finden, um Aufenthaltsverbote auszusprechen. Ich sage nur „Rasterfahndung“.
Auf den zweiten Kritikpunkt, die wachsweichen Formulierungen des Gesetzes im Paragraphen 55 zur Gewahr
samnahme von Personen, die zu weitläufigen Auslegungen geradezu einladen, möchte ich hier jetzt nicht ausführlicher eingehen. Aber auch hier wird die kreative Umsetzung durch die Polizei sicher nicht lange auf sich warten lassen. Ausreichend Anlässe zu demonstrieren gibt es ja leider. Es wird sich zeigen müssen, ob diese Regelungen dann auch gerichtsfest sein werden!
Neben den genannten Verschärfungen wird mensch in dem Gesetz vergeblich Regelungen suchen, die es ermöglichen, Ordnungsbehörden oder die Polizei zu kontrollieren. Jahrelang waren es auch Forderungen der Koalitionsfraktionen SPD und PDS. Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit haben, auch Kritik an der Polizei und deren Arbeit zu formulieren und sich nicht mit allgemeinen Erklärungen abspeisen zu lassen.
Jetzt hätten Sie die Möglichkeit und die Mehrheiten gehabt, Bürgernähe zu zeigen. Leider nicht zu finden in diesem Gesetz ist zum Beispiel eine Polizeikommission mit der Aufgabe, „interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizei zu erkennen und darüber zu berichten“, wie es noch(!) in Hamburg eine gibt. Das wäre hier ein Beitrag gewesen, öffentliche Kritik an der Polizeiarbeit zu entkräften. Oder meinen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Polizei unfehlbar ist? Auch die Polizei besteht nur aus Menschen. Es geht um die bürgernahe und jederzeit verfassungsgebundene Polizei, nicht aber um eine allwissende, allzuständige oder unfehlbare Superbehörde. Demokratie basiert auf Kontrolle. Wenn diese Kontrolle nicht mehr gewährleistet ist, verselbständigt sich auch in der Demokratie der Apparat. Deshalb werden Gerichtsentscheidungen von übergeordneten Gerichten kontrolliert und die Regierung wird durch das Parlament kontrolliert. Politische Parlamentsentscheidungen werden notfalls auch durch Gerichte kontrolliert.
Ebenso fehlt in dem Gesetz die lange von der PDS, aber auch von der SPD geforderte Einführung von Namens- und Nummernschildern für Polizeibeamte, damit Bürgerinnen und Bürger zur effizienten Kontrolle der Exekutive beitragen können. Versuchen Sie doch mal einen Polizisten nach einem Einsatz zu beschreiben: Blaue Augen hatte er. Oder war es doch eine Sie? Eine schwarze Gesichtsmaske unter dem Helm,
Dienstrangabzeichen gab es keine. Einige hatten helle, grüne Anzüge an, andere waren etwas dunkler, einen Kratzer auf dem Helm. Oder waren es drei Kratzer? Eine Identifizierung ist so nicht möglich. Oftmals wird Demonstrationsteilnehmern die Auflage erteilt, nicht gegen das Vermummungsverbot zu verstoßen. Und wir hatten hier auch die Zwischenrufe aus der CDU: Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht zu vermummen. Klar erkennbar soll er sein. Richtig, sage ich! Natürlich, aber doch bitte auch für die PolizistInnen, weil die natürlich auch Fehler machen können. Was haben die BeamtInnen denn zu verbergen, wenn sie wie zum Beispiel am 14. Juli in Neubrandenburg bei 25 Grad Celsius Gesichtsmasken aufhaben mussten, um nicht erkannt zu werden? Weshalb trugen die BeamtInnen nicht einmal ein Dienstrangabzeichen? Über wen sollen Bürgerinnen und Bürger, die am Rande auf dem Weg standen, die Situation beobachteten und von der Polizei in die Büsche geschubst wurden, sich beschweren? Über einen Polizisten in grüner Uniform? Es
geht nicht darum, Polizistinnen und Polizisten etwas anzuhängen,
es geht darum, dass durch eine Kontrolle, durch eine Identifizierung die Möglichkeit eröffnet wird, Verfehlungen einzelner Beamter zu verfolgen und zum Schutz der Polizei vor pauschaler Verurteilung beizutragen.
Ein Satz nur noch.
Daran müsste doch auch der Polizei gelegen sein und den Abgeordneten hier.
Auch PolizistInnen dürfen sich nicht im rechtsfreien Raum bewegen. Der berechtigte Schutz der Privatsphäre der BeamtInnen muss natürlich geregelt sein.
Diese Versäumnisse wie auch die am Beginn genannten Punkte machen es mir unmöglich,
diesen Einschränkungen von Grundrechten meine Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinungsumfragen im Allgemeinen und Kinder- und Jugendberichte im Besonderen signalisieren seit längerer Zeit eine zunehmende Politik- oder, besser gesagt, Politiker- und Politikerinnenverdrossenheit und Parteienverdrossenheit. Viele Einwohner beklagen fehlende oder unzureichende Möglichkeiten, sich einzubringen, und das greift natürlich auch für Jugendliche. Auch sie beklagen sich darüber. Ich habe gesehen und zur Kenntnis genommen – sowohl am vergangenen Dienstag auf dem Parlamentarischen Abend wie auch aus den bisherigen Ausführungen –, es herrscht große Einmütigkeit in der Sache hier im Hause. Ich denke, wir werden dann auch einiges bewegen. Im Detail habe ich dann jedoch etwas andere Ansichten als der Kollege Caffier.
