Protocol of the Session on July 18, 2018

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, mit 330 000 Arbeitsplätzen, wunderschönen Landschaften, wundervollen Städten und tol len Kulturangeboten ist Baden-Württemberg zweifelsohne ein Tourismusland. Allerdings befinden wir uns in einem grenz übergreifenden Wettbewerb mit anderen Destinationen aus dem In- und Ausland.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Mittelausstat tung der Tourismusförderung und des Marketings in BadenWürttemberg? Welche Anpassungen planen Sie deshalb in der neuen Tourismuskonzeption vorzunehmen?

Zu Ihrer ersten Frage, wie ich die Mittelausstattung im Tourismus in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen klassischen Tou rismusregionen bewerte: Wir lassen derzeit einen Vergleich erstellen, was die Bezuschussung von Tourismusprojekten, Tourismusdestinationen in vergleichbaren Tourismusländern angeht. Mein erster Eindruck ist, dass wir in Baden-Württem berg durchaus noch die Möglichkeit haben, besser zu werden.

Mein politisches Ziel ist es, dass wir am Ende der Erarbeitung einer neuen Tourismuskonzeption klar Farbe bekennen, wo hin die Reise gehen soll, dass wir am Ende der Tourismuskon

zeption auch deutlich zu erkennen geben, dass die Tourismus branche eine Leitökonomie in Baden-Württemberg darstellt, und dass wir das auch mit mehr finanziellen Mitteln unterle gen. Dafür brauche ich natürlich die Unterstützung des Parla ments.

Aber wenn wir es wirklich ernst damit meinen, die Erfolgs geschichte des Tourismus in Baden-Württemberg fortzuschrei ben – denn es ist seit vielen Jahren eine Erfolgsgeschichte, mit einer wachsenden Zahl von sozialversicherungspflichtig Be schäftigten, inzwischen mehr als im Fahrzeugbau –, dann ha ben wir hier auch die Chance, als Tourismusland Baden-Würt temberg Farbe zu bekennen.

Es ist immer leichter, auch finanzielle Mittel in den Raum zu stellen, wenn man auf der Basis einer konkreten Konzeption argumentieren kann. Das ist unser politisches Ziel.

Dann habe ich eine Wort meldung von Herrn Abg. Dr. Bullinger von der FDP/DVPFraktion.

Herr Minister, wenn man Baden-Württemberg Tourismusland nennt, muss man es natürlich auch Bäderland nennen; das kann man ja nicht tren nen. Bäderland, das heißt vor allem auch ländliche Räume.

Nach meiner Erfahrung wurden leider sehr häufig Kreisgren zen bei den Tourismuswerbekonzepten angewendet. Ich nen ne ein Beispiel aus dem Landkreis Schwäbisch Hall: Der Schwäbisch-Fränkische Wald hat eigentlich wenig mit Ho henlohe-Franken oder mit der Romantischen Straße zu tun.

Wie wollen Sie diese Raumschaften in der Förderung, in der Abgrenzung, in den Konzeptionen unabhängig von Kreis- oder Regionalgrenzen stärker berücksichtigen? Denn es gibt ja tolle Beispiele – wenn ich etwa die Romantische Straße nehme, die Nummer 1 in Deutschland –, wo man länderüber greifend, kreisübergreifend tolle Konzepte hat. Wie will man dies in Baden-Württemberg zukünftig bei der Förderung und dem Einsatz von Mitteln besser berücksichtigen? Sie waren selbst einmal Landrat und wissen sicher, wie wichtig es ist, dies kreisübergreifend mehr auf die Destination der Raum schaft zu beziehen.

Herr Kol lege Bullinger, das ist richtig. Ich war mal Landrat, und ich habe die Kirchtürme meines Landkreises auch sehr geschätzt; ich tue das bis zum heutigen Tag. Aber es ist richtig, dass im Tourismus auch die Devise gelten muss, sich verstärkt um die Förderung von Leuchttürmen zu kümmern und das Kirchturm denken zu überwinden. – Ich denke, das ist der Hintergrund Ihrer Frage.

