Protocol of the Session on May 12, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier liegt der wesentliche Unterschied zu dem alten Gesetz der Staatsregierung und auch zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf der CSU/FDP-Koalition.

Straftaten verhindern oder verfolgen ist das eine, die Versammlungsfreiheit zu garantieren aber etwas anderes. Gegen jeden guten Rat hat die CSU im Sommer letzten Jahres das Versammlungsgesetz auf Biegen oder Brechen verabschiedet.

Ich möchte, weil es für unsere eigene Seelenhygiene unbedingt notwendig ist, ein paar Zitate Revue passieren lassen, die Herr Herrmann von sich gegeben hat. Wir sind zwar nicht nachtragend, aber die Vorwürfe waren in Teilen - das muss ich feststellen - wirklich bodenlos.

Einmal ist es die Behauptung, die im Plenum am 16./17. Juli letzten Jahres aufgestellt wurde - die muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen -, das Gesetz stehe auf verfassungsrechtlich sicherem Fundament. - Sie nicken. Aber das zeigt mir, dass Sie noch nicht ganz verstanden haben, was das Verfassungsgericht von Ihnen erwartet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir mussten uns als niveaulos beschimpfen lassen. Wir mussten uns sagen lassen, wir täuschten mit dem, was wir erzählen, die Öffentlichkeit. Sie haben für sich natürlich in Anspruch genommen, dass in Ihrem Gesetz alles richtig ist. Weiter haben Sie behauptet, mit diesem Gesetzentwurf, der vom Verfassungsgericht mit der einstweiligen Anordnung zusammengestaucht worden ist, verträten Sie die Mehrheit in Bayern.

Es gibt noch eine Reihe wirklich wunderbarer weiterer Äußerungen solcher Art. Sie haben es absurd genannt, wie wir die Angelegenheit betrachteten. Sie haben unseren Gesetzentwurf und die Debatte dazu - hauptsächlich die Debatte - "offensichtlichen Unfug" genannt.

Mir tut es wohl - ich weiß nicht, wie es den Kollegen der übrigen Opposition geht -, das alles Revue passieren zu lassen und feststellen zu können, dass wir recht behalten haben und Sie falsch lagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Quittung haben Sie bekommen. Wegen dieser Entscheidung und nicht etwa, weil es der Koalitionsvertrag vorsieht, haben Sie diesen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Ich bin überzeugt: Wenn ich hinter die Kulissen hätte blicken können, hätte ich sagen können, dass die CSU bis zu dieser Entscheidung nicht besonders beweglich war; da bin ich sicher. Deswegen werden Herr Dr. Fischer und die FDP-Fraktion wohl sehr glücklich über die Entscheidung des Verfassungsgerichts gewesen sein.

Ihnen bleibt letztendlich nichts anderes übrig, als ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen.

Was ich absolut bedauerlich finde ist, dass Sie keinen wirklichen Neuanfang gewagt haben, sondern am bestehenden Gesetz, wie ich meine, herumstöpseln. Die Änderungen, die Sie vornehmen wollen, begrüßen wir zwar - das bitte ich nicht falsch zu verstehen -, aber letztendlich machen Sie nichts anderes als eine Bestandssicherung. Sie wollen einen Bestand sichern, den wir im Bundesrecht bisher als Bürger zugesichert bekommen haben.

Was bei Ihnen komplett fehlt, ist die Anpassung an moderne Erfordernisse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Herrmann hat im Plenum im Juli vergangenen Jahres selber gesagt, dass eine Anpassung an die anspruchsvolle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen müsse. Ich gehe davon aus: Natürlich hat er damals damit seinen eigenen Gesetzentwurf gemeint. Aber dieser entspricht nicht den differenzierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts und den vormaligen Urteilen. Schon aus diesem Grund hätte ein neues Versammlungsgesetz auf den Weg gebracht werden müssen, nicht eines mit den enormen Verschärfungen, die Sie dann beschlossen haben.

