Ties Rabe
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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit jetzt fast elf, zwölf Jahren erlebe und gestalte ich Bildungsdebatten in diesem Hause mit. Die allermeisten Bildungsdebatten sind sehr schnell auf einem hohen Adrenalinspiegel. Das ist auch okay bei diesem wichtigen Thema. Umso mehr fällt es auf – und mir fällt es positiv auf –, dass bei einem Thema, das bundesweit große Beachtung findet, Hamburg relativ gelassen argumentiert, nämlich bei dem Thema Schulfrieden. Das ist ein Ausdruck dafür, dass wir alle miteinander lange, lange Zeit diskutiert haben und dabei weitergekommen sind und erkannt haben, dass es gut ist, an dieser Stelle im Interesse von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Lehrkräften einmal ein Stück weit Vernunft walten
zu lassen und mit einer gewissen Reflexion und Nachdenklichkeit, aber auch mit dem Sinn für das Gemeinsame eines der entscheidenden Themen für die Schulpolitik zu diskutieren. Dafür, meine Damen und Herren, bin ich ausgesprochen dankbar.
Ich will deshalb nicht viele Worte machen, sondern auf einen Umstand zu sprechen kommen, der mich nach wie vor nachdenklich macht in Bezug auf die Frage, welche Bedeutung die Schulstruktur denn wirklich hat. Ich will hier keine Gräben aufreißen, aber ich will daran erinnern, dass die drei Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen ähnliche Schülerschaften haben und bei den bisherigen Leistungsstandsuntersuchungen in der Regel unter den 16 Bundesländern immer die Schlusslichter in der Tabelle gebildet haben – was auch in Bezug auf die besondere Schülerschaft nicht unbedingt ein großes Wunder ist. Wenn wir uns aber die Schulstruktur dieser drei Bundesländer anschauen, dann sehen wir, dass Berlin eine sechsjährige Grundschule hat, Hamburg und Bremen haben eine vierjährige. Dagegen hat Bremen wiederum gewährleistet, dass 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine Stadtteilschule besuchen und nur maximal 20 Prozent ein Gymnasium besuchen dürfen. Damit hat Bremen eine weiterführende Schulstruktur eingeführt, die sich von unserer formal zwar nicht unterscheidet, weil es zwei Wege gibt, aber es hat doch sehr, sehr klar die Weichen gestellt, dass die Schülerschaften sich anders sammeln und dadurch – so aus Sicht Bremens – deutlich mehr gemeinsames Lernen ermöglicht wird. Trotzdem zeigt sich, dass diese Unterschiede in der Struktur auf die Ergebnisse, zumindest auf die messbaren Ergebnisse der Lernstandsuntersuchungen der Kultusministerkonferenz, von PISA, von TIMSS und IGLU und wie sie alle heißen, keine wirklichen Auswirkungen haben. Man könnte sogar bösartig sagen – es wurde darauf hingewiesen –, Hamburg habe sich ein Stück nach vorn bewegt – nicht weit genug, wie ich finde, aber ein messbares Stück –, die anderen beiden Länder nicht.
Wenn man das weiß, dann heißt das nicht, dass die Schulstruktur vollkommen belanglos ist. Aber es heißt, dass es nachhaltigere, wirkungsvollere Veränderungen des Schulsystems gibt, um denjenigen Rückenwind zu geben, um die es uns wirklich geht, und das sind jene Schülerinnen und Schüler, die von zu Hause zu wenig Rückenwind bekommen. Und wenn man sich nur diese Einzelheiten ansieht, dann, finde ich, ist es gut, dass wir uns heute bei dem Thema Schulfrieden nicht mehr aufregen, sondern gemeinsam zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir, wenn wir Schülerinnen und Schülern gezielt Rückenwind geben wollen, jene Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen,
die diesen Rückenwind brauchen. 27 Prozent der Kinder sprechen zu Hause kein Deutsch.
Ein Viertel der Kinder gilt als sogenannte Risikoschüler, wie es die Bildungsforscher beschreiben; eigentlich könnte man sagen, sie kommen eher aus schwierigen Elternhäusern. Das können die Kinder nicht verantworten. Wenn es uns um diese Kinder geht, dann sollten wir uns auf die Maßnahmen konzentrieren, die ihnen unmittelbar und wirkungsvoll helfen. Dafür bin ich diesem Haus sehr dankbar, und gern werden wir den Schulfrieden entsprechend umsetzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann es kurz machen, wenn alle im Parlament vertretenen Fraktionen die Idee an sich gut finden. Ich möchte mich dafür noch einmal ausdrücklich bedanken und an dieser Stelle noch ein paar Hinweise geben.
Entweder-oder, so erfahren es viele Schulabgänger. Entweder du studierst oder du machst eine Berufsausbildung. So steht es auf den Papieren, so ist unsere Struktur angelegt. Aber die jungen Menschen wollen es nicht so und machen es häufig auch nicht so. Ich ehre alle Jubeljahre die erfolgreichsten Auszubildenden im Handwerk. Wenn ich sie anschließend frage: "Was machst du denn weiterhin?", dann sagen die meisten: "Ich will jetzt studieren." Umgekehrt begrüßen wir in der beruflichen Ausbildung viele junge Menschen, die studiert haben, das aber nicht zielführend fanden oder keinen Studienerfolg gehabt haben. Insofern sind diese Grenzen schon lange verwischt. Deswegen gibt es überall Aufforderungen auf dem Papier, diese Grenzen niederzureißen und darüber nach
zudenken, wie man die Berufsausbildung mit dem Studium verzahnen kann.
Dieser Vorschlag der Beruflichen Hochschule greift das auf. Warum erst drei Jahre Ausbildung, dann warten auf den Studienplatz und dann drei Jahre Bachelor-Studium – macht mindestens sechs Jahre –, geht das nicht auch gleichzeitig ineinander? Wer zum Beispiel auf einem beruflichen Gymnasium das Abitur ablegt, anschließend eine kaufmännische Ausbildung macht und dann BWL studiert, lernt dreimal kaufmännisches Rechnungswesen. Das ist schon ein Thema der Oberstufe, das passiert in der Ausbildung und dann noch einmal im Studium. Warum denn nicht einmal? Ineinanderschieben, das ist die Idee, und statt sechs Jahre vier Jahre.
Die vielen Fragen, die Sie gestellt haben, sind jetzt tatsächlich in concreto zu beantworten. Zum Beispiel: Warum nicht – Herr Dolzer, Sie haben völlig recht – für jene öffnen, die kein Abitur haben? Ich sage Ihnen ausdrücklich: Das haben wir vor. Wir möchten aber am Anfang erst einmal auf Nummer sichergehen. Aber das sollten wir tatsächlich im Dialog überprüfen: Was geht da?
Danke.
Auch Ihren anderen Hinweis möchte ich aufgreifen. Wir haben hier extra diesen Weg gewählt, weil wir sehr wohl verhindern möchten, dass die gemeinsame Aufgabe, jungen Menschen eine Ausbildung zukommen zu lassen, von den Sozialpartnern auf den Staat übertragen wird. Wir wollen die Sozialpartner und damit auch die Unternehmen dabeihaben und sie in ihrer Pflicht und Verantwortung sehen, das mit uns gemeinsam zu bewegen.
Richtig von Ihnen auch der Hinweis mit den Räumen. Wenn das wirklich ernst gemeint sein soll und eine Akzeptanz bekommen soll, dann brauchen wir eine vernünftige Raumstruktur. Darin gebe ich Ihnen auf jeden Fall recht. Auch hier müssen wir gemeinsam erörtern, wie das geht.
Ich will zum Schluss aber auf einen Punkt hinweisen, der mich nachdenklich gemacht hat. Wir wollten nicht unbedingt, dass die Schulbehörde neuerdings Universitätsträger wird. Wir hatten die gute Idee, dass wir in Hamburg großartige Hochschulen haben, die diese Art der Ausbildung hätten anbieten können, und haben viele Gespräche mit den beteiligten Hamburger Hochschulen geführt. Und ich sage mit ein bisschen Wehmut: Da muss, glaube ich, noch die Erkenntnis reifen – und damit meine ich nicht die BWFG, die an unserer Seite gestanden und gekämpft und argumentiert hat, sondern die Hochschulen in ihrer Eigenverantwortung –, damit sie begreifen, dass das eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe ist. Vielleicht können wir mit dieser Beruflichen Hochschule auch hier einen
Anstoß setzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin! Wir haben schon gehört, dass im Jahr 2000 der PISA-Schock Deutschland wachgerüttelt hat, weil er zwei Dinge festgestellt hat. Erstens: Im internationalen Vergleich sind die Lernstände der Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht auf dem Niveau, das es braucht. Und zweitens: In Deutschland gibt es, anders als in anderen Ländern, eine sehr stark ausgeprägte soziale Ungleichheit, die sich in unterschiedlichen Bildungserfolgen oder -misserfolgen niederschlägt. Das hat die Politik durchaus wachgerüttelt. Seitdem gab es nahezu eine Inflation von Vorschlägen, was alles jetzt zu tun wäre. Insbesondere die Schulstrukturen sind immer wieder genannt worden. Muss überall ein dreigliedriges oder ein zweigliedriges Schulsystem eingeführt werden, braucht es die Primarschule oder eine Schule für alle? Aber nicht nur das waren Vorschläge. Mehr Lehrkräfte, kleinere Klassen, Sitzenbleiben abschaffen oder nicht, G8 oder G9 einführen oder nicht, äußere oder innere Differenzierung, das alles gehörte zum Werkzeugkasten der Schulpolitik. Nicht alles, was da vorgeschlagen wurde, war richtig, und einiges, was hätte richtig sein können, hat sich nicht entfalten können, weil es dafür auch in Deutschland politische, aber auch kulturelle Akzeptanz braucht, um so etwas durchzusetzen.
Aber heute sind wir schlauer. Das sage ich auch in Richtung Linkspartei. Bei einigen Punkten, die Sie zitieren, ist mir durchaus aufgefallen, dass Sie recht haben, wenn Sie darüber berichten, wie schwer das Parlament sich damals mit dem ZweiSäulen-Modell getan hat. Aber wir wissen seitdem, auch durch die Wissenschaft, dass die vielen Punkte, über die wir immer wieder streiten, tatsächlich nicht alle so wichtig sind, wie wir geglaubt haben, und andere viel wichtiger waren und lange Zeit nicht ernst genommen worden sind. Immer wieder beweisen Studien sehr einfach, dass schlicht und ergreifend guter Unterricht zu 85 Prozent den Bildungserfolg prägt oder auch verhindern könnte, wenn er eben kein guter Unterricht ist, und zwar völlig losgelöst von der Frage, in welcher Schulstruktur und unter welchen Rahmenbedingungen sich das abspielt, und dass gut ausgebildete Lehrkräfte, die mit Freude und Spaß ihren Beruf ausüben, ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor sind. Das alles hat sich in den letzten Jahren in der Wissenschaft immer stärker herausgebildet und ist auch in der Politik aufgenommen worden, denn wir sind keine tauben und blinden Wesen, die ständig wiederholen, was wir früher einmal gedacht haben. Und da, sage ich Ihnen, liebe Frau Boeddinghaus, ist über Ihren Beitrag die Zeit ein bisschen hinweggegangen, auch wenn Sie zu Recht gesagt haben, dass früher auch die GRÜNEN und die SPD es mit
dieser Schulstruktur nicht leicht gehabt haben. Aber heute wissen wir, dass diese Schulstruktur eine wunderbare Grundlage dafür ist, um das zu tun, was Schülerinnen und Schülern deutlich nützen kann, und das ist die Entwicklung und Verbesserung von Unterricht. Um das aber hinzubekommen, braucht es eine Stabilität und müssen wir verhindern, dass wie früher alle naslang Elternräte in Sondersitzungen bis tief in die Nacht sich die Köpfe über diesen oder jenen Weg heißreden oder dass die Lehrerinnen und Lehrer von morgens bis abends über Schulstrukturen nachdenken, debattieren und vieles mehr. Nein, wir erkennen zum ersten Mal, dass das sogar blockiert. Und wenn es um die soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem geht, wenn es einem wirklich darum geht, etwas zu tun für diejenigen, die unseren Rückenwind dringend brauchen, dann können wir das besser erreichen, wenn wir jetzt die Lehrerinnen und Lehrer ernst nehmen und ihnen Rückenwind geben bei ihrer verantwortungsvollen und guten Aufgabe, sie dabei nicht allein lassen. Wenn Sie sagen, dass das Ungeheuer der Hamburger Straße immer wieder in die Schulen reingrätscht, dann sage ich Ihnen offen: Genau das ist es: nicht allein lassen, aber auch nicht ständig gängeln,
sondern im Dialog sagen: Wir kümmern uns, wir gucken hin, wir nehmen das ernst, und wir geben auch Rückenwind.
