Christine Stahl
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Last Statements
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ausufernde Videoüberwachung, vielfältige Streetview-Angebote, Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen und Überwachung und beschränkte Nutzung von Grünflächen - ich frage Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum? Wem gehört die Stadt? Diese grundsätzliche Frage sollten Sie sich bei all den Themen, die Sie im Bürgerrechtsbereich immer wieder meinen ansprechen zu müssen und die mit Beschränkungen verbunden sind, einmal stellen. Sie müssen sie sich stellen, um eine grundlegende Antwort geben zu können; denn es geht um nichts weniger als um Bürgerrechte.
Selbstverständlich muss es für die Nutzung öffentlichen Straßenraums, der für den Verkehr geöffnet ist und Kommunikationsfunktion hat, Regeln geben. Doch leider erleben wir, dass Sie Sicherheits- und Ordnungsprinzipien – gerade Herr Heike ist dafür ein fulminanter Vertreter – regelmäßig dazu nutzen, Freiheitsrechte zu beschränken. Es gibt aber kein Grundrecht auf Sicherheit und Ordnung, auch wenn diese Begriffe in einfachgesetzlichen Regelungen selbstverständlich eine Rolle zu spielen haben.
Nach all den Jahren hier im Haus habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie Angst vor vermeintlichem Chaos haben und sich Rettung durch autoritäre Regelungen erhoffen. Ihre Triebfeder scheint es zu sein, diese Angst in Abwägungsprozessen mit autoritären Regeln in den Vordergrund zu stellen. Aber ein guter Ratgeber sind diese noch nie gewesen.
So läuft es wie gehabt: Wir zeigen ein Problem auf. Sie leugnen das Problem, auch wenn es dafür Belege gibt. Diese Leugnung der Realität ist Ihnen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich mich manchmal frage, wie man da noch Sachpolitik betreiben will, selbst wenn man Ihnen vorliest, wo es die Schwierigkeiten gibt und dass es Prozesse gibt, die deswegen geführt werden.
Das ist beispielsweise bei Versammlungen der Gewerkschaften so.
Ich mache eine zweite Bemerkung. Sie interpretieren Verfassungsgerichtsentscheidungen so um, dass sie Ihnen ins politische Konzept passen. Und Sie verbreiten per Schreckgemälde Angst, etwa indem Sie wie heute wieder der Öffentlichkeit einreden wollen, es gehe ans Eingemachte, hier an das Eigentum, als
stünde Verdi mit seinen Streikposten demnächst in Nachbars Garten.
Ich möchte Ihnen – oder ich sollte sagen: dem Protokoll, damit alle es nachlesen können – einen Auszug aus der Verfassungsgerichtsentscheidung vom 22. Februar 2011 einmal vor Augen führen. Da geht es zum einen darum, dass die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort, wo allgemeiner, öffentlicher Verkehr stattfinden kann, zusichert, um Forderungen bei einem allgemeinen Publikum Gehör zu verschaffen und Protest oder Unmut sinnbildlich auf die Straße zu tragen, wie es Kollege Arnold schon ausgeführt hat.
Dann kommt das eigentlich Interessante. Ich zitiere:
Diese Versammlungsfreiheit gilt aber auch für Stätten außerhalb des öffentlichen Straßenraums, an denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob die Flächen sich in eigenen Anlagen befinden oder in Verbindung mit Infrastruktureinrichtungen stehen, überdacht oder im Freien angesiedelt sind. Grundrechtlich ist auch unerheblich, ob ein solcher Kommunikationsraum mit den Mitteln des öffentlichen Straßen- und Wegerechts oder des Zivilrechts geschaffen wird.
Das ist für mich glasklar und eindeutig pro Versammlungsfreiheit, auch in der Weise, wie wir sie uns vorstellen. Obwohl Sie das nicht können und es Ihr Vorstellungsvermögen überschreitet, werde ich mich verfassungsgemäß verhalten.
Mut muss ich den Kollegen der neuen Legislaturperiode bei diesen Themen wirklich nicht machen. Aber ich wünsche ihnen Durchhaltevermögen und hoffe, dass sie die Bürgerrechtsthemen wie gehabt immer wieder auf die Tagesordnung setzen werden.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich nehme zur Kenntnis, dass für Sie Demonstrationen per se erst einmal "grölende Mengen" sind, denen man sich nicht widersetzen könne.
Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Sie nicht wissen, dass wir ein Hausrecht haben, das uns weitgehend schützt. Sei’s drum.
Stimmen Sie mir zu, dass alle diejenigen, die eine Versammlung abhalten, dies in der Regel deshalb tun, weil sie etwas öffentlich machen wollen? Wäre es anders, brauchten sie keine Demonstration zu veranstalten. Wir reden hier nicht von Geheimbünden, sondern von Veranstaltungen, die dem Transport von Ideen, der Kommunikation etc. pp. dienen. Es liegt also in der Regel sowieso im Interesse des Veranstalters, dass Demonstrationen angekündigt werden. Meinen Sie nicht, dass damit Öffentlichkeit hergestellt ist und auch die Polizei weiß, was läuft?
Herr Kollege, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Beispiel rechtsextremistischer Gruppen gebracht haben, die, ohne es öffentlich zu machen und anzumelden, durch die Straßen laufen wollen. Warum sollten sie das tun? – Gerade die Rechtsextremisten wollen die Öffentlichkeit; sie wollen das Polizeiaufgebot; sie wollen, dass es viele Zuschauer gibt; denn sonst bräuchten sie diese Versammlungen nicht durchzuführen. Sie verkennen schlicht und einfach die Realität, wie es tatsächlich läuft. Deswegen ist Ihre Sorge schlichtweg überflüssig.
Ein Weiteres. Ich danke, dass Sie Herrn Hanisch widersprochen haben. Tatsächlich ist es kein Grund, sollte man sich mit der Gruppenstärke vertun, um einen Aufmarsch, eine Versammlung oder eine sonstige Veranstaltung zu untersagen. Das möchte ich deutlich machen. Deshalb kommt es im Grunde genommen auf die Gruppenstärke auch gar nicht so an. Der einzige Grund, weshalb man diese Information will, ist vielleicht, dass sich die Behörden halbwegs darauf einstellen können. Die Behörden müssen aber sowieso abschätzen können, um welche Angelegenheit es sich handelt, ob sie wichtig oder nicht wichtig ist und wie groß die öffentliche Aufmerksamkeit sein wird.
Ich halte es für notwendig, dies zu erklären, da Sie selbst zwischen diesen beiden Begriffen "Anmeldung" und "Anzeige" hin- und hergesprungen sind. Das zeigt mir: Sie sind im Recht der Versammlungsfreiheit nicht sattelfest. Es gibt keine Anmeldungen mehr; es gibt nur noch Anzeigen. Es gibt keine Genehmigungen mehr. Ich meine, man kann durchaus ohne die Angstmacherei, die Sie zeigen, gut zu Potte kommen.
Zu den privaten Gärten. Ich habe die Verfassungsgerichtsentscheidung vorgelesen; ich habe sie zu Protokoll gegeben; jeder sollte es jetzt wissen. Der Punkt ist nicht. dass man die Regelung nicht bräuchte, weil sie schon drin steht, sondern man braucht sie, weil sich leider viele Landratsämter und kommunale Aufsichtsbehörden usw. und so fort nicht daran halten,
sondern die Leute mit Ordnungsrecht überziehen. Eine Lösung für Verdi habe ich bis heute nicht gehört.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es ein gemeinsamer Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN ist, ist es in Ordnung, wenn ich beginne. Angesichts der Tarifauseinandersetzungen am heutigen Tage, die hauptsächlich den Bekleidungseinzelhandel betreffen, trifft es sich sehr gut, dass wir heute über Veränderungen zum Versammlungsgesetz sprechen, die insbesondere die Situation der Gewerkschaften im Hinblick auf den Versammlungsrechtsrahmen betreffen. Die Staatsregierung hat nie wirklich verstanden, worum es bei unserer Versammlungsfreiheit nach Grundgesetz und Bayerischer Verfassung wirklich geht. Für die Staatsregierung und die CSU ging es beim Versammlungsgesetz immer nur um die ordnungsrechtlichen Komponenten, nie aber um die Frage, wie die Versammlungsfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden kann.
Erst wegweisende Entscheidungen wie die des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2009 zum Bayerischen Versammlungsgesetz – die SPD war bei diesem Antrag beteiligt, wir waren beteiligt sowie eine Reihe von Unterstützern und Unterstützerinnen – mit einer Aussage darüber, welche Orte zum öffentlichen Raum zählen und damit natürlich dem Versammlungsrecht unterliegen, zwangen Staatsregierung und CSU zur Änderung des Versammlungsgesetzes im Jahre 2010. Ein echtes Umdenken ist damit aber nie einhergegangen, weshalb wir uns heute erneut um Änderungen bemühen müssen; denn das bestehende Versammlungsgesetz hat Auswirkungen gerade auch auf die Tarifauseinandersetzungen. Grundsätzlich hat sich die Politik in die Tarifautonomie nicht einzumischen. Warum tut sie es aber dann durch die Hintertüre doch, indem sie beispielsweise die Tarifparteien mit dem Versammlungsrecht ganz konkret schwächt?
Ich möchte drei Probleme nennen. Das erste Problem ist in Artikel 13 zu sehen. Da geht es um die Anzeige
pflicht und die Gruppengröße. Davon sind in besonderer Weise Warnstreiks betroffen, die dem Arbeitgeber natürlich vorher nicht bekannt gegeben werden sollen; denn wenn ich eine solche Versammlung anzeigen muss, habe ich als Gewerkschafter ein Problem.
Das zweite Problem steckt in den Artikeln 4 und 9. Das ist zum einen die Kennzeichnung, und zum anderen sind es die Bild- und Tonaufnahmen der Polizei. Man halte sich einmal vor Augen, dass bei diesen Streiks ganz normale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beispielsweise von Hennes & Mauritz oder anderen Bekleidungsunternehmen betroffen sind. Sie muss man mühsam dazu bewegen, sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie haben eher Angst, in der Öffentlichkeit aufzufallen, und neigen dazu, solche Veranstaltungen mit Polizeiaufgebot eher nicht zu besuchen.