Jugendliche fühlen sich heute mehr als Objekt der parlamentarischen Demokratie denn als Subjekt demokratischer Willensbildung. So macht auch bei ihnen das Wort von der „Zuschauerdemokratie“ die Runde. Ohne Zweifel ist repräsentative parlamentarische Demokratie unabdingbar, aber auch entwicklungs- und ergänzungsbedürftig. So ist auch der Wunsch und der Wille von Kindern und Jugendlichen, über Sachfragen selbst mitzuentscheiden, klar vorhanden. In erster Linie bei denen, die sich schon einbringen in den Kinder- und Jugendparlamenten.
Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes besagt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Es ist unstrittig, dass zum Volk auch Kinder und noch nicht volljährige Jugendliche gehören. Jeder, der geboren wird, gehört dazu. Die PDS-Fraktion meint, hätten die jungen Leute wirklich Einfluss, würden sie sich auch wesentlich mehr beteiligen. Als PDS-Fraktion wollen wir deren kompetente Mitbestimmung erreichen. Das heißt nicht, auf Teufel komm raus und um jeden Preis Kinderparlamente und -büros zu bilden oder diese gar an den Parteienstrukturen festzumachen. Die Formen sollen und müssen von den Kindern und Jugendlichen selbst gefunden und auch angenommen werden. Wir erleben mehrfach in unserem Land, dass das funktioniert.
Schutz und Selbstbestimmung sind zwei Seiten einer Medaille. Beide sind für die individuelle Entwicklung eines jungen Menschen von Bedeutung. Wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für dieses Gleichgewicht jedoch nicht stimmig sind, wird Zukunft aufs Spiel gesetzt.
Herbert Grönemeyers Vision „Gebt den Kindern das Kommando, die Welt gehört in Kinderhände“ mag manchen erschaudern lassen
und doch, denke ich, ist sie richtig. Es geht darum, die Minderjährigen nicht als Objekt, sondern als Subjekt der Politik zu begreifen. In die Richtung haben wir mit dem Wahlalter 16 schon einen Schritt gemacht. Entsprechend
wachsender Fähigkeiten und Einsichten sollten Kinder und Jugendliche selbst an der Lösung ihrer Probleme beteiligt werden, beginnend in der Familie, dann in verschiedensten Organisationsformen, Schulen, Vereinen, Kinder- und Jugendparlamenten, die sie sich selber gesucht haben, bis hin zu den Jugendhilfeausschüssen.
Natürlich, gemäß UN-Kinderrechtskonvention, Agenda 21 und freilich Paragraph 8 SGB VIII kommt Jugendpolitik gar nicht umhin, Kindern und Jugendlichen Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Auch unsere Kommunalverfassung macht das. Dass gerade sie im Paragraphen 2 zu ergänzen, zu präzisieren wäre, wie auch in der Beteiligungskampagne des Landesjugendringes gefordert, darauf hat die PDS an dieser Stelle schon mehrfach verwiesen.
Es geht um eine Kultur der Partizipation, die entsteht, wenn es überall selbstverständlich wird, dass jedes Kind und jeder Jugendliche in politische Entscheidungen eingebunden wird. Diesem Anspruch wird mit diesem Vorschlag, den wir hier als Regierungskoalition eingebracht haben, näher gekommen und ich bitte, dem zuzustimmen.
Dass dann noch nicht Schluss mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sein darf, ist für die PDS-Fraktion, und ich denke, für alle anderen, selbstverständlich,
zum Beispiel so, wie es ja auch am Dienstag auf der Auswertung von „Jugend im Landtag“ mehrfach gefordert worden ist. Die Gesprächsbereitschaft ist dort von allen Fraktionen dafür signalisiert worden, dass im Ausschuss auch Beschlüsse mit entschieden werden dürfen. Darüber sollten wir dann wirklich noch mal diskutieren.
Wer sich mit der Arbeit von Kinder- und Jugendparlamenten beschäftigt, weiß, dort wird nicht irgendwie gemauschelt, sondern dort wird sehr ernsthaft gearbeitet. Sei es in Güstrow, auf Usedom oder im Uecker-RandowKreis, in Wismar oder Neubrandenburg, überall gibt es junge Leute, die in der Jugendarbeit manches erreichen wollen, Aktionen planen, Projekte umsetzen, Arbeitsinhalte und Arbeitsformen mitgestalten und sie sich selbst organisieren. Sie wollen andere Kinder und Jugendliche mit anregen, sich Gedanken zu machen, sich politisch einzubringen, das heißt zumeist, zu ganz konkreten Fragen des Ortes, des Ortsteils, der Stadt oder eben auch des Landes, darüber im Forum offen zu debattieren, Engagement anzuregen. Sie setzen sich mit Themen und Problemen auseinander, die mit ihnen zu tun haben, und fordern politische Teilhabe. Wirkliche Beteiligung besteht nur dann, wenn allen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, sich auch aktiv einzubringen und dabei ernst genommen und gefördert zu werden. Jugendliche müssen nicht geschont werden. Das verlangen sie nicht. Dort, wo sie sich mit konkreten Belangen einmischen, schonen sie die Politik ebenso wenig. Wir konnten es zum Beispiel an dem sehr umfangreichen Katalog von „Jugend im Landtag“ sehen, welche Vorstellungen sie haben und wo sie uns fordern.