Wenn wir diesen wichtigen Auftrag ernst nehmen, für jene etwas zu tun, die es in der Tat von den familiären Verhältnissen, von ihren Startbedingungen her schwerhaben, dann ist es der Auftrag, endlich die Dinge, die uns an dem Wichtigen hindern, einmal sein zu lassen, auch wenn sie Spaß machen, auch wenn das im politischen Bereich immer wieder die Dinge sind, mit denen man in die Zeitung kommen kann. Aber genau das ist der Grund für die soziale Ungerechtigkeit, dass wir uns viel zu häufig an den falschen Stellschrauben abkämpfen. Und an der Stelle möchte ich deshalb zum Ende sagen: Ich bin sehr dankbar für diesen Kompromiss, der dort gefunden wurde. Ich weiß schon – weil ich auch in einer Volkspartei bin, bei der im Moment die Nerven blank liegen –,
was es bedeutet, wenn auch die CDU sagt, Rationalität und der Blick für das Ganze und der Blick für die Schülerinnen und Schüler seien ihr wichtiger als die Hoffnung, vielleicht mit irgendeinem großartigen Event im Wahlkampf zu reüssieren. Deswegen möchte ich mich im Ernst bei allen ausdrücklich dafür bedanken. Ich will nicht darum rechten, welche Forderungen welche Partei zu
welchem Zeitpunkt zuerst gehabt hat. Insgesamt wird ein Kunstwerk daraus, das eines bestätigt: Politik ist lernfähig, und Politik hat, zumindest in der großen Mehrheit, die klare Orientierung daran, dass es nützt und dass es Schülerinnen und Schülern gut geht und dass wir hier vorankommen, um soziale Ungerechtigkeit zu überwinden. Das kann mit diesem Schulfrieden weiterhin möglich sein. Dafür vielen Dank. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zutiefst überzeugt, dass der Schulfrieden Hamburgs Schulen sehr gut getan hat. Jahrelang nämlich hat die Schulstrukturdebatte uns in der Schulpolitik, aber auch die Kolleginnen und Kollegen, die Elternschaft gespalten und gelähmt. Viele wichtige Fragen konnten nicht oder nur halbherzig entschieden werden, weil man sich über die Zukunft des Schulsystems nicht einig war.
Erst der 2010 beschlossene Schulfrieden eröffnete uns eine große Chance. Wir hatten die Kraft und auch die Verlässlichkeit, die anstehenden Herausforderungen anzunehmen. Ich will vier kurz nennen.
Hamburg wächst, jedes Jahr steigt die Schülerzahl. Hamburgs Schulgebäude waren marode, zu klein und genügten nicht mehr den modernen Ansprüchen. Hamburgs Schüler lernten nachweislich deutlich weniger als Schüler anderer Bundesländer, und unsere Stadt wandelt sich. Wir brauchen mehr Betreuungsangebote am Nachmittag. Wir brauchten und brauchen auch mehr gemeinsame Lernzeit und Freizeit, damit Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Kulturkreisen zu Freunden werden, zu guten Hamburgerinnen und Hamburgern. Diese Herausforderungen konnten wir annehmen dank des beschlossenen Schulfriedens,
denn er garantierte uns eine verlässliche, eine klare Schulstruktur, die sich nicht morgen wieder komplett ändern würde. Und unsere Antwort war, auf 10 Prozent mehr Schüler 30 Prozent mehr Pädagogen an den Schulen und sage und schreibe 130 Prozent mehr Investitionen in den Schulbau. Ich finde, wir haben aus dieser Chance auch etwas gemacht.
Das gilt zum Beispiel für unsere Schulbauoffensive für schönere Schulen. Die Investitionen waren jahrelang bei rund 150 Millionen Euro, wir stehen jetzt durchschnittlich bei 360 Millionen Euro, ja, in den nächsten beiden Schuljahren. 900 Millionen Euro in nur zwei Jahren, für 2019 und 2020, deutlich mehr, als die Elbphilharmonie gekostet hat. Wir konnten damit zahlreiche Schulen sanieren, modernisieren, vergrößern, und schöner sind sie dabei auch geworden, 20 Schulgebäude haben Architekturpreise bekommen. Ich finde, das ist ein Beispiel dafür, was gelingen kann, wenn man sich Mühe gibt, wenn man viel Geld hat, aber wenn man auch eine verlässliche Schulstruktur hat. Dieses Schulbauprogramm ist, glaube ich, bundesweit einzigartig.
Der Schulfriede war auch die Grundlage für den Ausbau der Ganztagsschulen. Wir erinnern uns, 2011 hatten ein Viertel aller Grund- und Stadtteilschulen Ganztagsangebote. Nur vier Jahre später waren es 100 Prozent. Hamburg hat damit schon jetzt als einziges Bundesland das für ganz Deutschland erst 2025 angestrebte Ziel erreicht, jedem Grundschulkind einen Betreuungsplatz anzubieten. Und die Abstimmung mit den Füßen haben wir klar gewonnen, 83 Prozent der Grundschüler kommen und nehmen gern und freiwillig am Ganztag teil. Auch das war nur möglich, weil wir wussten, wo wir investieren konnten, und dafür auch die Kraft hatten.
Und drittens: Auch beim Lernen sind wir weit vorangekommen. Erstmals haben wir nämlich die Zeit gefunden, uns nicht permanent mit anderen Schulstrukturen zu beschäftigen, sondern genau auf die Qualität zu gucken, zu schauen, wie sich der Lernstand jedes einzelnen Schülers entwickelt, wie sich die Qualität jeder Schule einzeln entwickelt. Wir haben vieles eingeführt, kostenloser Nachhilfeunterricht, mehr Deutsch- und Matheunterricht, besserer Deutsch- und Matheunterricht und mehr Lehrerinnen und Lehrer. Die brauchen wir für guten Unterricht. Die zusätzlichen Lehrkräfte, die wir eingestellt haben, wären in dieser Zahl gar nicht nötig gewesen, um das Wachstum der Schülerzahlen abzufedern. Allein über 1 000 Stellen sind ausschließlich eingesetzt worden, um die Schulklas
sen zu verkleinern und die Förderung zu verbessern.
Auch das zeigt, was möglich ist, wenn wir uns wirklich auf das Richtige konzentrieren können. Und ich ergänze, die Erfolge sind da. Sie können noch besser werden, da haben alle hier im Haus recht. Aber die wichtigsten Lernstandsuntersuchungen, die IQB-Studien der Kultusministerkonferenz bescheinigen Hamburgs Schülern erstmals erhebliche Verbesserungen in allen Kernfächern. Hamburg machte von allen Bundesländern die mit Abstand größten Fortschritte. Und ich will gar nicht mich immer nur zitieren, ich mache es nur sehr knapp: "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 11. August 2018, Überschrift – halbe Seite:
"Aus dem Scheitern gelernt"
Frage:
"Warum gelingt an der Elbe, was bei den anderen beiden Stadtstaaten in weiter Ferne zu liegen scheint, wie Hamburg seine Leistungen im Bildungswesen merklich steigern konnte?"
Oder die "Süddeutsche Zeitung", 22. Juli 2018:
"Hamburgs Schulsystem war lange ein Sorgenkind, seit einigen Jahren geht es steil bergauf."
Oder, vielleicht einmal in die Richtung der Wirtschaftslobby, "Handelsblatt", 3. April 2018:
"Wie den Hamburgern das Bildungswunder gelang"
Der Artikel beginnt mit den Sätzen:
"Lange Zeit landeten die Stadtstaaten bei Schulvergleichen ganz hinten. Doch nun klettert Hamburg im Ranking nach oben. Was ist passiert?"
Und dann zuletzt darf Hamburg nicht fehlen. In diesem Fall bitte ich die Lokalzeitung um Vergebung und zitiere "Die Zeit" vom 18. Oktober:
"Ausgerechnet Hamburg"
lautet die Überschrift.
"Schlechte Ergebnisse im Lesen und Rechnen – eine neue Studie zeigt, Deutschlands Grundschulen stürzen ab. Nur die Hansestadt verbessert sich. Was andere Bundesländer jetzt von Hamburg lernen können."
Meine Damen und Herren, das zeigt doch, wir sind hier vorangekommen.
Die Grundlage dieser und künftiger Erfolge ist ein engagierter Senat, viel Geld für Bildung und der Schulfriede. Dieser Friede war uns bisher heilig. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Wenn jetzt eine G8/G9-Debatte geführt wird, gefährdet sie diesen Frieden, denn die Einführung von G9 an den Gymnasien ist nicht nur eine tief greifende Veränderung, die die Gymnasien lange Zeit durchrütteln und beanspruchen wird. Wir müssten an allen Schulen Umbauten vornehmen, mehrere 100 Millionen Euro investieren, Lehrpläne anpassen und so weiter. Das ist schwierig, unnötig, aber zur Not vielleicht noch zu handeln.
Viel schwieriger wiegt, dass die sorgfältige Balance zwischen Stadtteilschule und Gymnasium in Gefahr gerät. Wenn jetzt die Gymnasien G9 anbieten, besteht die Gefahr, dass die Stadtteilschulen Schüler verlieren und ausbluten. Es besteht die Gefahr, dass noch mehr Kinder, noch mehr leistungsschwächere Kinder an den Gymnasien angemeldet und überfordert werden. Und beides zusammen birgt die Gefahr – Frau Boeddinghaus hat durchaus charmant und mit ein bisschen Flackern in den Augen schon darauf hingewiesen –, dass Hamburg in einen neuen Schulkampf hineinschlittert. Da frage ich mich allen Ernstes, ist denn G8 wirklich so schlimm, dass wir diese erheblichen Risiken eingehen sollten? Heute besuchen viel mehr Schülerinnen und Schüler die Gymnasien unter G8 als damals unter G9. Und der Unterschied beträgt, weil wir an den Stadtteilschulen immer mehr Unterricht ermöglicht haben, wirklich 1,3 Unterrichtsstunden pro Woche. Oder in Worten, als Zahlenkönig wurde ich schon bezeichnet, 12 Minuten Unterricht am Tag. Ist es das alles wert? Die betroffenen Schüler und Eltern, das wurde schon zitiert, die Lehrkräfte haben deshalb vor fünf Jahren mit überwältigender Mehrheit dagegen gestimmt. Ich finde, wir sollten auf die Betroffenen hören.
Wir brauchen zudem, und damit möchte ich schließen, mehr Rationalität in dieser Debatte.
Mich erinnert diese Diskussion ein Stück weit gefährlich auch an die Diskussion, die wir zurzeit in England erleben, nur im Kleinen. Ohne jede Verantwortung wird von einigen aus wahlkampfstrategischen Gründen eine Grundstimmung instrumentalisiert.
Es gibt weder eine Idee noch einen konkreten Plan, was jetzt eigentlich anders werden soll. An die Folgen hat auch keiner gedacht.
Man zündelt halt gern und nimmt in Kauf, dass dabei ein großer Brand ausbricht und ein gut funktionierendes Schulsystem, das besser werden muss und kann, in einer Mischung aus Planlosigkeit und Wahlkampf unter die Räder kommt. Und am Ende werden wir ratlos vor einem Durcheinander stehen und die Wähler an der Politik und der Demokratie zweifeln. So weit, meine Damen und Herren, sollten wir es nicht kommen lassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg wächst und das gilt gerade auch für die Hamburger Schulen. Seit ich im Amt bin, hat die Zahl der Schülerinnen und Schüler um 10 Prozent zugenommen.
Das ist schon eine große Herausforderung. 10 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler an den Schulen – wir haben diese Herausforderung angenommen
und beantwortet mit 35 Prozent mehr Pädagogen an den Schulen. Ein solches Wachstum hat es noch nie gegeben in der Hamburger Schulpolitik.
Wer es genauer wissen möchte: Das sind 4 500 Stellen mehr als zu Beginn meiner Amtszeit. Ich erinnere daran, dass sich vor meiner Amtszeit diverse andere Farben im politischen Spektrum in der Schulpolitik versucht haben. Sie können gern einmal überprüfen, wie sich in dieser Zeit die Personalsituation entwickelt hat. Ich finde, hier müssen wir uns nichts vorwerfen lassen.
Das gilt auch, meine Damen und Herren, für das schöne Thema Schulbau. In der Tat, wenn wir mehr Schülerinnen und Schüler haben, dann ist dort sehr viel zu tun. Sehen wir uns an, was in der ersten Dekade der Zweitausenderjahre investiert wurde: rund 155 Millionen Euro jedes Jahr. Das war damals so. Seit 2011 haben wir diese Zahl um sage und schreibe mehr als das Doppelte angehoben auf durchschnittlich 350 Millionen Euro jedes Jahr für den Schulbau. Ich finde, auch hier zeigt der Senat: Wir wollen das Wachstum beantworten mit einer Qualitätsoffensive und hier mehr tun als unsere Pflicht. Wir wollen der Verantwortung ge
recht werden, die Bildung auch in der Sache deutlich zu verbessern.
