Protocol of the Session on May 12, 2009

Wir halten es für eine gute Basis. Wir werden ihm auch zustimmen und gehen davon aus, dass wir damit in den nächsten Jahren im Bereich Versammlungsrecht die innere Sicherheit größtmöglich bewahren und gemeinsam gestalten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt hat Herr Kollege Schindler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben soeben erlebt, wie die Koalitionsparteien dasselbe Gesetz völlig unterschiedlich interpretieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Herr Fischer spricht davon, dass es ein Ausbund an Liberalität sei wie noch kein anderes Versammlungsgesetz auf deutschem Boden. Frau Guttenberger beeilt sich zu sagen, dass es darum gehe, die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten, und dass dies in dem Kompromiss natürlich auch gelungen sei. Nun, man wird sehen, was daraus wird.

Meine zweite Bemerkung, meine Damen und Herren, richtet sich an die GRÜNEN. Ich glaube, wir sollten schon zur Kenntnis nehmen, dass kein Versammlungsgesetz, nicht das von 1953, nicht das jetzt geltende, das jetzt geändert werden soll, und auch kein sonstiges die Versammlungsfreiheit garantiert, sondern dass es schon noch unsere Grundrechte sind,

(Beifall der Abgeordneten Christa Naaß (SPD) und Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

nämlich Artikel 8 des Grundgesetzes und Artikel 113 der Bayerischen Verfassung, die dieses Grundrecht garantieren. Was wir dann als Gesetz daraus machen, ist zwar nicht nachrangig, aber es ist so entscheidend nicht, gerade dann, wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre zu Gemüte führt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich räume gerne ein, dass der breite Protest gegen das Bayerische Versammlungsgesetz Wirkung gezeigt hat - Gott sei Dank.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Hat die CSU noch vor einem Jahr gemeint, die vielen Warnungen von Verfassungsrechtlern, von Bürgerinnen und Bürgern, von Verbänden und Organisationen einfach so abtun zu können und auch auf diesem Ge

biet "durchregieren" zu können, so wie sie es jahrzehntelang gewohnt war, so erleben wir jetzt, eine Landtagswahl und eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts später, dass sich etwas bewegt und dass dieses furchteinflößende obrigkeitsstaatliche Versammlungsgesetz geändert werden soll.

Die CSU ist aber beileibe nicht aus freien Stücken zur Änderung ihrer Haltung gekommen, im Gegenteil: Noch am 17. Februar, genau an dem Tag, als das Bundesverfassungsgericht seine Eilentscheidung zum Bayerischen Versammlungsgesetz erlassen hat, hat der Innenminister hier im Plenum noch lauthals ausgeführt, dass er das Versammlungsgesetz selbstverständlich für verfassungsgemäß halte, und Anfang März hat er sich sogar zu der Aussage verstiegen, den Kritikern des Versammlungsgesetzes, namentlich SPD und GRÜNEN, gehe es eigentlich nicht um die Versammlungsfreiheit, sondern um Randale auf den Straßen.

Und nun, meine Damen und Herren, will die FDP ausweislich der Einladung zu einer - sehr schnell wieder abgesagten - Pressekonferenz den Bürgern die Bürgerrechte zurückgeben. Da haben Sie aber den Mund etwas voll genommen, Herr Dr. Fischer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In der Einladung zur heutigen gemeinsamen Pressekonferenz habe ich darauf keinen Hinweis mehr gefunden, sondern jetzt geht es nur noch darum, das Versammlungsgesetz bürgerfreundlicher zu gestalten und ansonsten die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Im Übrigen: Wenn Bürgerrechte zurückgegeben werden, drängt sich doch die Frage auf: Wer hat sie ihnen eigentlich weggenommen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Wenn es die FDP schon nicht sagen darf, dann will ich es tun. Das war natürlich diese großmächtige CSUFraktion in der letzten Legislaturperiode, die ein Versammlungsgesetz beschlossen hat, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt hat.

Meine Damen und Herren, bei aller Freude darüber, dass sich etwas bewegt, muss ich doch Folgendes klarstellen: Der Gesetzentwurf der Koalition versucht, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Dies gelingt aber nicht vollständig. Es werden einzelne Vorschriften geändert - Sie haben sie aufgezählt, ich habe nicht nachgezählt, ob es denn stimmt. Ansonsten, meine Damen und Herren, wird zurückgegriffen auf Regelungen im Versammlungsgesetz des Bundes aus dem Jahr 1953. Ich gestehe ausdrück

lich zu und habe dies hier mehrfach gesagt, auch als die FDP noch nicht im Landtag war, dass das Versammlungsgesetz 1953 kein Ausbund von Liberalität ist und dass es eigentlich nur zu verstehen und handhabbar geworden ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn aber jetzt in vielen Bereichen zu den alten Regelungen zurückgekehrt wird, dann stellt sich doch die Frage: Warum hat man eigentlich ein eigenes Bayerisches Versammlungsgesetz machen müssen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Warum eigentlich, wenn die eine Hälfte vom Bundesverfassungsgericht diktiert ist und die andere die Wiederholung dessen ist, was im Bundesversammlungsgesetz steht? Diese Frage muss erlaubt sein.