Baden-Württemberg – ich hatte das eingangs gesagt – als Dachmarke zu etablieren ist aufgrund der Gegebenheiten nicht möglich. Es ist eine Herkunftsmarke, so, wie es auch bei an deren Bundesländern der Fall ist. Unsere Anstrengung geht dahin, die sehr starken, regional und international bekannten Marken in Baden-Württemberg weiter zu profilieren. Da geht es uns natürlich auch darum, Zusammenarbeit unterhalb des Daches dieser regionalen Marken zu befördern.

Sie haben zu Recht das nördliche Baden-Württemberg ange sprochen. Das ist in der Vielzahl der Destinationen eine, die

besonders vielfältig erscheint – ich drücke mich einmal ganz vorsichtig aus. In diesem nördlichen Baden-Württemberg sind seit vielen Jahren und derzeit sieben kleinere Tourismusorga nisationen tätig. Wir machen uns im Zuge der Tourismuskon zeption natürlich Gedanken, ob wir zumindest ein gewisses Anreizsystem schaffen, um eine verstärkte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wir wollen nicht sanktionieren, aber wir könnten uns vorstellen, Anreize zu bieten, um sich für eine verstärkte Zusammenarbeit zu entscheiden.

Ich bin auch ein großer Freund und Anhänger der Förderung von Vielfalt. Es darf nicht unser Ziel sein, diese Vielfalt auf zugeben. Sie ist ein Stück Baden-Württemberg und zeichnet uns aus. Aber wir wissen, dass im Tourismus Zusammenar beit Sinn macht und viele Gewinner kennt. Deswegen schwebt uns vor, hier zumindest ein Anreizsystem zu schaffen, um Zu sammenarbeit zu begünstigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Es gibt eine Frage von Herrn Abg. Beck von der CDU-Fraktion.

Herr Minister, das Wort Werbe block war ein gutes Stichwort. Wenn mein Kenntnisstand rich tig ist, gibt es in ganz Deutschland nur zehn Restaurants und Häuser mit drei Michelin-Sternen. Zufälligerweise gibt es in meinem Landkreis, in meiner Gemeinde allein zwei.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Reiner Zufall! – Zuruf: Frage!)

Die Frage kommt sofort. – Insgesamt ist Baiersbronn eine Acht-Sterne-Gemeinde.

Deshalb die Frage: Wie wichtig ist Ihnen die Sternegastrono mie – Sie sind ja auch TMBW-Chef –, insbesondere, was das Marketing anbelangt?

Herr Kol lege Beck, Liebe geht bekanntlich durch den Magen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sagt jede Schlange!)

Das gilt im Tourismus. Unser großes Plus in Baden-Württem berg ist, dass wir die Sternegastronomie in gleicher Weise ha ben, wie wir die gutbürgerliche, die rustikale Küche haben. Es muss für alle etwas dabei sein. Aber wir freuen uns natür lich auch über die vielen Sterne in Baden-Württemberg.

Es ist auch eines unserer Werbe- und Marketingmerkmale, mit dem Genießerland Baden-Württemberg zu werben. Da spielt natürlich exzellente, aber auch gutbürgerliche Gastronomie eine große Rolle – in gleicher Weise, Kollege Pix, wie der Wein hier eine wichtige Rolle spielt. Deswegen setzen wir auch einen deutlichen Akzent auf den Ausbau des Weintou rismus in Baden-Württemberg.

Nun darf ich Herrn Abg. Dr. Schweickert für die FDP/DVP das Wort erteilen.