Diesen Kurs setzen wir jetzt mit dem Haushaltsentwurf fort. Wenn Sie sich den Entwurf genauer ansehen, dann stellen Sie schnell fest, dass wir zusätzliche Personalmittel bekommen haben, um die Stellen an den Schulen – Lehrer, Erzieher, für Ganztag, für die Inklusion – noch einmal deutlich zu erhöhen, um rund 400 zusätzliche Stellen. Das sind Investitionen, die den Schülerinnen und Schülern auch deshalb zugutekommen, weil wir eben keineswegs nur in den Bereichen Ganztag und Inklusion investieren, obwohl ich das schon ehrenwert finde, sondern auch die Zahl der Unterrichtsstunden gerade dort, wo es nötig ist, nämlich an den Stadtteilschulen in den Schulklassen 5, 6, 7 und 8, noch einmal erhöhen. Dafür mehr Personal, dafür rund 400 zusätzliche Stellen – ich finde, das ist ein gutes Signal, das von diesem Haushaltsentwurf ausgeht.
Wir denken dabei auch an die Zukunft, denn es ist ja offensichtlich, dass jetzt doch auch die anderen Länder immer mehr Lehrerinnen und Lehrer einstellen. Wir werden sorgfältig darauf achten, dass Hamburg hier konkurrenzfähig ist. Deswegen haben wir, und auch das gehört dazu, die Zahl der Ausbildungsplätze dramatisch erhöht.
Wir werden in den nächsten Monaten schrittweise die Zahl der Referendariatsplätze um über 40 Prozent erhöhen. Das ist auch ein Beitrag dafür, dass unsere Schulen zukunftssicher aufgestellt sind.
Das gilt erst recht für den Schulbau. Das, was wir eben dargestellt haben, die Verdoppelung der ursprünglichen Haushaltsansätze, werden wir mit diesem Haushaltsentwurf noch einmal toppen. 900 Millionen Euro, sage und schreibe 900 Millionen Euro wird die Stadt in den nächsten beiden Haushaltsjahren in den Schulbau investieren. Das ist mehr, als die gesamte Elbphilharmonie gekostet hat, in nur zwei Jahren. Hier kann man uns viel vorwerfen, aber nicht, dass wir diese Herausforderung nicht annehmen.
Liebe Frau Stöver, Sie haben recht, es stehen 400 Container da.
Das hat zwei Gründe. Der eine Grund besteht darin, dass zuvor zehn Jahre lang diverse andere Regierungen leider gar nicht gebaut haben. Das macht die Sache heute schwierig.
Und die andere Hälfte der Container steht da, weil wir bauen und die Schülerinnen und Schüler währenddessen in Gebäuden, die gerade umgebaut werden, nun einmal nicht lernen. Deswegen stehen diese Container da. Das ist ein gutes, kein schlechtes Zeichen, meine Damen und Herren.
Wichtig ist uns dabei aber insbesondere, dass wir Initiative ergreifen, um Schülern Rückenwind zu geben, die in sozial benachteiligten Stadtteilen groß werden und dort zur Schule gehen. Wir wollen nicht die Augen davor verschließen, dass wir, bundesweit genau wie in Hamburg, hier problematische Lernergebnisse haben. Das gilt insbesondere für die Kernfächer, für das Lesen, für das Schreiben und für das Rechnen.
Es wird mir hin und wieder vorgeworfen, dass ich an dieser Stelle besonders intensiv arbeite. Frau Boeddinghaus hat davon gesprochen, ich würde den Schulen ins Handwerk greifen und ihre Selbstverantwortung beschneiden.
Aber, meine Damen und Herren, es darf uns in diesem Haus nicht unberührt lassen, das 20 Prozent der Grundschüler am Ende der Grundschulzeit in Deutschland so schlecht lesen können, dass sie an dieser Stelle, Ende Klasse 4, eigentlich schon die gesamte Bildungsperspektive verspielt haben und kaum noch eine Chance haben, Philosophie, Musik, Pädagogik, Psychologie oder was auch immer noch zu lernen. Wir müssen bei den Kernkompetenzen kraftvoller auf den Weg gehen. Und genau dafür steht dieser Senat. Das halte ich für ganz wichtig, wenn es um die Gleichberechtigung und die Chancengleichheit in dieser Stadt geht.
Und wir tun das durchaus mit besonderer Konzentration auf Schüler und Schulen in sozial benachteiligter Lage. Ich will ein paar Punkte nennen. Die Personalressourcen werden bei uns tatsächlich nach sozialer Lage verteilt. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Wir haben mehr Lehrkräfte für kleinere Schulklassen, mehr für Sprachförderung, mehr für die Inklusion. Wir haben Förderprogramme wie D23. Alles an diesen Schulen. Das Ergebnis können Sie sich anschauen: Eine durchschnittliche Stadtteilschule hat bei gleicher Schülerzahl
40 Prozent mehr Lehrkräfte als ein durchschnittlich genauso großes Gymnasium. Eine Grundschule in sozial benachteiligter Lage hat sogar 50 Prozent mehr Pädagogen als eine andere Grundschule. Das, meine Damen und Herren, ist der erste Ansatz, um hier die soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem durchzusetzen.
Wir müssen dabei einen langen Weg gehen, das gebe ich jedem zu.
Und da sind wir noch nicht am Ziel. Aber so zu tun, als ob wir keine Erfolge erzielt hätten, das ist dann doch ein bisschen doll. Deswegen will ich einmal daran erinnern: Bis zum Jahr 2010 und 2011 hat Hamburg in sämtlichen Lernstandsuntersuchungen, egal, welche es waren, IGLU, TIMSS, PISA, IQB-Studien der Kultusministerkonferenz, bewegungslos auf den letzten drei Plätzen gestanden. Bis zum Jahr 2010/2011. Die letzten Studien aus 2015 und 2016
haben sehr klar nachgewiesen, dass wir uns in allen Fächern, auch in dem kritisierten Fach Mathematik, in allen Fächern und allen Klassenstufen so bemerkenswert nach vorn bewegt haben, dass wir heute Besuch bekommen aus anderen Bundesländern, die wissen wollen, wie man das macht. Also, hier ist etwas in Bewegung gekommen. Die Bewegung muss weitergeführt werden. Aber so zu tun, als ob nichts da wäre, das ist dann doch ein bisschen doll. Wir sind auf einem guten Weg in Hamburg.
Aber wir müssen noch weiter vorangehen. Und wenn wir das tun, das sage ich hier ausdrücklich, spielt eine Rolle viel Geld und viel Personal. Es spielt eine Rolle, dass wir gute Konzepte haben, gerade beim Lesenlernen, beim Schreibenlernen und bei Mathematik. Auch das ist wichtig, da brauchen wir guten Unterricht.
Aber an einen Punkt will ich auch erinnern: Dieser Erfolg ist nicht ausschließlich der Erfolg meiner Regierungszeit,
sondern auch ein Erfolg Ihrer Regierung insofern, als wir uns am Ausgangspunkt 2010 verständigt haben, die leidige Schulformdebatte, die Hamburg jahrzehntelang gelähmt hat, endlich abzuschließen, um den Schulen Kraft und Raum zu geben,
sich auf das zu konzentrieren, was Schülern nutzt, nämlich die Unterrichtsverbesserung, den besseren Unterricht in vielen anderen Bereichen schrittweise auszubauen. Deswegen sage ich hier sehr klar: Grundlage dafür und auch für weitere Lernerfolge ist der Hamburger Schulfrieden. Und hier möchte ich gerade auch an die Opposition einen Appell richten. Die SPD hat 2010 in der Opposition den Schulfrieden abgeschlossen, und auch wir haben darüber diskutiert, ob das wohl wahltaktisch eine kluge Idee ist.
Ich sage Ihnen ganz offen: Der Wähler hat die Antwort gegeben.
Nach 2010 hat es der SPD keineswegs geschadet, hier mit der Regierung zusammen eine Vereinbarung getroffen zu haben, sondern im Gegenteil haben die Wählerinnen und Wähler das honoriert. Sie honorieren es sehr wohl, wenn Politiker ernsthaft an der Sache arbeiten und ihnen die gute Lösung wichtiger ist als ein wahltaktischer Erfolg. Und deswegen sage ich hier ausdrücklich: Wir haben vor zehn Jahren erst nach einem schmerzhaften Prozess zusammengefunden. Heute sollten wir klüger sein und es nicht wieder so weit kommen lassen.
Schulkämpfe schaden denen, die unsere Unterstützung am dringendsten brauchen. Für Kinder, denen die Eltern zu Hause viel Liebe, aber nur wenig Rückenwind in der Bildung geben können, ist eine gute Schule die eine große Chance für ein gutes Leben. Deswegen sage ich hier sehr deutlich: Wir sind bereit, freundlich auf die Anliegen der Opposition einzugehen, wenn es darum geht, gemeinsam den Schulfrieden zu verlängern. Denken wir daran: Die Zukunft dieser – aller – Kinder ist auch unsere Zukunft. Das sollte unser Handeln bestimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich habe mich nur kurz zu Wort gemeldet, weil ich glaube, dass bisher der Konsens – ich lasse die letzten Wortbeiträge einmal weg – zum Schulfach Theater weit über die Regierungskoalition hinausging und es sich aus meiner Sicht auch lohnt, wenn wir diesen Konsens beibehalten.
Es ist richtig, was Herr Ovens vorhin ausführte, und zugleich nicht. Es ist richtig, dass auch unter Schwarz-Grün das Schulfach Theater weiter ausgebaut wurde. Es ist allerdings auch richtig, dass erst 2011 mit Beginn meiner Senatorenschaft wir das Schulfach Theater verpflichtend gestellt haben und damit sehr wohl etwas Besonderes gemacht haben und den Bedarf deutlich erhöht haben.
Na, Herr Wersich? Ich ahne, woher es kommt.
Tut mir leid.
Ja.
Nein, das ist nicht richtig, Herr Wersich. Ja, ja, komm, also wenn wir es schon darauf anlegen … Sie haben damals das Schulfach Künste eingeführt und gesagt: In diesem Schulfach Künste sollen jetzt alle
drei, nämlich Theater, Kunst und Musik, implementiert sein. Vorher war es nur Musik. Aber Sie haben nicht mehr Schulstunden dafür genehmigt und damit eine, sage ich einmal, leichte Schwierigkeit erzeugt,
da die Musiklehrer dann protestiert haben, weil sie meinten, sie kämen jetzt unter die Räder. Aber es ist jetzt auch wirklich Sophistik.
Wichtig ist, glaube ich, festzuhalten: Die Verpflichtung kam später dazu, vielleicht auch der Stundenausbau, aber es war die ganze Zeit eine große Einigkeit im Hause, dass wir das machen wollen. Und nur deswegen bin ich hier eigentlich noch einmal nach vorn gegangen, eher in der Versuchung, dass wir diesen Konsens wiederherstellen. Ich finde, es ist jetzt wichtig, die Chance der Lehrerbildungsreform zu nutzen, um dieses Fach weiter zu stärken. Das sollten wir gemeinsam tun. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg hat eine gute, klare und vernünftige Schulstruktur, die hier gemeinsam von allen Parteien, von allen Fraktionen in der Bürgerschaft erdacht und umgesetzt worden ist. Mit der vierjährigen Grundschule, mit dem achtjährigen Gymnasium und mit der Stadtteilschule, die alle Schulabschlüsse bis zum Abitur nach neun Jahren anbietet, haben wir in den letzten Jahren große Bildungserfolge erzielt.
Ich will wenige nennen: Die Zahl der Schulabbrecher hat sich nahezu halbiert. Die Zahl der qualitativ hochwertigen Schulabschlüsse hat deutlich zugenommen. Doppelt so viele Jugendliche schaffen nach der zehnten Klasse den Übergang in den Beruf und in die Ausbildung. Und zuletzt: Hamburg ist das einzige Bundesland, das sich in allen namhaften Bildungsstudien der letzten Jahre in allen Schulfächern und allen Klassenstufen verbessert hat. Diese Erfolge wollen wir weiter unterstützen durch eine Reform der Lehrerbildung. Hamburg hat eine gute Schulstruktur; wir wollen sie stabilisieren und weiterentwickeln.
Wir haben dazu einen sehr langen und sehr seriösen und ich glaube sehr dialogischen Prozess in Gang gesetzt. Ein Prozess, an dem beteiligt waren die Universität, die Schulbehörde und die Wissenschaftsbehörde. Ein Prozess, zu dem wir Experten
eingeladen haben, die ein eigenes Gutachten angefertigt haben.
Und wir haben über 80 Organisationen, Institutionen, Verbände, Berufsverbände aus dem Bildungsbereich eingeladen und um Rückmeldung gebeten und diese Rückmeldungen einbezogen. Zum Schluss: Wir haben über diesen langen Zeitraum in sechs Ausschusssitzungen der Bürgerschaft Rechenschaft abgelegt und die Möglichkeit gegeben, gemeinsam etwas zu entwickeln. Ich finde, diese Planung, das dürfen, glaube ich, alle gemeinsam sagen, war durchaus offen, transparent und dialogisch, und das allein ist schon ein großer Erfolg, für den ich mich hier noch einmal bedanken möchte.
