Protocol of the Session on May 17, 2016

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer kann denn auf diese Frage mit Nein antworten?)

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Ja, das teile ich absolut. Ich möchte hinzufügen: Wir haben die Situation, dass ungefähr 80 % derjenigen, die dauerhaft bei uns bleiben, über keine qualifizierte Berufsausbildung verfügen. Aber wir haben gleichzeitig die Situation, dass diese Personen vergleichsweise sehr jung sind. Das sind die klassischen Kandidaten auch für eine berufliche Ausbildung, und genau daran arbeiten wir jetzt.

Frage 511, Frau Abg. Wolff.

Ich frage die Landesregierung:

Durch welche Maßnahmen und Programme stärkt sie die praxisnahe Forschung an den fünf hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften?

Herr Wissenschaftsminister Rhein.

Verehrte Frau Abg. Wolff, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung hat sich die Stärkung der Forschung an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften auf die Fahnen geschrieben. Das kann man auch sehr intensiv der Koalitionsvereinbarung 2014 bis 2019 entnehmen. Sie hat das aber auch prominent in dem unterzeichneten Hessischen Hochschulpakt 2016 bis 2020 verankert. Die Förderung erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen und durch verschiedene Programme. Ich will drei besonders hervorheben.

Das eine ist natürlich das jetzt im Hessischen Hochschulgesetz eingeräumte Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche an Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Das gibt es sonst nirgendwo. Das ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Änderungen des letzten Hessischen Hochschulgesetzes gewesen, um Hochschulen für angewandte Wissenschaften auch auf diesem Gebiet intensiv zu unterstützen und zu stärken.

Ein zweiter Punkt ist die direkte Stärkung der Forschung an den Fachhochschulen durch den Hochschulpakt 2016 bis 2020. Dafür haben wir in den jeweiligen Zielvereinbarungen zwischen den fünf hessischen HAWs und dem Land festgehalten, dass jede der fünf HAWs zusätzliche 4,5 Millionen € über fünf Jahre hinweg erhält. Insgesamt sind das 22,5 Millionen € als eigenes Forschungsbudget bei Fachhochschulen. Ich finde, das ist schon eine beachtliche Summe. Die HAWs können diese Mittel nutzen, um Personal einzustellen, Labore besser auszustatten oder auch um Promotionsplattformen aufzubauen. Auch das gibt es nirgendwo so wie jetzt in Hessen.

Neben dieser gezielten substanziellen Stärkung der Forschungsbasis der hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften setzen wir das Programm „Forschung für die Praxis“ fort. Das ist ein bewährtes Programm und seit dem Jahr 2008 mit Mitteln der Landesregierung unterstützt. Es ist Teil der Forschungskampagne der fünf hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Bei diesem Programm handelt es sich um ein wettbewerblich ausgestaltetes Forschungsförderprogramm: Basierend auf jährlichen Ausschreibungen werden im Rahmen einer Jurysitzung ca. zehn bis zwölf praxisorientierte Forschungsprojekte zur Förderung ausgewählt. Dabei werden die Einzelprojekte für zwölf Monate mit bis zu 35.000 € und Kooperationsprojekte mehrerer Fachhochschulen mit bis zu 70.000 € gefördert. Die Kampagne umfasst neben dem direkten Forschungsförderprogramm noch einen alle zwei Jahre auszulobenden Forschungspreis für besonders erfolgreiche praxisrelevante Forschungsprojekte der hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften.

Diese Forschungskampagne wird als dritte Säule seitens des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst im Zeitraum 2008 bis 2020 mit insgesamt 6,25 Millionen € unterstützt. Meines Erachtens zeigt das sehr deutlich, dass wir die Stärkung der Forschung an Fachhochschulen intensiv angepackt haben – worauf wir heute Abend im Rahmen des parlamentarischen Abends mit den Hochschulen für angewandte Wissenschaften auch kräftig anstoßen sollten.

Zusatzfrage, Frau Dr. Sommer, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Minister, praxisnahe Forschung hat immer auch etwas mit dem Wissenstransfer zu tun. Deswegen meine Frage: Wie fördern Sie den Transfer wissenschaftlicher Kenntnisse in die Praxis, und welche Förderinstrumente gibt es hochschulübergreifend und interdisziplinär?

Herr Staatsminister Rhein.