Das nächste Problem ist die Frage, welche Orte unter den Begriff "öffentlicher Raum" fallen und an welchen Orten überhaupt Streiks, Auseinandersetzungen oder auch Versammlungen stattfinden dürfen. Diesbezüglich wollen wir Artikel 2 ändern.
Mit der Nummer 7 machen wir dann noch einen erneuten Vorstoß zur Bannmeile.
Nach drei Jahren Praxis seit der Novellierung im Jahre 2010 und vor dem aktuellen Hintergrund der Arbeitskämpfe müssen wir in Gesprächen mit Verdi und anderen Gewerkschaftsvertretern feststellen, dass sich das Versammlungsgesetz gerade für die Tarifparteien nicht bewährt hat. Da finde ich die heutige Pressemitteilung des Innenministeriums wirklich keck. Hierher zu kommen und zu sagen wie auch schon in einer Antwort auf eine Anfrage von uns, das Versammlungsgesetz würde die Streiks überhaupt nicht betreffen, ist insofern keck, als es ganz klare Beispiele gibt, wo sich das schädlich ausgewirkt hat.
Mir muss man schon einmal erklären, wieso ein Gewerkschaftssekretär im Rahmen eines Streiks in den Genuss eines Ordnungsgeldes kommt wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht, obwohl, das angeblich nicht darauf anwendbar ist. Diese Frage möge mir das Innenministerium bitte beantworten. Wie sieht da der Kontext eigentlich aus? Sie behaupten etwas, was in der Praxis schlichtweg nicht stimmt.
Wir wollen die Staatsregierung mit unserem Gesetzentwurf zum wiederholten Male auffordern, Arbeitskämpfe und damit Tarifautonomie via Versammlungsgesetz nicht durch die Hintertüre zu torpedieren. Ich hoffe auf ein Einsehen. Wir haben eine verkürzte Beratungsfrist beantragt. Damit könnte dieser Gesetzentwurf tatsächlich noch zur Abstimmung gebracht werden.
Frau Kollegin Guttenberger, es bleibt Ihnen unbenommen, unsere Vorschläge abzulehnen. Gleichwohl hätte ich von Ihnen oder vonseiten der Staatsregierung gern einen Lösungsvorschlag gehört, wie man mit diesen Tarifauseinander
setzungen umgehen soll. In der Antwort der Staatsregierung auf unsere Anfrage heißt es:
Da Arbeitskampfaktionen regelmäßig bereits keine Versammlungen im Rechtssinn sind … sowie Leiter und Ordner von Gewerkschaftsversammlungen im Übrigen auch regelmäßig keinen Anlass zu einer Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit und Eignung bieten, sind dem Staatsministerium des Innern auch keine Fälle bekannt …
Das Problem ist aber, dass es diese Fälle gibt. Sie landen vor Gericht. Dabei geht es nicht um Großveranstaltungen, sondern um kleinere Veranstaltungen. Ein Beispiel aus München habe ich genannt: Ein Gewerkschaftssekretär muss sehr wohl ein Ordnungsgeld bezahlen, obwohl er eine Arbeitskampfveranstaltung durchgeführt hat.
Schauen Sie sich die Situation bitte an: Die Polizei ist insoweit oft sehr fleißig und im vorauseilenden Gehorsam tätig, oft auch die Landratsämter. Welche Lösung schlagen Sie vor, um das Problem der Kriminalisierung von Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen zu beheben?
Herr Staatssekretär, wenn diese Punkte ausreichend geregelt wären, hätten wir keine Änderung beantragt. Sei es drum.
Herr Staatssekretär Eck, ich frage Sie: Warum sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Einzelhandelsgeschäftes oder eines Kaufhauses nicht im Einkaufszentrum vor der Tür ihres Geschäftes demonstrieren dürfen? Sie haben uns gebeten, wir mögen uns den Gesetzentwurf noch einmal anschauen. Genauso richte ich an Sie die Bitte, sich die Entscheidungen des Verfassungsgerichts anzuschauen. Es geht gar nicht darum, ob wir oder Sie das wollen. Es gibt bereits ganz klare Entscheidungen, dass dies zulässig ist. Diese Klarstellung brauchen wir auch im Versammlungsrecht.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ich will versuchen, die PathosDebatte etwas zu erden. Verfassungsänderungen können das Ergebnis von politischen Erkenntnissen von Notwendigem sein, niemals aber Ausfluss von Aschermittwochsreden, wie sie der Ministerpräsident im Jahr 2011 gehalten hat.
Wir bleiben bei unserer ablehnenden Haltung; denn populistisches Pathos ist niemals Ersatz für eine aktive, handelnde Politik. Wir entscheiden heute lediglich über Staatszielbestimmungen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir entscheiden über Staatszielbestimmungen, die unverbindliche Programmsätze darstellen und deren Einhaltung nicht einklagbar ist.
Warum dann diese Änderungen? Wir diskutieren über diese Änderungen, weil sich ein Ministerpräsident vergaloppiert hat, der eben einmal aus einer Laune heraus am Stammtisch meinte, eine Integrationspflicht mit Verfassungsrang einfordern zu müssen, weil er glaubte, den rechten Rand bedienen zu müssen. Es ist ja auch so einfach, sich auf Kosten von Minderheiten zu profilieren. Erst mit Aufdeckung der NSUMorde hat man sich eines Besseren besonnen.
Natürlich kommt es im ländlichen Raum auch gut an, wenn man den Programmsatz "Förderung des ländlichen Raumes" mit Verfassungsrang versieht. Tatsächlich – das bestreiten wir gar nicht – müssen wir wachsam sein, damit der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Die Herausforderungen sind immens – das ist ganz klar und unbestritten. Was wir alle hier in diesem Hause in den letzten Wochen und in den letzten Monaten in der Debatte zum Landesentwicklungsprogramm erlebt haben, konterkariert aber komplett das, was jetzt Verfassungsrang bekommen soll.
Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist Tatkraft. Was wir in der aktiven Politik aber erleben, sind Trauerspiele. Gerade beim Landesentwicklungsprogramm haben Sie alle gegen sich aufgebracht: die Gewerkschaften, die Wirtschaft, die Kommunen und auch noch die Verbände.
Dasselbe gilt für das Ehrenamt. Das Ehrenamt ist wichtig. Wir wissen selbst ganz genau vor Ort, was wir an unseren Ehrenamtlichen haben. Es handelt sich aber um Lippenbekenntnisse, wenn Sie dem Ehrenamt in der aktiven Politik nicht auch Erleichterungen zubilligen. Dies beginnt bei der Freistellung. Wie sieht es jedoch am Arbeitsplatz aus? Freistellungen haben Sie bisher abgelehnt. Sehen Sie sich den Gesetzentwurf an. Der Offenbarungseid ist doch, dass am Ende unter dem Punkt Kosten "Keine" steht. Sie müssen mir zunächst einmal erklären, wie Sie alle
diese hehren Zielbestimmungen, diese hehren Sätze umsetzen wollen, ohne dass dies etwas kostet.
Die Finanzausstattung der Kommunen ist ohnehin schon in der Verfassung enthalten. Die Realität sieht anders aus. Ich bezweifle sehr stark, dass sich hieran etwas ändern wird, wenn das Ganze Verfassungsrang bekommt. Wie sieht es mit den Zuschüssen beim Wohnungsbau aus? Wie sieht es mit den Zuschüssen bei sozialen Hilfen aus? Das brauchen die Kommunen, nicht aber irgendwelche schönen Sätze, von denen niemand etwas abbeißen kann.
Schuldenbremse klingt gut, steht aber – wie hier auch schon zugestanden wurde – in der Bundesverfassung, im Grundgesetz. Das kann man, wie wir GRÜNE es mit einem Gesetzentwurf tun, einfach gesetzlich regeln. Darum herum wurde ein riesiger Bohei gemacht: Wir bräuchten das selber in der Bayerischen Verfassung, da es ja passieren könnte, dass dies auf der Bundesebene einmal aus dem Grundgesetz herausfällt und wir dann so etwas nicht hätten. Dazu muss ich Ihnen sagen: Das ist doch alles Humbug. Ich habe das Gefühl: Sie trauen Ihrem eigenen Finanzminister und seiner Politik nicht; sonst bräuchten Sie diesen Verfassungsrang nicht.
Die Änderung des Artikels 70 der Bayerischen Verfassung klingt für uns GRÜNE zugegebenermaßen sehr verführerisch. Wir sollen zukünftig die Staatsregierung in Angelegenheiten, die die Europäische Union betreffen und über die dann die Staatsregierung im Bundesrat entscheiden soll, binden können. Ich habe bisher nicht erlebt, dass wir uns in den Debatten, in denen es um europäische Kompetenzen und europäische Themen gegangen ist, vornehm zurückgehalten hätten, bloß weil dies keinen Verfassungsrang hat. Dafür brauche ich die Bindungswirkung nicht in die Verfassung hineinzuschreiben. Ich folge hierzu ganz eindeutig der Meinung derjenigen Experten, die das, was wir tun, für verfassungswidrig halten. Dieser Durchgriff ist aus unserer Sicht verfassungswidrig.
Beispielhaft können wir an der Umweltpolitik erkennen, wie wenig es nützt, wenn der Schutz unserer Lebensgrundlagen Verfassungsrang hat. Diesen hat er ja schon – Staatszielbestimmung Umweltschutz. Es gibt sogar einklagbare Punkte. Ich betrachte beispielsweise die aktuelle Politik zur Energiewende und zum Schutz unseres Klimas. Was macht der Herr Ministerpräsident trotz Umweltschutz mit Verfassungsrang? – Er verhindert den weiteren Ausbau der Windkraft, im Gegenteil: Er behindert alles, was wir an ökologischen Rahmenbedingungen für die nächsten
Jahre setzen sollten; eigene Ideen hingegen Fehlanzeige.
Beispielsweise ist auch die Erinnerung des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege an die bereits existierenden Artikel 3 und 141 der Bayerischen Landesverfassung sehr schön, in denen steht: Bayern ist ein Kulturstaat. Ich hätte mir eigentlich auch erhofft, dass es nicht notwendig ist, diese Erinnerung aussprechen zu müssen. Wir haben hier etwas, das Verfassungsrang hat. In der Debatte zum Landesentwicklungsprogramm schert Sie dies aber überhaupt nicht. Der Heimatverein muss Sie daran erinnern, dass Bayern ein Kulturstaat ist.