Und wenn wir einmal ehrlich wären miteinander an einer Stelle, dann stellen wir ganz blass werdend fest: Es geht um vier Lehrämter, und in drei Lehrämtern sind wir uns absolut einig und im vierten sind wir uns zu 97 Prozent einig. Wir haben eine Übereinstimmung, gerade zwischen CDU und FDP einerseits, Rot und Grün andererseits, von 397 von 400 Prozent. Ich finde, es ist ein bisschen abenteuerlich, diese letzten 3 Prozent derart hochzujazzen, als ob die Schulrevolution jetzt vor der Tür stünde, wegen 3 Prozent
oder genauer gesagt 11 Credit Points in einem von vier Bildungsgängen. Das ist doch deutlich überzogen.
Ich freue mich, dass wir bei der Grundschule einig sind, dass es ein eigenes Grundschullehramt braucht. Ich freue mich auch, dass wir einig sind darin, dass dieses Grundschullehramt drei Fächer umschließt: Mathematik und Deutsch als Schlüsselkompetenzen und ein weiteres, frei gewähltes Fach. Wir adeln damit endlich den wichtigen Bereich des Grundschullehramts, der Grundschule überhaupt, und wir machen deutlich, dass Deutsch und Mathematik als Schlüsselqualifikationen so wichtig sind, dass sie schon im Studium ordentlich gelernt werden müssen. Ich freue mich sehr darüber, dass wir hier doch eine über alle Fraktionen hinweg große Einigkeit erzielt haben. Das wird Hamburgs Grundschülerinnen und Grundschüler in der Bildung deutlich voranbringen.
Und dann möchte ich doch zum Schluss auf den scheinbar so strittigen Punkt eingehen. In der Tat, es gab unterschiedliche Rückmeldungen zu der
Frage, ob die Stadtteilschule mit zwei Lehrämtern weiterhin bestückt wird – schon jetzt haben wir an der Stadtteilschule Haupt- und Realschullehrer und gleichzeitig Gymnasiallehrer – oder ob wir in Zukunft ein Lehramt an der Stadtteilschule für bedeutsamer halten. Und es gab Argumente für beide Seiten. Kinder an der Stadtteilschule machen sowohl den Hauptschul- als auch den Realschulabschluss als auch das Abitur. In der Abwägung der verschiedenen Argumente hat sich allerdings herausgestellt, dass auch die Experten, die für zwei Lehrämter plädiert haben, den Unterschied lediglich in sehr wenigen Studieninhalten gesetzt haben. So gering war er, dass er 3 Prozent des Studiums umfasste. In der Situation galt es abzuwägen: Ist es eigentlich richtig, wegen dieser 3 Prozent ein eigenes Lehramtsstudium, Haupt-/Realschulstudium sozusagen, anzusetzen? Wir haben uns in dem Dialog mit den vielen Interessenverbänden anders entschieden. Die Gründe sind hier eben genannt worden, ich will sie deshalb nicht ausführlich wiederholen. Aber wichtig ist, und das haben alle Experten gesagt: Bildungserfolg für Schüler hängt davon ab, ob ein Lehrer, eine Lehrerin ihr Fach gut kann und das Fach gern hat und davon begeistert ist. Und genau das im Studium zu vermitteln ist sehr, sehr wichtig, und das leistet das gymnasiale Lehramt.
Gern.
Nein, natürlich nicht. Nein. Das habe ich übrigens auch schon … Herr Scheuerl hat das eine Weile versucht. Da ist aber die Debatte abgestorben; das haben Sie damals vielleicht noch nicht so mitbekommen. Aber ich habe mich damals schon so geäußert, dass ich damals keine Einheitsschule befürwortet habe.
Ich würde gern noch einmal auf die fachlichen Argumente eingehen. Die Fachlichkeit ist der erste Punkt. Der zweite: Die meisten Interessenverbän
de haben intensiv dazu geraten, das zu machen, was wir jetzt machen. Nämlich nicht wegen 3 Prozent die einen Lehrer links in den Seminarraum und die anderen Lehrer rechts in den Seminarraum zu schicken, sondern sie gemeinsam in der Universität weiterzubilden. Es war also ein Vorschlag, den sich nicht Rot-Grün mal eben nachmittags ausgedacht hat, sondern ein Vorschlag, der mit intensivem Vortrieb aus den vielen Interessenverbänden, aus den vielen Bildungsbeteiligten an uns herangetragen worden ist.
Ich will aber auch auf zwei Argumente eingehen, die mir doch zu kurz kommen. Liebe Abgeordnete, liebe Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft! Es sind doch jetzt schon die Hälfte aller Lehrer an der Stadtteilschule Gymnasiallehrkräfte. Und nicht etwa, weil der Schulsenator das persönlich anordnet und die alle einzeln einstellt, sondern weil die Schulleitungen und Personalverantwortlichen in kluger Abwägung, was für die Schülerinnen und Schüler ihrer Schule gut und richtig ist, diese Entscheidung täglich immer wieder treffen. Und ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, wenn wir uns jetzt hier hinstellen und sagen, die irrten sich alle, die hätten alle keine Ahnung, wir wüssten es besser, und wir sagen, der Gymnasiallehrer, die Gymnasiallehrerin sei für diese Schüler nicht richtig. Ich bin jemand, der durchaus Wert darauf legt, was Menschen in der Praxis entscheiden und wie sie handeln. Das hat sich bewährt. Die Lehrkräfte kommen gut mit diesen Schülerinnen und Schülern zurecht, sie führen sie zu allen Schulabschlüssen, und wir sollten dieses Votum, diese Abstimmung mit den Füßen, in unseren Überlegungen sehr, sehr ernst nehmen.
Damit möchte ich schließen und möchte noch einmal deutlich sagen: Die Debatte hat zwar in ihrer Wortwahl hin und wieder den Eindruck erweckt, als gehe es hier um eine Schulrevolution, aber ich sage noch einmal: Wenn wir uns den gesamten Komplex angucken, gibt es bei 400 Prozent zu 397 Prozent Übereinstimmung, und ich finde es doch etwas überspitzt, mit welch großen Geschützen hier eine solche in der Sache wichtige Weiterentwicklung der Hamburger Lehrerbildung diskreditiert wird. Ich glaube, wir sollten wieder zur Sachpolitik zurückkommen und uns an der Frage abarbeiten, wie wir die Ausbildung Schritt für Schritt besser machen können. Ich lade dazu ein und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war sehr froh über die vielen Wortbeiträge, weil sie zwischen einem ernsten Problem auf der einen Seite differenzieren, aber gleichzeitig sagen, dieses Problem, das ernst genommen werden muss, dürfe nicht als politisches Vehikel für ganz andere Dinge missbraucht werden. Das hat mich sehr berührt und ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken bei allen Beteiligten bis auf … Ich bekam vor 30 Sekunden von der FDP-Fraktion Hamburg über Mitteilungen gesendet:
"Wir haben in Hamburg ein massives Integrationsproblem, aber Senat Hamburg leugnet das religiöse Mobbing an Schulen …"
übrigens leugnen noch falsch geschrieben –
"… Realitätsverweigerung hilft nicht weiter, Herr Ties Rabe."
Es ist schon sehr bedauerlich, Frau von Treuenfels-Frowein,
dass Sie diese Debatte genau wie die AfD für ganz andere Zwecke missbrauchen. Das finde ich schade.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass es weitgehend Einigung darüber gibt, dass das Thema wichtig ist und dass wir es weiter bewegen müssen, obwohl ich über die letzten beiden Wortbeiträge, sowohl von der LINKEN als auch von der AfD, etwas verblüfft bin. Bei der LINKEN hat mich besonders verblüfft, wie man gleichzeitig sagen kann, es müsse mehr Geld geben, es müsse schneller gehen, aber eigentlich sei das Ziel nicht richtig.
Was denn jetzt eigentlich, das darf man da schon fragen. Und deswegen möchte ich noch einmal grundsätzlich zu dem Ziel sagen, worum es uns geht. Wir sehen, dass nach der Schule in jedem Beruf Menschen mit Computern umgehen; in jedem Beruf. Es gibt kein Berufsfeld mehr, das nicht stark beeinflusst ist durch digitale Medien. Aber auch die Freizeit, die Bildung sind mittlerweile durch digitale Medien in eine neue Dimension befördert. Wir haben viele Studien, die uns zeigen: Wenn wir jungen Menschen nicht bereits in der Schule den Weg in diese digitale Bildung weisen, dann machen wir sie zu Analphabeten in der späteren Welt und werden einer Spaltung der Gesellschaft Vorschub leisten. Genau deshalb wollen wir, dass Schule sich dieses Themas annimmt.
Zweitens wollen wir nicht, dass das in ein Sonderfach Informatik abgeschoben wird, sondern wir glauben, dass es am besten ist, wenn künftig in jedem Schulfach nach wie vor ein Buch verwendet wird, ein Stift, ein Arbeitsheft, aber drittens, auch neu, digitale Medien, das heißt also, Laptops oder Smartphones oder Lernprogramme. Und zwar nicht in jeder Stunde, aber durchaus in jedem Fach mit großer Regelmäßigkeit, denn in Wirklichkeit kann es doch auch den Unterricht verbessern. Wir haben tolle Programme für Musik. Wir haben Bildbearbeitungsprogramme, die man in Kunst lernen kann. Man kann sich die Sportfrequenzen mit Filmen genauer angucken. Man kann vieles, vieles machen. Und deswegen ist es wichtig, dass das in
jedem Fach passiert. Auch darauf werden wir achten.
Damit komme ich bereits zum Schluss. Und da, muss ich sagen, Frau Stöver, hat mich Ihr Beitrag schon ein bisschen verblüfft. Wie kann man es jetzt schaffen, nicht weniger als eine Dreiviertelmillion Lehrer in Deutschland und 7 Millionen Schülerinnen und Schüler in diese digitale Welt zu führen, die, da haben Sie ja recht, keineswegs im Moment die gegriffene Wirklichkeit von Schule ist? Dort haben wir einen Riesenangang, ganz schwierig, etwas, was wir eigentlich in dieser Dimension im deutschen Schulwesen noch nie gemacht haben. Wie macht man das? Da will ich Ihnen, Frau Stöver, ganz offen sagen: Da ist nicht irgendetwas vom Himmel gekommen und jetzt werden Sie dem Senat einmal auf die Finger gucken, ob er dieses Geschenk annimmt, sondern dieses Geschenk, Frau Stöver, ist ein Geschenk, das dadurch zustande gekommen ist, dass das Bundesland Hamburg dafür an vielen Stellen entscheidende Weichen gestellt hat. Und da möchte ich einmal kurz auf die Debatte in der Aktuellen Stunde eingehen. Wer den Sondierungsvertrag sorgfältig durchliest, der findet das nicht darin. Da stand das nämlich nicht drin.
In der Sondierung; schön zuhören, mein Lieber. Kannst gleich dazwischenrufen.
In der Sondierung stand es nicht. Wie ist es da wohl hineingekommen? Und 5 Milliarden Euro schwer … Das liegt ja nicht irgendwo im Schatzkeller herum, nach dem Motto, oh, haben wir übersehen, das kommt jetzt mal. Ich will Ihnen sagen, wie das gekommen ist. Das hängt erstens damit zusammen, dass sich die Kultusministerkonferenz auf ein Papier verständigt hat, das übrigens in Hamburg geschrieben worden ist, und dass wir zweitens einen Bürgermeister haben, der bei diesen Koalitionsverhandlungen an der entscheidenden Stelle gesagt hat: Das wird jetzt gemacht. Wenn er nicht beispielsweise solche Dinge macht wie jetzt mit der Fraunhofer-Gesellschaft zu diskutieren in München und mit BMW über Elektromobilität, wenn er nicht diesen überragenden Einfluss gehabt hätte in den Koalitionsverhandlungen … Die 5 Milliarden Euro, liebe Frau Stöver, hatte Frau Wanka angekündigt und nie hingekriegt. Und das ist der Unterschied zwischen unserem Bürgermeister, zwischen der SPD-Politik in Hamburg und dem, was Sie bisher im Bund fabriziert haben. Das möchte ich doch noch einmal deutlich machen.
