Dora Heyenn

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Last Statements

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser oppositionelle Druck, von dem Sie sprechen, Herr Dolzer, das muss noch einmal ein bisschen geradegerückt werden. Es ist nicht so, dass nur Sie mit Herrn Störmer gesprochen haben; wir haben alle mit Herrn Störmer gesprochen.
Wir haben intensive Kontakte zur ICAN. Und ganz ehrlich, nach Nagasaki und Hiroshima hat man ja annehmen können, dass nie wieder Atomwaffen hergestellt würden. Das ist nun leider nicht passiert. Dazu passt ein Ausspruch von Albert Einstein. Ich zitiere:
"Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren."
Dennoch, am 25. März 1958 beschloss der Bundestag die Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik – und die SPD stimmte dagegen. Der Widerstand in der Bevölkerung war groß. Neben der Göttinger Erklärung, die 18 Wissenschaftler unterschrieben hatten, gab es eine Protestbewegung "Kampf dem Atomtod". In Hamburg setzte sich der Bürgermeister Max Brauer an die Spitze der Bewegung und hat vor dem Rathaus vor 150 000 Menschen darüber gesprochen. Hamburg und andere Städte haben damals beantragt, Volksbefragungen zu machen. Die Adenauer-Regierung hat das Bundesverfassungsgericht angerufen und dies am 30. Juli 1968 als verfassungswidrig verboten. 1969 trat die Bundesrepublik dann dem Atomwaffensperrvertrag bei, und es war Willy Brandt, der von 1966 bis 1969 während der ersten Großen Koalition als Außenminister und Vizekanzler diese Entscheidung auf den Weg gebracht hat.
In Kontinuität dieser Haltung von Willy Brandt bis Max Brauer haben wir Sozialdemokraten heute gemeinsam mit den GRÜNEN diesen Antrag eingebracht.
An dieser Stelle noch einmal ein ausdrücklicher Dank an das unermüdliche Engagement für Abrüstung und Atomwaffenverbot an die internationale NGO ICAN.
Die Sozialdemokraten werden sich auch in Zukunft und in der nächsten Legislaturperiode für ein Verbot von Atomwaffen einsetzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Universität gibt es ein umfangreiches Regelwerk zur Anmietung und Überlassung von Räumen. Dazu gehört nach Paragraf 3 auch die Überlassung an die Organe der Studierendenschaft. Vom 12. bis 14. April 2019 fand auf Einladung des AStA unter dem Titel "Emanzipatorische Perspektiven unter dem Druck von Rechts" eine Veranstaltung im Café Knallhart statt. Neben Vertretern von verschiedenen Forschungsnetzwerken der GEW, der Jusos, des DGB, der LINKEN
aus Thüringen und Gruppierungen gegen Antifeminismus und Nationalismus nahm auch ein Vertreter der Interventionistischen Linken an der Podiumsdiskussion teil. Das nimmt die AfD zum Anlass für die Formulierung in ihrem Antrag, dass – ich zitiere –
"Räume für politische Veranstaltungen, Vorbereitungs- und Vernetzungstreffen sowie Aktions- und Blockadetrainings zur Verfügung"
gestellt würden.
Man kann sich darüber streiten, ob es nötig war, für die Veranstaltung auch die Interventionistische Linke ins Podium einzuladen, und ja, sie wird vom Verfassungsschutz als extremistisch und gewaltorientiert eingestuft. Umso mehr muss man sich mit ihr auseinandersetzen. Das machen wir ja auch mit anderen Gruppierungen, hier und in ganz Deutschland, insbesondere auch im Hinblick auf die Ereignisse in Thüringen.
Wenn Sie von der AfD nicht nur auf Stimmungsmache aus wären, dann hätten Sie in Ihrem Antrag dezidiert formuliert, an welcher Stelle Sie das Hamburgische Hochschulgesetz wie geändert haben möchten, um die Nutzung der Räume der Universität anders zu regeln. Das haben Sie nicht gemacht. Die Raumvergabebestimmungen der Universität Hamburg sind dergestalt, dass extremistische Gruppen aktuell keine Nutzungsrechte haben und auch nicht bekommen, und es gibt überhaupt keinen Grund, das Hochschulgesetz insofern zu ändern.