Ich habe Verständnis für die SPD und die FREIEN WÄHLER, dass sie ihre Zustimmung zu den Verfassungsänderungen geben. Ich halte dies, bezogen auf diese beiden Fraktionen, sogar für legitim; denn diese beiden Fraktionen haben ebenso wie die GRÜNEN alle diese Themen auch mit konkreten Anträgen begleitet. Das ist dann auch in Ordnung; dann kann man auch sagen: Begleitet von diesen Anträgen kann man den Themen auch Verfassungsrang einräumen. Die FDP hat hier immer nur apportiert.
Dazu muss ich sagen: Das ist nicht das, was uns an aktiver Politik vorschwebt.
Die CSU mussten wir, obwohl so viel an Bürgerrechten in der Verfassung steht, immer wieder an dieselben erinnern. Seit 2001 wurden CSU und Staatsregierung in 24 Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht, aber auch vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Grenzen gesetzt. So sieht es aus, wenn jemand die Bayerische Verfassung ernst nehmen sollte, es aber nicht tut. Deswegen ist alles, was wir hier heute diskutieren, angesichts der aktuellen Politik, die die CSU im Hause betreibt, reines Wortgeplänkel.
Die Bayerische Verfassung besteht einerseits aus formellen und deshalb nur schwer änderbaren Themen und Vorschriften und andererseits aus änderbaren Vorschriften. Alle haben Maßstabfunktion für das gesamte bayerische Recht. Die Geschichte und die Entstehung der Verfassung muss ich in diesem Hause nicht erläutern; diese setze ich voraus. Seit 1946 gab es elf Änderungsgesetze mit circa 50 Einzeländerungen, Änderungen essentieller Art, beispielsweise die Abschaffung von Bekenntnisschulen oder die Stärkung der Rundfunkfreiheit. Es gab Änderungen, an denen auch wir GRÜNEN mitgewirkt haben. Das waren aber immer Vorschläge, die auch tatsächlich
Anpassungen an die Lebensrealität beinhaltet haben oder die auch konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen gehabt haben. Heute sprechen wir jedoch über Änderungen, die dem entsprechen, was wir von unserem Ministerpräsidenten gewohnt sind: Regierungslyrik, die niemandem weht tut, niemanden fordert und niemanden etwas kostet. Null Antwort auf aktuelle Fragen.
2016 feiert die Bayerische Verfassung ihr 70-jähriges Bestehen, eine Verfassung, die viel zum inneren Frieden in unserer Gesellschaft beigetragen hat. Sie dient nicht zur Selbstdarstellung. Sie ist zu schade für tagespolitische Entscheidungen ohne Mehrwert.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte entschuldigen Sie vorab, dass ich Ihnen während dieser Debatte zeitweise im Rücken sitzen werde. Das lässt sich heute nicht anders organisieren.
Dieser Gesetzentwurf behandelt einen abgeschwächten Strafvollzug. Diese Expertenmeinung ist im Rahmen des Fachgesprächs zur Sicherungsverwahrung geäußert worden, und wir teilen sie. Allerdings hoffen wir ebenfalls, dass wir uns irren. Wir gestehen zu, dass der zukünftige Umgang mit Sicherungsverwahrten eine schwierige Frage ist. In diesem Gesetzentwurf wird jedoch mindestens an 40 Stellen auf das bewährte Bayerische Strafvollzugsgesetz Bezug genommen. Diese Bezugnahme zeigt deutlich – das haben bereits Vorredner gesagt -, dass sowohl die Intention des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung aus dem Jahr 2009 als auch die des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011 verkannt werden. Zwar beteuern Staatsregierung, CSU und FDP, sie sähen sehr wohl, dass Sicherungsverwahrung etwas völlig anderes sei als der Strafvollzug. Das haben wir gerade von Herrn Kolle
gen Rieger gehört. Sie gestehen ebenfalls zu, dass es sich um eine Ultima Ratio handeln müsse.
- Könnten Sie bitte leiser reden? Selbstverständlich interessiert mich das Abgeordnetenrecht auch brennend.
- Gut.
Gleichzeitig ordnen Sie die Sicherungsverwahrung ausschließlich dem Prinzip "Sicherheit und Ordnung" unter und bleiben aus unserer Sicht in Ihrem Denken in Strafvollzugskategorien verhaftet. Wie die Ablehnung der Anträge der FREIEN WÄHLER und der SPD zeigt, sind und waren Sie nicht zu kleinsten Zugeständnissen bereit. In den Anträgen geht es beispielsweise um Anstaltskleidung, Verpflegung oder Besucher.
Tatsächlich ist die Sicherungsverwahrung kein Strafvollzug mehr - das muss man immer wieder betonen -, sondern den Betroffenen wird unterstellt, sie seien auch zukünftig für die Gemeinschaft gefährlich. Der Täter hat – das muss immer wieder wiederholt werden – seine Strafe abgesessen. Zukünftige Straftaten sollen verhindert werden. Das bedeutet: Es geht um Prognoseentscheidungen. Aus der Praxis wissen Sie selbst, wie schwierig Prognosen sind. Prognosen sind schwierig, wenn man bedenkt, dass auch Gutachter nur Menschen sind, und wenn man weiß, wie Gutachten erstellt werden. Man muss sich in der Forensik auf bereits erfolgte Analysen im vorangegangenen Strafvollzug verlassen. Man muss beurteilen können, ob ein Täter überhaupt therapiefähig oder -willig ist.
Meiner Meinung nach ist meistens in der Therapie jedoch mehr möglich, als man oft zugesteht. Ich denke an die Fälle, in denen sich Straftäter einer Behandlung zunächst verweigern, später jedoch in eine Therapie einwilligen. Solche Fälle gibt es. Dann ist es sehr schwer, in diese Therapieprogramme hineinzukommen. Schnell bekommen die Betroffenen den Stempel "therapieunwillig" oder "therapieunfähig" aufgedrückt. Es geht ebenfalls um diejenigen, die Therapien abbrechen und die Gefahr eingehen, als therapieunwillig beurteilt zu werden. Es geht ebenfalls um die Ausgestaltung der Therapiemöglichkeiten bereits im Strafvollzug. Um diese ist es nicht so toll bestellt. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Jemanden mit einer Prognose zu behaften, wird somit immer ein Risiko sein.
Da das Bundesverfassungsgericht Leitlinien vorgegeben hat, kommen Sie nicht drum herum, die Therapieangebote in Ihren Gesetzentwurf mit aufzunehmen. Sie müssen ebenfalls die Möglichkeit einer Entlassung thematisieren, denn die Chance auf Freiheit muss bestehen bleiben.
An einigen Stellen – das konzediere ich – klingt der Gesetzentwurf wirklich gut. Aber noch einmal: Wenn ich das mit der Situation im Maßregel- und Strafvollzug vergleiche, kann ich nicht recht glauben, dass das, was im Gesetz steht, tatsächlich Realität wird. Das liegt nicht unbedingt an Ihrem fehlenden guten Willen, sondern am realen Umsetzungsvermögen.
Es ist Pflicht des Staates und seiner Institutionen, Übergriffe auf Menschen, im schlimmsten Falle die Vernichtung ihrer Gesundheit oder ihres Lebens, zu verhindern. Falls der schlimmste Fall doch eintritt, ist es richtig und wichtig, solche Taten zu ahnden. Selbstverständlich haben wir mit massiven Sanktionen darauf zu reagieren. Der Anspruch auf Sühne, die eine solche Tat nach sich zieht, darf auch nicht vergessen werden. Gleichzeitig – das wurde ebenfalls angesprochen – haben wir als demokratischer Staat Grenzen zu beachten. Wir müssen den Balanceakt zwischen der Verbüßung einer Tat und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung gewährleisten und den Ansprüchen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung tragen. Dem Abstandsgebot des Bundesverfassungsgerichts müssen wir ebenfalls in vollem Umfang gerecht werden.
Trotzdem kann ich nicht glauben, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Bayern dem Text des Gesetzentwurfs entsprechen wird. Anders als SPD und FREIE WÄHLER bin ich der Ansicht, dass dem Abstandsgebot, das im Rahmen des Fachgesprächs angesprochen worden ist, nicht voll umfänglich entsprochen worden ist. Die Diskussion über das Therapie- und Unterbringungsgesetz aus dem Jahre 2010 zeigt, wie schnell die CSU bereit ist, über fragwürdige Formulierungen im Hinblick auf die geforderte menschenrechtskonforme Ausgestaltung hinwegzusehen. Die immer wieder vom Justizministerium wiederholte Forderung nach einer nachträglichen Sicherungsverwahrung, die meiner Meinung nach völlig konträr zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, lässt darauf schließen, dass die Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht so umgesetzt wird, wie es sich liest. Gut, das ist jetzt auch eine Prognose, die uns nicht davon abhalten kann, einem Gesetz zuzustimmen oder nicht. Gleichzeitig sagen wir, dass das Trennungs- oder Abstandsgebot – dafür gibt es verschiedene Begriffe – nicht eingehalten wird. Wir hoffen, wir irren uns. Dennoch werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen.
Herr Staatsminister, mir erschließt sich nicht so ganz, warum Sie aus dem von der Seite dort drüben vorhin kritisierten umfangreichen Fragenkatalog ausgerechnet diesen einen Spiegelstrich herausgreifen, um uns hier darüber zu berichten. Hier können Sie mir wirklich nicht weismachen, dass das nicht dazu gedient hat, etwas zu relativieren.
Ich muss Ihnen noch etwas sagen - das können Sie Ihrer Fraktion ausrichten, weil ich mich nicht an die Fraktion richten darf -: Durch die Relativierungen und Zwischenrufe, die jetzt von Ihrer Seite geäußert wurden, ist deutlich geworden, dass man diesen Antrag, der vonseiten der CSU und der FDP kam, nicht ehrlich meint.
Ich hoffe, dass wir trotzdem einvernehmlich aus dem Haus gehen − nach den namentlichen Abstimmungen sind wir ja fertig − und im Kopf behalten, dass wir alle Aufklärung wollen. Mit dieser Grundsatzhaltung möchte ich aus dem Haus gehen.