Ja, man muss weiterhin an der Leistung arbeiten; das ist vollkommen richtig. Aber ich bin doch ein bisschen darüber verblüfft, dass so getan wird, als seien wir hier schon in den Abgrund gefallen. Ich erinnere einmal daran, dass die Lesefähigkeit alle fünf Jahre bundesweit getestet wird und wir bei dem Ergebnis 2010 in Hamburg kein gutes Ergebnis hatten. Damals gab es das Sitzenbleiben. Damals gab es auch viele andere Reformen noch nicht. 2010 hatten Hamburgs Schüler einen Abstand zum Mittelwert in Deutschland um 22 Punkte. Das ist nicht wenig, das sind drei, vier, fünf Monate bis zu einem halben Jahr Lernrückstand. Diesen Abstand haben wir in den letzten fünf Jahren auf einen Miniminiabstand von nur noch sechs Punkten verringert. Bundesweit wurde Hamburg gerade für die Leseleistung der Schülerinnen und Schüler außerordentlich gelobt, das einzige Land, in dem die Grundschüler solche Fortschritte gemacht haben. Das ist kein Grund, sich darauf auszuruhen, sondern weiterzumachen. Aber aus dieser sehr guten Entwicklung zu folgern, wir müssten das Sitzenbleiben wieder einführen, ist empirisch ein bisschen waghalsig. Ich finde, wir sollten hier bei einer Reform, die ich nicht erfunden habe, sondern die von Schwarz-Grün erfunden wurde und die ich damals auch ein bisschen skeptisch gesehen habe … Aber heute sage ich mit innerer Überzeugung: Das hat in den Schulen gut geklappt, die sind weit vorangekommen. Daran sollten wir wirklich nichts ändern. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich etwas verschnupft klinge, ist es nicht der Debatte geschuldet, sondern der Erkältungswelle. Ich freue mich, dass alle Parteien, alle Fraktionen hier dem Vorschlag offensichtlich zustimmen möchten, dass wir die Zahl der Referendariatsplätze in Hamburg erhöhen.
Wir wissen, dass es zunehmend Probleme in vielen Bundesländern gibt, genügend Lehrerinnen und Lehrer zu finden. Wir lesen Berichte, dass in einem Bundesland die Hälfte der Grundschullehrer als Quereinsteiger eingestellt wird. Wir lesen Berichte, dass Gymnasiallehrer an Grundschulen abgeordnet werden müssen, um dort die schlimmsten Lücken zu füllen. Wir lesen auch Berichte über erhebliche Probleme in der Unterrichtsversorgung.
An dieser Stelle darf man schon sagen: Im Verhältnis zu diesen Problemen, die wir aus vielen Bundesländern mitbekommen, hat Hamburg bisher die Aufgabe, genügend Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, auszubilden und zu qualifizieren, sehr gut bewältigt. Das, finde ich, gehört schon an den Anfang der Debatte.
Dabei ist unser Problem bestimmt nicht kleiner, sondern vielleicht sogar größer als das vieler anderer Bundesländer. Es ist nicht nur so, dass unsere Schülerzahlen stärker wachsen als in vielen anderen Bundesländern. In der Regel brauchen wir allein zusätzlich 900 Lehrer im Verhältnis zu 2010, um die gewachsene Schülerzahl auszugleichen. Es ist auch nicht nur so, dass wir eine besonders stark ausgeprägte Pensionswelle zu bewältigen haben und ersetzen müssen. Nein, anders als es manchmal in den Reden eben durchschimmerte, haben wir auch seit 2010 zahlreiche zusätzliche Stellen geschaffen. Ich erinnere einmal daran, dass im letzten Schuljahr, bevor die SPD beziehungsweise der Senat hier jetzt regiert hat, 12 500 Pädagogen an den Hamburger Schulen waren, 12 500. Heute sind es 15 500. Es geht also nicht nur darum, Lehrer zu ersetzen, wenn sie in den Ruhestand gehen, sondern darum, dass dieser Senat in den letzten sieben Jahren 3 000 zusätzliche Stellen geschaffen hat, die es auch zu besetzen gilt. Ich finde, das ist schon einmal eine große Leistung, die man hier auch erwähnen darf.
20 Prozent dieser zusätzlichen Stellen sind für Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, aber 80 Prozent für Lehrerinnen und Lehrer. Das sind über 2 500 zusätzliche Stellen für kleine Klassen, natürlich für die Inklusion, für den Ausbau des Ganztages, auch dafür, weil immer mehr Schülerinnen und Schüler länger zur Schule gehen und das Abitur machen, und für die Stärkung des Unterrichts an der Stadtteilschule. Deswegen ist damit verbunden, dass wir tatsächlich über Rekordeinstellungszahlen reden. In den Jahren 1990 bis 2003 wurden durchschnittlich 400 Lehrer eingestellt. Das reichte aus, um die Pensionen aufzufüllen. Wir haben jetzt sieben Jahre in Folge im Jahresdurchschnitt 1 100 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Soweit die Aufzeich
nungen der Schulbehörde zurückreichen, gab es solche hohen Werte nicht. An diesen enormen Herausforderungen gemessen, finde ich, ist es schon bemerkenswert, dass wir bezüglich Lehrermangel und ähnlichen Themen keineswegs eine solche dramatische Situation haben wie in vielen anderen Bundesländern.
Woran liegt das? Das liegt natürlich daran, dass Hamburg eine attraktive Stadt ist; ich will es nicht leugnen. Viele Lehrerinnen und Lehrer anderer Bundesländer bewerben sich hier gern. Das liegt daran, dass wir auch ordentliche Beschäftigungsverhältnisse haben, fast 100 Prozent unbefristete Einstellung, immer verbeamtet, das machen viele Bundesländer keineswegs. Es liegt auch daran, dass wir, anders als es manchmal in der Opposition dargestellt wird, offensichtlich ein Schulsystem haben, wo Lehrerinnen und Lehrer gern unterrichten. Anders wäre es kaum zu erklären, dass so viele herkommen. Und deswegen, Frau Stöver, kann es wohl doch nicht so sein, dass Hamburg so unattraktiv ist. Wenn die Hälfte aller Bewerber aus anderen Bundesländern dazukommt, dann scheint das Schulsystem wohl auch ganz überzeugend zu sein.
Wir erwarten allerdings auch in Zukunft, dass die Zahl der zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer nicht deutlich sinken wird. Nach den jetzigen Bevölkerungsprognosen – auch wenn man berücksichtigt, dass wir die Qualität weiter steigern wollen in der Inklusion, im Ganztag – rechnen wir dauerhaft mit 700 Lehrerinnen und Lehrern, die wir jedes Jahr einstellen werden, deutlich mehr, als in Pension gehen. 570 bilden wir zurzeit aus. Das machen wir seit Jahren so und deswegen kann man schnell rechnen, da fehlen 130. Und genau diese Lücke wollen wir schließen. Wir wollen sie übrigens nicht schließen, nur um einer möglichen Debatte vorzubeugen, indem wir hier irgendetwas schlechter machen als früher oder die Qualität verändern, sondern die Qualität der Ausbildung bleibt 1:1 erhalten. Es gibt eben in Zukunft das Ziel, 700 Lehrerinnen und Lehrer jedes Jahr auszubilden. Ich finde, das ist vernünftig, das ist bedarfsgerecht und wird unser Schulsystem weiter voranbringen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorangegangenen Rednerinnen und Redner haben die Besonderheit des heutigen Tages aus vielen Gründen betont, die ich gleich noch einmal genauer darstellen möchte. Ich finde aber, gerade der letzte Wortbeitrag macht deutlich, dass wir, glaube ich, die Perspektive wechseln müssen. Es ist weniger die Frage, was wir alle richtig finden, das ist auch spannend, aber ehrlicherweise geht es hier um Kinder, um Eltern, es geht um Erwachsene und um Jugendliche. Deswegen haben wir zunächst einmal den Anspruch an uns, eine Gesellschaft aufzubauen, eine gesellschaftliche Struktur auch zu leben, die es allen ermöglicht, hier nach ihrer Façon, nach ihrer eigenen Entscheidung den richtigen Weg zu finden, um das eigene Glück auch zu erobern. Das, Herr Wolf, sollten wir zunächst einmal als Ausgangslage festhalten.
Wir wissen zugleich, dass eine Gesellschaft, die die Kraft aufbringt, allen die Hand zu reichen, eine integrative Gesellschaft, es nicht nur schafft, dass der Einzelne sein Glück findet, sondern sie wird auch eine Gesellschaft, die, wie ich glaube, erfolgreicher ist, weil sie nämlich viele Dinge auf den Weg bringt, die sonst nicht klappen würden. Ein soziales Miteinander, das alle gemeinsam stark macht, und natürlich auch ein Miteinander, in dem die Kompetenzen auch jener, die wir lange Zeit auf Sonderschulen abgeschoben haben, mit integriert werden zu ihrem eigenen Glück und zum Glück der Gesellschaft. Ich glaube, es ist auch ein Vorgehen, das allen nützt, auch jenen, die von sich sagen, dass sie weder eine Behinderung noch sonderpädagogischen Förderbedarf haben.
Aber wir wollen nicht darum herumreden: Das ist ein langer, langer Weg. Das, was Sie, Herr Wolf, gesagt haben, ist gar nicht so lange her. Es wird ja immer verdächtigt, dass Sie sich in Ihren Ideen sehr weit zurück bedienen: Nein, das ist noch aus den Siebzigerjahren. Damals war das genauso, dass man gesagt hat, es ist eine moderne Schule, wenn sie möglichst aufteilt und trennt, und eine moderne Schule, ein modernes Schulsystem, braucht eine Sonderschule. Wer die meisten Sonderschüler hat, hatte im damaligen Selbstverständnis gewonnen. Insofern ist das schon gar nicht so lange her und das macht auch deutlich, dass das jetzt ein langer Weg für uns ist, ein mühsamer Weg. Man lässt sich nicht einfach so die gesamte Gesellschaft umkrempeln. Dazu bedarf es einer Veränderung von Haltung genauso, wie es Barrierefreiheit an S-Bahn-Stationen und viele, viele anderer Dinge braucht. Und das dauert seine Zeit.
Deswegen reden wir heute gar nicht nur, um einen Kompromiss mit der Volksinitiative zu betonen. Wir haben eigentlich eine Dreierdebatte. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass der Senat hier alle Lebensfelder im Blick hat. Die Senatskoordinatorin, Frau Körner, führt diese Debatte, sie hat gerade ihren Tätigkeitsbericht vorgelegt. Denn es geht nicht nur um Schule, sondern es geht darum, in allen Lebensbereichen, in der Berufstätigkeit, im öffentlichen Nahverkehr, bei den Bauwerken, überall die Hand zu reichen all jenen, die bisher häufig Schwierigkeiten hatten, hier den Zugang zu finden, Barrierefreiheit herzustellen. Das alles gehört mit dazu. Auch übrigens, darüber reden wir eigentlich ebenfalls, dass wir ein Kompetenzzentrum Bau auf den Weg bringen wollen, um nämlich diese Prozesse auch zu organisieren und zu ordnen. An diesen mannigfaltigen Anstrengungen wird deutlich, dass es ein langer Weg ist. Aber wir sind nicht mutlos, sondern wir haben uns auf den Weg gemacht und werden diese vielen Fragen erörtern und aus dem Weg räumen.
Ich gebe fast allen Vorrednerinnen und Vorrednern recht, auch für die Schule ist das ein langer Weg. Wir sind in sehr kurzer Zeit sehr schnell vorangekommen. Das ist übrigens etwas, was sich in den Statistiken überall widerspiegelt. Noch vor Kurzem waren relativ wenige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den allgemeinen Schulen. Das lag übrigens an dem Stillstand der Zweitausenderjahre und ich weiß nicht mehr genau, aber die roten Regierungen waren es, glaube ich, nicht, die diesen Stillstand zu verantworten hatten. Aber eigentlich, das hat Frau Boeddinghaus richtig gesagt, haben wir früh in den Achtzigerjahren angefangen, in den Schulen die Türen zu öffnen. Aber dann ging es nicht voran. Umgekehrt wird deutlich,
dass es auch ein langer Weg für die Schulen ist, ein langer Weg, der übrigens ein Prozess ist. Hier wurde die ganze Zeit gesagt: Wieso haben sie denn das nicht schon eher gemacht? Ich glaube im Ernst, ich habe hier auch in den vorangegangenen Debatten sorgfältig zugehört. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass die FDP oder die CDU permanent 600 zusätzliche Stellen gefordert hätten, sonst können wir ja gern noch einmal die Protokolle wälzen. Ich kann mich sogar gut daran erinnern,
dass beim letzten Mal die CDU-Fraktion ebenfalls gesagt hat: Eigentlich braucht es nicht mehr zusätzliche Stellen.
Nein, wir brauchen aber nicht nur in die Vergangenheit zu schauen, wir dürfen nicht verkennen, Politik ist ein Prozess, ein Prozess der stetigen Weiterentwicklung. Wir haben heute in allen Politikfeldern, glaube ich, bessere Ausstattungen als noch vor Jahren und deswegen finde ich es durchaus ehrenwert, dass sich die Fraktionen und die Regierung auf den Weg gemacht haben, mit der Volksinitiative hier zu einer Vereinbarung zu kommen, die den Schulen großen Rückenwind geben und die Inklusion einen ordentlichen Schritt voranbringen wird. Das, finde ich, ist heute ein schöner Tag für Hamburgs Schulen.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Sie können natürlich weitersprechen, ich möchte Sie aber darauf hinweisen, dass die Redezeit eines Abgeordneten vor einer Minute abgelaufen gewesen wäre.