Herr Minister, ich möchte den Gedanken von Fritz Bullinger noch weiterführen. Wenn es überlappende Bereiche gibt, dann gibt es oftmals

auch Doppelstrukturen in der Förderung. Ich bin mir sicher, Sie haben da die einen oder anderen erkannt. Welche sind das, und was möchten Sie tun, dass man in Zukunft ineffiziente Doppelstrukturen vermeidet? Wenn man das jetzt auf die Tou rismusförderung herunterbricht, kann man es ja auch auf die Landesregierung „hochbrechen“, sage ich jetzt einmal. Auch da haben wir gewisse Doppelzuständigkeiten. Bei „Urlaub auf dem Bauernhof“ sind Herr Hauk und andere Ihrer Ressortkol legen zuständig. Wie wollen Sie das in Einklang bringen? Sie haben gerade den Weintourismus mit dem „Wein-Süden“ ge nannt. Wie wollen Sie das denn hinbekommen?

Wir ha ben die Fortschreibung der Tourismuskonzeption mit einem Ressortgremium begleitet, in dem sich alle Ressorts, die hier in irgendeiner Weise am Tourismus beteiligt sind, einbringen. Tourismus ist und war schon immer eine Querschnittsaufga be. Natürlich sollen in dieser Konzeption alle mit ihrem An teil abgebildet sein. Auch das Finanzministerium etwa mit „Schlösser und Gärten“ ist hier ein wichtiger Partner. Sie al le sind an diesem Projekt beteiligt.

Noch einmal zu der Frage: Wie begünstigen wir Zusammen arbeit? Da gibt es unterschiedliche Modelle. Man kann natür lich die Förderung von Projekten von Anfang an an den Zu sammenschluss von Organisationen in einer bestimmten Re gion binden. Das wäre der stärkste Eingriff, um Tourismus aktivitäten vor Ort zu beeinflussen.

Es gäbe einen zweiten Weg – aus meiner Sicht ist das der vor zugswürdige –, nämlich den, dass man, wenn sich unter schiedliche Verbände, Regionen unter einem Dach zusammen finden, um gemeinsam Projekte voranzutreiben, dies in be sonderer Weise im Sinne eines Anreizes unterstützt. Ich glau be, das wäre ein kluger Mittelweg.

Wir wollen den Trägern vor Ort nicht vorschreiben, wie sie Tourismus zu gestalten haben. Tourismus lebt von Authenti zität, Tourismus lebt davon, dass die Menschen in einer Re gion auch stolz auf diese Region sind und sich schon deswe gen auch wiedererkennen wollen. Aber wir wollen diese Zu sammenarbeit durch zusätzliche Anreize begünstigen und er hoffen uns dadurch auch größere Destinationen und Dachmar ken.

Mir liegt noch eine Wort meldung von Herrn Abg. Dr. Rapp vor.

Herr Minister, vielen Dank für die bisherigen Ausführungen. – Sie haben gerade auch auf die entsprechenden Elemente im Tourismus verwiesen. Ich will einmal die Ingredienzien nennen, die wir in Baden-Württem berg haben: Das ist die Landschaft, das sind die Akteure, die Leistungsträger im Tourismus. Hier sehe ich das Land BadenWürttemberg sehr gut aufgestellt.

Wenn ich jetzt aber die Rahmenbedingungen betrachte, sehe ich auch ein Stück weit dunkle Wolken. Deswegen die Frage: Wie bewerten Sie die immer größeren Einschränkungen, die wir teilweise mit Blick auf die Arbeit aus dem Berliner Ar beitsministerium sehen, oder auch andere Einschränkungen für Gastronomen, für Beherberger mit Blick auch auf das, was wir in Baden-Württemberg umsetzen können? Bzw. welche Chancen eröffnen sich hier dann noch?

Es gibt ein großes politisches Thema, das mich bei allen Veranstal tungen, die mit Tourismus, mit Gastronomie, mit Saisonbe trieben zu tun haben, beschäftigt: Das ist das Thema „Flexi bilisierung der Arbeitszeit“. Das scheint mir auch ein berech tigtes Anliegen zu sein.

