Protocol of the Session on September 25, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Schulsystem ist nicht alles. Es sichert aber die Basis für weitere Verbesserungen, die wir jetzt zusammen mit diesem Schulfrieden auf den Weg gebracht und über die wir uns geeinigt haben. Hamburg trägt schon längst nicht mehr die Schlusslaterne unter den Bundesländern, sondern bewegt sich im Mittelfeld. Das ist bei den bestimmt nicht leichten sozialen Verhältnissen eines Stadtstaates nicht einfach. Wir wollen diese positive Entwicklung mit dem Schulfrieden in den nächsten fünf Jahren weiterführen. Dafür ist Klarheit über die Schulstruktur erforderlich, denn ständige Veränderungen in der Schulstruktur würden wieder zu Unsicherheiten und damit auch zu Hemmnissen in der Fortentwicklung führen. Der Schulstrukturfrieden ist also Grundlage für die weitere Schulplanung, zum Beispiel auch für die Erweiterungen und den Neubau von Schulen, die wir, was die Flächenbedarfe betrifft, im Schulstrukturfrieden mit aufgenommen haben.

Wir haben die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte weiter verbessert. Wir entlasten von Verwaltungsaufgaben, sodass sich Lehrkräfte mehr auf ihre pädagogischen Kernaufgaben, Unterrichtsentwicklung und Qualität des Unterrichts, konzentrieren können. Wir stellen alle Lehrkräfte bei der Einstellung gleich – A13 mit kleiner Zulage –, schrittweise in den nächsten Jahren. Wir werden den KESS-Index in regelmäßigen Abständen überprüfen, um denjenigen Schulen Unterstützung zukommen zu lassen, die sie wirklich brauchen. Wir werden die Klassengrößen in den fünften und sechsten Klassen an den Gymnasien auf maximal 27 Schülerinnen und Schüler reduzieren und in den Klassenstufen 7 bis 10 auf maximal 25. Wir werden Maßnahmen ergreifen, um den Vertretungsunterricht durch Arbeitsauftrag zu reduzieren. Und wir werden in der nächsten Legislaturperiode, übrigens wie geplant, keine Unterscheidung mehr in der Lehrerausbildung zwischen Gymnasial- und Stadtteilschullehrern machen, sodass alle Lehrkräfte an jeder der weiterführenden Schulen unterrichten können.

Das Ergebnis ist also weit mehr als nur die Aufrechterhaltung des Schulstrukturfriedens, sondern es ermöglicht und ist die Voraussetzung für die Verbesserung des Unterrichts, und das ist im Sin

(Birgit Stöver)

ne der Eltern und der Schülerinnen und Schüler. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Birgit Stöver und André Trepoll, beide CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Boeddinghaus das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor vier Wochen hier schon sehr eingehend unserer Positionen versichert. Wir erleben heute keine Überraschungen. Unsere Haltung ist geblieben. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen eine sozial gerechte und demokratische Bildungspolitik und ganz sicher keinen Antrag, der jetzt für weitere fünf Jahre eine Schulstruktur festschreibt, die für Selektion und soziale Spaltung steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist empirisch nachgewiesen, dass das Hamburger Zwei-Säulen-Modell Integration und Inklusion umfänglich behindert und verhindert. Und da meine ich nicht jede einzelne Schule; die Schulen machen eine gute Arbeit. Aber gerade diese Schulstruktur, die Sie hier so beschwören, verhindert, dass wir eine umfängliche Inklusion an allen Schulen haben, dass wir eine umfängliche Integration an allen Schulen haben, und das ist eben genau nicht das, was wir brauchen in der Weiterentwicklung eines modernen Schulsystems.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag manifestiert ein teuer erkauftes Denkund Redeverbot genau darüber:

(Barbara Duden SPD: Wo denn ein Rede- verbot?)