Nach unserer Auffassung hat trotz der schönen neuen Änderungen aber auch dieses Gesetz seine Mängel. Wir werden sie im Ausschuss dann, denke ich, im Detail diskutieren können. Das ist hier in der Kürze der Zeit leider nicht möglich. Ich fordere Sie allerdings auch auf, alle die Organisationen und Gruppen anzuhören, bevor wir das im Ausschuss diskutieren, gerade auch die Gewerkschaften, und sie zu befragen, was sie zu dem neuen Entwurf sagen. Eine Pressemitteilung von Verdi hatten wir zwar, aber die kann uns nicht genügen, denn der Teufel steckt im Detail. In den letzten Monaten mussten wir bei den Tarifauseinandersetzungen erfahren, dass gerade die Gewerkschaften vom neuen Versammlungsrecht massiv betroffen waren.

Wir werden uns sicherlich noch um die weiteren Artikel in diesem Gesetz raufen. Wir sind der Meinung: Es braucht einen Neuanfang. Deshalb haben wir unseren Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Wir freuen uns auf die entsprechende Debatte, denn der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist wirklich nicht das, was wir uns für ein freies Bürgerrecht wünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Jetzt darf ich für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Fischer bitten. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ohne Versammlungen gäbe es keine deutsche Einheit. Die Montagsdemonstrationen sind der beste Beleg dafür. Die Versammlungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte in Deutschland. Sie ist ein Bürgerrecht. Die Messlatte für uns war, ein Recht für die Bürger wiederherzustellen. Wir haben mit der Reform des Versammlungsrechts unsere Wahlversprechen eingelöst und die Koalitionsvereinbarung umgesetzt. Ja, Frau Stahl, ich muss sagen: Wir sind glücklich über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, aber ich sage auch: Wir sind weit über diese Entscheidung hinausgegangen.

Das Bundesverfassungsgericht hat fünf Bußgeldvorschriften und eine Vorschrift im Text beanstandet. Wir haben 14 Regelungen gestrichen und 30 Regelungen geändert. Wir haben keine kosmetischen Korrekturen vorgenommen; wir haben dieses Gesetz generalüberholt.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Bayern wird liberaler, und das Bayerische Versammlungsgesetz wird bürgerfreundlicher, weil wir Vereinfachungen für die Veranstalter vornehmen. Das möchte ich mit einigen Beispielen belegen. Die Anzeigefrist ist von 72 Stunden wieder auf zwei Werktage zurückgeführt worden. Sie beträgt jetzt also im Regelfall zwei Tage. Die Anzeige kann auch telefonisch vorgenommen werden, und auch das ist eine große Vereinfachung für viele Versammlungsveranstalter. Ganz entscheidend: Die Zahl der Angaben, die zu machen ist, ist von acht auf fünf reduziert worden. Sie beschränkt sich auf Zeit, Ort und Thema. Ich glaube, jeder, der eine Versammlung durchführen will, weiß hierüber Bescheid und hat kein Problem, diese Angaben zu machen. Sie fragen vielleicht: Wo ist der Leiter? Auch das ist eine Neuerung. Die Leiterpflicht ist entfallen.

Ein weiterer Punkt: Die Behörde ist nicht mehr nur diejenige, die etwas fordern kann, sondern die Behörde

wird auch in die Pflicht genommen. Sie ist verpflichtet, Auflagen rechtzeitig vorzunehmen.

All diese Punkte, die ich hier anführe, stammen nicht aus der Feder des Bundesverfassungsgerichts. Hierüber steht kein Wort in der Entscheidung. Sie sind die liberale Handschrift, die wir hier umsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Bayern wird liberaler, und das Versammlungsgesetz wird bürgerfreundlicher, weil wir den Datenschutz wieder ernst nehmen. Videoaufnahmen sind nur noch offen möglich, Übersichtsaufzeichnungen nur noch bei konkreten Hinweisen auf eine erhebliche Gefahr. Es gibt kurze Löschungsfristen und eine Anonymisierungsregelung zugunsten unbeteiligter Dritter. Die Polizei muss Videoaufzeichnungen begründen. All das geht über das Versammlungsgesetz des Bundes hinaus. Es ist liberaler als das Versammlungsgesetz des Bundes. Auch das muss hier betont werden.