Das betrifft einerseits die Vorverurteilung, die Sie uns vorwerfen. Ich erwarte andererseits genau dieselbe Offenheit, sich unter Umständen unangenehmen Erkenntnissen zu stellen, auch auf der Seite da drüben.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Zum wiederholten Mal sind wir in dieser Legislaturperiode gezwungen, uns mit Stellenbesetzungen bei der Justiz zu befassen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Staatsregierung − nennen wir Ross und Reiter, ganz aktuell Sozialministerin Haderthauer − es nicht lassen kann, sich unprofessionell in eine solche Stellenbesetzung einzumischen.
Wir müssen feststellen, dass die CSU aus den Debatten der letzten Jahre überhaupt nichts gelernt hat. Das Theater ist bereits 2006 im Zusammenhang mit der Besetzung der Stelle des Generalstaatsanwalts in Bamberg angesprochen worden. Bereits im Jahr 1994 ging es darum, einen CSU-Adlaten auf die Stelle des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Nürnberg zu
setzen, und zwar gegen den Widerstand aller Beteiligten und unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit. Jetzt erleben wir dasselbe wieder. Qua Federstrich wird vonseiten des Sozialministeriums beschlossen: Diejenigen, die eigentlich infrage kämen, nehmen wir nicht. Ich sage Ihnen, liebe Frau Guttenberger, lesen Sie einmal den Beschluss des Verwaltungsgerichts München, der hier in Rede steht, durch. Es gab Konkurrentenklagen der Mitbewerber, weil man gesagt hat, das könne so wohl nicht wahr sein. Lesen Sie diesen Beschluss durch. Er ist eine deutliche Watschn für das Sozialministerium, sodass es für mich von der Opposition eine Freude war, diesen Beschluss zu lesen.
Der Gesetzentwurf der SPD wird von uns unterstützt, auch wenn wir natürlich ein bisschen die Einwände von Herrn Pohl sehen und sich dieser Gesetzentwurf in einem systemstützenden Rahmen bewegt, während wir eine wirklich unabhängige Justiz in Bayern installieren wollen. Dennoch wird dieser Gesetzentwurf auf jeden Fall für mehr Transparenz sorgen und zur Mitsprache weiterer Beteiligter führen.
Dabei kann es natürlich auch so ablaufen wie im konkreten Fall, dass es nämlich für die Frau Ministerin überhaupt keine Rolle gespielt hat, was der Präsidialrat dazu sagt. Sie hat die Einwände des Präsidialrats schlicht und einfach vom Tisch gewischt. Auch das kann trotz Ausschreibung passieren. Die Stellenbesetzung wird aber in einer anderen Art und Weise diskutiert und es werden andere beteiligt sein.
Wir haben diesen konkreten Fall im Sozialministerium mit einer Anfrage begleitet und nach der Antwort auf die Anfrage vom 4.12. haben wir einen Antrag am 6.12. eingereicht, in dem die Staatsregierung aufgefordert wird, umgehend in einem ordentlichen Verfahren für eine Besetzung der Stelle des Landesgerichtspräsidenten oder der Landesgerichtspräsidentin zu sorgen.
Frau Ministerin Haderthauer hat es zu verantworten, dass die Stelle bis zum heutigen Tag seit nunmehr einem Jahr vakant ist. Es handelt sich um eine wirklich wichtige Stelle und ich frage mich, ob das überhaupt noch verfassungsmäßig oder rechtmäßig ist. Es handelt sich um eine Stelle, die maximal sechs Monate unbesetzt sein darf.
Wenn ich von einem ordentlichen Verfahren rede, dann meine ich damit ein rechtsfehlerfreies Verfahren. Das ist schon einmal dahin, weil sie ein solches leider nicht zustande gebracht hat. Ich will aber auch ein
transparentes Verfahren. Ich will selbstverständlich auch, dass offengelegt wird, in welcher Weise sich Gewerkschaften und Arbeitgeber dazu verhalten haben; nicht nur der Präsidialrat, denn das kann ich in dem Beschluss lesen.
Die Frau Sozialministerin hat Ihnen diese Suppe eingebrockt, Frau Merk − Sie sind da, und ich weiß nicht, ob Sie das heute ausbaden müssen; deswegen tut es mir auch leid. Es ist eine weitere unschöne Geschichte. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt gemerkt hat, was sie angerichtet hat. Sie stellt sich stur, will nicht aufklären und tut so, als ob sie das überhaupt nichts anginge.
Ich meine, wir müssen dem einen Riegel vorschieben − wir haben das schon mehrmals angemerkt -, dass sich CSU und Staatsregierung diesen Staat zur Beute machen. Genau in diesem Falle haben sie es wieder getan. Der Gesetzentwurf der SPD und der vormals von den FREIEN WÄHLERN eingebrachte Gesetzentwurf wären zumindest eine Möglichkeit, einen kleinen Riegel vorzuschieben. Insofern werden wir das unterstützen.
Ich finde es bedauerlich, dass man bei uns die Klage einreichen muss, um Recht zu bekommen und um den Pfusch, den die Sozialministerin angerichtet hat, zu beseitigen.
Ich möchte aus dem Beschluss des VG München etwas zitieren. Wenn Sie sagen, was die SPD vorschlage, sei nicht gerade zielführend, dann erwarte ich von Ihnen als Regierungsbeteiligtem eine Antwort darauf, wie Sie so etwas zukünftig verhindern wollen. Ich möchte wissen, wie Sie es zukünftig verhindern wollen, wenn es z. B. heißt: Die Auswahlentscheidung ist materiell fehlerhaft. Wie wollen Sie solche Entscheidungen zukünftig besser gestalten?
Es fehlt bereits an der Niederlegung hinreichender Auswahlerwägungen im Auswahlverfahren. Die wesentlichen Auswahlerwägungen sind in den Akten des Auswahlverfahrens niederzulegen. Aber das ist anscheinend nicht gemacht worden. Durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen in den Akten wird ein Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob Anhaltspunkte für einen Verstoß vorliegen. Aber so etwas ist anscheinend nicht gemacht worden. Ich habe hier den Beschluss des VG, in dem in dieser Richtung argumentiert wird. Danach sei es in einem vorliegenden Fall unklar, in welcher Weise die in der Vormerkung für die Staatsministerin aufgeführten Auswahlkriterien im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung gewählt worden sind. Dann wird von weiteren Unklarheiten berichtet.
Ich frage mich: Hat die FDP im Koalitionsausschuss davon gewusst? Wussten Sie, wie die betreffende Stelle besetzt werden sollte? Oder haben Sie mit der CSU ein Geschäft gemacht?
Herr Präsident, meine Herren und Damen! So viel Pathos am frühen Morgen − dazu muss ich sagen: Handfeste Politik ist uns GRÜNEN lieber.
Genau daran hat es in der Vergangenheit auf dieser Seite des Hauses gemangelt. Worüber wir hier in Erster Lesung diskutieren, ist doch nicht der Ausfluss eines gesellschaftlichen Dialogs, wie dies hier gerade dargestellt wurde.
- Herr Kollege Schmid hat "Dialog" gesagt. Das ist nicht das Ergebnis eines Dialogs, sondern das, worüber wir hier diskutieren, ist einfach ein in Form gegossener Populismus des Herrn Ministerpräsidenten Seehofer.
- Es macht mir überhaupt nichts aus, Herr Schmid, wenn ich Sie enttäusche.
Herausforderungen, denen sich die Staatsregierung in aktiver Politik stellen sollte, fasst sie in konsequenzlose Programmsätze.
Sie sind in weiten Teilen, Herr Kollege, überhaupt nicht einklagbar. Ich nenne das eine Bankrotterklärung aktiver, gestaltender Politik.
Während Verfassungsrichter davor warnen, Grundgesetz und Bayerische Verfassung für die Tagespolitik zu verwenden,
sondern in ihnen die Kernsätze demokratischer Grundsätze festzuschreiben, wirft der Ministerpräsident seit 2010
kontinuierlich verschiedene Vorschläge auf den Marktplatz.
Das ging mit der Entbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern los, bis sich dann die Berufsverbände zu Wort gemeldet haben − dann versank das in der Versenkung. Die Freiheit im Internet sollte verankert werden. Da hat der Ministerpräsident eine Forderung der Jungen Union auf Europaebene unterstützt, bis sich dann herausgestellt hatte, dass es nicht ganz so einfach ist, Stichwort Urheberrecht. Unvermeidlich ist das Thema − Sie haben es dankenswerterweise angesprochen, Herr Güller − Integrationspflicht für Ausländer, das aus Opportunitätsgründen in der Versenkung verschwunden ist.
- Das wären wir auch nicht gewesen.
Volksentscheide auf Bundesebene wurden ebenfalls groß angekündigt. Davon ist nicht mehr die Rede. Es ist aber davon die Rede − das nennen wir Rosinenpickerei −, dass man Volksentscheide zu europäischen Themen haben möchte. Warum? − Weil man sich relativ sicher ist, dass da populistisch auch Unterstützung kommt.
Auf CSU-Seite ist von den Forderungen die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse übrig geblieben. Ich war sehr froh, Herr Güller, dass wenigstens noch die SPD einen kritischen Blick auf die ganzen Verhandlungen geworfen hat. Sie wissen selbst, dass ganz konkrete Maßnahmen notwendig sind, um diese gleichwertigen Lebensverhältnisse auch herzustellen. In den letzten Monaten war man hier noch nicht einmal in der Lage, ein ordentliches Landesentwicklungsprogramm auf den Weg zu bringen. Ich nehme daraus für mich in Anspruch zu glauben, dass sich, auch wenn das in die Verfassung hineingeschrieben wird, nicht sehr viel ändern wird.
Das Zweite ist die Schuldenbremse. Wir sind uns mit der SPD einig. Wenn man möchte, kann man das einfach gesetzlich regeln. Wir haben auch einen Gesetzentwurf eingebracht; denn selbstverständlich ist es unser Anliegen, dass wir solide Haushalte behalten bzw. auf den Weg bringen. Was haben wir hier? - Obwohl das bereits im Grundgesetz verankert ist, wird jetzt ausgerechnet vom Meister der Schattenhaushalte, der sich anscheinend selbst in die Pflicht nehmen muss, von Ministerpräsident Seehofer, ein weiteres Placebo in der Verfassung auf den Weg gebracht. Das wäre nicht nötig gewesen; denn Sie haben das Heft des Handelns doch in der Hand. Wir werden in diesen Tagen die Haushalte noch diskutieren. Dabei können Sie dann beweisen, wie sorgfältig Sie mit Steuergeldern umgehen.