Meine Damen und Herren, letzte Bemerkung: Das Argument, das immer wieder gekommen ist, dass es erst mit dem neuen Bayerischen Versammlungsgesetz möglich geworden sei, rechtsextremistische Versammlungen zu verbieten, ist falsch

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

und wird durch die Praxis nicht belegt. Die Vorschrift in Artikel 15 Absatz 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes bringt gegenüber der entsprechenden Vorschrift im Bundesversammlungsgesetz im Zusammenspiel mit der Änderung des Volksverhetzungsparagrafen keinen erkennbaren Nutzen. Im Übrigen wäre es auf der Basis des Bundesversammlungsgesetzes auch möglich gewesen, sogenannte andere Orte neben der Holocaust-Gedenkstätte durch Landesgesetz zu bestimmen, was aber trotz eines Antrags der SPD-Fraktion nicht erfolgt ist. Das Versammlungsgesetz, meine Damen und Herren, behindert diejenigen, die gegen Rechtsextremisten demonstrieren, mehr als die Rechtsextremisten selbst.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Als Fazit in der ersten Lesung bleibt, dass wir erkennen, dass sich etwas bewegt, dass allerdings die Grundarchitektur des Versammlungsgesetzes nicht in Frage gestellt wird, weil es stimmt, was Frau Guttenberger gesagt hat. Und weil das so ist, können wir nicht empfehlen, die Beschwerden zum Bundesverfassungsgericht zurückzunehmen und diesem Gesetz jetzt zuzustimmen. Es wird wohl das Bundesverfassungsgericht auch über das geänderte Gesetz zu entscheiden haben, und dann werden wir sehen, dass Sie auch diesbezüglich in die Schranken verwiesen werden. Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Herr Kollege Schindler, bleiben Sie bitte am Mikrofon. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich Herrn Kollegen Dr. Fischer das Wort.

Herr Kollege Schindler, Sie haben gesagt: Wozu braucht es ein Bayerisches Versammlungsgesetz? Ich denke, Sie haben festgestellt, dass das Bayerische Versammlungsgesetz in mehreren Punkten liberaler ist als das Bundesversammlungsgesetz, das zu ändern ja auch die SPD im Deutschen Bundestag die Möglichkeit gehabt hätte.

Sie haben weiter gesagt, die SPD sei der Meinung, dass die Verfassungsklage nicht zurückgenommen werden könne, weil noch nicht alle Punkte berücksichtigt seien. Ich habe allerdings keine konkreten Ausführungen darüber gehört, was noch beanstandet wird. Denn wenn Sie sich die einzelnen Punkte anschauen, die in der Klage aufgeführt sind, werden Sie feststellen, dass eigentlich alle Punkte - abgesehen von Randänderungen, die vielleicht irgendwo eine Rolle spielen berücksichtigt sind. Im Wesentlichen sind die Punkte berücksichtigt. Deswegen frage ich Sie: Können Sie drei konkrete Punkte nennen, wo das Gesetz dem nicht entspricht?

(Zurufe von der SPD)

Wenn Sie dies behaupten, müssen Sie den Beweis antreten, warum dieses Gesetz verfassungsrechtlich noch immer bedenklich sein sollte. Ich denke, es gibt keine Gründe.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer, die Redezeit hat mich daran gehindert, das im Einzelnen auszuführen. Das können wir sicher im Ausschuss noch machen. Ich will nur Stichworte nennen und vorausschicken: Ich habe hier nicht die Beschwerdeführer zu vertreten. Das tun andere. Ich rede hier für die SPD-Landtagsfraktion, und für sie stelle ich fest, dass weitere Änderungen, zum Beispiel zu Artikel 6 Absatz 2 des Versammlungsgesetzes - das betrifft das Mitführen von Waffen auf dem Weg zu Versammlungen; was alles unter den Begriff "Waffen" fällt, ist Ihnen bekannt -, dass Änderungen zu Artikel 12 des Versammlungsgesetzes - das betrifft Beschränkungen und Verbote von Versammlungen in geschlossenen Räumen - und dass Änderungen zu Artikel 14 des Versammlungsgesetzes fehlen, wie wir sie mit unserem Änderungsantrag in der letzten Periode beantragt hatten, die aber von Ihnen nicht aufgegriffen worden sind.

