Gerade wenn dieser Dialog kontrovers ist, hilft uns der Staatsvertrag. Denn mit ihm haben wir doch ein gemeinsames Papier, auf das wir ihn beziehen können. Wir haben eine geeinte Grundlage, wir haben geeinte Werte. Erst auf Basis dieser Werte können wir durch den Staatsvertrag Normen verklarend gemeinsam in den Dialog gehen. Deswegen hilft der Staatsvertrag und ist kein Hindernis.
Ich möchte Sie zu einem weiteren Gedanken entführen, nämlich zu dem Gedanken um den von einem bärtigen Muslim umgehauenen Weihnachtsmann und zu der Frage, ob diese Karikatur ohne den Staatsvertrag irgendjemanden interessiert hätte. Gerade dadurch, dass wir diesen Staatsvertrag und damit das Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten haben, gerade dadurch, dass wir deswegen einen Handlungsrahmen haben, der den Rechtfertigungsdruck und damit auch die Veränderung erzeugt, kommen wir doch überhaupt in den Diskurs über einen gemeinsamen Weg. Daran, was in einer Stadt passieren kann, wenn sich Religionen ausgrenzen, anfeinden oder bekriegen, wollen wir gar nicht denken. Deswegen ist es so wichtig, in diesem Handlungsrahmen zu bleiben und ihn dann aber auch auszuschöpfen.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich das hier in fünf Minuten nicht erschöpfend darlegen kann. Nur so viel: Eine Partei, die ein religiöses Bekenntnis im Namen trägt und einen Antrag gestellt hat, dauerhaft mit anderen Gemeinschaften vernünftig umgehen zu wollen, macht sich meiner Meinung nach etwas zu schnell und mit zu wenig Verantwortung vom Acker. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Vier Jahre alt ist der Vertrag mit den drei islamischen Religionsgemeinschaften und gleich drei Fraktionen beantragen aus Anlass der ersten größeren Krise eine Kündigung beziehungsweise teilweise Aussetzung. Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass meine Fraktion sich nicht auf eine gemeinsame Position verständigen konnte. Wir haben die Abstimmung für alle Anträge freigegeben. Dass wir uns nicht verständigen konnten, hängt mit der komplexen Problematik zusammen. DITIB ist mit Vorwürfen kon
frontiert, mit Vorwürfen, die die Störung des interreligiösen Friedens und des friedlichen interkulturellen Zusammenlebens betreffen und teilweise von strafrechtlicher Bedeutung sind.
So der Vorwurf der Spionage gegen mehrere Imame in Nordrhein-Westfalen und Bayern und aktuell der absolut inakzeptablen antisemitischen Hetze auf der Website einer hessischen DITIB-Gemeinde. Das sind schwerwiegende Vorwürfe. Aber wer deshalb den Vertrag auf Eis legen oder gleich ganz kündigen will, der sollte sich auch die Mühe machen darzulegen, inwieweit der betroffene Vertragspartner, nämlich der DITIB-Landesverband, diese Verletzungen begangen oder sie gebilligt hat. Das ist nach meiner Auffassung rechtsstaatlich geboten.
Der sollte vor allem auch die Konfliktregularien aus Artikel 12 und 13 nutzen, die der Vertrag vorsieht. Die drei Anträge erheben keine konkreten Vorwürfe gegen den Vertragspartner DITIB Hamburg. Aber es ist tatsächlich sehr viel komplizierter. Es hängt mit der Verfasstheit von DITIB und mit der politischen Entwicklung in der Türkei zusammen. Der bundesweite Islamverband DITIB und seine Mitgliedsverbände sind seit je eng mit der türkischen Regierung verflochten. Er untersteht der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, das dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert ist. Die Imame werden aus der Türkei entsandt und sind de facto Beamte des türkischen Staats. Ich führe die Verflechtungen nicht weiter aus. Die Problematik war beim Abschluss der Verträge bekannt, aber sie hat sich erheblich verschärft, und zwar in dem Maße, wie Erdogan die Türkei in eine autoritäre Demokratie und auf den Weg zu einer Diktatur bringt, und in dem Maße, wie das Regime Erdogan türkischstämmige Migrantinnen und Migranten in Deutschland für nationalistische Mobilisierung und DITIB für die Verfolgung Andersdenkender einspannt. Über DITIBMoscheen reicht Erdogans langer Arm bis nach Deutschland. Die Anwerbung von Imamen, also von Geistlichen, für geheimdienstliche Tätigkeit ist ein ungeheuerlicher Vorgang.
Das muss von den vielen Tausend Migrantinnen und Migranten in Hamburg, die in Opposition zu Erdogans Politik stehen, deren Freunde, Bekannte und Verwandte oder deren politischen Vertreterinnen und Vertreter, die sie in der Türkei gewählt haben, mit der doppelten Staatsbürgerschaft in existenzielle Not, ins Gefängnis oder auch ums Leben gekommen sind, als ernsthafte Bedrohung verstan
den werden. Das ist in der Tat eine ernsthafte Bedrohung. Deshalb sagt meine Fraktion einhellig, dass das überhaupt nicht geht.