Um die Mitbestimmung auszubauen, um wirkliche Handlungs- und Entscheidungsspielräume schaffen zu können, um ihre Stellung zu stärken durch direkte Wahrnehmung von Problemlagen, ist die Mitwirkung in Ju
gendhilfeausschüssen ein wichtiger Schritt zur aktiven Beteilung von Kindern und Jugendlichen. Zukunftsorientierte Kinder- und Jugendpolitik muss als Politik für Jugendliche, als Politik mit Jugendlichen verstanden werden. Beziehen wir Jugendliche also ehrlich ein, direkt und gleichberechtigt. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der unterschiedlichen Darstellung, Gewichtung und auch Bewertung der Problemlage bleibt für mich festzuhalten: Eine umfassende Reform des Gesundheitssystems ist längst überfällig. Die Betonung liegt dabei auf umfassend. Dafür wirbt auch unsere Sozialministerin, denn, Herr Glawe, so eine Zustimmungsmaschinerie, wie das möglicherweise bei der CDU gang und gäbe ist, gibt es bei uns nicht. Umfassend, denke ich, muss das Gesundheitssystem deshalb umgestellt wer
den, weil es einfach unübersehbare Schwächen im Gesundheitssystem gibt, die seit langem bekannt sind und mit einzelnen kleinen Reförmchen natürlich nicht bewältigt werden können. Die zugespitzten Probleme brauchen eine umfassende Behandlung. Bekanntlich haben die zurückliegenden Reformversuche im Gesundheitswesen nur zur weiteren Belastung der Patientinnen und Patienten geführt – das haben wir hier heute auch schon mehrfach gehört –, zu mehr Bürokratie, zu mehr Verwaltungsaufwand sowie letztlich zu wachsendem Unmut und Verunsicherung, vor allen Dingen bei den Versicherten, aber auch bei den Akteuren des Gesundheitsbereiches.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherung der Beitragsstabilität war bekanntlich das oberste Ziel der Gesundheitsreform 2000. Dieses Ziel ist, denke ich, grundsätzlich zu begrüßen, geht jedoch nicht primär von gesundheitspolitischen Konzepten aus, sondern ist in erster Linie eine wirtschaftspolitische Vorgabe. Eine Vorgabe, die Teil der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik der Regierung Schröder ist, zu der neben sinkenden Unternehmersteuern und dem so genannten Sparpaket zur Haushaltskonsolidierung vor allem auch mäßige Tarifabschlüsse und „möglichst niedrige“ Lohnnebenkosten gehören. Diese alleinige wirtschaftspolitische Orientierung hat in dieser Republik auch die Gesundheitspolitik auszubaden.
Natürlich sind Gesundheitspolitik und Krankenversorgung auch immer ökonomische Determinanten, aber es ist auch darauf zu achten, wo die ökonomischen Grenzen anzusetzen sind und wo politische und ethische Fragen gesellschaftsbestimmend werden. Ernst nehmen sollten wir die Warnung vor der so genannten „Ökonomisierung“ der Gesellschaft und auch des Gesundheitswesens. Damit ist die um sich greifende bruchlose und unkontrollierte Übertragung ökonomischer Gesetze und Instrumente auf außerökonomische Sachverhalte und Probleme und eben auch auf das Gesundheitssystem gemeint. Zu Recht wird kritisiert, dass die Menschen, die davon betroffen sind, oft als Kunden betrachtet werden oder nur noch auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Doch Geld und Profit ist nicht das Maß aller Dinge. Ökonomie darf nicht zur Norm menschlichen Lebens werden, wenn wir uns noch weiterhin als Menschen bezeichnen wollen.
Die ungehemmte Preistreiberei der Pharmaindustrie, vor allem auch bei pseudoinnovativen Arzneimitteln, muss endlich unterbunden werden. In diesem Zusammenhang ist dann natürlich auch das sehr unterschiedliche Verschreibungsverhalten einiger Ärzte zu sehen. Ich maße mir nicht an, darüber im Detail zu befinden, weil ich ja kein Arzt bin, aber die Frage muss gestattet sein: Liegt die Entscheidung, welche Medikamente verschrieben werden, vielleicht auch mit daran, dass die Fortbildung der Ärzte in Fragen der Arzneimitteltherapie fachlich nicht ganz unabhängig gestaltet wird, wenn die Hersteller diese durchführen und sie über weite Strecken dann eher als Marketingveranstaltung benutzt wird oder dieser gleichkommt? Positivlisten, wie sie der Kollege Dankert und auch der Kollege Koplin bereits anregten, könnten da sicherlich helfen, um diesem entgegenzuwirken.
Zu beleuchten wäre natürlich auch die Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung. Zu Recht werden hier eine Konsolidierung angemahnt und entsprechende Regelungen, insbesondere zur Verbesserung der Einnah
mesituation, gefordert. Der Kollege Koplin nannte, denke ich, eine ganze Reihe von Beispielen, die dazu beitragen können.
