Protocol of the Session on September 25, 2019

(Sabine Boeddinghaus)

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Für die AfD-Fraktion erhält nun Herr Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wurde schon angesprochen: Die Anmeldung heute ähnelt im Grunde der Aktuellen Stunde vor wenigen Wochen so 1:1, dass ein Großteil der heutigen Debatte eher Augenwischerei zu sein scheint und jeder im Grunde gut daran getan hätte, Wiederholungen des Damaligen zu vermeiden.

(André Trepoll CDU: Es geht um den An- trag!)

Deswegen kurz zwei Sachen. Erstens zum angeblichen Wiedermöglichmachen von Sitzenbleiben, das uns hier verkauft wird; aus unserer Sicht eine richtige und wichtige Forderung. Dazu hatte schon in der letzten Debatte Herr Duge – Schulausschussvorsitzender – für die GRÜNEN erklärt, dass das Sitzenbleiben nur unter sehr extremen, außergewöhnlichen Voraussetzungen möglich sein soll. Also: Augenwischerei bestätigt.

Und inhaltlich nur noch einmal kurz der aus unserer Sicht wesentliche Punkt: Wir lassen uns, anders als diejenigen, die diese Vereinbarung unterzeichnen wollen, nicht davon abbringen, dass G9 an den Gymnasien dem Wunsch vieler Eltern und Schüler entspricht. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Möglichkeit – nicht der Zwang, aber die Möglichkeit –, an einzelnen Gymnasien G9 anzubieten, in Zukunft auch in Hamburg gegeben sein wird, so wie das in Schleswig-Holstein von einem Großteil der Wähler gewünscht, verlangt und umgesetzt wurde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun Herr Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit jetzt fast elf, zwölf Jahren erlebe und gestalte ich Bildungsdebatten in diesem Hause mit. Die allermeisten Bildungsdebatten sind sehr schnell auf einem hohen Adrenalinspiegel. Das ist auch okay bei diesem wichtigen Thema. Umso mehr fällt es auf – und mir fällt es positiv auf –, dass bei einem Thema, das bundesweit große Beachtung findet, Hamburg relativ gelassen argumentiert, nämlich bei dem Thema Schulfrieden. Das ist ein Ausdruck dafür, dass wir alle miteinander lange, lange Zeit diskutiert haben und dabei weitergekommen sind und erkannt haben, dass es gut ist, an dieser Stelle im Interesse von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Lehrkräften einmal ein Stück weit Vernunft walten

zu lassen und mit einer gewissen Reflexion und Nachdenklichkeit, aber auch mit dem Sinn für das Gemeinsame eines der entscheidenden Themen für die Schulpolitik zu diskutieren. Dafür, meine Damen und Herren, bin ich ausgesprochen dankbar.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Birgit Stöver und André Trepoll, beide CDU)

Ich will deshalb nicht viele Worte machen, sondern auf einen Umstand zu sprechen kommen, der mich nach wie vor nachdenklich macht in Bezug auf die Frage, welche Bedeutung die Schulstruktur denn wirklich hat. Ich will hier keine Gräben aufreißen, aber ich will daran erinnern, dass die drei Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen ähnliche Schülerschaften haben und bei den bisherigen Leistungsstandsuntersuchungen in der Regel unter den 16 Bundesländern immer die Schlusslichter in der Tabelle gebildet haben – was auch in Bezug auf die besondere Schülerschaft nicht unbedingt ein großes Wunder ist. Wenn wir uns aber die Schulstruktur dieser drei Bundesländer anschauen, dann sehen wir, dass Berlin eine sechsjährige Grundschule hat, Hamburg und Bremen haben eine vierjährige. Dagegen hat Bremen wiederum gewährleistet, dass 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Stadtteilschule besuchen und nur maximal 20 Prozent ein Gymnasium besuchen dürfen. Damit hat Bremen eine weiterführende Schulstruktur eingeführt, die sich von unserer formal zwar nicht unterscheidet, weil es zwei Wege gibt, aber es hat doch sehr, sehr klar die Weichen gestellt, dass die Schülerschaften sich anders sammeln und dadurch – so aus Sicht Bremens – deutlich mehr gemeinsames Lernen ermöglicht wird. Trotzdem zeigt sich, dass diese Unterschiede in der Struktur auf die Ergebnisse, zumindest auf die messbaren Ergebnisse der Lernstandsuntersuchungen der Kultusministerkonferenz, von PISA, von TIMSS und IGLU und wie sie alle heißen, keine wirklichen Auswirkungen haben. Man könnte sogar bösartig sagen – es wurde darauf hingewiesen –, Hamburg habe sich ein Stück nach vorn bewegt – nicht weit genug, wie ich finde, aber ein messbares Stück –, die anderen beiden Länder nicht.