Oh je. Gut. Ich will das berücksichtigen.
Dann komme ich zu dem letzten Absatz meiner Rede. Wenn es jetzt darum geht, die Bildung an der Schule weiter zu verbessern, dann geht es ferner darum, drei Dinge miteinander zu bewegen.
Erstens, eine Ausstattung mit genügend Geld und mit genügend Stellen. Ich will hier nur einmal im Nebensatz daran erinnern, dass das Hamburger Schulsystem heute 2 300 mehr Stellen hat als zu Beginn meiner Amtszeit. 900 wären nötig gewesen, um die gestiegenen Schülerzahlen auszugleichen. Aber 1 400 zusätzliche schülerzahlbereinigte Stellen sind dazugekommen, um die Qualität zu verbessern. Das ist ein Beitrag des Senats für eine
Verbesserung, die es lange Zeit im Hamburger Schulwesen nicht gegeben hat.
Zweitens: Wir brauchen natürlich Fortbildungen. Nicht jede Lehrkraft kann so etwas von Anfang an. Das ist schon etwas, was Zeit braucht, was Mühsal kostet, was einen langen Atem braucht.
Drittens und zum Schluss: Inklusion braucht Haltung, Haltung aller Beteiligten in der Überzeugung, das ist richtig und das ist gut. Wenn wir ständig ausatmen, dass es nur eine vorübergehende Mode ist, die wir jederzeit wieder einkassieren können, dann werden wir erst recht keinen Erfolg haben. Hier sage ich einmal ehrlich, Frau von TreuenfelsFrowein: Ich habe eben noch einmal den Appell gehört, aber wenn ich Ihre Anträge oder die aus der CDU lese, dann sind es häufig Anträge, die sagen: bitte ein Stück zurück, nur wenige Schulen für die Inklusion öffnen, die anderen schließen.
Ich sage Ihnen einmal sehr klar: Das ist ein bisschen dialektisch. Einerseits fordern Sie: Die 600 Stellen müssen kommen. Wofür? Um die Inklusion rückwärts wieder abzuwickeln – These und Antithese in einer Person. Es wäre gut, wenn Sie da einmal die Synthese vorstellen würden. Wir sagen jedenfalls, in Bezug auf die Haltung sind wir eindeutig. Inklusion ist richtig, es ist ein Glück für jeden Einzelnen, das uns aufgetragen ist, aber es ist zugleich auch ein Auftrag an eine bessere und leistungsfähigere Gesellschaft. Das nehmen wir sehr ernst und in diesem Sinne werden wir weiterarbeiten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, Hamburg braucht viele hervorragend ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. 2006 arbeiteten in unseren Kindertageseinrichtungen und Schulen gerade einmal rund 8 500 Fachkräfte für die Erziehung. Jetzt sind es doppelt so viele, fast 17 000. Es gibt wohl keinen anderen Bereich der Stadt, der so dramatisch wächst. Wir sagen, das wollen wir so, wir wollen kostenlose Kitas, wir wollen hervorragende Bildung und Betreuung in Kitas und Schulen, wir wollen Hamburg zur familienfreundlichsten Stadt in Deutschland machen.
In der Tat brauchen wir dafür viele hervorragend ausgebildete und gut motivierte Erzieherinnen und Erzieher. Und, da haben Sie von der LINKEN vollkommen recht, wir brauchen auch ordentliche Beschäftigungsverhältnisse. Ich sage aber auch, hier haben wir viel geleistet. Unsere Tarife sind so ordentlich, unsere Beschäftigungsverhältnisse sind so gut, dass meine Kollegin Melanie Leonhard und ich immer wieder Diskussionen mit den Fachministern der anderen Bundesländer haben, weil deren Erzieherinnen und Erzieher gern in Hamburg arbeiten wollen, weil bei uns die Arbeit und auch die Tarifverträge attraktiv sind.
Wir ruhen uns darauf aber nicht aus. Deshalb haben wir die Ausbildungsangebote deutlich erhöht. Es ist nicht richtig, wenn Sie sagen, dass der Senat lange geschlafen habe. 2006 absolvierten gerade 360 Erzieherinnen und Erzieher den Abschluss an einer Berufsschule, 360. Im letzten Jahr waren es 1 000, und das zeigt sehr wohl, dass wir hier einen dramatischen Ausbau auf den Weg gebracht haben und eine gute Ausbildung für die Erzieherinnen und Erzieher in Hamburg gewährleisten.
Es ist richtig, dass wir hier noch mehr tun müssen. Ich sage vorweg, die Ausbildungsplätze sind vorhanden. Die Schulbehörde hat schon in den letzten Jahren klargemacht, dass jeder junge Mensch, der in Hamburg Erzieherin und Erzieher werden oder sozialpädagogische Assistenz lernen will, einen Ausbildungsplatz bekommt. Diese Ansage steht und sie ist die Grundlage für alle weiteren Verbesserungen. Doch der entscheidende Schritt ist die Frage, wie wir eigentlich genügend Bewerberinnen und Bewerber finden. Fünf Punkte sind dabei für uns wichtig.
Erster Punkt: Wir werden bürokratische Hürden in der Ausbildung abbauen. Beispielsweise mussten bislang Abiturienten ein Praktikum von einem Jahr leisten, um überhaupt eine Ausbildung beginnen zu dürfen. Das gibt es bei keiner anderen mir bekannten Ausbildung. Wer Bankkaufmann werden will oder wer Tischler lernen will, der fängt eine
Ausbildung an und muss nicht vorher ein Jahr lang ein Praktikum leisten. Deswegen sagen wir, hier tun wir das Äußerste, um jungen Menschen entgegenzukommen, und senken diese Praktikumszeit auf das Mindestmaß dessen, was tatsächlich erlaubt ist, nämlich vier Monate. Wir haben weitere entsprechende Veränderungen eingeführt. Unser Ziel ist es, bürokratische Hürden wegzuräumen, um jungen Menschen die Tür für diesen schönen Beruf Erzieherin und Erzieher zu öffnen.
Zweiter Punkt: Wir werden auch erstmals Schülerinnen und Schülern mit einem erweiterten Hauptschulabschluss ermöglichen, die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz zu beginnen. Ich sage sehr klar, wer das Talent hat, mit Kindern gut umzugehen und sie gut zu erziehen, wer zehn Jahre lang in Hamburg ordentlich zur Schule gegangen ist, dem dürfen wir nicht die Tür vor der Nase zuschlagen, weil er oder sie in Chemie, in Physik oder in Englisch eine schlechte Note im Abschlusszeugnis hat. Nein, um junge Menschen auch mit erweitertem Hauptschulabschluss diese Ausbildung beginnen zu lassen, wollen wir uns auf einen neuen Weg machen. Aber ich sage sehr klar, die Abschlussprüfung wird im Niveau nicht gesenkt. Und damit die jungen Menschen diese Prüfung bestehen können, haben wir gesagt, die Ausbildung wird für jene, die diesen Weg nutzen, um ein halbes Jahr verlängert, damit sie wirklich einen hervorragenden Abschluss machen können. Denn wir wollen weiterhin hervorragend qualifizierte Fachkräfte.
Dritter Punkt: Wir werden auf junge Menschen zugehen und sie gezielt für dieses schöne und erfüllende Berufsfeld werben. Sehr, sehr viele junge Menschen lernen Erzieherin und Erzieher erst im zweiten Anlauf. Viele entdecken ihre Liebe zu diesem Berufsfeld erst nach langen Irrwegen durch das Studium oder andere Berufe. Wir möchten, dass aus der Liebe auf den zweiten Blick eine Liebe auf den ersten Blick wird, und deswegen werden wir gezielt Schulabgängerinnen und Schulabgänger anschreiben und sie auf die großen Chancen dieses Berufsfelds aufmerksam machen.
Vierter und vorletzter Punkt: Wir sorgen für eine sehr gute Ausbildung. Dafür haben wir unsere Berufsschulen neu strukturiert und alle Experten für dieses wichtige Berufsfeld an vier Schulen zusammengeführt. Wir haben diese Schulen mit einem millionenschweren Bauprogramm zu den sicherlich modernsten Fachschulen in Norddeutschland ausgebaut.
Ein paar Beispiele: Die Schule in der Max-BrauerAllee wurde für knapp 7 Millionen Euro umgebaut, die eindrucksvolle Architektur ist schon jetzt zu be
wundern. Oder die Berufsschule Göhlbachtal in Hamburg-Harburg: Sage und schreibe 44 Millionen Euro investieren wir hier in einen kompletten Neubau. Übertroffen wird das noch von der Berufsschule Wagnerstraße in der Nähe der Schulbehörde. Für sage und schreibe 52 Millionen Euro ist eines der modernsten Schulgebäude in Hamburg entstanden. Das zeigt, wir wollen eine hervorragende Ausbildung und an der Qualität wird nicht gespart, im Gegenteil, wir lassen uns die Qualität viel kosten.
Ich komme zum letzten Punkt. Wir machen die Ausbildung auch finanziell attraktiv. Das, das müssen wir freimütig einräumen, war sie lange Zeit nicht, im Gegenteil. Wer Erzieher werden wollte und einen Realschulabschluss absolviert hatte, musste nicht nur rund fünf Jahre lang lernen, sondern konnte in dieser Zeit auch keinen Cent verdienen. Kein Wunder, dass es sich viele zweimal überlegt haben. Dank zwei Veränderungen ist damit jetzt Schluss.
Erstens hat die Bundesregierung, übrigens auf Initiative der SPD, das frühere Meister-BAföG so umgestaltet, dass unter bestimmten Umständen auch angehende Erzieherinnen und Erzieher diese Ausbildungsförderung bekommen. Und Hamburg hat dann etwas gemacht, woran anderswo noch gearbeitet wird. Wir haben alle Ausbildungsgänge so umgestaltet, dass jetzt jeder Hamburger Schüler, der diesen Beruf lernt, die 750 Euro BAföG im Monat bekommen kann, solange er nicht 30 000 Euro selbst auf dem Konto hat. Das ist der eine Schritt, den wir gemacht haben.
Zweitens hat Hamburg vor Kurzem mit den Trägern der Jugendhilfe die sogenannte berufsbegleitende Ausbildung eingeführt. Statt unbezahlte Praktika zu liefern, können die jungen Menschen in dieser Zeit in Kitas arbeiten und bekommen die gesamte Zeit konstant ein Gehalt ausgezahlt. Das beläuft sich in der Regel auf einen Betrag von 500 bis 700 Euro netto. Ich weiß das genau, weil auch in meinem Familienkreis davon Gebrauch gemacht wird. Das sind zwei Punkte, die wir extra eingeführt haben, damit diese Ausbildung auch diejenigen anspricht, die sagen, sie möchten diesen Beruf lernen, aber sie können es sich nicht leisten, fünf Jahre lang auf schlingernden Lebenswegen noch weiter zur Schule zu gehen. Hier haben wir die Chance geschaffen für all diejenigen, die sagen, sie ergreifen die Chance, aber sie wollen auch für ihren Lebensunterhalt in dieser Zeit sorgen können.
Sie sehen also, wir haben in den vergangenen Jahren vieles bewegt, die Ausbildungsquote verdreifacht, und wir werden nicht müde und arbeiten weiter daran, denn es geht um die Zukunft unserer
Stadt, es geht um gute Bildung und gute Erziehung. Wir wollen, dass die Kinder in Hamburg hervorragend betreut werden und hervorragend lernen können, und deswegen fördern wir diese wichtige und schöne Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Wolf, meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist – und es freut mich, dass Sie es auch so wiedergegeben haben –, dass der Brief sich nicht an Hamburg direkt richtet, sondern er wurde an die Kultusministerkonferenz und alle 16 Schulminister
geschickt. In der Tat kritisieren 130 Mathematikprofessoren den mathematischen Kenntnisstand und das mathematische Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler, die ein Studium beginnen. Sie führen das auf die neuen Bildungspläne und die besonderen Textaufgaben zurück. Dieser Brief wird zurzeit in der KMK und auch in meiner Behörde diskutiert und analysiert. Damit hätte ich eigentlich schon Ihre Frage beantwortet, denn Sie hatten lediglich gefragt, ob wir uns damit beschäftigen, und das tun wir. Doch ich nehme an, Sie hätten gern eine Stellungnahme dazu.