Ihr Antrag trägt den Titel "Eine Exzellenzuniversität braucht keine Extremisten!".
Ich ergänze: Unsere Demokratie braucht keine Extremisten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit 2005 bin ich schulpolitisch in Hamburg unterwegs. Ich habe mich immer für längeres gemeinsames Lernen eingesetzt und immer dafür, dass es eine Entkopplung gibt von Bildungskarriere und Elternhaus – und das tue ich auch noch immer. Ob der jetzt neu aufgelegte Schulfrieden die bildungspolitische Entwicklung, die in den nächsten Jahren vonnöten sein könnte, zu stark einengt, wird sich noch zeigen meiner Meinung nach; am Beispiel des Schulentwicklungsplans haben wir gesehen, wie schnell die Dinge sich ändern. Vor Jahren haben wir noch über den demografischen Wandel gesprochen und befürchtet, dass zu wenig Schüler an unsere Schulen kommen, inzwischen ist genau das Gegenteil der Fall.
Die Schulen haben sich in Hamburg seit 2011 qualitativ verbessert. In erster Linie waren es natürlich die Schüler und Schülerinnen, die Lehrkräfte und die Eltern, die das bewirkt haben. Ganz wesentlich waren Maßnahmen wie die gebührenfreie Kita und die von Senator Rabe angestoßene Ganztagsschuloffensive mit kostenlosen Angeboten, die überproportionale Aufstockung der Schulen mit Lehrkräften, mehr sozialpädagogische Fachkräfte und Erzieherinnen und Erzieher, mehr Wochenstunden für Mathematik, Instrumente der Qualitätsverbesserung des Unterrichts und anderes mehr. Das war und ist eine gelungene Qualitätsoffensive, Frau Stöver.
Wie viel der Schulfrieden davon bewirkt hat, darüber kann man sich streiten. In dem gerade von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten "Ländermonitor berufliche Bildung 2019" wird herausgestellt, dass in keinem anderen Bundesland der Anteil der Berufsschüler, die eine vollwertige duale Berufsausbildung machen, so hoch ist wie in Ham
burg, und es in der Hansestadt schneller als anderswo gelingt, Schulabgängern ohne Lehrstelle zügig einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Der Übergang Schule/Beruf, der damals intensiv diskutiert worden ist, hat sich seit 2011 spürbar verbessert.
Ich könnte die Aufzählung fortsetzen.
Kurzum: Aus meiner Sicht sind andere Themen wichtiger als die Fortsetzung des Schulfriedens. Deshalb werde ich mich bei dem vorliegenden Antrag enthalten und freue mich, einer Fraktion anzugehören, die abweichende Meinungen toleriert und respektiert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 2012 gab es in Deutschland noch circa 3 600 Freibäder und 2 500 Hallenbäder. Bis 2018 gingen die Zahlen drastisch zurück, bei den Freibädern um fast 900. Allein 2017 wurden in Deutschland 175 Schwimmbäder geschlossen, darunter 62 Freibäder, vor allem in Bayern.
Warum müssen die Bäder schließen? Die Frage drängt sich auf. Und dafür werden in der Literatur hauptsächlich zwei Gründe genannt: kein Geld, kein Personal. Es gibt aber noch einen Grund, der erklärt, warum gerade in Bayern so viele staatliche Schwimmbäder schließen müssen.
Es ist die Konkurrenz der privat betriebenen Thermen. In Deutschland gibt es über 400, die meisten im Süden, und die sind sündhaft teuer, aber unglaublich gut besucht. Und so hat die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen auch festgestellt, dass der Besuch in den Freibädern in Deutschland von 2001 bis 2018 in einem kontinuierlichen Abwärtstrend um die Hälfte abgenommen hat.