Die alevitische oder kurdische Community, türkischstämmige Oppositionelle oder Andersgläubige müssen sich in Hamburg vor Erdogan sicher fühlen können.
Sie dürfen nicht Angst davor haben müssen, dass Erdogans verlängerter Arm sie bedroht. Deshalb muss DITIB Hamburg nachprüfbar Garantien schaffen, dass von ihren Moscheen keine Bedrohung Andersdenkender und Andersgläubiger ausgeht.
DITIB muss auch in Hamburg einen Schnitt machen und sich aus dem organisatorischen und politischen Einfluss durch das Regime Erdogan lösen. Das ist zugegebenermaßen nicht leicht, aber unverzichtbar. Keiner von uns LINKEN möchte jetzt den Vertrag kündigen. Doch einige wollen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg jetzt DITIB die gelb-rote Karte zeigt – ähnlich wie es die CDU will, allerdings nicht mit der Absicht der politischen Instrumentalisierung.
Ich gebe aber zu bedenken, dass Verträge für den Belastungsfall geschlossen werden. Für mich hat der Vertrag gerade auch mit seinen Konfliktregularien eine große Bedeutung, weil er die durch die Verfassung garantierte Religions- und Bekenntnisfreiheit vertraglich ausformuliert und damit die staatsbürgerlichen Rechte der Muslime in Hamburg anerkennt. Wenn wir hier und heute den Weg der Aussetzung oder Kündigung beschreiten, dann hätte das – so ist meine Befürchtung – in diesen Zeiten des drohenden weltweiten Kulturkampfs eine verheerende Wirkung. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Islamische Zentrum Hamburg, IZH, engagiert sich regelmäßig beim sogenannten Al-Quds-Tag in Berlin, an dem gegen Israel demonstriert wird und antisemitische Propaganda stattfindet. Das IZH ist Mitglied der SCHURA. Die SCHURA ist einer der Vertragspartner, mit
dem die Stadt 2013 einen Staatsvertrag geschlossen hat. Ein anderer Vertragspartner ist DITIB. Einige der Mitglieder und Funktionsträger machen in den sozialen Medien unsere westliche Kultur verächtlich. DITIB steht in begründetem Verdacht, als verlängerter Arm des türkischen Geheimdienstes in Deutschland tätig gewesen zu sein. Das sind sehr schwerwiegende Verstöße gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, GRÜNEN und, wenn ich es richtig verstanden habe, auch von Teilen der LINKEN, verteidigen zumindest die Islamverträge und sehen keinerlei Handlungsbedarf, diese Verträge zu überprüfen.
Das haben Sie ganz klar so gesagt. Sie halten an diesen Verträgen fest. Und ich frage mich, was denn noch passieren muss, damit Sie endlich reagieren und prüfen, wie dieser Staatsvertrag aufgelöst werden kann.
Frau Kollegin, wie wollen Sie denn die Probleme angehen, wenn Sie keine Gesprächsgrundlage mehr haben?
Vielleicht lassen Sie mich einmal fortfahren, denn ich komme natürlich noch auf diesen Punkt zu sprechen.
Sie sagen – Herr Tjarks hat es heute betont –, dass Sie keine Empörungsdebatte wollen. Ich sage Ihnen, dass es gut, richtig und sogar notwendig ist, sich über Intoleranz und Hetze gegenüber anderen Religionen und Mitmenschen zu empören.
Der Staat muss sich empören. Er darf nicht wegschauen, wenn Vertragspartner ganz offensichtlich gegen die vereinbarten Grundlagen verstoßen. Der Staat muss ganz besonders kritisch hinschauen, wenn gegen die Prinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen wird. Es ist nämlich unsere Pflicht, uns über die Einflussnahme autoritärer Staaten auf bei uns lebende Mitbürgerinnen und Mitbürger zu empören.
Denn es ist Aufgabe des Rechtsstaats, Grenzen zu setzen, und zwar die Grenzen unserer Verfassungsordnung. Das nämlich verstehen wir unter einer wehrhaften Demokratie.
Ich will jetzt aber auch versuchen herauszuarbeiten, in welchen Punkten wir uns einig sind, jedenfalls diejenigen Redner betreffend, die bisher ans Rednerpult getreten sind. Das sind erstens: Die Religionsfreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Wertegemeinschaften. Aufgabe des Staats ist es, sie zu garantieren. Zweitens: Menschen muslimischen Glaubens gehören zu uns. Wir wollen sie integrieren und halten deshalb den intensiven Dialog mit ihnen für richtig und wichtig. Drittens: Es gab eine Reihe offener Fragen, über die im Verhältnis von Staat und islamischen Verbänden und deren Mitgliedern Absprachen zu treffen waren, zum Beispiel zu Religionsunterricht, Feiertagen, Bestattungen und so weiter. An dieser Stelle hören die Gemeinsamkeiten dann aber auch auf. Die FDP-Fraktion war und ist auch heute noch der Meinung, dass es für die Regelung dieser Fragestellungen keineswegs eines Staatsvertrags bedurfte; dazu hätten Verwaltungsabkommen vollkommen ausgereicht.