Was braucht unsere Schule im 21. Jahrhundert, um wirklich allen Kindern gerecht zu werden, um kein Kind zu beschämen? In Wahrheit reden wir jetzt gerade darüber, dass pro Schuljahr 900 junge Menschen das Gymnasium verlassen müssen. Und ich will hier auch gleich aufräumen mit der Mär, wenn man sie nur gut beraten würde, wären sie in der richtigen Schulform. Es gibt keine richtige Schulform dafür, Kindern mit neun Jahren zu sagen, wo sie hingehören. 40 Prozent all derjenigen, die nach Klasse 6 vom Gymnasium zurückgehen müssen, hatten eine Gymnasialempfehlung. Also diese Prognose, zu wissen, was die richtige Schulform ist, geht überhaupt nicht. Das muss sich ändern, und das tut dieser Schulstrukturfrieden nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aber deutlich sagen: Es sind natürlich gute Punkte in dem Antrag, das ist keine Frage – nur die hätte man auch ohne diesen Knebelvertrag beschließen können –,

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

nämlich die gerechte Besoldung. Die gerechte Besoldung hätte schon längst kommen müssen. Sie kommt jetzt schrittweise. Die Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben ist eine wichtige Sache. Aber wenn man genau hinschaut, müssen die Schulen selbst noch Geld mitbringen aus ihren knappen Budgets. Da müsste man im Grunde einmal eine transparente Evaluation über die Schulsekretariate machen. Die sind jetzt gedeckelt, die sind in vielen Schulen überhaupt nicht voll besetzt, das ist ein Drama. Wir brauchen natürlich auch die Aktualisierung der KESS-Faktoren, aber die müssten unter neue Parameter gestellt werden. All das müssen wir im Fachausschuss diskutieren.

Und einmal ganz ernst, Hand aufs Herz: Gemacht wurde das ganze Spektakel, weil die CDU den Schulfrieden angegriffen hat mit G9 am Gymnasium und das abgeräumt werden musste. Diese Kuh musste vom Eis, und dafür wurde dieses Konstrukt gebastelt. Es wurde nicht an die Kinder und Jugendlichen gedacht,

(Birgit Stöver CDU: Das ist ein gutes Ergeb- nis!)

sondern es wurde daran gedacht, dass man Schulstrukturen rettet. Das ist wirklich peinlich für RotGrün.

(Beifall bei der LINKEN)

Und noch eines zum Schluss: Was mich wirklich wundert, ist, dass niemand von Ihnen das neu gegründete Bündnis erwähnt, das doch ein sehr heterogenes Bündnis ist aus GEW, allen Schulleitungsvereinigungen aller Schulformen und aller Schulen in Hamburg und den drei Kammern. Sie haben wörtlich gesagt:

"Über Bildung in unserer Stadt darf nicht hinter verschlossenen Türen beziehungsweise allein in den Hinterstuben der Politik diskutiert werden, wie zuletzt bei der Diskussion um die Verlängerung des Schulfriedens. Hamburg braucht für die beste Bildung eine zukunftsfähige Kultur des gemeinsamen und transparenten Dialogs."

Ich kann mich dieser Kritik nur anschließen. Ich finde, wir brauchen die Expertise dieser Schulen. Die ist nicht von Ihnen eingeholt worden, bevor Sie hier so viele Einzelmaßnahmen in den Antrag hineingeschrieben haben.

(André Trepoll CDU: Wissen Sie doch gar nicht!)

Sonst wären Sie wohl nicht in die Pressekonferenz gegangen und hätten es vorgetragen; ich unterstelle den Menschen jetzt nicht unlauteres Vorgehen, Herr Trepoll.

(Beifall bei der LINKEN)

(Olaf Duge)

Und zum guten Schluss noch einmal ganz deutlich: Die Zeit fehlt heute, um inhaltlich zu diskutieren, was diese Campus-Stadtteilschulen der Stadt bringen sollen. Ich will mich da gar nicht im Einzelnen festlegen. Wenn es wirklich so ist, dass CampusStadtteilschulen vor Ort die Chance und die Rahmenbedingungen bekommen, sich zu einem längeren gemeinsamen Lernen zu entwickeln, bin ich die Letzte, die dagegen stimmt. Was ich aber deutlich sage: Diese Schulform ist eine neue Schulform, das steht jetzt noch einmal in der Pressemitteilung. Der Senat hat selbst formuliert, die Campus-Schule werde neben der normalen Stadtteilschule eingeführt. Ich fordere, dass wir im Schulausschuss darüber diskutieren,

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist eine Stadtteil- schule!)