Zum Schluss: Die PDS wird Bestrebungen zur Privatisierung und Marktsteuerung im Gesundheitswesen entschieden entgegenwirken. Die Solidarität im Gesundheitswesen ist zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. Daran arbeiten müssen – das ist hier heute auch schon mehrfach gesagt worden von allen Fraktionen – Ärzte, Krankenversicherungen, Pharmaindustrie und Politik, denn nur gemeinsam und nicht gegeneinander, im Interesse der Kranken, der Patienten und nicht des Profits kommen wir auch voran. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Links oben, sozusagen in der ersten Zeile meiner Zeitung am vergangenen Sonntag wurde ich mit der Werbung für eine Droge konfrontiert, mit der fast alle Jugendlichen nach dem Sucht- und Drogenbericht 2000 der Bundesregierung Erfahrungen haben. „Herrentagsparty am 24. Mai – Jeder Strike gleich ein Schnaps“ war dort zu lesen. Werbung für eine Droge, infolge deren Ge- oder auch Missbrauchs jährlich Hunderte Menschen auf den Straßen ihr Leben lassen sowie Millionen D-Mark für Gesundheitsvorsorge und Rehabilitationsmaßnahmen ausgegeben werden.
Im Inneren der Zeitung dann ein Artikel unter der Überschrift: „Vorsicht Alkohol am Steuer!“. Weit gefehlt jedoch die Annahme, dass es hier darum geht, zu wählen zwischen Auto fahren oder Alkohol – wenn man hier mal wohlwollend betrachtet, den Gebrauch der Droge zu genießen –, vielmehr die Aufklärung darüber, wie die Droge Alkohol konsumiert werden muss, um sich bis zum Fahrtantritt wieder fit zu machen: Wer mit vollem Magen auf Touren geht, verträgt mehr Alkohol als mit leerem Magen.
Drittes Beispiel – die Zeitung war an diesem Sonntag doch sehr gehaltvoll:
Auf Seite 1 der Zeitung wird ein Projekt vorgestellt, in dem der Bürgermeister einer Stadt in Mecklenburg-Strelitz den Geschichtsbüchern entnommen hatte, dass an einem Berg seiner Stadt vor einigen Jahren auch mal Wein angebaut wurde. Und so, denken sich der Bürgermeister und andere, die dem Genuss der Droge gern nachgehen, könnte als Touristenattraktion als Norddeutschlands einziger Steilhang-Weinberg hier auch wieder ein Weinberg entstehen.
Auch ein Verein von Winzerfreunden soll gegründet werden.
Drei Meldungen, die sich mit der Droge Alkohol beschäftigen und den Umgang mit dieser in der Bundesrepublik Deutschland legalen Droge deutlich machen. Niemand wird sich, es sei denn, es ist Landtagssitzung, an diesen Meldungen stören. Anders würde es allerdings aussehen, wenn es zum Beispiel zur Kindertagsparty heißen würde: „Fünf Bälle in den Topf – eine Zigarette!“, wenn damit geworben würde oder wenn erläutert würde, dass man nach dem Rauchen von zwei „Tüten“ das Auto besser stehen lassen sollte, oder wenn sich jemand auf die Tradition von vor 150 Jahren beruft und, um Touristen in unser Land zu locken, ein Feld Hanf anpflanzen würde, um dann Norddeutschlands ersten Coffeeshop zu eröffnen.
An diesen Beispielen wird deutlich, wie scheinheilig die Diskussion zum Drogenkonsum in der Bundesrepublik ist. Der Gebrauch der legalen Drogen ist in vollem Maße anerkannt und zugelassen und wirkt sich bei Urteilen unter legalem Drogenge- oder auch -missbrauch strafmildernd aus. Konsumenten illegalisierter Drogen dagegen werden kriminalisiert und verfolgt.
Bereits der Besitz geringer Mengen zum Eigengebrauch illegalisierter Drogen ist für die Polizei und Staatsanwaltschaft Grund zum Handeln. Zieht sich jemand eine Cannabispflanze in seinem Sonnenfenster, ist das Grund für Haussuchungen und Einschüchterungen, wobei die in der gleichen Wohnung liegenden Flaschen Alkohol und Schachteln Tabak unberücksichtigt bleiben. Selbstverständlich! In Missachtung von sich entwickelnden Kulturen unter jungen Menschen glauben konservative Kreise in der Bundesrepublik immer noch, mit Verboten und Druck verhindern oder zumindest beeinflussen zu können, dass Jugendliche sich andere Drogen zum Berauschen gesucht haben als ihre Eltern und Großeltern. Da sich aber die älteren Generationen herausnehmen, sich zu berauschen, müssen sie dieses auch den jüngeren zugestehen.
Nur ein offener und vernünftiger Diskurs, der von der Achtung der Bedürfnisse der anderen, der von einer Gleichberechtigung ausgeht, und nicht die Dämonisierung/Ideologisierung, werden dauerhaft zur Bewältigung der Drogenproblematik beitragen können. Der Umbau der Gesellschaft hin zu einer Gemeinschaft, die Bedingungen zur Verwirklichung und Zufriedenheit aller als Grundlage hat, die von einem Klima der Toleranz, Offenheit und sozialen Gerechtigkeit geprägt ist, ist die beste Suchtprophylaxe und erklärtes Ziel von PDS-Politik.
