Protocol of the Session on April 13, 2011

Da sage ich noch einmal: Wir müssen uns über die Zielgruppe auseinandersetzen. Es geht darum, zur Vermeidung von einseitigen Miet- und Sozialstrukturen den Kreis der Anspruchsberechtigten für den öffentlich geförderten Wohnungsbau auf breite Schichten der Bevölkerung zu erweitern. Zugangsberechtigt sollen nach unseren Vorstellungen Haushalte sein, deren Einkommen bis 50 % über dem bisherigen Basiseinkommen des Bundes liegen.

Es geht um die Schwerpunkte der Förderung. Da hat sich etwas verändert, dass wir in den Mittelpunkt der sozialen Wohnraumversorgung auch die Verbesserung von Wohnund Lebensbedingungen und die Bedarfsschwerpunkte

für preiswerten Wohnraum stellen wollen, dass wir einen Schwerpunkt in den Universitätsstädten und den wirtschaftlichen Regionen darstellen wollen, in denen Wohnraum nachgefragt wird, dass wir den Förderungsgegenstand neu überdenken müssen und dass wir – meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es gerade vor dem Hintergrund der gestrigen Debatte im Anschluss an die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten sagen – –

Herr Siebel, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Letzter Satz. Wir sind dringend gehalten, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus – im Hinblick auf die energetische Qualifizierung von Wohnungen – in einem hessischen Wohnungsbauförderungsgesetz so zu regeln, dass gerade bei den Mietern, die in Sozialwohnungen leben, die Zweitmiete nicht in exorbitante Höhen schießt. Da muss die Landesregierung handeln.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Siebel. – Als Nächster spricht Herr Lenders, FDP-Fraktion.

Liebe Kollegen! Herr Siebel, wer hier von einem „Wortbruch“ spricht und aus der Fraktion kommt, in der Frau Ypsilanti immer noch eine gewisse Rolle spielt – –

(Zurufe von der SPD: Oh! – Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist auch gut so!)

Das ist auch gut so, okay. Dann lassen wir das einfach so stehen. – Wenn man sich Ihr Kommunalwahlprogramm angeschaut und eben die Rede von Herrn Siebel gehört hat, dann kann man nur sagen: Derjenige, der hier Wortbruch begangen hat und nicht mehr glaubwürdig ist, ist die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Schauen Sie sich Ihre Kommunalwahlergebnisse an!)

Meine Damen und Herren, wir sind eine durchaus selbstbewusste Fraktion. Das gilt genauso für die CDU-Fraktion. Wenn beide Fraktionen die Landesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, dann haben wir ein klares Bild davon, was in einem solchen Entwurf stehen soll, dann haben wir auch ein klares Bild davon, was wir als Gesetzgeber geregelt haben wollen. Wir wollen ein Gesetz im Hinblick auf die demografische Entwicklung und auch im Hinblick darauf verabschieden, dass sich keine Gettos mehr bilden. Das hat natürlich auch etwas mit Integrationspolitik zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Integration findet heute im öffentlichen Raum statt. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Mit den Instrumenten der Siebzigerjahre können wir heute keine Wohnungsbaupolitik mehr machen.

(Gerhard Merz (SPD): Der Neunzigerjahre!)

Eines will ich noch sagen. Herr Wagner, das war ja ein Ding. Sie stellen sich hierhin – sonst sind Sie ja ein netter Kerl –,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Florian Rentsch (FDP): Irrtum!)

halten hier eine Rede, die an Polemik nicht zu überbieten ist, und kommen dann mit einem Gesetzentwurf daher, der gerade einmal, großzügig gerechnet, zweieinhalb Seiten hat.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben überhaupt keinen!)

Ihr Gesetzentwurf hat keinen Inhalt. Er ist lächerlich. Herr Wagner, so wie die Rede, die Sie eben gehalten haben, sieht es aus, wenn Sachverstand von Arroganz überlagert wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Lenders. – Herr Schaus, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lenders, ich muss mich wirklich wundern. Wenn Sie die GRÜNEN dafür beschimpfen, dass sie jetzt per Gesetz eine Verlängerung beantragen, dann will sich Sie daran erinnern, wie die offizielle Verlautbarung des Wirtschaftsministeriums zu diesem Gesetzentwurf lautete.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die lautete nämlich, es gebe keine Initiative aus dem Parlament. Jetzt gibt es eine Initiative aus dem Parlament, und jetzt, Herr Minister, hätte ich von Ihnen gerne eine Antwort. Wenn eine Initiative aus dem Parlament kommt, heißt das, dass Sie diese Initiative aufgreifen?

Ich hätte gerne eine Antwort – die sind Sie in Ihrem Beitrag nämlich schuldig geblieben – auf die Frage, wieso Ihr Haus im Dezember die Gemeinden in Sicherheit gewiegt hat, ihnen die Vorbereitungsarbeiten im Hinblick darauf überlassen hat, dass es eine Verlängerung der Geltungsdauer der Fehlbelegungsabgabe gibt, und die Kommunen jetzt im Regen stehen lässt – nicht nur bezüglich der Kosten, die ihnen aufgebürdet werden. Wer ersetzt den Gemeinden die 15 bis 17 Millionen €, die sie für den sozialen Wohnungsbau im Vertrauen auf das Schreiben und die Zusage des Ministeriums bereits eingeplant haben? Was ist denn in Ihren Fraktionen im Zeitraum zwischen Dezember letzten Jahres und Anfang April dieses Jahres passiert? Das wüsste ich gerne.