Bayern wird liberaler, und das Versammlungsgesetz wird bürgerfreundlicher, weil wir unbestimmte Rechtsbegriffe herausgestrichen haben wie den "Eindruck von Gewaltbereitschaft" aus dem Militanzverbot.

Bayern wird liberaler, und das Versammlungsgesetz wird bürgerfreundlicher, weil wir sieben Straftaten und Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände abgeschafft und vier weitere Straftaten zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft haben.

Ich fasse zusammen: Dieses Gesetz hat Vorbildcharakter für die anderen Bundesländer. Mit diesem Gesetz ist Bayern nicht nur Spitzenreiter bei der inneren Sicherheit, mit diesem Gesetz ist Bayern auch Spitzenreiter bei den Bürgerrechten in Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zum Gesetzentwurf der GRÜNEN. - Ich muss sagen: Die GRÜNEN haben mit diesem Gesetzentwurf unter Beweis gestellt, dass sie das Augenmaß nicht besitzen, eine Regelung zu treffen, die die innere Sicherheit und die Bürgerrechte gleichermaßen berücksichtigt. Ich möchte als Beispiel dafür nennen, dass im Entwurf der Grünen steht, dass keine Versammlung mehr angemeldet werden kann. Keine Versammlung - das heißt, auch keine Großveranstaltung. Es kommt noch besser: Nach dem Gesetzentwurf der GRÜNEN können Versammlungen auch auf dem Grund Privater, der öffentlich zugänglich ist, durchgeführt werden. Was bedeutet das konkret? Es bedeutet konkret: Wenn 1.000 NPD-Anhänger vor der Allianz-Arena demonstrieren wollen, dann haben sie das Recht dazu. Wenn Franz Beckenbauer kommt und sagt, das passe ihm nicht, kann er die Demonstra

tion nicht verhindern, wenn sie sagen: Nein, uns gefällt es hier. Ich muss sagen: Dieser Gesetzentwurf ist genauso einseitig wie das alte Gesetz. Das, was vorher zu viel Regulierung war, ist hier das Gegenteil, nämlich überhaupt keine Regulierung mehr. Das entspricht nicht unserem Verständnis.

Wir haben mit unserem Entwurf gezeigt, wie man einen vernünftigen Ausgleich zwischen innerer Sicherheit und bürgerlichen Freiheiten erreichen kann. Deswegen stimmt die FDP-Fraktion dem gemeinsamen Entwurf der Regierungsfraktionen zu.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Guttenberger. - Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Bayerisches Versammlungsgesetz ist ein gemeinsamer Entwurf. Er setzt sowohl die Koalitionsvereinbarung als auch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts um. Ausdrücklich lobe ich das konstruktive Verhandlungsklima, in dem sich die beiden Fraktionen befunden haben. Ich verhehle aber nicht, dass es nicht nur friedliche und einträchtige Montagsdemonstrationen gibt, sondern ich sage, dass es auch eine Vielzahl anderer Demonstrationen gibt, wie zum Beispiel die vom 1. Mai in Berlin oder die Aufmärsche in Gräfenberg. Ich sage auch ganz unumwunden: Ein Versammlungsgesetz muss immer ein ausgewogenes Verhältnis schaffen zwischen den Rechten, die die Verfassung auf der einen Seite garantiert, und den Maßnahmen, die auf der anderen Seite notwendig sind, um die innere Sicherheit in Bayern zu gewährleisten. Bayern ist ein sicheres Land, und es ist Marktführer im Bereich der Sicherheit. Wir wollen, dass das so bleibt. Wir haben die wenigsten Straftaten pro Einwohner und die höchste Aufklärungsquote. In diesem Zusammenhang danke ich der Polizei sehr herzlich.