Als Beginn in unserem Land könnte ich mir die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze illegalisierter Drogen, weicher Drogen, genauso vorstellen wie die Einrichtung niedrigschwelliger Hilfeangebote für Drogenabhängige, zum
Beispiel die Einrichtung von so genannten Gesundheitsräumen. Was auch immer getan wird, es muss darauf hinauslaufen, dass junge Menschen wie ältere verantwortungsvoll mit Drogen umgehen lernen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Caffier,
das Vorhalten von Fehlern,
hallo, Herr Caffier, das gegenseitige Vorhalten von Fehlern bringt uns überhaupt nicht weiter.
Und auch das Darauf-Pochen, sich für das eine oder das andere zu entschuldigen, bringt uns überhaupt nicht weiter. Was passieren muss, ist, dass wir Jugendliche mitbeteiligen an Entscheidungsfindungen. Es ist jetzt bereits länger als ein halbes Jahr her, dass hier in Schwerin „Jugend im Landtag“ als Start der Beteiligungskampagne des Landesjugendrings stattgefunden hat und 100 junge Leute aus unserem Land sich mit ihrer Meinung
in Politik eingemischt haben. Wenn Sie sich erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben über 40 Abgeordnete, vier Minister und selbst der Ministerpräsident die jungen Leute besucht, haben sich auf den Fußboden gesetzt und miteinander diskutiert, aber vor allem haben sie auch mit zugehört, wie sich Jugendliche die Zukunft vorstellen.
Ein halbes Jahr ist eine lange Zeit für Jugendliche und da komme ich auf das monatelange Pochen von Erwartungen, dass man sich entschuldigt oder dass man Fehler eingesteht. Für Jugendliche ist ein halbes Jahr eine lange Zeit, wie wir alle über unsere E-Mail-Briefkästen auch erfahren konnten. Dort schlugen regelmäßig Nachfragen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber auch interessierten anderen Jugendlichen zu den Ergebnissen und der Umsetzung von „Jugend im Landtag“ auf. Für uns, die wir den parlamentarischen Alltag kennen, ist die Beantwortung innerhalb eines halben Jahres eher eine schnelle Bearbeitung. Die Jugendlichen erwarten dies schneller und wollen sich einbringen, wie auch Gespräche nach „Jugend im Landtag“ zeigten. Und das ist gut so, denn auch Politik muss sich in dieser schnelllebigen Zeit ändern und auf die Jüngsten der Gesellschaft eingehen, sie zum Mitmischen motivieren und sie vor allem einbinden in die Umsetzung der Ergebnisse.
Meine Fraktion hat wie auch die der SPD pünktlich ihre Antworten zum Forderungskatalog von „Jugend im Landtag“ fertiggestellt und – genau, wie damals vom Sprecher des Landesjugendrings Björn Richter gefordert wurde – zu den Fragen eine deutliche Antwort gefunden. Zum 26.06.2001 hat der Landtagspräsident Hinrich Kuessner die Teilnehmer von „Jugend im Landtag“ in den Landtag eingeladen, um die Ergebnisse zu veröffentlichen und den Jugendlichen die Möglichkeit für Nachfragen an uns Politiker zu geben. Lassen Sie uns diese Chance nutzen und lassen Sie uns möglichst vielzählig auf diesem parlamentarischen Abend erscheinen, um zu zeigen, wie wir es ernst meinen mit Jugendbeteiligung und den Schwung der jungen Leute in die Politik mitnehmen.
Wenn ich sage, dass wir Ideen der Zusammenarbeit in die Politik mitnehmen sollten, dann meine ich auch deren konkrete Umsetzung. Ich danke deshalb dem Landtagspräsidenten für die Übernahme der Schirmherrschaft der Beteiligungskampagne und dem Sozialministerium und auch dem Bundesjugendministerium für die finanzielle Unterstützung des Moderatorenkonzeptes in diesem Zusammenhang.
Nun sind die umsetzenden Jugendverbände gefragt, Ergebnisse vorzuweisen und durch den Moderator Beteiligungsprozesse in den Kommunen durchzuführen und Verwaltung und Kommunalpolitik, aber auch andere Entscheidungsträger in Jugendbeteiligungsprozessen zu schulen und einzubinden. Ich habe gerade in der letzten Zeit rege Kontakte mit dem Jugendparlament-Förderverein aus Wismar gehabt und erfahren können, wie engagiert Jugendliche ihre Ideen für die Stadt Wismar in Jugendfragestunden mit der Politik austauschen und die Politik dann durch die verschiedenen Ämter die Erledigung zusagt und auch wirklich umsetzt. Auch dieses gibt es in unserem Land. So konnten zum Beispiel die Jugendclubs auf ihre Wirksamkeit geprüft und verbessert werden, konnten rechtsextremistische Zustände in Jugendclubs unterbunden werden und wurden öffentliche Plätze durch junge Gestaltung einfach schöner.
Schon durch diese benannten Erfahrungen glaube ich, dass junge Leute sich selber beteiligen können und dieses auch wollen, wenn man sie denn lässt. Wenn wir über ein Demokratiedefizit sprechen und damit die radikale Abwendung von Jugendlichen von der Demokratie meinen – immerhin sind nach einer Studie des örtlichen Präventionsrates 60 Prozent der Jugendlichen der Stadt Rostock der Meinung, dass Demokratie nicht die beste Staatsform ist –, dann wird es Zeit, nicht nur über die Aktuellen Stunden und parlamentarischen Gespräche zu handeln, sondern langfristig Möglichkeiten zur Partizipation von Jugendlichen zu schaffen.