Aber vielleicht zur Sache selbst noch einmal die genauere Ausführung: 2000 hat die erste PISAStudie Deutschland einen Schock versetzt, weil wir in den verschiedenen Kompetenzbereichen sehr weit hinten lagen. Das galt insbesondere für Mathematik. Wir waren Zwanzigster der OECD-Staaten in Mathe. Als Grund führten die Wissenschaftler damals an, dass die Schülerinnen und Schüler zwar Wissen auswendig könnten und gebüffelt hätten, aber damit nicht souverän umgehen könnten. Sie empfahlen einen anderen Mathematikunterricht und auch veränderte Bildungspläne. 2003 beschloss die Kultusministerkonferenz, ausgehend von den Impulsen der Wissenschaftler, tatsächlich neue Bildungsstandards – Kompetenzorientierung, wie es so schön heißt. Seit 2003 bis zum Jahr 2010 haben alle meine Vorgänger, Senatorinnen und Senatoren, diese kompetenzorientierten Bildungsstandards in Hamburger Lehrplänen verankert.
Wir können feststellen, dass Deutschland sich in dieser Zeit bei den PISA-Tests in Mathematik maßgeblich verbessert hat. Von Platz 20 sind wir alle drei Jahre bei jedem neuen PISA-Test nach vorn gekrabbelt und haben uns beim letzten PISA-Test auf Platz 10 vorgearbeitet. Es mag sein, dass dieses Kompetenzniveau immer noch nicht reicht; darüber lässt sich trefflich streiten. Aber so zu tun, als ob die Bildungspläne ursächlich für ein Desaster seien, hieße genau die gegenteilige Argumentation, die hier tatsächlich dem zugrunde liegt, anzuwenden. Tatsächlich wurde das Desaster Ende der 1990er-Jahre durch PISA festgestellt und fußte damals auf Bildungsplänen, die heute von diesen Wissenschaftlern wieder zurückgefordert werden, die uns aber 2000 das schlechte Ergebnis beschert haben. Die dann neu eingeführten Reformen – ob sie in allen Punkten so bestehen bleiben mögen, das sei dahingestellt – haben aber eine signifikante Verbesserung der Leistungen in Mathematik in allen deutschen Bundesländern auf den Weg gebracht, sodass es etwas monokausal reduziert wäre zu sagen, heute seien die Schüler schlechter als damals – in Klammern, das ist definitiv falsch – und es liege an den Bildungsplänen; das ist auch von der Beweisführung mühsam. Grundsätzlich gilt aber, dass wir vermutlich weitere Impulse im Fach Mathematik brauchen.
Ich gebe zum Schluss zu bedenken, dass zurzeit mehrere Dutzend andere Mathematikprofessoren einen Entgegnungsbrief schreiben, in dem sie anführen, genau diese Lehrpläne seien das Beste, was wir hätten tun können, und so stehen wir Politiker auch ein bisschen nachdenklich vor dem innermathematischen Streit der Fachwissenschaftler. Die einen sagen, textorientierte Lösungswege, und die anderen sagen, rechnen, rechnen, rechnen. Das ist in der Tat für die Kultusminister nicht einfach und wird Gegenstand weiterer Befassungen sein.
Ich will noch einmal wiederholen, die Veränderung der Lehrpläne war Teil eines gesamten Reformwerks der Jahre 2000 bis 2010. Diese Veränderungen haben zumindest einen deutlichen Leistungszuwachs der Schülerinnen und Schüler herbeigeführt. Es mag sein, dass das für viele Professoren heute immer noch zu wenig ist, was dort von Schülern und Studenten geleistet wird. Offenkundig ist es aber umgekehrt so, dass diese neuen Lehrpläne als Teil einer Gesamtreform zu einer Verbesserung der Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler in allen Bundesländern geführt haben. Woran wir arbeiten müssen, und da gebe ich Ihnen recht, Herr Wolf, ist die spannende Frage: Brauchen wir noch stärker Lösungskompetenzen und – ich spitze es zu
mit meinen Worten, Mathematikprofessoren werden mich dafür vermutlich tadeln – brauchen wir mehr mathematische Philosophie? Ich lese einen komplizierten Sachverhalt in einem Text und meine Kreativität ist es, den Lösungsweg zu finden. Das ist die eine Variante als ganz außenstehendes Extrem. Oder brauchen wir eher den Lösungsansatz, bei dem man sagt, Gesetz ist f von x gleich sowieso, berechne den Wendepunkt, und dann muss man innerhalb dieser Formel rechnen? Das ist der andere Extrempunkt. Ich nehme wahr, dass die Mathematiker selbst, auch an den Universitäten, hoch zerstritten sind über diese beiden Extreme. Ich sagte bereits, andere Mathematiker schreiben zurzeit an dem Gegenbrief; mir wurde schon ein Entwurf zugestellt. Deswegen gilt hier, dass die Kultusministerkonferenz insgesamt diese Frage mit den Fachleuten noch einmal genau erörtert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass das Mathematikniveau von Schülerinnen und Schülern sehr stark damit zusammenhängt, ob die Lehrkraft selbst Mathematik studiert hat oder nicht. Es gibt auch hinreißende Ausnahmen. Es gibt Lehrerinnen und Lehrer für Chemie oder Sport, die vielleicht auch gut Mathe unterrichten können im Einzelfall. Aber statistisch nachweisbar ist ein enger Zusammenhang zwischen der Fachlehrerschaft einerseits und einem hohen Niveau der Schülerinnen und Schüler andererseits. Deswegen haben wir im Zuge unserer Mathematikreform in der Tat darauf gedrängt, dass Mathematikunterricht ab Klasse 5 nur noch von ausgebildeten Mathelehrern erteilt wird. Da sind wir weit gekommen. Als wir die Reform angestoßen haben, wurden an einigen Schulen noch unter 70 Prozent der Mathematikstunden von Fachlehrern gegeben. Wir liegen jetzt in beiden Schulformen, Stadtteilschule und Gymnasium, bei über 90 Prozent, beim Gymnasium sogar über 95 Prozent. Das war möglich, weil über 300 zusätzliche Mathematiklehrerinnen und -lehrer eingestellt worden sind. Unabhängig von dem Streit, ob es in der Mathematik in diese oder jene Richtung gehen soll, führt das nach unserer Überzeugung tatsächlich dazu, dass Schülerinnen und Schüler besser Mathe können. Des
wegen haben wir das gemacht, und wir sind davon überzeugt, dass 300 Mathelehrer mehr auch ihre Wirkung tun werden.
Die Überarbeitung der Mathematiklehrpläne ist dann sinnvoll, wenn deutlicher auch in der Wissenschaft und Fachdidaktik herausgearbeitet wird, in welche Richtung eine solche Überarbeitung erfolgen soll. Die jetzt aufgebrochenen Streitigkeiten auch innerhalb der Mathematik geben dazu Anlass zu sagen, es müsse jetzt erst einmal auch wissenschaftlich genau betrachtet werden, ob tatsächlich das Rechnen stärker in den Fokus gestellt wird oder ob auf dem bisher beschrittenen Weg weitergemacht wird. Solange die Fachwissenschaft in diesem Punkt keine Einigkeit aufweist, ist es wenig sinnvoll, sich die Lehrpläne insgesamt anzugucken.
Einen Punkt möchte ich aber aufgreifen und ergänzen. Auch ich höre immer wieder aus der Wirtschaft, aus Bewerbungsgesprächen, aus der Öffentlichkeit, dass viele das Basisrechnen – ich spreche nicht von Mathematik, sondern von Rechnen, Dreisatz, Prozentrechnung, Bruchrechnung – mit Mathematik verwechseln. Ich bin mit drei Mathematikern unter einem Dach zu Hause und die würden mir sofort widersprechen, wenn ich behaupten würde, dass Bruchrechnung Mathematik sei. Bruchrechnung sei Rechnen, würden sie sagen. Aber genau das, was wir für Mathematik halten und was viele Mathematiker als Rechnen be
zeichnen, sehe ich als einen Bereich an, der gestärkt werden muss. Wir werden uns deshalb mit der Frage auseinandersetzen – und das tun wir in dieser Legislaturperiode gewiss –, ob nicht zumindest die Klasse 10 für jene Schülerinnen und Schüler, die danach in den Beruf übergehen, genutzt wird, um dieses Rechnen besserzustellen und die Schülerinnen und Schüler sicherer zu machen, damit sie bei Bewerbungstests, aber auch später im Beruf dieses Grundlagenwissen besser beherrschen als zurzeit.
Wir warten mit Spannung auf die nächste Studie, die uns tatsächlich Mathematikergebnisse für Hamburg bescheren wird. Sie wird 2017 oder 2018 veröffentlicht. Ich muss allerdings sagen, dass zwar im Monatstakt Studien erscheinen, es aber in Wahrheit nur zwei Studien für Mathematik gibt, nämlich TIMSS einerseits und andererseits die IQB-Studie, die tatsächlich Daten erheben. Alle anderen Studien schreiben leider von diesen beiden Studien ab. Obgleich sie auch in der Öffentlichkeit stets große Aufmerksamkeit finden, präsentieren diese anderen Studien selten neue Daten.
Die letzte aktuelle Studie, die über Hamburg eine Aussage trifft, stammt aus dem Jahr 2012. Die getesteten Schülerinnen und Schüler besuchten in der Zeit von 2002 bis 2012 die Schule. In dieser Zeit sind die Neuntklässler untersucht worden mit schlechten Ergebnissen für Hamburg. Hamburg ist damals auf Platz 13 aller Bundesländer gelandet vor den beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie Nordrhein-Westfalen. Das ist die jüngste aktuelle Studie, die für Hamburg Leistungen wiedergibt. Wo wir heute sechs Jahre später stehen – die getesteten Schülerinnen und Schüler sind 2011 getestet worden –, können wir zurzeit nicht sagen. In der Öffentlichkeit wird immer viel darüber diskutiert, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler keine Mathematik beherrschen würden, aber einen Vergleich zu anderen Bundesländern gibt es derzeit nicht.
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, darauf hinzuweisen, dass gerade eine neue IQB-Studie für Deutsch und Englisch erschienen ist. Ich will nicht nach Oberlehrer klingen, aber weil es auch
aus der Opposition die Kritik gab, ich hätte die problematischen Matheergebnisse dieser Studie verschwiegen, sage ich ganz klar, dass diese Studie Mathe gar nicht untersucht hat. Deswegen konnte der Schulsenator keine Matheergebnisse in dieser Studie nennen.
Und, Frau Prien, wenn Sie jetzt "Ach was" sagen, dann darf ich auf Ihre Pressemitteilung gezielt antworten. Sie haben geschrieben, diese letzte IQBStudie habe der ehemalige Staatsrat Vieluf ausgewertet. Ach was, kann ich nur sagen. Das ist natürlich nicht wahr. Vielleicht ist das auch eine Erklärung zu den Studien, bei denen wir jetzt gut abgeschnitten haben, aber für Mathe gibt es nur eine alte und die war nicht so gut. – Vielen Dank.
Der Senator antwortet, dass ihm das, was Sie als viele Schulleitungen zitieren, nicht bekannt ist. Ich sage Ihnen offen, dass Schulleiter in der Regel durchaus briefeschreibefreundlich sind. Einen Brief zum Thema Mathe gibt es hier nicht. In der Tat sagen sehr wenige Schulen, sie machten Mathe anders, insbesondere ohne Fachlehrer. Es ist richtig, dass es hier einen Dissens zwischen mir und einzelnen Schulen gibt. Ich glaube aber, die Studien, die in diesem Punkt sehr eindeutig sind, geben Anlass zu sagen, es ist richtig, Mathematiklehrer einzusetzen. Wenn eine Schule glaubt, sie könne sich dieser Idee widersetzen und weiterhin Chemie- und Sportlehrer vor allem im Mathematikunterricht einsetzen mit der Begründung, diese Lehrer könnten besser Pädagogik, dann muss ein Schulsenator auch manchmal eine Entscheidung fällen. Dass die nicht jedem passt, damit kann ich leben. Ich glaube aber, sie ist richtig.
In der Tat gibt es insbesondere in der Hamburger Universität unter den Mathematikfachdidaktikern eine große Gruppe, die diese Aufgaben stark präferiert. Und das hat auch Auswirkungen auf das Bundesland Hamburg. Ich glaube aber, wir sollten uns an der Frage deshalb nicht verkämpfen, weil die Tatsache, dass wir jetzt über den sogenannten Abituraufgaben-Pool bundeseinheitliche Aufgaben haben werden, die Entscheidung schon herbeiführt, ohne dass wir in Hamburg den Glaubenskampf beginnen müssen. Denn tatsächlich werden jetzt 16 Bundesländer sich jedes Jahr auf das Niveau, aber auch auf die Frage Text oder weniger Text oder gar kein Text bei den Abituraufgaben einigen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir uns sehr eng an diesen Aufgaben orientieren werden, und damit wird im Großen und Ganzen diese Entscheidung in ganz Deutschland mit gefällt. Hamburger Mathematiklehrer arbeiten daran mit, aber sie sind ein Teil. Und ich habe jetzt bereits den Eindruck, dass die sehr klare Textorientierung auf der Bundesebene des Aufgaben-Pools ein Stück zurückgefahren wird, wenn auch nicht vollständig, sodass sich hier vielleicht eine Verschiebung in der Schwerpunktsetzung von selbst ergibt.