Und wie sieht es in Hamburg aus? Bäderland Hamburg hält ein umfangreiches und auf das gesamte Stadtgebiet verteiltes Angebot vor. Seit Jahren wird erfolgreich daran gearbeitet, das Angebot ganzjährig nutzbarer Bäder zu verbessern. Die Modernisierungs- und Attraktivierungsstrategie der Bäderland Hamburg GmbH ist ein wesentlicher Teil der Sanierungsstrategie für die gesamte städtische Infrastruktur, die der Senat mit dem Fonds Sanierungsprogramm Hamburg 2020 maßgeblich
angestoßen hat. So wird zum Beispiel ab dem nächsten Jahr die Alsterschwimmhalle grunderneuert.
Ja. Ja.
Ja, Schwimmbäder kosten Geld, auch im täglichen Betrieb. Und selbstverständlich können die Schwimmbäder nicht kostendeckend sein, weil alle sie nutzen können müssen, unabhängig von ihrer sozialen Situation. Deshalb sind die Eintrittsgebühren zu zwei Dritteln subventioniert, und das ist gut so.
Freibäder sind noch teurer als Hallenbäder. Die Besucherzahlen der reinen Sommerfreibäder schwanken in Hamburg seit Jahren wetterabhängig leicht abnehmend um 160 000 Besucher. Das Freibad Ohlsdorf wurde in ein Hallenbad umgewandelt. Es wurde nicht geschlossen, es wurde auch nicht abgeschossen, es wurde umgewandelt.
Das war stark umstritten, und das sind die Zahlen:
Seit der Eröffnung vor zwei Monaten sind 12 Prozent mehr Besucher gezählt als in den letzten sechs Betriebsmonaten des alten Bades. In einer Betrachtung des Zeitraums von zwei Monaten entspräche das einer Verdreifachung der Besucherzahlen. Und besonders erfreulich ist die deutlich gestiegene Nutzung durch Familien und Kinder, nämlich um 65 Prozent. So viel dazu.
In Rahlstedt soll auch kein Freibad abgeschossen werden oder geschlossen werden, sondern es wird verlagert, und zwar von Großlohe zum zentral für den Stadtteil gelegenen Standort am Hallenbad.
Das Freibad war bislang nur in den Sommermonaten und bei schönem Wetter geöffnet.
In 2014 hatte es noch 26 300 Besucher und in 2019 waren es nur noch 19 800. Die Zusammenlegung der Badstandorte ist für den Spätsommer 2020 geplant. Als soziale Komponente ist vorgesehen, dass an diesem Standort künftig für die Dauer der gesamten Freibadsaison, nämlich 3,5 Monate,
der deutlich niedrigere Eintrittspreis für reine Freibäder gilt.
Der Bauspielplatz beim Hallenbad, dessen Fläche für das ganze Jahresbad benötigt wurde, wird verlagert auf das Nachbargrundstück.
Und nun zum Freibad Aschberg in Hamm. Auch dort soll über ein städtebaulich freiraumplanerisches Gutachterverfahren das derzeitige Freibad aufgegeben und an ein Hallenbadangebot im Außenbereich und Wasserspielplatz neu errichtet werden. Aktuell sieht die Konzeption für den Sportpark Aschberg vor, neben dem Hallenbad mit Liegewiesen auch Hallen für Indoor-Sport mit Umkleiden und Funktionsflächen, gegebenenfalls in Kombination mit Gastronomie, eine Kita mit Bewegungsprofil und einen Jugendclub zu integrieren. Auf dem Gelände werden zudem öffentlich zugängliche Grün- und Spielflächen gesichert. Alles gute Gründe, ganzjährige Schwimm- und Freizeitmöglichkeiten auf den Weg zu bringen. Ich weiß, wovon ich rede, ich gehe zweimal die Woche schwimmen, und das müsste eigentlich jeden überzeugen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Jersch, ich teile Ihre Sorge. Auch für uns ist das Klima ein sehr wichtiger Punkt, und auch wir sind der Auffassung, man müsse auf Annehmlichkeiten verzichten.