Im Übrigen bleibt jetzt am Schluss noch zu erwähnen, dass wir es für höchste Zeit halten, die Vorschriften über die Bannmeile, über den befriedeten Bezirk um den Landtag, aufzuheben. Wir haben noch Gelegenheit, dieses Thema im Ausschuss zu vertiefen. Auch das ist ein Grund, warum wir Ihrem Änderungsantrag nicht zustimmen können, denn Sie greifen dieses Thema nicht auf, was wir Ihnen in Form eines Änderungsantrags sicher ermöglichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile jetzt das Wort Herrn Kollegen Streibl. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Versammlungsfreiheit ist ein grundlegendes Funktionselement eines jeden freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gemeinwesens. Es ist ein konstitutives Element, das für jede Staatsordnung tragend ist. Es ist ein lebendiges Element der Demokratie, das den Kampf der Meinungen darstellt und auch die geistige Auseinandersetzung prägt. Das Bundesverfassungsgericht sagt hierzu, es ist ein Stück ursprüngliche, ungebändigte Demokratie. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Eine Versammlung ist eine ungebändigte Demokratie, gerade in einem Staat, in dem auch das Verfassungsgericht dazu sagt, dass Formen der direkten Demokratie in unserem Grundgesetz nicht überschwänglich vorgesehen sind. Da bleibt eigentlich nur noch das Versammlungsrecht, das diese ungebändigte Demokratie ermöglicht, das ermöglicht, dass Meinungsvielfalt auch auf der Straße stattfinden kann und der Bürger das Recht hat, seine Meinung auf der Straße frei und friedlich zu äußern.

Was haben wir nun? Wir haben zwei Vorlagen, eine von der CSU und der FDP, eine andere von den GRÜNEN. Beim Vorschlag der CSU und FDP wird im Grunde die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Da hält man sich also dran, was dringend notwendig war; denn die alte Regelung hatte doch das Diktum, dass man sagen kann, die Beschränkungen, die hier aufgebaut wurden, haben letztlich Versammlungsteilnehmer eingeschüchtert und an der Ausübung ihres Grundrechtes gehindert. So wurden jetzt im neuen Gesetz viele Punkte entschärft. Es hat jetzt, wie wir gehört haben, eine liberalere Handschrift. Darüber freuen wir uns, weil Liberalität etwas Freiheitliches ist; denn wir sind frei. Bayern pflegt eine liberale Lebensweise. Bayern hatte in seiner liberalen Blütezeit sehr enge Kontakte und Beziehungen zu Frankreich. Und Frankreich als Geburtsstätte der europäischen Republik übte ein sehr ungebändigtes Verhältnis zur Demokratie aus. Dort wird also noch sehr kräftig auf die Straße gegangen. Da, kann man sagen, wäre man in

Bayern manchmal froh, wenn man auch hier damit noch etwas ungebändigter umgehen könnte.

Trotz der Abschwächung vieler Punkte ist aber noch immer schwer einschätzbar, welchen Belastungen und Risiken sich jemand aussetzt, wenn er dieses Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen will. Hier gibt es auch von unserer Seite immer noch Bedenken.

Zur Vorlage der GRÜNEN muss man sagen, die Versammlungsfreiheit wird schon sehr hoch gehängt; ihr wird Rechnung getragen. Man sieht das Bemühen des Gesetzentwurfs, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit so wenig wie möglich eingeschränkt werden soll. Allerdings gibt es auch hier einige Punkte, die unseren Geschmack nicht ganz treffen. Zum Beispiel sehe ich die Einschränkung der Bannmeile eher kritisch, weil das Parlament kein Kreistag, sondern ein Legislativ-Organ ist und Kreistag und Gemeinderat Exekutiv-Organe sind. Wenn die Bannmeile aufgehoben wird, weiß man nicht, wie nahe hier Einflussnahmen auf Entscheidungen im Parlament erfolgen können.

Schön ist am Entwurf der GRÜNEN: Er ist kurz und verständlich. Es ist in der heutigen Gesetzesflut wohltuend, dass man auch wieder kurze Sätze machen kann. Aber trotzdem sind hier Ergänzungen notwendig, damit ein reibungsloser Ablauf von Versammlungen möglich ist und damit hier Behörden unterstützend für die Versammlung tätig werden können; denn auch die Behörden müssen im Grunde dieses Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vor Missbrauch schützen. Das muss in einem Gesetz auch zum Ausdruck kommen.

Wir haben zwei Ansätze vorliegen, doch was der eine zu weit springt, springt der andere nach unserer Meinung zu kurz. Beim einen schimmert ein leichtes Misstrauen gegen die Staatsgewalt durch. Beim anderen schimmert dagegen ein leichtes Misstrauen gegen diejenigen durch, die sich versammeln wollen. Die Wahrheit würde irgendwo in der Mitte liegen, und dafür müssen wir dann im Ausschuss kämpfen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Kollege, vielen Dank. Ich erteile noch mal Frau Kollegin Stahl das Wort.

Liebes Präsidium, vielen Dank. Wir fordern bei diesem Gesetzentwurf von uns sehr viel und muten auch sehr viel zu, weil es sich um einen kompletten Paradigmenwechsel handelt. Herr Kollege Weiß, Sie müssen sich einmal von den bisherigen Vorschriften, die es auf Bundesebene gab, lösen und tatsächlich versuchen, ein eigenständiges Landesgesetz auf den Weg zu bringen.

Alles das, was Sie mit dem jetzigen Gesetz glauben verhindern zu können oder zu wollen - auch mit den Änderungen -, wird Ihnen nicht gelingen. Beispiel: Es wurden zu Recht die schlimmen Straftaten und Ausschreitungen in Berlin genannt, die mit Versammlungen nichts mehr zu tun haben. Das sind Revolten und Straftaten, wobei diejenigen, die sie begehen, zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)