Es freut mich, dass so viele aus allen Fraktionen dieses Angebot der beruflichen Schulen gut finden. Deswegen will ich gar nicht viele Worte machen. Ich verweise noch einmal darauf, dass wir keine Halbtagsschule für ältere, geflüchtete, schulpflichtige Jugendliche anbieten. Denn wir wissen, dass hier sehr viel zu lernen ist, und eine Halbtagsschule, die um 13 Uhr endet, verpasst viele Chancen. Das ist das eine, deswegen gehen wir in den Ganztag mit diesem Angebot.
Und das andere: Wir alle haben erlebt, das Lernen findet nicht nur in der Schule statt, sondern vor allem in sozialen Zusammenhängen, beispielsweise in der Berufswelt; auch das sprachliche Lernen. Deswegen ging es uns zweitens darum, die Berufswelt in dieses Schulangebot einzubinden, um damit dann drittens noch etwas zu erreichen, nämlich dass diese jungen Menschen nicht nur die Sprache und das deutsche Leben, wie auch immer man das jetzt bezeichnen will, kennenlernen, sondern auch die Berufswelt gleich von Anfang an. Daher also zwei bis drei Tage in der Woche ganztags in der Schule, zwei bis drei Tage in der Woche in echten Hamburger Betrieben im Praktikum. Und der Dank, den die vielen hier aus dem Hause der Hamburger Wirtschaft und den Berufsschulen gezollt haben, ist berechtigt. Auch die Hamburger Wirtschaft hat durch enorm viele Praktikumsplätze dazu beigetragen, dass geflüchtete Menschen aus aller Herren Länder jetzt in Hamburg Praktikumsplätze bekommen, ob es in Kitas ist oder in einer Konditorei oder bei einem großen Werkzeugmaschinenhersteller, und so weiter. Auf diese Art und Weise ist die Integration wirklich auf einem guten Weg.
Ich stimme Ihnen zu, Frau Boeddinghaus, das ist ein langer Weg, und er ist dornig und nicht einfach. Da müssen wir noch vieles machen, denn dieser Bildungsgang ist noch nicht die Ausbildung selbst, dieser Übergang muss erst noch kommen. Und da wünschen wir uns, dass nicht nur der Senat sich anstrengt, wir werden es tun, sondern dass auch die Wirtschaft Ausbildungsplätze bereitstellt.
Umgekehrt möchte ich aber in Richtung AfD sagen, diese seltsame Unterscheidung zwischen jenen, die einen Aufenthaltsstatus haben, und jenen, die dies nicht haben, kann man möglicherweise bei Erwachsenen zu Recht machen. Bei Jugendlichen, die in einer Entwicklungsphase sind, ist das ein gefährliches Spiel, wenn wir 16-Jährigen oder 15Jährigen – Sie hatten es schon in der vorangegangenen Debatte als Ihr großes Ziel vor sich hergetragen – oder Grundschülern dann sagen, du gehst nicht zur Schule, weil noch nicht klar ist, ob du hierbleibst. Und wenn sie dann irgendwann mit 15 Jahren vielleicht, sechs Jahre später, wissen,
der Aufenthaltsstatus ist da, dann haben sie sechs Lebensjahre Lernmöglichkeiten verschenkt. Ich finde das unverantwortlich, und das machen wir eindeutig nicht.
Und auch noch einmal in Richtung AfD möchte ich mit zwei Hinweisen schließen, die Sie mir als passioniertem Geschichtslehrer nachsehen.
Erstens: Ich habe gestern den Hamburger Auszubildenden des Jahres in der Handelskammer geehrt. Die Hamburger Handelskammer ist die älteste Handelskammer Deutschlands, und Hamburg hat 1665 den ersten Präsidenten dafür gesucht. Man hätte jetzt sagen können, jede andere Stadt würde sich vermutlich die uralt eingesessene Kaufmannsfamilie nehmen mit dem meisten Geld, und die wird den Präsidenten stellen. Die Hamburger Handelskammer, Herr Wolf, hat damals jemanden gewählt, dessen Familie erst eine Generation vorher als Flüchtlinge – Klammer auf: Aufenthaltsstatus ungeklärt, Klammer zu – aus Holland vor den Glaubenskriegen geflüchtet ist. Das war der erste Präsident der Hamburger Handelskammer.
Und noch etwas sei mir aus der Geschichte gestattet, dann höre ich jetzt auch auf.
Ja, es ist schön, dass Sie gestern zugehört haben, aber es waren nicht alle da.
Zweitens, und das habe ich gestern nicht erwähnt, deswegen dürfen Sie jetzt auch zuhören: Wir haben eine große Reederei in Hamburg, HapagLloyd, gegründet als Hapag. Und ich darf einmal sagen, dass sie groß geworden ist. 1886 trat dort ein junger Mann ein, wurde Manager und machte aus einem Gurkenbetrieb – das darf man hier offen sagen – erst einmal die größte Hamburger, dann die größte norddeutsche, die größte europäische und dann die größte Reederei der Welt, das war Albert Ballin. Er war ein Kind von Flüchtlingen jüdischen Glaubens aus Dänemark. Und deswegen haben wir in Hamburg die Tradition erkannt, welche enormen Chancen es bietet, wenn wir die Hand reichen, und das hat Hamburg groß gemacht und das machen wir auch in Zukunft, und das finde ich auch richtig. – Vielen Dank.
Frau Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund nehmen wir in Hamburg in einem dreistufigen Verfahren vor. Zunächst werden Schülerinnen und Schüler in den Erstaufnahmen sofort nach Ankunft unterrichtet. Hier findet, wenn man so will, unter der Regie von Lehrerinnen und Lehrern, meistens aber Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, eine Art Orientierung statt, wie man sich in Deutschland zurechtfindet, und es werden erste Spracherfahrungen gesammelt. Nach in der Regel einem halben Jahr, wenn die Schülerinnen und Schüler im Leistungsstand zugenommen haben, werden die Schülerinnen und Schüler in die zweite Stufe überführt, das sind die sogenannten Internationalen Vorbereitungsklassen. Anders als die Klassen der Erstaufnahmen gibt es hier ein festes Curriculum, es gibt den Unterricht durch ausgebildete examinierte Lehrkräfte und eine Hinführung auf den Fachunterricht der Regelklassen. Dritter Schritt: Nach in der Regel einem Jahr in der Internationalen Vorbereitungsklasse geht es dann in die Regelklasse der allgemeinen Schule.
Am Luruper Gymnasium passiert genau das. Von der ersten Stufe, dem Lernen in der allerersten Lerngruppe, den sogenannten Erstaufnahme-Lerngruppen, haben die Schülerinnen und Schüler nach einem halben Jahr einen so hohen Kenntnisstand erreicht, dass sie jetzt in die nächste Stufe, nämlich in Internationale Vorbereitungsklassen am Goethe-Gymnasium in Lurup, versetzt werden, wenn ich so sagen darf. Die Besonderheit in Lurup ist lediglich darin zu sehen, dass diese Erstaufnahme-Klassen nicht, wie sonst üblich, in den Erstaufnahmeeinrichtungen stattfanden. Grund ist, dass die Erstaufnahme Schnackenburgallee nicht genügend Platz hatte und die Erstaufnahme-Klassen am Gymnasium waren. Dort verlassen jetzt die Kinder diese Erstaufnahme-Klasse und wechseln in die Internationalen Vorbereitungsklassen.
Ich war über die Anfrage etwas verblüfft, weil ein Klassenwechsel – und nichts anderes ist es – nach Lernstand der Schülerinnen und Schüler in jedem Schulsystem Deutschlands das Normalste der Welt ist. Schüler werden von der zweiten in die dritte, von der fünften in die sechste, von der achten in die neunte Klasse versetzt. Sie lernen dann mehr, sie haben einen anderen Unterricht und dann wechseln auch die Lehrkräfte. Genau das geschieht erst recht mit Flüchtlingen, denn für sie müssen wir mit großem Engagement dafür sorgen, dass sie schnell Anschluss finden und in diesem dreistufigen Schritt deshalb schnell aus dem vorbereitenden Erstaufnahmeeinrichtungsunterricht in die nächsthöhere Stufe wechseln.
Wir haben deshalb mit der Schule gesprochen, an der jetzt die Internationalen Vorbereitungsklassen eingerichtet sind. Die Schülerinnen und Schüler sind überführt worden. Es sind zusätzliche Lehrkräfte mit Examen eingestellt worden, um sie dort gut zu unterrichten. Selbstverständlich werden die bisher unterrichtenden Sozialpädagoginnen und -pädagogen aus den früheren Erstaufnahme-Lerngruppen weiterhin im Hamburger Schulsystem beschäftigt. Die entsprechenden Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen sind bereits aufgenommen worden und in zwei von vier Fällen gibt es auch schon eine neue Perspektive, im dritten Fall geht der Kollege in den Ruhestand und beim vierten Fall gibt es demnächst eine Einigung. Insofern ist das ein ganz normales Verfahren, so wie es bei einer Viertelmillion Hamburger Schülerinnen und Schüler jedes Jahr zum Klassenwechsel bei der Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe auch üblich ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich kann verstehen und finde es herzerwärmend, wenn Pädagoginnen und Pädagogen sagen, sie möchten ihre Kinder behalten. Aber ehrlicherweise wollen wir alle doch dafür sorgen, dass diese Schülerinnen und Schüler schnell Anschluss an eine Regelklasse finden. In einer Re
gelklasse gibt es echten Fachunterricht von ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Wir müssen schnell auf diesen Fachunterricht vorbereiten. Die bisher in der Erstaufnahme-Lerngruppe unterrichtenden Pädagoginnen und Pädagogen waren keine examinierten Lehrerinnen und Lehrer. Es waren Sozialpädagoginnen und -pädagogen, die dort für den ersten Schub sicherlich gute Arbeit geleistet haben, ohne jedoch die Professionalität und Ausbildung zu haben, um auf das Regelschulsystem hin auszubilden und weiterhin zu schulen.
Ich möchte aber die Nachfrage nutzen, um darauf hinzuweisen, dass DIE LINKE vor einer Stunde eine Pressemitteilung geschrieben hat:
"Warum wirft Rabe Integrationslehrer raus?"
Ich würde mich freuen, wenn Sie das korrigieren würden. Nicht nur die Kleinigkeit, dass es sich nicht um Lehrerinnen und Lehrer handelt, wäre vielleicht detaillierter und besser gewesen, aber selbstverständlich haben alle ein Angebot bekommen und werden ihre Arbeit im Schulsystem in Hamburg fortsetzen, weil wir gute Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen brauchen. Ich freue mich auf die erläuternde und verbessernde Pressemitteilung der LINKEN. – Vielen Dank.
Zurzeit sind 7 800 Schülerinnen und Schüler mit Flucht- und Zuwanderungshintergrund in besonderen Vorbereitungsklassen in den allgemeinen Schulen, in den Erstaufnahmen oder in den Berufsschulen. Die Erstaufnahmebeschulung war etwas Besonderes in Hamburg, weil wir jede Stunde nutzen wollten, um von Anfang an den Schülerinnen und Schülern Unterricht zu bieten. Eigentlich war es so gedacht, dass die Schülerinnen und Schüler irgendwann aus der Erstaufnahme in eine dauerhafte Unterkunft kommen. Gleichzeitig mit diesem Wechsel sollten sie dann in eine Internationale Vorbereitungsklasse überge
hen. Dieser Wechsel in die dauerhaften Unterkünfte verzögert sich, wie Sie wissen, aus vielen Gründen, insbesondere weil wir noch mehr Flüchtlingsunterbringungen bauen müssen und mit den Bezirken und vielen anderen Partnern weiterhin zusammenarbeiten. Weil dadurch aber die Schülerinnen und Schüler sehr lange in diesen Erstaufnahmeeinrichtungslerngruppen sind und irgendwann nichts mehr dazulernen können, weil sie dazu neuen Input und ein anderes Unterrichtssetting brauchen, haben wir in der Tat angefangen, Schülerinnen und Schüler auch dann, wenn sie noch in der Erstaufnahme sind, in Internationale Vorbereitungsklassen zu überführen, um ihnen möglichst schnell weitere Lernchancen zu bieten. Das ist gelungen. In den letzten drei Monaten haben wir die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Erstaufnahmelerngruppen von 1 200 auf 800 heruntergefahren. Die Leistung ist noch größer, als sie rechnerisch dasteht, weil ständig neue Schülerinnen und Schüler zu den Erstaufnahmelerngruppen dazukommen. Insofern sind wir mit Kraft dabei, diesen jungen Menschen den Weg in das Hamburger Schulsystem zu ebnen.
Der Dreisprung übrigens ist durchaus erfolgreich. Nach unseren Statistiken sind in den letzten anderthalb Jahren bereits über 5 000 Schülerinnen und Schüler mit Flucht- und Zuwanderungshintergrund in den Regelklassen der Hamburger Schulen gelandet. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen dafür, dass hier die Integration gut funktioniert. – Vielen Dank.