Herr Posch, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie heute Klartext gesprochen haben. Sie haben letztendlich gesagt, dass der soziale Wohnungsbau nicht mehr notwendig ist und deshalb der seit Jahren bestehende Rückgang von Ihnen toleriert, ja sogar gewünscht wird. Herr Lenders hat das bestätigt, nämlich mit der Aussage, dass es in der Vergangenheit nur moderate Mietsteigerungen gegeben

habe. Jetzt verbinde ich das miteinander, Herr Lenders, Herr Minister Posch. Ihr Interesse besteht darin, diesen moderaten Mietsteigerungen auf dem Wohnungsmarkt eine Dynamik zu geben. Sie wissen genau: Wenn es ausreichend Sozialwohnungen für sozial Benachteiligte gibt, dann wird sich das auf den freien Wohnungsmarkt – das ist der Markt, den Sie im Blick haben – negativ auswirken. Genau das wollen wir aber. Deshalb muss die Fehlbelegungsabgabe bleiben, und es muss für die, die aufgrund ihres Einkommens keinen Wohnraum am Markt bezahlen können, weiterhin angemessenen sozialen Wohnraum geben, insbesondere im Ballungsgebiet Rhein-Main, wo die Mieten exorbitant hoch sind. Das ist und bleibt eine öffentliche Aufgabe. Ob wir da zu einem Konsens kommen, Herr Minister, daran habe ich große Zweifel.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Schaus. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache in verbundener Debatte.

Aufgerufen waren der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hessisches Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum, der Dringliche Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Wohnraumförderung passgenau für Hessen ausgestalten und die erste Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen. Diese drei Initiativen sollen an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überwiesen werden. – So beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 67, 50, 51 und 66 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Landesregierung setzt sich für mehr Mitsprache der Länder bei der Bedarfsplanung der ärztlichen Versorgung ein – Drucks. 18/3945 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Roth (SPD) und Fraktion betreffend Honorarreform zur ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum – Drucks. 18/3904 zu Drucks. 18/1953 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum durch einen Masterplan „Gesundheit im ländlichen Raum“ – Drucks. 18/3905 zu Drucks. 18/1985 –

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Gesetz für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Hessen – Drucks. 18/3944 –

Darf ich davon ausgehen, dass wir auf die Berichterstattung verzichten können? – Es besteht Einverständnis. Dann verfahren wir so.

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versor

gung in dünn besiedelten ländlichen Räumen ist eine Herausforderung. Es bewegt die Menschen und ist stets Thema der Gespräche mit den Bürgermeistern und den Kommunalen Spitzenverbänden. Es ist auch ein Standortfaktor, der über die Ansiedlung von Unternehmen und über die Wohnortwahl der Bürger entscheidet. Die Menschen fragen nach Kindergartenplätzen, Schulen, Arbeitsmöglichkeiten für den Partner und eben nach Einrichtungen der ärztlichen Versorgung.

Der Schlüssel für die Standortsicherung einer wohnortnahen Arztpraxis ist der am Bedarf orientierte Zulassungsbezirk für Kassenarztsitze. Notwendig ist also eine Verkleinerung der Zulassungsbezirke im ländlichen Raum. Bislang fehlten die gesetzlichen Rahmenbedingungen, das auf Landesebene vonseiten der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Ministeriums zu gestalten.

Jetzt ist hier der Durchbruch geschafft. Ein Kompromiss zwischen dem Bund und den Ländern bei den Eckpunkten des geplanten GKV-Versorgungsgesetzes ermöglicht dies.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Hier hat unser Sozialminister Grüttner als Leiter der Gesundheitsministerkonferenz die Interessen der Länder – ich füge hinzu: auch der Kommunen – erfolgreich vertreten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte das gegenwärtige Problem und den gefundenen Lösungsansatz stichwortartig beschreiben. Der Zulassungsbezirk für den Kassenarztsitz ist meist mit dem Landkreis identisch. Wenn ein Kassenarzt seine berufliche Tätigkeit aus Altersgründen beendet, veräußert er den Kassenarztsitz an einen jungen Kollegen. Dieser kann den Praxissitz innerhalb der Kreisgrenzen verlegen. Das ist fast die Regel, weil in der Kreisstadt die Lebensbedingungen attraktiver sind, der Partner dort leichter Arbeit findet, der Anteil der Privatpatienten höher ist, der Notdienst besser geregelt wird und Kredite für Praxisinvestitionen leichter erhältlich sind.

Für den Patienten bedeutet dies, dass der neue Praxissitz vom Wohnort bzw. vom alten Praxissitz in einem flächengroßen Landkreis bis zu 40 km entfernt sein kann. Der Zulassungsbezirk bleibt statistisch weiterhin ausreichend versorgt, oder er ist vielleicht sogar überversorgt. Der Bürger hat hierfür nachvollziehbar überhaupt kein Verständnis.

Dieses Problem verstärkt sich aufgrund der demografischen Entwicklung deutlich. Nach Angaben der KV sind als mehr als 50 % der Kassenärzte älter als 50 Jahre; 20 % sind sogar älter als 60 Jahre. Rechnerisch heißt das, in den nächsten Jahren wird in jeder fünften Praxis der Arzt wechseln – mit den beschriebenen möglichen Folgen.

Es kommt hinzu, dass gerade im strukturschwachen ländlichen Raum die allgemeine demografische Entwicklung noch gravierender ist und somit der Bedarf an ambulanter medizinischer Versorgung noch größer wird. Diese Entwicklung, die den Menschen in den letzten Jahren zunehmend Sorge bereitet hat, ist auch für die in den Ballungsräumen gelegenen Städte absehbar, die Stadtteile mit sozialen Brennpunkten haben.