Wenn man das weiß, dann heißt das nicht, dass die Schulstruktur vollkommen belanglos ist. Aber es heißt, dass es nachhaltigere, wirkungsvollere Veränderungen des Schulsystems gibt, um denjenigen Rückenwind zu geben, um die es uns wirklich geht, und das sind jene Schülerinnen und Schüler, die von zu Hause zu wenig Rückenwind bekommen. Und wenn man sich nur diese Einzelheiten ansieht, dann, finde ich, ist es gut, dass wir uns heute bei dem Thema Schulfrieden nicht mehr aufregen, sondern gemeinsam zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir, wenn wir Schülerinnen und Schülern gezielt Rückenwind geben wollen, jene Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

die diesen Rückenwind brauchen. 27 Prozent der Kinder sprechen zu Hause kein Deutsch.

Ein Viertel der Kinder gilt als sogenannte Risikoschüler, wie es die Bildungsforscher beschreiben; eigentlich könnte man sagen, sie kommen eher aus schwierigen Elternhäusern. Das können die Kinder nicht verantworten. Wenn es uns um diese Kinder geht, dann sollten wir uns auf die Maßnahmen konzentrieren, die ihnen unmittelbar und wirkungsvoll helfen. Dafür bin ich diesem Haus sehr dankbar, und gern werden wir den Schulfrieden entsprechend umsetzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Für die SPD-Fraktion erhält jetzt Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit 2005 bin ich schulpolitisch in Hamburg unterwegs. Ich habe mich immer für längeres gemeinsames Lernen eingesetzt und immer dafür, dass es eine Entkopplung gibt von Bildungskarriere und Elternhaus – und das tue ich auch noch immer. Ob der jetzt neu aufgelegte Schulfrieden die bildungspolitische Entwicklung, die in den nächsten Jahren vonnöten sein könnte, zu stark einengt, wird sich noch zeigen meiner Meinung nach; am Beispiel des Schulentwicklungsplans haben wir gesehen, wie schnell die Dinge sich ändern. Vor Jahren haben wir noch über den demografischen Wandel gesprochen und befürchtet, dass zu wenig Schüler an unsere Schulen kommen, inzwischen ist genau das Gegenteil der Fall.

Die Schulen haben sich in Hamburg seit 2011 qualitativ verbessert. In erster Linie waren es natürlich die Schüler und Schülerinnen, die Lehrkräfte und die Eltern, die das bewirkt haben. Ganz wesentlich waren Maßnahmen wie die gebührenfreie Kita und die von Senator Rabe angestoßene Ganztagsschuloffensive mit kostenlosen Angeboten, die überproportionale Aufstockung der Schulen mit Lehrkräften, mehr sozialpädagogische Fachkräfte und Erzieherinnen und Erzieher, mehr Wochenstunden für Mathematik, Instrumente der Qualitätsverbesserung des Unterrichts und anderes mehr. Das war und ist eine gelungene Qualitätsoffensive, Frau Stöver.

(Beifall bei der SPD und bei René Gögge GRÜNE)

Wie viel der Schulfrieden davon bewirkt hat, darüber kann man sich streiten. In dem gerade von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten "Ländermonitor berufliche Bildung 2019" wird herausgestellt, dass in keinem anderen Bundesland der Anteil der Berufsschüler, die eine vollwertige duale Berufsausbildung machen, so hoch ist wie in Ham

burg, und es in der Hansestadt schneller als anderswo gelingt, Schulabgängern ohne Lehrstelle zügig einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Der Übergang Schule/Beruf, der damals intensiv diskutiert worden ist, hat sich seit 2011 spürbar verbessert.

(Beifall bei der SPD und bei Olaf Duge GRÜNE)

Ich könnte die Aufzählung fortsetzen.

Kurzum: Aus meiner Sicht sind andere Themen wichtiger als die Fortsetzung des Schulfriedens. Deshalb werde ich mich bei dem vorliegenden Antrag enthalten und freue mich, einer Fraktion anzugehören, die abweichende Meinungen toleriert und respektiert.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer also möchte nun die Drucksache 21/18362 in der Neufassung an den Schulausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache über den gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP aus der genannten Drucksache in der Neufassung.