Ich möchte deshalb zum Schluss nochmals konkret werden und die Fraktionen auffordern, folgende Punkte gemeinsam zu diskutieren und zu Ergebnissen zu führen:
Unterstützung von Jugendbeteiligungsprojekten in den Kommunen Allein durch die Besuche von Landtagsabgeordneten fühlen sich die engagierten Jugendlichen schon ernst genommen, andere motiviert es zum Mitmachen.
Teilnahme auch von uns Landtagsabgeordneten an den Moderationsschulungen der Beteiligungskampagne, damit auch wir Beteiligungsprozesse moderieren können
Einrichtung eines Kinder- und Jugendausschusses nach den nächsten Wahlen, da die Belange von Kindern und Jugendlichen ressortübergreifend behandelt werden müssen und wir Jugendlichen eine gesicherte Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern bieten können, um nicht weiter zu vergreisen
Erweiterung der Kommunalverfassung, damit Jugendbeteiligung auch in den Kommunen echt umgesetzt werden kann und wir nicht solche Erlebnisse wie in Neubrandenburg haben, damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt und Kinder- und Jugendparlamente auch Sitz und Stimme in Jugendlichen betreffenden Fragen haben
Das gilt es in der nächsten Zeit genauso mit anzugehen. Das geht nur gemeinsam, so dass wir alle für die Jugendbeteiligung in unserem Land streiten. Lassen Sie uns Jugendbeteiligung bei den nächsten Wahlen stattfinden und unsere Reihen hier ein bisschen auffrischen. – Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesratsinitiative, die wir hier mit unterstützen wollen, ist ja nicht von uns entwickelt worden.
Sie liegt seit einigen Jahren im Bundesrat und wartet auf ihre Erfüllung.
Mehrere Initiativen – danke schön, Herr Innenminister.
Ein kommunales Wahlrecht für hier Lebende, auch Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger, ist ein Teil der Integration in unsere Gesellschaft. Gegenwärtig kommen pro Jahr etwa 700.000 Menschen ins Land als Flüchtlinge, MigrantInnen, AussiedlerInnen und Familienangehörige, sicherlich oftmals unter Nutzung des Asylrechtes, denn eine andere Einwanderungsregelung gibt es in der Bundesrepublik ja nicht. Genauso viele wandern wieder aus oder werden gegen ihren Willen wieder abgeschoben. Das ergibt zusammen eine Nettozuwanderung von Null. UN-ExpertInnen haben erklärt, Industriestaaten wie die Bundesrepublik Deutschland brauchen allein aus demographischen Gründen in den nächsten Jahren eine jährliche Nettozuwanderung von 500.000 Menschen. Und das wird ja mittlerweile von allen Parteien anerkannt.
Auch deshalb, aber vor allem aus menschenrechtlicher, aus völkerrechtlicher Sicht erinnere ich daran, dass offene Grenzen für Menschen in Not eine alte demokratische Forderung sind. Aus diesem Grund ist es selbstverständlich zu begrüßen, dass – wenn auch über Umwege, zum Beispiel über die Greencard – eine Versachlichung der Debatte über die Frage von Asyl und Migration möglich scheint, allerdings nicht auf die Art und Weise, wie das Herr Thomas gerade vorgeführt hat, oder mit der unseligen Parole „Kinder statt Inder“ der CDU/CSU und auch nicht in Form einer Sortierung von Menschen über Diskussionen über gute und schlechte Einwanderung, über nützliche und unnütze Ausländer. Beides bedient rassistische Hetze und gießt Wasser auf die Mühlen von RechtsextremistInnen und Neonazis.
Vor allem die Industrie strebt eine Neuauflage von Wanderarbeit an, um sich mit billigen Arbeitskräften aus dem Ausland eindecken zu können à la Gastarbeiterpolitik der 60er Jahre. Wer zu einer vermeintlichen Elite gehört, wer jung und billig ist und wer der Wirtschaft nützt, soll leichter als bisher kommen können. Wer dagegen politischer Verfolgung oder sozialer Not ausgesetzt ist und zu uns
kommt, wird diskriminiert und, wenn es irgend geht, wieder abgeschoben, leider auch aus Mecklenburg-Vorpommern.
In den letzten Wochen wurden Ergebnisse von Recherchen der Antirassistischen Initiative Berlin bekannt gegeben. Danach sind von Anfang 1993, dem Jahr des so genannten Asylkompromisses, bis Ende 2000 infolge der Flüchtlings- und Abschiebepolitik der Bundesrepublik 2 3 9 Menschen ums Leben gekommen, bei denen es direkt nachgewiesen werden kann. Das heißt, der staatlichen Asylpraxis fielen mehr Menschen zum Opfer als rassistischen Übergriffen von Rechtsextremisten. Aufgrund deren Gewalttaten starben im gleichen Zeitraum 6 4 Flüchtlinge. Es wird davon ausgegangen, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist. 199 Flüchtlinge starben in den letzten acht Jahren auf dem Weg nach Deutschland oder an dessen Grenze, 89 allein an den Ostgrenzen. 9 2 Menschen begingen aus Furcht vor Abschiebung Selbstmord oder kamen bei dem Versuch ums Leben, sich dieser Praxis zu entziehen, 45 davon in Abschiebehaft. 310 Flüchtlinge überlebten solche Versuche mit Verletzungen, 5 Flüchtlinge wurden bei der Abschiebung getötet, 13 in ihrem Herkunftsland, in das sie abgeschoben worden waren. 10 Menschen starben nach Angaben in Deutschland durch Polizeigewalt,
145 wurden durch Polizisten oder Bewachungspersonal verletzt. Im gleichen Zeitraum erlitten 283 Menschen beim Grenzübertritt nach Deutschland Verletzungen, 159 wurden während der sofortigen Zurückschiebung verletzt. Das sind Tatsachen, die keinem ein ruhiges Gewissen und ungestörten Schlaf bereiten sollten. Das sind Fakten, die uns alle veranlassen sollten, Debatten unter dem Slogan „Selektierte Einwanderung ja, Asylrecht nein!“ entschieden entgegenzutreten.