Der nächste Punkt ist die Bindung der Staatsregierung bei Fragen, die die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betreffen. Darüber kann man diskutieren; das ist sehr strittig. Wir haben zu diesen Fragestellungen ein Fachgespräch durchgeführt. Ich sage Ihnen: Wir halten diese Regelung für äußerst bedenklich, weil sie aus unserer Sicht nicht verfassungskonform ist. Ich nehme das jedenfalls aus dem Fachgespräch mit.
Hineinverhandelt wurde die Würdigung des Ehrenamtes. Ich verstehe gut, dass dieses Bedürfnis besteht, dass man die Staatsregierung endlich einmal auch
dazu zwingen möchte, für das Ehrenamt etwas zu tun. Ich erinnere mich aber auch, dass man hier zum Beispiel bei den Steuerbefreiungen für Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres nicht zustimmen wollte. Dasselbe galt auch bei weitergehenden Freistellungen für Menschen, die ein Ehrenamt innehaben. Auch hier stand wieder einerseits ein wunderschöner Programmsatz zur Gewissensberuhigung, auf der anderen Seite gab es aber konkrete Anträge, denen nicht zugestimmt wurde.
Ich nehme Ihnen, der SPD und auch den FREIEN WÄHLERN, ab, dass das bei Ihnen im Konkreten, in der aktiven Politik anders aussieht; denn teilweise kamen die Anträge ja von dieser Seite. Dafür habe ich Verständnis. Auf der rechten Seite des Hauses aber nehme ich Ihnen dieses nicht ab.
Ein weiterer hineinverhandelter Punkt ist die Finanzausstattung der Gemeinden. Davon abgesehen, dass man sich allein schon darüber streiten kann, was eine "ausreichende Finanzierung" ist, fand ich doch sehr bemerkenswert, dass im Gesetzentwurf unter dem Punkt Kosten "keine" stand. Allein das zeigt schon, dass man nicht wirklich an einer ordentlichen Finanzausstattung der Gemeinden interessiert ist, wenn man das ganze mit "null Kosten" kennzeichnet.
Selbst wenn es in der Verfassung steht − da besteht sicherlich Einigkeit -, werden Sie darum kämpfen müssen, die Kommunen ordentlich auszustatten.
Über das, was angemessen ist, gehen hier im Hohen Hause die Vorstellungen weit auseinander. Letztendlich wird die Verfassung dadurch, dass ständig neue Staatsziele aufgenommen und unverbindliche programmatische Aussagen formuliert werden, geschwächt; die Verfassung droht damit beliebig zu werden.
An dieser Politik beteiligen wir uns nicht.
Ich mache es kurz, weil ich meine Redezeit bereits überzogen habe. Herr Kollege Pohl, mein Verfassungsverständnis ist sehr gefestigt. Das versichere ich Ihnen. Genau deshalb halte ich es mit den Verfassungsrechtlern auf Bund- und Länderebene, die eindeutig davor warnen, die Verfassung weiter aufzublähen. Genau deswegen haben wir uns auch − das war ein langer Diskussionsprozess − dagegen entschieden, den Klimaschutz mit aufzunehmen. Lesen Sie doch einmal unsere Verfassung durch, dann sehen Sie, dass alles, was wir brauchen, im Grunde genommen schon darin enthalten ist.
Ich brauche kein Sammelsurium an neuen Programmsätzen, sondern ich brauche die Umsetzung dessen, was in der Verfassung steht. Daran mangelt es. Diese Erfahrung durfte ich seit der letzten Verfassungsänderung hier sehr wohl machen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir es drehen und wenden − wir haben es mit einem Mangelhaushalt zu tun, allen unausweichlichen Erhöhungen zum Trotz. Ich denke, Sie haben von unserer Seite auch keine andere Einschätzung erwartet. Trotzdem möchte ich sie begründen.
Es ist schon interessant zu sehen, dass in der CSU das Interesse an der Justizausstattung plötzlich wieder gewachsen zu sein scheint. Selbstverständlich bringen wir das in keiner Weise mit dem Wahljahr in Zusammenhang und möchten außerdem darauf hinweisen, dass der Mangel nicht erst in dieser Legislaturperiode entstanden ist, sondern dass er das Ergebnis jahrzehntelanger Ignoranz ist.
Sanierungsstau an alten Gebäuden, vor allem, was die energetische Sanierung angeht, und neue Aufgaben fordern das Justizministerium. Das ist uns sehr wohl bewusst. Wenn wir uns die Erhöhungen ansehen, stellen wir fest, sie betreffen allerdings genau die neuen Herausforderungen, viele Sanierungen, aber auch Versprechungen, die eingelöst werden müssen, sodass sich, vor allem wenn es um Stellenbesetzungen in Neubauten oder in neuen Abteilungen im Strafvollzug geht, zwar an der Grundausstattung etwas verändert, aber nicht in dem Umfang, wie wir uns das vorstellen und wünschen würden.
Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, Justizbeamte, Richterinnen und Richter und Staatsanwaltschaften könnten in einem gemeinsamen Chor auftreten; denn sie könnten alle zusammen das gleiche Lied singen. Natürlich wird bei den Aufstockungen zuvörderst an die eigene Klientel − so nenne ich es jetzt despektierlich − gedacht. Man denkt im Wahljahr an die Beamtenschaft. Aber man bringt es wieder einmal nicht fertig, die Wiederbesetzungssperre aufzuheben, die die Stellenbesetzungen konterkariert.
Diese hat vor allem dort, wo es um soziale Hilfen geht, etwa bei der Betreuung von Strafgefangenen und dort, wo ein Leben ohne Straffälligkeit ermöglicht werden soll, schwere negative Folgen. Deshalb noch
einmal unsere Forderung: Diese Wiederbesetzungssperre muss weg!
Wie sagte es der neue Opferschutzbeauftragte in einem "Zeit"-Interview so schön? Gewaltprävention ist Opferschutz. Das ist vollkommen richtig, und ich glaube auch nicht, dass es hier im Hause eine Fraktion gibt, die das nicht so sieht. Aber es gehört auch wirklich alles dazu, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, in dem viele Strafgefangene zirkulieren.
Deshalb haben wir in unseren Haushaltsanträgen dieses Mal den Schwerpunkt auf die soziale Begleitung in und nach dem Strafvollzug gelegt. Die Wartezeiten für eine Therapie sind selbst für Therapiewillige viel zu lange. Es dauert zu lange, einen Therapieplatz in einer akuten Situation zu bekommen. Abbrecher erhalten kaum eine zweite Chance, und wer sich nicht sofort für eine Therapie entscheidet, wird es schwer haben, später ein Angebot wahrnehmen zu können. Sehr schnell erhalten diese Strafgefangenen das Etikett "nicht therapierbar".
Wir wissen selbst als Laien, dass der Weg bis zur Einsicht eines Straftäters, dass er sich auch Änderungen in seinem Leben öffnen soll, oft sehr lang und steinig ist. Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass die Konzentration nicht nur auf diejenigen erfolgt, die sehr schnell ihre Bereitschaft erklären. Gerade die schwierigen Straftäter, auch Straftäterinnen, benötigen unser Augenmerk, weil sie als Wiederholungstäter die meisten Probleme verursachen. Sie produzieren neue Opfer, neue Schäden, neue Kosten. Ich bin überzeugt davon, dass eine größere Investition in die Resozialisierung und Begleitung sehr viel zielführender wäre.
Wir unterstützen deshalb auch das Präventionsprojekt in Regensburg in vollem Umfang. Wir würden uns wünschen − und dafür dürften Sie ruhig Mittel einstellen -, dass dieses Projekt noch sehr viel bekannter gemacht wird. Ich glaube, dass es gar nicht die Bekanntheit hat, die es haben sollte.
Wir reiten gern auf dem Thema Übergangsmanagement herum, das noch nicht funktioniert. Es gab eine Arbeitsgruppe, aber ich halte es nicht für ausreichend, was an Ergebnissen dabei herauskam, weil sie nicht umgesetzt werden. Wir müssen das Übergangsmanagement in ein straffreies Leben verstärken helfen, und wir müssen dazu beitragen, auch wenn das nicht zuvorderst Aufgabe des Strafvollzuges ist - auch die Wohlfahrtsverbände bieten dafür Möglichkeiten an -, die Familien zusammenzuhalten. Gerade das ist ein
enorm wichtiger Punkt, damit Straftäter nicht rückfällig werden.
Was wir nicht ganz so positiv sehen, ist die Stiftung Opferhilfe. Wir meinen, dass es bereits Einrichtungen gibt, wie zum Beispiel die Stiftung der Deutschen Polizeigewerkschaft, den Weißen Ring und andere, die sich um Opfer kümmern. Ich meine, man macht sich hier nur unnötig Konkurrenz.
Nicht für alles in der Justiz benötigen wir mehr Personal. Strukturverbesserungen und Qualitätsmanagement wirken auch oft schon Wunder. Gleichwohl müssen eine solide Personalausstattung und Finanzwirtschaft Grundlage sein.
Wir brauchen für Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen, die über Straftäter mit Fußfesseln die Kontrolle als zusätzliche Aufgabe überwiesen bekommen haben, ebenso zusätzliche Unterstützung wie in der Bewährungshilfe. Bei Richterinnen und Richtern, bei Staatsanwaltschaften, deren Versorgung gekürzt wurde und deren Besoldung im Vergleich mit der freien Wirtschaft eher schwach ausfällt, brauchen wir ebenfalls Unterstützung. Wir brauchen sie bei den Strafvollzugsbeamtinnen und -beamten, aber auch − und da ist eben das Sozialministerium gefordert − bei den Wohlfahrtsverbänden.