Der Flugverkehr verursacht weltweit 3 Prozent der CO2-Emissionen. Hinzu kommen noch Stickoxide und Feinstaub. Das ist, obwohl es sich erst einmal wenig anhört, so viel, dass man etwas tun muss. Es ist bereits einiges auf den Weg gebracht worden. So hat zum Beispiel die Bundesregierung zum 1. Januar 2011 die Luftverkehrssteuer auf den Weg gebracht.
Damit sind wir eines der wenigen Länder in Europa, die das überhaupt gemacht haben. Daran muss weitergearbeitet werden.
Seit 2012 gibt es den europäischen Emissionshandel. Viele Staaten, darunter die USA, China, Russland und Indien, lehnen ihn allerdings ab. Doch er gilt in Europa, und vor allen Dingen wird er, was wichtig ist, auch umgesetzt. Weltweit geht man davon aus, dass immer mehr Menschen immer häufiger das Flugzeug als Reiseverkehrsmittel nutzen. Das hat heute auch noch einmal die Flughafen AG mitgeteilt. Das ist Realität. Ob es einem passt oder nicht, das ist so.
Die Passagiere verteilen sich auf alle sozialen Schichten. Das Gute daran ist, dass Fliegen keine Angelegenheit der Eliten ist.
Deshalb nimmt das Instrument Klimakompensation eine zentrale Rolle ein. Klar ist, dass es nur Sinn macht, die Klimaauswirkungen des Flugverkehrs auf internationaler Ebene in Angriff zu nehmen, wenn man die Klimaschäden durch Luftverkehr wirklich stoppen will.
Die Herausforderungen der Klimapolitik können nicht regional gelöst werden, wie es im Antrag der LINKEN gefordert wird. Der Rahmen der norddeutschen Kooperation für klimapolitische Erfolge ist wirklich zu eng, vor allen Dingen, wenn man sich einmal vorstellt, dass es sich nur um zwei größere Flughäfen handelt. Das wird weltweit nicht den großen Ausschlag geben.
Um klimafreundliche Alternativen zu Flugreisen im Inland zu bieten, ist vor allem die Bundesregierung gefragt. Dies sei auch explizit zum Antrag der LINKEN mit Hinweis auf das Grundgesetz gesagt. In Artikel 73 Absatz 1 Punkt 6 steht – ich zitiere –:
"Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr."
Das heißt nicht, dass wir uns in Hamburg keinen Kopf machen müssen, im Gegenteil. Der Senat und die Flughafen GmbH sind bereits aktiv und haben sich das Ziel gesetzt, einen CO2-neutralen Betrieb im Flughafen zu schaffen. Darüber hinaus können einzelne Reisende im Rahmen ihrer Flugbuchung die Klimawirkung ihrer Flüge zumindest abfedern, indem sie auf freiwilliger Basis CO2-Zertifikate für Klimaschutzprojekte erwerben.
Bei Punkt 3 im Petitum des Antrags der LINKEN wird übersehen, dass in Paragraf 19b Luftverkehrsgesetz geregelt ist, welche Entgelte ein Flughafenbetreiber von den Airlines erheben kann, und zwar, dass dadurch nur die Kosten gedeckt werden dürfen, die – ich zitiere –
"für die Nutzung der Einrichtung und Dienstleistungen entstehen, die mit der Beleuchtung, dem Starten, Landen und Abstellen der Luftfahrzeuge sowie mit der Abfertigung von Fluggästen und Fracht im Zusammenhang stehen."
DIE LINKE fordert in ihrem Antrag, die Förderung und Subventionsprogramme des Flughafens Hamburg für Flugverbindungen bis zu 600 Kilometern Entfernung einzustellen, und möchte das auf alle innerdeutschen Verbindungen ausdehnen, wahrscheinlich mit dem Ziel, dass sie eingestellt werden.
Was der Politik immer angekreidet wird, ist, dass wir die Dinge nicht zu Ende denken. Der vorliegende Antrag der LINKEN ist ein Beispiel dafür.
Dazu einige Zahlen. Ziele unter 600 Kilometer sind Amsterdam, Brüssel, Düsseldorf, Frankfurt, Kopenhagen, Köln, Bonn, Luxemburg, Mannheim und Stuttgart. Damit sind circa 3 500 Starts und Landungen pro Woche in Fuhlsbüttel verbunden. Wenn jetzt noch alle innerdeutschen Flüge wie München, Nürnberg und andere hinzukommen, dann erhöht sich die Zahl auf 5 000, das heißt circa 20 000 Starts und Landungen pro Monat.