Diejenigen, die solche Debatten führen, sind die gleichen, die bei den Sozialleistungen weniger Staat wollen, damit sozial Schwache noch weniger erhalten, zugleich jedoch nach Staatshilfe bei der Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland rufen, um noch mehr Gewinne machen zu können. Diese neoliberale Logik ist unvereinbar mit Humanität und Achtung der Menschenwürde, weil diese Logik eine neue Form von Kolonialraub darstellt.
Seit langem gibt es dafür den Begriff des Braindrain, des Abzugs von Gehirnen. Wissen und Qualifikation sind gefragt, nicht der ganze Mensch.
Eine demokratische Korrektur der bundesdeutschen Emigrations- und Asylpolitik ist überfällig. Auch die Änderung des Artikels 28 Absatz 1 des Grundgesetzes gehört dazu, um auch den Nicht-EU-BürgerInnen das Wahlrecht als Ausdruck direkter demokratischer Mitwirkungsmöglichkeit bei uns zu eröffnen, auch wenn es zunächst allein das kommunale Wahlrecht ist. Menschen, die zu uns kommen, müssen sich dauerhaft niederlassen können und dürfen nicht länger diskriminiert werden. Sie müssen gleiche soziale und politische Rechte haben wie alle anderen hier Lebenden.
Wissen Sie, geehrte Damen und Herren, dass 1990 die UNO eine Konvention über Wanderarbeit beschlossen hat
und was diese fordert? Sie fordert für alle WanderarbeiterInnen Schutz vor Diskriminierung, Freizügigkeit und Recht auf Familiennachzug, freie Ausübung der Religion und freie kulturelle Betätigung, Kündigungsschutz, Schutz vor Ausweisung und gleiche soziale Sicherheit wie die Staatsangehörigen der Anwerberstaaten, gleichen Zugang zur Berufsberatung, Arbeitslosengeld, Umschulung und Schutz vor Mietwucher, gleiche Bildung und Ausbildung für ihre Kinder sowie freie politische und gewerkschaftliche Betätigung und Streikrecht. Da haben wir hier noch einiges zu tun.
Die Konvention hatte die CDU/CSU-Regierung damals nicht unterzeichnet. Sie ging ihr einfach zu weit. Aber auch die jetzige Bundesregierung weigert sich bis heute, die Konvention anzuerkennen.
Meine Fraktion ist der Meinung, dass diese UN-Konvention bedingungslos ratifiziert werden muss.
Offene Grenzen für Menschen in Not, Asylrecht, Einwanderungsrecht auf menschenrechtlicher Basis, Niederlassungsrecht sowie gleiche Rechte wie das Wahlrecht für alle Menschen, die hier leben, die hier bleiben wollen, das wäre eine humane und demokratische Asyl- und Emigrationspolitik. Dafür sollten wir hier im Landtag wie auch außerhalb des Parlamentes eintreten und streiten, also auf die Zeichen der weltweiten Entwicklung reagieren, ehe uns das Problem überrollt.
Lassen Sie mich zum Schluss anlässlich des Besuchs von Vertreterinnen und Vertretern des Sejmik der polnischen Woiwodschaft Westpommern hier im Landtag auf eine Aufgabe von hoher Priorität hinweisen, zumal es Absichtserklärungen und Absprachen gab, um die Beziehungen enger zu gestalten und voneinander bei der Suche nach Problemlösungen zu profitieren. Dabei müssen wir uns dringlich Folgendem zuwenden: Das deutschpolnische 2-plus-4-Abkommen verlangt eine Gleichbehandlung der Minderheiten beiderseits der Grenze. Während jährliche Millionenbeträge oft über politisch weit rechts stehende Kreise aus dem Bundeshaushalt an die deutschen Minderheiten in Polen fließen, werden die fast eine Million Menschen polnischer Herkunft bei uns nicht einmal als nationale Minderheit anerkannt. Das, so appelliere ich an uns alle, darf so nicht bleiben. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute noch – und das wurde mehrfach in diesem Hohen Hause schon ausgeführt – ist Mecklenburg-Vorpommern eines der jüngeren Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
In einigen Jahren wird sich dieses Bild jedoch gewandelt haben und in Mecklenburg-Vorpommern wird die älteste Bevölkerung der Bundesrepublik leben. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich habe natürlich nichts gegen Ältere, jedoch einige Punkte sind damit ja verbunden, wenn in einem Land nur ältere Menschen leben. Einige sage ich hier: Produktivität, soziales und kulturelles Leben. Auf mehr gehe ich jetzt nicht ein.