Ich habe leider nur sechs Minuten Zeit und kann deswegen keine längeren Ausführungen machen, was sicher auf der rechten Seite des Hohen Hauses Wohlgefallen findet.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir stellen uns gerne auch neben die Justiz, dann ist sie umzingelt. Das soll jetzt keine Drohung sein, aber es ist an der Zeit, Herr Ministerpräsident, die Justiz ohne politische Kommentierung die Wiederaufnahme vorbereiten zu lassen. Da hilft es auch nichts, Frau Merk, wenn wir jetzt wieder einmal Gutachten bewerten und in Streitereien darüber verfallen, ob diese in Ordnung sind oder nicht. Das Verfahren vor dem Regensburger Gericht wird laufen, und ich denke, dass die Justiz mittlerweile aufgrund der Berichterstattung in den Medien weiß, was sie zu tun hat. Die Justiz in Bayern ist unabhängig, aber aus unserer Sicht nicht unabhängig genug. Fälle wie die von Herrn M., Ulvi K. oder der Landwirtschaftsfamilie R. sind Nagelproben für unser System und seine Funktionstüchtigkeit.
Sie zeigen aber auch − ich möchte den Blick ein bisschen weiten − die Grenzen von Kontrolle auf. Deshalb und nicht ohne guten Grund befassen wir GRÜNE uns immer wieder mit anderen Modellen, wie unabhängig die Justiz tatsächlich sein kann und wo wir eventuell noch nachjustieren müssen. Unser Modell − ebenso wie das Modell des Deutschen Richterbundes, das uns allen bekannt ist − ist nicht hundertprozentig in der Lage, das, was wir erleben, in den Griff zu bekommen. Trotzdem und gerade deshalb müssen wir uns mit einer unabhängigen Justiz und der Frage, wie eine solche aussehen kann, befassen. Selbstverständlich waren die Einmischung des Ministerpräsidenten letzte Woche und die Anordnung der Wiederaufnahme - ich habe den Medien entnommen, dass es eine Anordnung war und nicht eine Eigenentscheidung der Staatsanwaltschaft − Sündenfälle. Für uns waren das Sündenfälle, wenn man daran denkt, dass eine Anweisung, eine Einmischung in die Entscheidung der Justiz nicht erfolgen sollte.
Trotzdem waren wir, der Not gehorchend, für eine Wiederaufnahme, weil wir der Meinung sind, dass das der einzig richtige Weg sein konnte, um für eine Klärung zu sorgen. Tatsächlich kam am letzten Freitag die Meldung − dabei ist zu prüfen, ob diese tatsächlich zutrifft -, dass der Richter, der über das Schicksal von Herrn M. entschieden hat, sich wohl laut Medienberichten in die Ermittlungsarbeit von Staatsanwaltschaft oder Steuerfahndung oder beidem zum Nachteil des Angeklagten eingemischt hat. Das wäre eine eindeutige Grenzüberschreitung, die nach Kontrolle schreit. Gerade aus diesem Grund war die Wiederaufnahme der einzige richtige Weg.
Wer aber soll Kontrolle in diesem System, das wir haben, ausüben? Wir als Politiker dürfen es nicht. Gleichzeitig hat die Justiz, so wie sie strukturiert ist, auch keine Gremien, um diese Kontrolle durchzuführen. Deshalb sind wir trotz aller Defizite, die der Vorschlag des Deutschen Richterbundes und des Bayerischen Richtervereins hat, der Meinung, wir sollten in diesem System endlich einmal anfangen zu arbeiten, weil es bei aller Kritik daran eine justizinterne Kontrolle beinhaltet. Schauen Sie sich das Modell an, Herr Ministerpräsident, ich kann Ihnen das nur anraten. Es sind entsprechende Gremien vorgesehen. Ob diese dann im Widerspruch zu einer Kontrolle von außen stehen müssen und wie es dann mit den Staatsanwaltschaften läuft und ob diese dazugehören, darüber kann man diskutieren.
Im bestehenden System müssen wir feststellen, dass wir uns dann, wenn es wirklich hart auf hart geht und man überprüfen muss, ob Entscheidungen richtig waren, sehr schwer tun und wir uns fragen müssen: Wo wollen wir mit unserer Justiz eigentlich hin? Kontrolle muss - dies geht trotzdem auch an die Adresse der Justiz - natürlich auch gewollt sein; und sollte es in ferner Zukunft Möglichkeiten geben, die justizintern durchaus Kontrolle zulassen, dann muss man diese auch ausüben - ohne Rücksicht auf das Ansehen einzelner Personen oder Kolleginnen und Kollegen.
Wir werden sehen, wie sich hier die Wiederaufnahme weiter gestaltet. Wir werden sehen, wie sie sich entwickelt. Wir werden natürlich beobachten - das dürfen wir -, und wir werden, wenn neue Aspekte ans Tageslicht kommen sollten, auch entsprechend nachhaken.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren! Rücktrittsforderun
gen gab es tatsächlich schon mehrere. Es wäre für Frau Merk vielleicht besser gewesen, wenn sie diesen schon im Vorfeld gefolgt wäre.
Jetzt müssen wir den Ministerpräsidenten auffordern, seine Justizministerin zu entlassen. Denn eines ist sicher: Diesem Spuk muss ein Ende bereitet werden.
Die neuesten Entwicklungen in dem Fall, der hier zur Debatte steht, zeigen, dass Sie das Heft des Handelns schon lange nicht mehr in den Händen halten. Von anderen werden Forderungen aufgestellt und auch Entscheidungen getroffen, die Sie hätten treffen müssen.
Wir waren bereit, Ihnen im Ausschuss Gelegenheit zu geben, zusammen mit der Opposition den Fall aufzuarbeiten. Wir waren bereit, mit Ihnen über Konsequenzen zu diskutieren und darüber zu sprechen, welche Möglichkeiten wir haben; denn tatsächlich ist dieses Verfahren weitgehend eines der Justiz.
Aber wie soll eine offene und ehrliche Debatte erfolgen, wenn Sie ein paar Tage nach der schwierigen Plenardebatte vom 14. November zu unserem Dringlichkeitsantrag nichts Besseres zu tun haben, als eine Pressemitteilung, der eine Tabelle angehängt ist, herauszuschicken, in der Sie sich wieder an der Strafbarkeit des Handelns einer Person abarbeiten, die aber in einem anderen Kontext gesehen werden muss, als Sie das bisher zu tun bereit sind?
Sie haben zum wiederholten Male den Bericht vom 8. März versandt, von dem wir mittlerweile wissen, dass der nur einen Teil dessen enthält, was wir heute wissen. Sie bestreiten nach wie vor das, was bereits als Faktum auf dem Tisch liegt, nämlich dass in diesem Verfahren wohl nicht alles ordentlich gelaufen sein kann. Sie haben selbst im Plenum gesagt, Sie hätten uns nur erzählt, was Sie für relevant gehalten haben. Das ist etwas anderes als das, was wir mit Aufarbeitung meinen.
Sie fahren trotz Plenardebatte im ZDF-Morgenmagazin die alte Verteidigungsstrategie. Ihre Erwiderungen auf die weitere Presseberichterstattung erfolgen nach dem Motto "Augen zu und durch!" Die Bevölkerung hat aufgrund dieser Blockadehaltung schon lange das Vertrauen verloren.
In den vergangenen zwei Wochen haben Sie die letzte Chance vertan, für eine neue Weichenstellung zu sorgen. Wir können jedenfalls nicht erkennen, dass sich in dieser Zeit irgendetwas zum Besseren geändert hätte.
Der Antrag, über den wir noch im Rechtsausschuss beraten müssen, ist dadurch nicht obsolet geworden. Er enthält eine ganze Reihe von Fragestellungen, die, sollten Sie das nicht mehr selbst tun können, ein Ministerialer zu beantworten hat. Das war Punkt eins.
Punkt zwei: Die Einmischung des Ministerpräsidenten zu Beginn dieser Woche war − darin werden Sie mir zustimmen − ein Balanceakt. Sie haben das auch eingestanden. Es geht nämlich um die Unabhängigkeit der Entscheidungen von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Die Einmischung zeigt überdeutlich, dass Ihnen, Frau Merk, die Lösung des Problems, über das wir diskutieren, in keiner Weise mehr zugetraut wird.
Deutlich wird auch, dass Sie nicht mehr darauf vertrauen, die Justiz allein könne zu einer Lösung beitragen bzw. sie habe entsprechend ihrem Auftrag gearbeitet. Die Einmischung des Ministerpräsidenten, vermutlich als Befreiungsschlag gedacht, fällt auf Sie, Frau Justizministerin, als Bumerang zurück.
Zitat Ministerpräsident Seehofer − wenn denn die Zitate in der "Süddeutschen Zeitung" vom 27. November richtig sind; ich habe keine Richtigstellung gehört -: "Ich möchte in diesem Fall, dass man sich auf die Frage konzentriert, ob alles in Ordnung ist."
Herr Ministerpräsident, Sie meinten weiter, die Justiz sei "gut beraten, den Fall noch einmal zu bewerten." Das ist aber genau das Gegenteil dessen, was die Frau Justizministerin in den letzten Monaten monstranzartig vor sich hergetragen hat.
Wer Überprüfung fordert, zweifelt. Damit befinden Sie sich in einer Reihe mit uns, Herr Ministerpräsident.
Frau Justizministerin, die zwei Gespräche, die Sie mit Ihrem Ministerpräsidenten geführt haben, scheinen
nicht sehr gefruchtet zu haben. Deshalb sind wir der Meinung: Herr Ministerpräsident, lassen Sie diesem offensichtlichen Misstrauensvotum auch die Konsequenz folgen: Entlassen Sie die Justizministerin!
Drittens. Frau Justizministerin, wir haben immer deutlich gesagt, dass Sie sich als Dienstherrin vor Ihre Justiz zu stellen haben. Aber Sie sind auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der Pflicht. Sie sind vor allem denen gegenüber in der Pflicht, die sich an die Justiz wenden, die mit ihr in Konflikt geraten oder aus sonstigen Gründen mit ihr zu tun bekommen. Deswegen reden wir über die Rahmenbedingungen, die die Justiz benötigt. Dazu gehören Punkte wie Gewalt im Strafvollzug und im Maßregelvollzug, Grenzen von Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie, Qualität von Sachverständigengutachten. Die Rahmenbedingungen müssen so beschaffen sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten geschützt werden. Dagegen haben Sie trotz der Debatte im Plenum und trotz Ihrer Verantwortung gegenüber den Schutzbefohlenen, die Sie auch ins Kalkül ziehen müssen, mehrfach verstoßen. Sie sind unbelehrbar.