Im vorliegenden Änderungsentwurf ist es uns auch gelungen sicherzustellen, dass wesentliche Teile erhalten geblieben sind, die für uns unverzichtbar waren.

(Beifall bei der CSU)

Für uns ist es nämlich wichtig, dass wir ein klares Bekenntnis für die innere Sicherheit nach außen abgeben und dass wir den Polizistinnen und Polizisten, die draußen vor Ort im Einsatz sind und sich inzwischen mit einer bisher nie dagewesenen Aggressivität in Veranstaltungen wie der zum 1. Mai konfrontiert sehen, die Möglichkeiten verschaffen, dass sie für Recht und Ordnung - dieser Begriff ist für uns absolut positiv besetzt

eintreten können. Wir sorgen dafür, dass dieses Instrument auch erhalten bleibt.

Für uns ist es auch wichtig, dass die Polizistinnen und Polizisten, die täglich für unsere Bürgerinnen und Bürger im Einsatz sind, wissen, dass die politisch Verantwortlichen ihnen Rückendeckung geben. Auch dafür muss ein solches Gesetz die Basis sein.

Ich sage auch, dass Sicherheit für uns nicht Selbstzweck ist. Sicherheit, das ist ein Stück Lebensqualität, das die Basis für das Leben, wie wir es in Bayern kennen, in einem großen Miteinander erst ermöglicht. Es ist ein wichtiger Standortfaktor.

Wir wollen keine Situationen wie den 1. Mai in Berlin, und wir wollen auch, dass dies so bleibt. Deswegen war es für uns von ganz besonderer Wichtigkeit, dass wesentliche Punkte auch in enger und nicht ganz einfacher Diskussion mit dem Koalitionspartner erhalten haben, zum Beispiel das Betretungsrecht für die Polizei, die Möglichkeit, an einer Versammlung teilzunehmen. Hierfür haben wir eine Rechtsgrundlage geschaffen. Ein anderes Thema war das Militanzverbot. Uns war es wichtig, dass durch Orte wie Gräfenberg nicht paramilitärisch gekleidete Horden laufen.

Diesen Bereich haben wir mit dem Militanzverbot nach wie vor gesichert. Dieses Recht ist zwar nicht mehr mit Bußgeld zu bewehren, aber das Gesetz gibt den Verantwortlichen vor Ort die Möglichkeit, im Verwaltungszwangsverfahren bis hin zur Auflösung der Versammlung tätig zu werden. Außerdem haben wir die Rechte des Veranstalters gestärkt, indem wir eine Verpflichtung eingefügt haben, dass rechtzeitig über die Versammlung zu entscheiden ist, sodass das Ob und das Wie sowie die Form und die Möglichkeiten und die Auflagen rechtzeitig klar sind und damit auch ein gewisses, ausreichendes und wichtiges Stück Rechtssicherheit sowohl für den Veranstalter als auch natürlich für diejenigen besteht, die für die innere Sicherheit zu sorgen haben.

Wir gehen davon aus, dass dieses Gesetz eine Basis ist. Ich verhehle nicht, dass für mich noch viele Bereiche offen sind, die ich gerne gelöst hätte. Die CSU hätte sich mehr gewünscht.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜ- NE))

Aber für eine Koalition ist das eine gute Basis, in deren Rahmen wir auch engmaschig überwachen werden, und zwar auch im Verein, wie sich die Angelegenheiten weiterentwickeln und wo wir gegebenenfalls wieder in die Diskussion treten müssen, wenn die Punkte, die wir für sehr wichtig gehalten hatten, sich so auswirken, dass sie dringend einer Änderung bedürfen.

Wir halten es für eine gute Basis. Wir werden ihm auch zustimmen und gehen davon aus, dass wir damit in den nächsten Jahren im Bereich Versammlungsrecht die innere Sicherheit größtmöglich bewahren und gemeinsam gestalten können.