Es ist deshalb unbedingt notwendig, dass junge Menschen hier im Land eine Perspektive sehen und bereits früh als gleichberechtigte Partner unserer Gesellschaft anerkannt werden und sie mitgestalten können. Abgesehen davon, dass die Gesellschaft durch verschiedenste Regelungen dazu verpflichtet ist, einige wurden schon ausgeführt und stehen ja auch in dem Antrag beziehungsweise der Beschlussempfehlung, ist es von Bedeutung, dass Jugendliche dieses im täglichen Leben erfahren können. Deshalb verlassen ja auch viele Jugendliche unser Land. Ausbildung und Arbeit, das gehört unbestritten dazu. Perspektive heißt auch, beteiligt zu werden, mitzubekommen, dass den Interessen und den Vorstellungen junger Menschen Beachtung geschenkt wird, und dass sie über bestimmte Dinge einfach mit entscheiden wollen und können.
Mitentscheidung darf dann nicht bei der Wahl der kommunalen Vertretung stehen bleiben. Wer wählen darf, muss auch das Recht haben, gewählt zu werden und in den gewählten Gremien nicht von den Entscheidungen ausgeschlossen zu bleiben oder muss auch in Schulen die Möglichkeit haben, die Arbeit in den SchülerInnenvertretungen ohne Bevormundung und gleichberechtigt entsprechend der Drittelparität ausüben zu können. Oder sie müssen die Kinder- und Jugendparlamente auch mit Rechten zum Eingreifen und Gestalten ausgestattet haben, damit sie wirklich etwas bewegen können und diese nicht zu einer Alibiveranstaltung werden. Auch wenn es von vielen Menschen und vor allem von den VertreterInnen in den Kommunen und den LehrerInnen an den Schulen einiger Umstellungen bedarf, ist nach den Befindlichkeiten von Kindern und Jugendlichen zu fragen, um sie mit entscheiden zu lassen. Höchste Zeit ist es auf alle Fälle.
Die Beteiligungskampagne des Landesjugendringes hat zum Ziel, junge Leute zu befähigen, Leitungspositionen zu übernehmen, und das nicht erst, wenn sie die Strukturen über Jahre durchlaufen haben. Hier ist der Mut zur Entscheidung bei den Entscheidungsträgern gefragt. Politik und Entscheidungsträger mit Jugend in Kontakt zu bringen ist ein weiteres Ziel, um Vertrauen durch Jugendliche und Jugendbeteiligung zu wecken. Jugendverbände sollen als „Andockstationen“ für Beteiligungsprojekte etabliert werden und Jugendliche, die sich beteiligen wollen, sollen damit in Jugendverbände integriert werden. Nicht Doppelstrukturen sollen gefördert oder gar neu aufgebaut werden, sondern es sollen Entscheidungsstrukturen vorhanden sein. Dieses zeigt, dass die Jugend eben nicht, wie oft vorgeworfen wird, unmotiviert, unpolitisch, kriminell oder mehr oder auch weniger ist, sondern zeigt, dass diese Jugend nur nicht verarscht
und hingehalten werden will. So wie jeder andere auch möchten Jugendliche in sie betreffende Entscheidungen und Veränderungen mit einbezogen werden und es ist unsere Pflicht, dieses zu berücksichtigen, sie zu beteiligen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie dieses möglich wird.
Die Beschlussempfehlung kann in diesem Zusammenhang nur als ein Zwischenergebnis der Arbeit des Landtages gesehen werden, als ein Signal, auf das bereits lange gewartet wird, dass die Jugendlichen, die im vergangenen Herbst an „Jugend im Landtag“ teilgenommen haben, nicht umsonst erschienen sind und sich dort bemüht haben und diese Ergebnisse wahrgenommen werden.
Das Sozialministerium hat mit Veränderungen in der Jugendplanung begonnen und ist im Gespräch mit Jugendvereinen und Verbänden sowie dem Landesjugendring als Interessenverband. Verschiedene Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, auch wenn jetzt nicht so viele da sind, bemühen sich darum, Ähnliches zu leisten. Die Erarbeitung der Richtlinie zum Landesjugendplan dient natürlich nicht nur der Unterstützung der Beteiligungskampagne des Landesjugendrings und diese ist natürlich nicht die Erfüllung der Kampagne beziehungsweise der sich für das Sozialministerium und die Landesregierung daraus ergebenden Aufgaben. Aber dies ist
für das Sozialministerium natürlich selbstverständlich. Selbstverständlich sollte auch sein, dass die Unterstützung nicht nur von der Landesregierung im Allgemeinen und dem Sozialministerium als zuständiges Ministerium im Besonderen kommen darf. Es sind alle Menschen hier gefragt. Politiker und sicher besonders alle anderen Menschen, vor allem die, die sich Erwachsene nennen, sind jedoch nicht weniger davon betroffen, sich einzubringen und in ihrem Denken umzudenken. Wenn sich niemand über den Tisch gezogen fühlt und nicht über den Kopf Entscheidungen gefällt werden, sondern Beteiligung ernst und ehrlich genommen wird, wird dieses Engagement von Jugendlichen gefördert werden. Sie werden sich in die Gestaltung der Gesellschaft mit einbringen und weniger anfällig für menschenverachtete Ideologien sein.