Wir kritisieren also nicht nur Ihr desolates Krisenmanagement, sondern auch die Einseitigkeit, mit der Sie agieren, und die Eindimensionalität, mit der Sie diesen Fall bearbeiten. Es ist Ihre Einsilbigkeit, die mehr verschleiert als erklärt. Sie haben keinen Rückhalt mehr. Deshalb fordern wir Ihre Entlassung. Diese − das betone ich − sollte unabhängig davon diskutiert werden, wie die Begutachtung ausfällt. Denn das Krisenmanagement und die Handhabung des ganzen Vorgangs haben mit der Begutachtung erst einmal überhaupt nichts zu tun.
Ich bedaure es, dass die beiden Komplexe zusammengezogen worden sind. Ich meine, sie müssen komplett getrennt werden. Warum wir die Begutachtung begrüßen, das ist das eine. Ich erlaube mir den Hinweis − die meisten im Saal teilen ihn sicherlich −, dass ein Wiederaufnahmeverfahren die beste Möglichkeit wäre. Aber das haben nicht wir zu entscheiden. Das müssen die Anwälte auf den Weg bringen; auch der Betroffene muss das wollen. Wir können allenfalls dem Betroffenen diesen guten Ratschlag weitergeben, aber auf den Weg bringen können wir ein Wiederaufnahmeverfahren nicht.
Das ist auch Gegenstand der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Begutachtung, die wir begrüßt haben, ist übrigens auch eine Gratwanderung. Eine Begutachtung zu begrüßen, ist das eine; darüber hinaus aber können Forderungen, wie beispielsweise
diese Begutachtung ablaufen soll − so im dritten Absatz zu lesen, liebe FREIE WÄHLER -, unsere Zustimmung nicht finden. Sie greifen damit nämlich voll in das Verfahren ein. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten.
Wir können aber auch dem Antrag der SPD nicht zustimmen, weil, wie ich der heutigen Berichterstattung in der "Süddeutschen Zeitung" entnehmen kann, noch nicht hundertprozentig gewährleistet ist, dass die Begutachtung in unserem Sinne abläuft. Einen Freifahrschein können wir nicht abgeben. Deswegen enthalten wir uns auch bei diesem Antrag der Stimme.
Herr Schindler kann noch Weiteres dazu ausführen; ich belasse es dabei: Es ist deutlich geworden, dass endlich Taten folgen müssen.
Herr Kollege, ich denke, die neue Dynamik ist nicht durch uns entstanden, sondern der Herr Ministerpräsident hat sie selbst in die Welt gesetzt. Öffentlich ist der Ministerin das Vertrauen entzogen worden.
Es ist all das infrage gestellt, was die Ministerin, wie die "Süddeutsche Zeitung" so schön schreibt, in einer Wagenburgmentalität bisher vor sich hergetragen hat.
Das ist aus meiner Sicht sehr wohl eine neue Situation.
Ich habe ausgeführt, weshalb ich glaube, dass bei aller Berichterstattung im Ausschuss − der Antrag bezieht sich auch auf Fragen, die wirklich jemand anderes beantworten kann − manches auch anders beantwortet werden kann. Zur Beantwortung von Fragen wie "Wie müssen Anzeigen ausschauen, damit sie in Bayern wahrgenommen werden?" und ähnlichen brauche ich die Frau Justizministerin nicht.
Sie hat in den letzten beiden Wochen, sogar als sie im ZDF-Morgenmagazin dazu sprach, begrüßt, dass es eine Begutachtung gibt. Zugleich hat sie gesagt: Eigentlich ändert das nichts an allem, was bisher war. - So kann man keinen Neuanfang machen.
Entschuldigung, Frau Aures, aber die geänderte Fassung des SPD-Antrags wurde erst nach meinem Redebeitrag verteilt. Ich sehe erst jetzt, dass in diesen Antrag Teile der Begründung mit hineingenommen worden sind. Mit Abstrichen stimmen wir diesem Antrag zu. Wir hätten aber auch noch gerne gewusst, wie Sie das Begutachtungsverfahren einschätzen. Dieses Verfahren darf nicht nur dazu dienen, dass Zeit gewonnen wird. Das Begutachtungsverfahren sollte möglichst von Gutachtern durchgeführt werden, die sich nicht selber für befangen erklären. Ich gehe jetzt auf den Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" ein. Darauf können wir natürlich nur hoffen; denn einmischen werden wir uns nicht. Wir beide teilen aber sicher die Hoffnung, dass es so sein wird. Wir sind uns auch sicher einig, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in dieser Diskussion beachtet wird. Natürlich erwarten wir von der Staatsanwaltschaft − das dürfen wir durchaus sagen -, dass an diejenigen, die die Begutachtung durchführen, alle Informationen weitergegeben werden.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir haben den Dringlichkeitsantrag eingebracht, weil wir aufgrund der Entwicklung in einem ganz konkreten Fall den Eindruck gewonnen haben, dass man das Thema Steuerhinterziehung, Schwarzgeld und Geldwäsche nicht in dem Ausmaß ernst nimmt, wie wir das erwarten.
Ein Beteiligter eines Strafverfahrens, der jetzt in der Psychiatrie sitzt, hat 2003 den Stein mit Anzeigen ins Rollen gebracht. Sehr geehrte Frau Ministerin, statt aufzuklären, haben Sie in den letzten Tagen für mehr Verwirrung gesorgt und sich geradezu bockig gezeigt. Das muss ich feststellen, wenn ich mir die Interviews anschaue, die Sie gegeben haben, und auch Ihre Aussagen bei der gestrigen Pressekonferenz, als es um Fragen zu möglichen − ich sage: zu möglichen − Versäumnissen der Justiz oder anderer Behörden im Zusammenhang mit Schwarzgeld gegangen ist.
Sie müssen zur Kenntnis nehmen − vielleicht auch die Kolleginnen und Kollegen, die sich jetzt gerade im Austausch miteinander befinden und nicht zuhören −, dass seit der Berichterstattung in den "Nürnberger Nachrichten" am 29.10.2012 und seit den darauf folgenden Berichterstattungen in anderen Medien nichts mehr so ist, wie es zuvor war. Die Steuerfahndung ist nach der Informierung durch die Staatsanwaltschaft 2012 nun tätig und auch fündig geworden.
Mittlerweile halten auch alle − oder zumindest die, die es interessiert − den Sonderrevisionsbericht der damaligen Hypo-Vereinsbank in den Händen, und es zeigt sich: Die Angaben des Psychiatriepatienten waren und sind nicht aus der Luft gegriffen.
Ich zitiere kurz einige Stellen aus dem Ergebnisteil des Sonderrevisionsberichts:
Die Anschuldigungen des Herrn Mollath klingen in Teilbereichen zwar etwas diffus, unzweifelhaft besitzt er jedoch "Insiderwissen". Alle nachprüf
baren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.
Das war der eine Punkt. Es folgt noch ein Satz, den ich weglasse. Punkt zwei lautet: "Es ist nicht auszuschließen," − so fürchtet die Bank − "dass er die Vorwürfe … in die Öffentlichkeit bringt." Weiter hat die Bank große Sorge, dass er versucht, mit diesem Wissen Geld zu machen. Ich zitiere weiter: "Allen Mitarbeitern waren viele und gravierende Verfehlungen bzw. Verstöße gegen interne Richtlinien und externe Vorschriften … (u.a. Abgabenordnung, Geldwäsche- gesetz, Wertpapierhandelsgesetz) anzulasten."
Man muss allerdings beachten, dass wir diese in der Reihenfolge aufgeführten Punkte nicht unbedingt jedem einzelnen Untersuchten anlasten können. Weiter heißt es: "Die Mitarbeiter, insbesondere Frau M., haben wenig dazu beigetragen, die gegen sie und die Bank erhobenen Vorwürfe zu entkräften."
Anders als Sie es auch schon darzustellen versucht haben, ging es nicht nur um arbeitsrechtliche Zusammenhänge und Fragen, sondern es ging selbstverständlich in einem größeren Kontext auch um Geldwäsche und um Schwarzgeld.
Die Bank hatte natürlich − so sehe ich es − damals ein ganz klares Interesse daran, dass diese Erkenntnisse nicht an die Öffentlichkeit kommen. Abgesehen davon war sie de facto nicht verpflichtet, ihre Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft und an die Justiz weiterzugeben. Das Verhalten der Bank ist logisch nachvollziehbar; denn es ging schließlich auch um den guten Ruf und um die Geschäfte dieser Bank. Die Ergebnisse dieses Sonderrevisionsberichtes werfen aber auch − das sage ich ausdrücklich − ein besonderes Licht auf das Geschäftsgebaren dieser Bank und vieler anderer Banken in dieser Zeit.
Wenn man das weiß, erwartet man natürlich sehr wohl auch, dass sich hier bayerische Behörden besonders ins Zeug legen und besonders genau hinsehen, wenn der Verdacht aufkommt, dass hier nicht insgesamt mit Sorgfalt gearbeitet worden ist, um den Vorwürfen nachzugehen.
Sie haben im Vorfeld dieser heutigen Debatte erzählt, das seien keine ordentlichen Anzeigen des Betroffenen gewesen, denen man hätte nachgehen können. Ich weiß nicht, ob Sie diese Einschätzung immer noch aufrechterhalten, aber ich meine doch: Erstens gilt auch ein Amtsermittlungsgrundsatz, der natürlich aber auch nicht einfach so Punkte aufgreifen kann, die aus der Luft gegriffen erscheinen. Und ich frage mich zweitens natürlich: Welche Form müssen denn in
Bayern Anzeigen, Hinweise haben, damit hier Behörden tätig werden, damit sie Anzeigen, Angaben oder Informationen ernst nehmen?
Ich frage mich natürlich auch, ob die Hinweise, die uns und die auch Ihnen im Ausschuss vorlagen, nicht sehr wohl so gewichtig waren, dass man hier von Anzeigen und damit auch einem Amtsermittlungsgrundsatz hätte sprechen können.
Ich nenne diese, und Sie haben sie in Ihren Unterlagen gehabt, wir nicht: vier an die Leu-Bank in der Schweiz gefaxte, von der Ehefrau des Untergebrachten abgefasste, von Kunden unterschriebene Buchungsanordnungen. Es standen Decknamen für Konten darauf, zum Beispiel Pythagoras, Klavier, DVD, Seligenstadt und Laim. Es gab sechs von der Leu-Bank gefaxte Anlagen und Vermögensverzeichnisse und eine Verfügungsvollmacht − alles Dokumente, die in einem Stapel von durchaus kritisch zu betrachtenden Papieren enthalten waren. Ich meine schon, dass diese Hinweise hätten ausreichen müssen, um hier noch einmal konkreter nachzufassen oder diese Papiere zumindest − wenn man sagt, es reicht für die Staatsanwaltschaft nicht aus − an die Steuerfahndung weiterzugeben.