Am Flughafen arbeiten derzeit 15 700 Mitarbeiter. Viele von ihnen würden wohl ihren Job verlieren,
wenn wir ad hoc viele Flugverbindungen einfach streichen würden, ohne ein alternatives Arbeitsplatzangebot zu haben. Klimapolitik ist auch immer Sozialpolitik. Das sollten wir uns vor Augen führen.
Zuständig für den Straßenbau ist der Bund. Hamburg hat viele Vorschläge in den Bundesverkehrswegeplan eingebracht. Nur ein Beispiel: Nach Bremen, Hannover und Berlin gibt es kaum bis keine Flugverbindungen von Fuhlsbüttel und zurück. Das zeigt, dort, wo es gute Bahnverbindungen gibt, steigen die Menschen um und die Flugverbindungen werden eingestellt. Da ist unserer Meinung nach Luft nach oben. Den Antrag der LINKEN lehnen wir ab.
Herr Jersch, Debatte heißt, man hört einander zu und geht aufeinander ein. Ich finde es gut, dass Sie das gemacht haben. Aber eines muss man doch deutlich sagen: Sie haben offenkundig nicht zugehört, denn viele Redner haben darauf hingewiesen, wie viele einzelne Maßnahmen schon in Gang gebracht worden sind und was vor Ort gemacht wird. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass das norddeutsche Luftverkehrskonzept im weltweiten Bereich wenig bewirken kann – das hat auch Frau Sparr gesagt. Wenn in dem Konzept steht, es sei beabsichtigt, die Steuer abzuschaffen, dann heißt das noch lange nicht, dass sie abgeschafft wird.
Das steht im norddeutschen Luftverkehrskonzept. Niedersachsen ist schon herausgegangen. Wenn wir in der Bürgerschaft den Antrag der LINKEN zu diesem Thema ablehnen, dann heißt das noch lange nicht, dass wir gegen Klimaschutz sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Demokratie ohne allgemeines Wahlrecht. Bei jedem Befreiungskampf treibt die Forderung nach freien Wahlen die Menschen protestierend auf die Straße, und so auch um die Jahrhundertwende. Am 16. März 1919 beginnt in Hamburg die Demokratie. Es war das erste Mal, dass Frauen Sitz und Stimme hier im Hamburger Rathaus hatten, 17 Frauen an der Zahl. Das ist
nicht einfach vom Himmel gefallen. Das Wahlrecht musste von den Frauen genauso eingefordert und erkämpft werden wie das allgemeine Wahlrecht für die männlichen Bürger. Doch der Weg dahin war für die Frauen deutlich härter und deutlich länger und es gab immer wieder Rückschläge.
14 Jahre nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts gab es in Hamburg keine freien Wahlen mehr, keine Demokratie mehr und die Bürgerschaft wurde aufgelöst, das Ende der parlamentarischen Demokratie bis 1946.
Im nächsten Monat feiern wir 70 Jahre Grundgesetz und 25 Jahre Artikel 3 Absatz 2, der dem Staat die Aufgabe der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zuweist. Es ist offenkundig, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen bleibt eine ständige Verpflichtung. Die Politik hat erkannt, solange die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie nicht beseitigt ist, wird es keine Gleichstellung der Geschlechter geben, auf Bundesebene zum Beispiel mit dem Elterngeld für Mütter und Väter und auf Landesebene zum Beispiel mit den kostenlosen Kitas und dem Hamburger Gleichstellungsgesetz, das in seiner Novellierung am 1. Januar 2015 in Paragraf 7 festlegt – das hat die Senatorin eben schon angesprochen –, dass alle Arbeitsplätze als teilzeitgeeignet auszuschreiben sind, auch Funktionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben.