Da gibt es sehr viele im Rahmen der Hochschulautonomie gewachsene erfolgreiche Maßnahmen. Die kann ich jetzt hier nicht alle aufzählen – zumal ich sie nicht allesamt aus dem Kopf weiß. Ich liste sie Ihnen gerne auf. Sie sind sehr intensiv, stark und erfolgreich. Beispielsweise hat die Universität Kassel hier ein erfolgreiches Programm aufgelegt, ebenso aber auch die Goethe-Universität. Ich liste Ihnen das gerne auf. Auswendig kann ich sie Ihnen nicht nennen, dazu sind sie zu zahlreich. – Der Abg. Roth ist darüber empört. – Das läuft natürlich im Rahmen der intensiven Förderung über den Hochschulpakt 2016 bis 2020. Sie kennen diese Zahl: 9 Milliarden € investieren wir da in den nächsten fünf Jahren. Das ist die größte, jemals da gewesene Summe, die den Hochschulen in Hessen insgesamt zur Verfügung steht.

Dann kommen wir jetzt zur Frage 512. Herr Abg. Greilich.

Ich frage die Landesregierung:

Plant sie zur Ergänzung der Polizeilichen Kriminalstatistik die Durchführung einer Dunkelfeldstudie, wie es sie beispielsweise in Niedersachsen gibt?

Herr Innenminister Beuth.

Herr Abgeordneter, die Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise in die Arbeit der Sicherheitsbehörden ist seit Jahren gelebte Praxis im Bund und in den Ländern. Da die Polizeiliche Kriminalstatistik nur das polizeilich bekannt gewordene Hellfeld der Straftaten abbildet, können Dunkelfeldstudien ergänzend dazu beitragen, den Blick auf die Sicherheitslage zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund werden die Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes Niedersachsen „Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Niedersachsen 2015“ und die Bereitschaft, diese Erkenntnisse bundesweit zur Verfügung zu stellen, ausdrücklich begrüßt. Diese Studie ist natürlich

auch der hessischen Polizei bekannt. Ihre Ergebnisse fließen in die Arbeit der Experten der Polizeipräsidien, beim Hessischen Landeskriminalamt und im Landespolizeipräsidium sowie in die Aus- und Fortbildung ein.

Die Implementierung einer repräsentativen Dunkelfelduntersuchung auf nationaler Ebene war in Form des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Verbundprojektes „Barometer Sicherheit in Deutschland“ bereits im Jahr 2012 umgesetzt worden. Daran hat sich damals auch die hessische Polizei beteiligt.

Die Durchführung einer eigenen Dunkelfeldstudie in Hessen ist vor dem Hintergrund der vorliegenden aktuellen Studien derzeit geplant.

In dem bereits erwähnten Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung war mit dem deutschen Viktimisierungssurvey 2012 eine in dieser Form und in diesem Umfang bislang in Deutschland nicht durchgeführte bundesweite Dunkelfeldbefragung von 35.000 Personen durchgeführt worden – unter anderem zu Opfererlebnissen, zum Sicherheitsgefühl bzw. zu Kriminalitätsfurcht und zum Anzeigeverhalten.

Ein Vorteil einer bundesweiten Dunkelfeldforschung ist die mögliche Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern. Dazu weist die Studie aus, dass sowohl beim Opferrisiko als auch bei der Inzidenz von Viktimisierungen deutliche regionale Unterschiede hinsichtlich allgemeiner und deliktspezifischer Kriminalitätsfurcht zu verzeichnen sind. Aufgrund der gewählten Methodik können auch schwere und daher eher seltene Straftaten verlässlich abgebildet werden und weiterhin Kriminalitätsanalysen für kleinere Räume durchgeführt werden.

Von dieser Studie können sowohl konventionelle Kriminalitätsformen – wie etwa Eigentums-, Gewalt- oder Betrugskriminalität – als auch neue Kriminalitätsformen – unter anderem Cyberkriminalität, die Integration von Sicherheitslagen und Sicherheitsempfinden sowie die Überprüfung von Theorien – abgedeckt werden.

Darüber hinaus führen wir insbesondere im Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus beispielgebend eigene Studien durch und initiieren bundesweite Studien. Erwähnen möchte ich hier insbesondere die Studien „Radikalisierungshintergründe und -verläufe von 23 Syrien-Ausreisenden aus dem Rhein-Main-Gebiet“ des HKE aus dem Jahr 2013 oder die „Analyse der den deutschen Sicherheitsbehörden vorliegenden Informationen über die Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien ausgereist sind“, eine Studie von BKA, BfV und HKE aus dem Jahr 2014 sowie eine 2015er Analyse: „Analyse der den deutschen Sicherheitsbehörden vorliegenden Informationen über die Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind“.

Zusatzfrage, Herr Abg. Greilich.