Sie haben im Rechtsausschuss lediglich von einem Sammelsurium an Dokumenten und Unterlagen gesprochen. Sie haben sich über den Betroffenen − und das werfe ich Ihnen heute noch vor -, der ein Schutzbefohlener ist, weil er sich in einer öffentlichen bayerischen Einrichtung befindet, lustig gemacht. Und Sie haben versucht, uns Abgeordnete zu desavouieren, indem Sie uns in die Nähe von zweifelhaften Persönlichkeiten gerückt haben.
Was Sie aber nicht gemacht haben, war, uns diese Unterlagen vorzulegen und darauf einzugehen.
Mich würde jetzt schon interessieren, wie zum Beispiel die Anzeigen im aktuellen Fall von UBS ausgesehen haben, ob die besonders konkret waren, ob die vielleicht ähnlich abgefasst waren wie das, was hier zur Rede steht. Auf jeden Fall denke ich schon, dass die Staatsanwaltschaft hier besonders sensibel sein und genauer hinsehen muss, wenn man es mit solchen Unterlagen zu tun hat.
Ich werfe Ihnen auch vor − sagen wir so: ich werfe es Ihnen nicht vor, weil Sie dafür nichts können, das machen dann die Gerichte und die Staatsanwaltschaften, vor die Sie sich aber stellen -, dass man auch sonst nicht so zimperlich ist. Zum Beispiel hat man kein Problem damit, obwohl das gegen Verfassungsgerichtsgrundsätze verstößt, einfach mal so die Kanzlei eines
Würzburger Rechtsanwalts zu durchsuchen, weil der einen Mandanten hat, der Geldwäsche betrieben haben soll, obwohl es kaum Anhaltspunkte gab und gibt, dass der Anwalt aus den Mitteln dieser Geldwäsche bezahlt wird. Damit hat man kein Problem gehabt, der Durchsuchungsbefehl war sofort da.
Widersprüchlich − ich hoffe, dass wir da heute von Ihnen Aufklärung bekommen − haben Sie sich geäußert hinsichtlich des Ankaufs von Steuer-CDs. Und es heißt ja, Bayern brauche keine Steuersünder über Steuer-CDs einzufangen, weil wir genügend Geld hätten. Das war die Aussage von Herrn Seehofer. Sie müssen gestern auf der Pressekonferenz gesagt haben, es gebe sehr wohl einen Ankauf einer CD von Credit Suisse.
Ich lasse es wirklich einmal dahingestellt, ob die Anhaltspunkte damals − 2002 bis 2004 − so waren, dass die Staatsanwaltschaft sofort hätte ermitteln können. Ich lasse das einmal dahingestellt. Aber ich frage mich schon, in welchem Kontext diese damaligen Dokumente heute zu sehen sind, wenn wir einen Sonderrevisionsbericht haben, der, wie eben zitiert, Ihnen hier eine ganze Reihe von internen Ermittlungsergebnissen präsentiert.
Ich frage Sie auch: Haben Sie diesen Bericht eigentlich jemals selbst gelesen? Und wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Sagen Sie uns vor allem, wann Sie ihn gelesen haben.
Wie soll es weitergehen? Der damalige Anzeigenerstatter ist aus meiner Sicht, aus heutiger Sicht, in diesem einen Punkt − in einem Punkt von vielen Vorwürfen, die er mit den Gerichten in einem Strafverfahren auszubaden hatte -, er habe in diesem Fall Unsinn geredet, rehabilitiert. Denn seine Anzeigen sind keine Spinnereien.
Wir sind als Landtag jedoch keine Superrevisionsinstanz, und selbstverständlich können wir keine Urteile aufheben. Ich werde mich zu diesen auch nicht äußern. Selbstverständlich sind auch alle Gutachten, die bisher ergangen sind, nicht obsolet. Aber natürlich unterstützen wir die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die noch anhängig ist. Wir hoffen, dass dadurch eine Lösung erreicht wird. Wir unterstützen die Landesärztekammer, die dortige Menschenrechtsbeauftragte in ihrem Bemühen, hier eine Lösung zu finden, und harren einfach der Dinge, inwieweit das Verfassungsgericht − vielleicht − endlich zu einer Lösung beitragen kann, die diese Geschichte für alle etwas erträglicher macht.
Sehr geehrter Herr Kollege Weidenbusch, ich kommentiere das Urteil und die Gutachten nicht, die dazu geführt haben, dass er seit nunmehr über sechs Jahren in der Psychiatrie sitzt. Es wäre, denke ich, auch ganz gut, wenn Sie sich dieser Übung befleißigen würden.
Denn Sie können nicht sagen, ob er krank ist, genauso wenig, wie ich sagen kann, dass er gesund ist. Das sollten wir denjenigen überlassen, die hier auch die Entscheidungen treffen.
Herr Kollege Heike, ich erwarte von Ihnen genauso wie Sie von mir ein gewisses Maß an Abstraktionsfähigkeit. Ich kann zwischen dem, was im Strafverfahren vom betroffenen Straftäter zur Verteidigung vorgebracht worden ist, und dem, was abstrus ist, unterscheiden. Da sollte man genauer hinschauen. Das sollte man tun, wenn man ein Fax in den Händen hält, auf dem steht: "Zu Händen Herrn
H. Furrer, Fax: 0041-1-2193629." Das ist die Faxnummer der Leu-Bank in der Schweiz. "Nürnberg, 19.12.2001, bitte überweisen für Konto: DVD 6006 DM 30.000 auf das Konto Seligenstadt 2986", unterschrieben von den Betroffenen.
Es gab mehrere solcher Unterlagen. Das gilt ebenso für die Vermögensverzeichnisse, die Referenzbewährung, die Stückbezeichnung, die Liquidität, die Totalliquidität usw. Wenn Sie sich in den Unterlagen anschauen, was alles abgebucht, verbucht und hin- und hergeschoben worden ist, können Sie nicht sagen, das gehöre in die Kategorie der Spinnerei. Das können Sie erst sagen, wenn Sie das nachgeprüft haben.
Sie werden von mir zu keinem Zeitpunkt hören − das haben Sie versucht, mir zu unterstellen −, dass ich erwartet hätte, dass die Justizministerin die Staatsanwaltschaft anweist, ordentlicher zu arbeiten oder genauer hinzugucken. Ich habe die Justizministerin lediglich darauf angesprochen, dass sie den Revisionsbericht hätte lesen sollen, der immerhin ab Dezember 2011 bis März 2012 zugänglich war, wenn sie uns im Ausschuss informiert. Ich will wissen, wann sie den Bericht gelesen hat. Was Sie über die Staatsanwaltschaften vorbringen, ist nicht das Thema.
Selbstverständlich kann ich mich auch noch daran erinnern, dass wir dieses Thema in diesem Hause schon diskutiert haben. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, dass wir nach diesem Sonderrevisionsbericht, der uns bekannt geworden ist, eine andere Situation haben. Wir wollten unseren Antrag in den Rechtsausschuss einbringen. Die Frau Ministerin hat jedoch gestern in Pressemitteilungen angekündigt, dass sie im Landtag zu diesem Thema sprechen will. Wir haben uns gefragt, wie sie das machen will, ohne einen Dringlichkeitsantrag von uns. Deshalb sind wir ihr entgegengekommen und haben diesen Dringlichkeitsantrag zum Plenum eingereicht.
Sie kann sich nun äußern; denn die Pressemitteilung war wirklich absurd. Ich bitte zu bedenken, dass heute hier ganz andere Fragen im Raum stehen, als Sie das dargelegt haben. Sie haben teilweise wieder zu etwas anderem gesprochen und können sich im Übrigen mit Herrn Heike auseinandersetzen, der mich darauf hingewiesen hat, ich solle nicht über das Weisungsrecht der Staatsanwaltschaften reden. Sie haben aber davon gesprochen, dass staatsanwaltschaftliche Handlungen überprüft werden sollten. Davor warne ich. Das ist hier nicht das Thema.
Sie berufen sich des Weiteren auf eine Aussage der ehemaligen Hypo-Vereinsbank, die jetzt anders heißt, wonach es keine strafrechtliche Relevanz gegeben habe. Auch Ihnen lege ich diesen Prüfbericht ans Herz; denn der spricht eine andere Sprache.
Ich danke Ihnen für den Bericht, Frau Justizministerin. Gleichwohl meine ich, dass unser Berichtsantrag nach wie vor aktuell ist, weil ich mir trotzdem nicht so ganz vorstellen kann, wie jetzt die Form einer Anzeige sein soll. Da brauche ich anscheinend ein bisschen Nachhilfe, wie das aktuell ausschauen soll, wie konkret eine Anzeige sein muss, um wahrgenommen zu werden. Wir sollten auch noch einmal darüber diskutieren, wie Staatsanwaltschaften ausgestattet und qualifiziert sein sollten. Reichen Sonderstaatsanwaltschaften, wie es sie jetzt gibt, oder hätten wir da vielleicht auch Nachholbedarf? Da brauchen wir jetzt nicht ins Detail zu gehen.
Wenn Sie sagen, es spreche Bände, dass die Bank versprochen hat, nicht weiter mit Äußerungen in die Öffentlichkeit zu gehen, muss ich Sie noch einmal darauf verweisen: Kapital ist wie ein scheues Reh. Die Banken scheuen schlechte Publizität wie der Teufel das Weihwasser. So ist es einfach. Deswegen ist das Verhalten der Bank in diesem Fall für mich nicht relevant, weil wir nicht wissen, was sie an Material noch alles hatte und was sie vielleicht vertuscht hat, damit sie aus dieser Geschichte herauskommt. Immerhin hatten sie doch auch Aufsichtspflichten gegenüber ihren Mitarbeitern, die die Bank verletzt hat. Wir wissen nicht, was da alles gelaufen ist, aber egal, ich bin keine Anhängerin von Verschwörungstheorien. Wir wissen es nicht.