Die Gesetzgebung ist das eine, die Umsetzung das andere. 82 Prozent der Frauen gingen bei der Wahl am 19. Januar 1919 an die Urne, in Hamburg sogar über 90 Prozent. Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2015 lag die Wahlbeteiligung noch bei 56,5 Prozent, dem niedrigsten Wert seit 1949. Meine Damen und Herren, wir müssen etwas tun.
Die Schulbehörde hat gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung in 2018 den Plakatwettbewerb "100 Jahre Frauenwahlrecht – Frauen und Mädchen geht wählen!" für alle Hamburger Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 aufgelegt. Den zweiten Platz erhielt die Klasse 10c des Heilwig Gymnasiums. Auf dem Plakat ist zu lesen – ich zitiere –:
"Endlich Frauenwahlrecht! Jetzt reden wir! Geh zur Wahl! Nutze deine Stimme!"
Den ersten Platz erhielt die 10d der Klosterschule mit dem Slogan:
"Geht wählen, Männer und Frauen"
Damit soll ausgedrückt werden, dass Gleichstellung von Frauen eine Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter bleibt. Recht haben sie.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Getauft, konfirmiert, aus der Kirche ausgetreten, bin ich gerade auch als Atheistin für die Einführung des 31. Oktobers. Reformation ist mehr als nur die kirchliche Erneuerungsbewegung zwischen 1517 und 1648. Viele Vorredner haben schon auf die Renaissance, die Aufklärung und die Neuzeit hingewiesen und Frau von Berg hat noch einmal auf die Rolle von Johannes Bugenhagen in der Reformation in Hamburg hingewiesen. Anders als Luther fühlte Bugenhagen sich den Juden verbunden und setzte sich für sie ein; das ist verbrieft. Es waren die Reformatoren, die zu Beginn der Neuzeit das Bild der Frau verändert haben. Sie kamen für die damalige Zeit zu einer revolutionären These; sie lautete: "Frauen und Männer sind gleich viel wert."
Dazu hat Margot Käßmann am 31. Oktober 2017 in der "EMMA" Folgendes geäußert – ich zitiere –:
"Ich bin überzeugt, die Beteiligung der Frauen ist kein Seitenthema der Reformation, sondern sie steht zentral für die reformatorischen Inhalte. Das hat vier Gründe: Erstens […]. Wenn jeder Mensch, der aus der Taufe gekrochen ist, Priester, Bischof und Papst werden kann, dann kann das auch jede getaufte Frau werden. Hier liegt der Schlüssel zum Respekt vor Frauen und in der Konsequenz auch die Zulassung von Frauen zu allen Ämtern […].
Auch wenn die Reformatoren selbst sich diesen Schritt zunächst gewiss nicht denken konnten, so ist er doch in ihrer Theologie angelegt […].
Zweitens wird mit dem Schritt zur Ehe das 'Leben in der Welt' aufgewertet. […] Für Frauen war die Befreiung, die sich durch die Aufwertung von Ehe, Sexualität und Kindererziehung ergab umso größer, als zuvor die Überzeugung bestand, dass Frauen 'eines besonderen Zuganges zur Gnade bedürfen', den mit Gewissheit 'nur die reine Jungfräulichkeit' eröffnen konnte.
Drittens beschränkte sich der reformatorische Bildungsimpuls nicht auf Jungen und Männer, sondern schließt Frauen und Mädchen mit ein. Die Volksschule"
und auf einer solchen war ich auch –
"sollte von Anbeginn an in der Tat Schule für alle sein. […] Bildungsteilhabe und Bildungsgerechtigkeit waren reformatorische Themen und schlossen explizit Frauen mit ein.
Viertens hat all dies aktuell zur Konsequenz, dass die Beteiligung von Frauen geradezu zu einem Kennzeichen der reformatorischen Kirche geworden ist."
Zitatende.
Um der Lebensrealität der Menschen zu entsprechen, bedarf es ständig Reformen, darüber diskutieren wir auch ständig und darüber streiten wir auch. Ein Tag der Reformation wird uns zum Nachdenken veranlassen, dass wir Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses sind, den wir aktiv gestalten können und auch gestalten müssen. – Danke schön.