Wer diesem nun seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 61, Antrag der SPD- und der GRÜNEN Fraktion: Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen: Ausnahmeregelung bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten der Sozialen Erhaltungsverordnung abschaffen.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen: Ausnahmeregelung bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten der Sozialen Erhaltungsverordnung abschaffen – Drs 21/18359 –]

Ich möchte hierzu vorab anmerken, dass dieser Tagesordnungspunkt von der SPD-Fraktion als Kurzdebatte angemeldet worden ist, sodass jeder Rednerin und jedem Redner pro Debattenbeitrag jeweils zwei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

(Senator Ties Rabe)

Wer also wünscht hier das Wort? – Herr Rosenfeldt, Sie bekommen es für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag wollen wir eine Ausnahmeregelung bei der Sozialen Erhaltungsverordnung abschaffen, die es immer noch ermöglicht, dass auch in diesen Gebieten Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden,

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

nachdem eine siebenjährige Schonfrist – Schamfrist, kann man sagen – eingehalten wurde, in der die Wohnungen den Mieterinnen und Mietern angeboten werden. Dies greift in der Regel deshalb nicht, weil die Mieter in diesen Gebieten oft schlicht nicht das Geld haben, sich diese Wohnungen zu kaufen. Außerdem wird dieses Recht auch noch oft umgangen, indem als Scheinmaßnahme Eigenbedarf angemeldet wird.

Wir wollen gemischte attraktive Stadtteile in dieser Stadt sichern, in denen die Mieter vor Verdrängung und Spekulantentum geschützt sind,

(Beifall bei Ole Thorben Buschhüter und Frank Schmitt, beide SPD)

in denen der Altenpfleger, die Feuerwehrfrau und der Kellner weiterhin leben und sich Wohnungen leisten können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Fa- rid Müller GRÜNE)

Darum wollen wir dieses Schlupfloch schließen. Wir haben gesehen, dass die Soziale Erhaltungsverordnung ein sehr wirksames Instrument ist; wir haben es insbesondere gemerkt, als die CDU sie damals 2001 für zwei Gebiete abschaffte und wir sahen, wie dann die Umwandlungen wieder fortschritten. Seit 2011 haben wir als Sozialdemokraten mit der Regierungsübernahme die Wohnungspolitik umgestellt und wieder darauf geachtet, dass sie sich auch wieder an die kleinen und mittleren Einkommen richtet und das Wohnen in dieser Stadt möglich macht. Diese Möglichkeit wollen wir mit unserer Initiative noch einmal deutlich weiter verstärken.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt leben inzwischen 300 000 Hamburgerinnen und Hamburger – ganz neu: auch in Barmbek/Winterhude/der Jarrestadt – unter diesem Schutz, und wir denken: Das ist ein gutes Instrument, um diese Stadt lebenswert zu erhalten, für alle Mieterinnen und Mieter.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Hamann von der CDU-Fraktion.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage an Sie ist eigentlich eher: Wissen Sie denn, was Sie tun? Durch meine Kleine Anfrage wissen Sie es inzwischen. Die Fälle, um die es hier angeblich geht, sind, wie von mir vermutet und wie die Praxis zeigt … Also der Bär, den Sie erlegen wollen, ist kleiner als jeder Haribo-Bär, allerdings längst nicht so lebendig.

Schauen Sie sich einfach einmal die Zahlen an. Wir haben in Hamburg 925 000 Wohnungen – 925 000 Wohnungen, fast eine Million –, und wir reden hier über Einzelfälle. Im Bezirk HamburgMitte gab es mal eine Immobilie, in 2016/2017 gar nichts. Das Einzige, was auffällt: dass es in Altona und Eimsbüttel ein paar mehr Immobilien gibt, die von Umwandlung betroffen sind. Da fragt man sich allerdings auch, warum ausgerechnet dort. Die anderen Bezirke bekommen dieses aus Ihrer Sicht angeblich bestehende Problem offensichtlich in den Griff, Altona und Eimsbüttel nicht. Aber dort gibt es bald neue Bezirksamtsleiter, dann wird das ebenfalls besser. Sie werden also diesen Antrag auch unter diesem Aspekt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr brauchen.