Herr Minister, Sie haben eben selbst darauf hingewiesen, dass nach den vorliegenden Ergebnissen durchaus starke

regionale Unterschiede in den verschiedenen Kriminalitätsbereichen festzustellen sind. Ich frage deshalb, was Sie von der Einschätzung halten, dass vor allem bei den Besonderheiten etwa im Rhein-Main-Gebiet, die sich deutlich von Niedersachsen unterscheiden, doch eine hessische Dunkelfeldstudie Sinn ergeben würde.

Herr Staatsminister Beuth.

Ich habe gerade dargestellt, dass diese bundesweite Analyse die Gelegenheit bietet, bei 35.000 Befragungen auch solche Deliktbereiche zu betrachten, die eher gering ausgeprägt sind. Bei den Massendelikten ist es einfach, auch dann zu regionalisieren, wenn man nur eine kleine repräsentative Menge von Menschen hat, die an einer solchen Umfrage teilnehmen.

Deswegen denke ich, dass wir mit der bundesweiten Analyse hinreichend Material erhalten, um uns ein Bild machen zu können, und so auch eine Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern erhalten. Daher bleibe ich dabei, dass wir eine eigene hessische Studie zunächst nicht anstreben, sondern uns auf die Erkenntnisse stützen, die bereits vorliegen.

Frage 513, Herr Abg. Landau.

Ich frage die Landesregierung:

Sieht sie einen Bedarf, gesetzliche Verzinsungsregelungen – wie beispielsweise die Verzinsung von Steuerforderungen – aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase anzupassen?

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Herr Kollege Landau, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesetzlichen Verzinsungsregelungen im Steuerrecht, insbesondere die Verzinsung von Steuerforderungen in den §§ 233 ff. der Abgabenordnung oder auch die Verzinsung von Pensionsrückstellungen nach § 6a des Einkommensteuergesetzes, stehen mit Fortdauer der Niedrigzinsphase zunehmend in der Kritik.

Diese Kritik ist natürlich insofern berechtigt, als die Verzinsungsvorschriften einen konstanten, von der Marktlage unabhängigen Zinssatz vorschreiben. Das war in Zeiten, in denen es nur geringfügige Schwankungen beim Zinssatz gegeben hat, zu vernachlässigen. In einer Phase, in der wir dauerhaft niedrige, zum Teil negative Zinsen haben, werden die Vorschriften aber zu Recht kritisiert, und zwar in beide Richtungen: zum einen, weil von Steuerpflichtigen ein zu hoher Zinssatz bei Steuernachzahlungen verlangt wird, zum anderen deshalb, weil wir umgekehrt gelegentlich die Situation erleben, dass Steuerpflichtige es gar nicht

mehr so eilig haben, ihre Steuerrückzahlungen vom Finanzamt erstattet zu bekommen; denn eine sechsprozentige Verzinsung bekommt man an anderer Stelle nicht mehr. Dass das möglicherweise Fehlanreize für das Besteuerungsverfahren setzt, brauche ich nicht länger zu erläutern.

Wenn man gleichwohl den Zinssatz halbieren würde, würde das – da mehr Menschen dem Finanzamt etwas schulden als umgekehrt – Steuerausfälle von ungefähr 1,2 Milliarden € pro Jahr bedeuten. Sie wissen, dass wir uns auf nationaler Ebene um weitaus geringere Beträge sehr intensive Diskussionen geliefert haben und liefern.

Deshalb haben wir vorgeschlagen, ich glaube, das könnte eine gute Grundlage für die weitere Diskussion sein, künftig zu unterschiedlichen Zinshöhen zu kommen – abhängig von der Frage, wer Schuldner und wer Gläubiger ist. Wenn man Geld zur Bank bringt, ist es ja auch so, dass man niedrigere Zinsen bekommt, als man zahlen muss, wenn man sich von der Bank Geld leiht.

Das wäre zwar ein Paradigmenwechsel in der Besteuerung, aber eine sehr pragmatische Lösung, um den Betroffenen kurzfristig behilflich zu sein, ohne dass der Staat zugleich Steuerausfälle zu verzeichnen hat. Wir haben die Diskussion über diese Thematik mit dem Bund, aber auch mit anderen Bundesländern gerade begonnen.

Frage 514, Frau Abg. Löber.

Ich frage die Landesregierung:

Wie beurteilt sie die Gesundheitsgefahren für Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Nachweis des Pestizids Glyphosat in deutschen Biersorten?

Frau Staatsministerin Hinz.

Die Landesregierung hat Verständnis für die Besorgnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher, die auf die Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ durch die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO zurückzuführen ist. Diese Stellungnahme war der Auslöser für die anhaltende Diskussion in Wissenschaftskreisen zum krebserzeugenden Potenzial dieser Verbindung.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kamen zu dem Ergebnis, dass Glyphosat keine krebserregende Bedrohung für den Menschen darstellt.