dass das eine Parlamentsdiskussion ist. Diese Schulform muss gesetzlich abgesichert werden. Sie mogeln hier eine neue Schulform und gleichzeitig machen Sie einen Schulstrukturfrieden. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion bekommt nun Frau von Treuenfels-Frowein das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, wir können doch alle froh sein. Wer hat denn diese ganzen Ideologiedebatten nicht irgendwann einmal satt? Ich meine, wir machen das seit acht Jahren, dass wir uns hier gegenseitig Ideologie in Bildungsfragen um die Ohren hauen, ohne dass wir für die Stadt zu einem guten Ergebnis kommen. Das haben wir jetzt überwunden. Da kann man der CDU doch geradezu dankbar sein, dass sie G9 wieder einführen wollte. Was wollen Sie? Das ist doch super.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich verstehe Sie da nicht, Frau Boeddinghaus. Oder haben Sie Spaß daran, wenn wir uns hier immer nur darum streiten, was der andere eigentlich wirklich im Schilde führt? Uns hier zu unterstellen, die wir zusammengesessen und, wie ich finde, sehr konstruktiv verhandelt haben,

(Dirk Kienscherf SPD: Das stimmt!)

wir hätten dabei nicht an die Kinder gedacht, geht, ehrlich gesagt, ein bisschen zu weit. Das wissen Sie doch gar nicht, woran wir gedacht haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und bei René Gögge GRÜNE)

Wir haben es geschafft, und zwar parteiübergreifend, einen Kompromiss zu finden, den wir alle mittragen können. Ganz ehrlich, wenn ich das einmal

für meine Fraktion sagen darf – für euch gilt es vielleicht auch –, wir fanden das cool. Wir haben so viele Forderungen durchbekommen, die wir hier so oft gestellt haben und die immer abgelehnt worden sind; für uns war das ein richtiges Fest. Super, hat geklappt, mehr können wir dazu nicht sagen. Das ist doch wunderbar.

(Beifall bei der FDP und bei Birgit Stöver CDU)

Ich finde es auch immer ein bisschen albern, wenn jeder das alles für sich kapert und sagt, das ist eigentlich unseres; die CDU sagt, das ist unseres, und die SPD, das hatten wir auch lange schon alles vor. Fakt ist doch, dass sich in den Schulen der konkrete Alltag verbessert. Das ist das, was wir alle wollen. Und jetzt können wir wieder mit unseren verschiedenen schulpolitischen Forderungen, die sich wahrscheinlich nicht immer decken werden, an den Start gehen und sagen, was wir darüber hinaus wollen. Und wir müssen den Schulen auch Zeit geben, dass das, was wir jetzt zusammen beschlossen haben, umgesetzt werden kann. Es ist doch nicht so, dass wir damit in die Schulen gehen und dann ruck, zuck alles Realität ist, sondern die Schulen müssen es umsetzen, und dann werden sie alle sehen, dass sie einen großen, großen Vorteil davon haben.

Noch einmal zu Ihnen, Frau Boeddinghaus. Sie sind die Einzige, die das kritisiert; ist klar, die anderen haben alle mitgemacht.

(Zuruf)

Darf ich das eben selbst ausführen, bevor Sie mir wieder helfen, Frau Sudmann? Zu dem Bündnis wollte ich gerade kommen.

Das Bündnis hat sich in der Tat geäußert, sie seien nicht genug einbezogen worden. Das haben wir auch zur Kenntnis genommen. Ja, stimmt, vielleicht muss man in der Schulpolitik – das geht auch an Sie, Herr Rabe – mal ein bisschen anders mit den Beteiligten umgehen. Finde ich auch. Aber im Endeffekt sind es doch genau diejenigen, jedenfalls teilweise und gerade die Gymnasialleiter, die uns in persönlichen Gesprächen genau diese Forderungen nahegebracht haben. Sie argumentieren deswegen völlig falsch, wenn sie so tun, als wollten sie all das gar nicht. Klar wollten sie mehr gefragt werden. Aber im Grunde haben sich am Ende des Tages alle sehr gefreut, dass es jetzt keine Systemdebatten mehr geben wird, dass sie in Ruhe weiterarbeiten können und es eben nicht wieder so ein Hickhack und Zickzack und Hin und Her gibt.

Von daher: Super, liebe CDU, vielen Dank, dass Sie das überhaupt hochgebracht haben. Wir haben jetzt unsere Forderungen durchgebracht. Wir können alle zufrieden sein. Und damit würde ich es heute auch belassen. – Vielen Dank.

(Sabine Boeddinghaus)