Ich bin übrigens davon überzeugt, dass wir uns mit Fragen der Flexibilisierung der Arbeitszeit mit Blick auf die Digitalisie rung in der Zukunft verstärkt werden auseinandersetzen müs sen. Insbesondere die Gastronomie, die ohnehin über einen großen Fachkräftemangel klagt, macht immer wieder deutlich, dass sie zumindest eine flexible Wochenarbeitszeit bräuchte, um ihre Bediensteten dann einsetzen zu können, wenn Gäste da sind, und sie dann Überstunden ausgleichen zu lassen, wenn eben keine Gäste da sind.

Nach meiner Überzeugung ist es zwingend, zu dieser Flexi bilisierung zu kommen. Es ist eine bundesgesetzliche Rege lung. Wir erheben diese Forderung natürlich auch in Richtung der Bundesregierung. Wer – das höre ich oft – immer wieder darüber klagt, dass Gastronomiebetriebe, dass Dorfkneipen bei uns vor Ort in den Kommunen, in den Tourismusgemein den aussterben, der muss helfen, dass die Arbeitsbedingun gen, dass die Rahmenbedingungen dort besser werden. Es geht nicht darum, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr arbeiten zu lassen. Es geht darum, die Arbeitszeiten zu flexi bilisieren. Da sehe ich dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

Herr Abg. Dr. Bullinger, Sie hatten sich gemeldet.

Wenn wir den Tou rismusminister schon zu diesem Thema heute befragen kön nen, wäre natürlich auch die Frage, die ich jetzt stelle, wich tig, weil sie auch etwas mit dem Kultusministerium und dem Ministerium für Ländlichen Raum zu tun hat.

Wir haben hervorragende Einrichtungen, nämlich die Jugend herbergen. Wenn ich auf die Struktur der Jugendherbergen in den letzten 20 Jahren sehe, stelle ich fest: Über die Hälfte ist schon geschlossen worden. Ich sehe teilweise gerade im länd lichen Raum, dass viele weitere Jugendherbergen geschlossen werden sollen, heruntergewirtschaftet sind, dass dort nichts investiert wurde und dann mehr oder weniger schon erpres serisch die Gemeinde zur Beteiligung bei der Finanzierung aufgefordert wird.

Die Frage ist: Wie sehen Sie das als Tourismusminister, wenn man gleichzeitig in Großstädten Hotels baut in Konkurrenz zu den Privatwirtschaftlichen, und das alles unter gemeinnüt ziger Handhabung und mit Zuschüssen des Kultusministeri ums – wo der Zweck meines Erachtens nicht erfüllt wird?

Ich hätte gern von Ihnen eine Beurteilung: Wie könnte man hier auch das Jugendherbergswerk dazu bekommen, nicht den Kahlschlag in ländlichen Räumen zu vorzunehmen? Ich glau be, die Jugendherbergen in Heidenheim und Rechenberg wer den geschlossen. Andere sind schon geschlossen. Ich könnte Ihnen jetzt 20 aufzählen. Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, dass man dafür öffentliche Mittel vom Kultusbereich gewährt.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode den Beschluss im Landtag gehabt – Singen war das damals; es war ein SPD-Ab geordneter von dort; ich war mal Abgeordneter da –, einen Bericht darüber anzufordern, was mit den Mitteln gemacht wird.

Die Frage ist: Wie sehen Sie das als Tourismusminister?

Ich kann Ihnen zur aktuellen Situation und zur Finanzierungsausstat tung der Jugendherbergen hier keine präzisen Zahlen nennen. Das ist auch nicht Teil der Tourismuskonzeption. Aber die Einrichtung von Jugendherbergen – das war auch Teil Ihrer Frage – ist aus meiner Sicht eine wichtige Frage im Sinne von guter Unterbringung junger Menschen, im Sinne von Kom munikation,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Kultusmi nisterium!)

im Sinne von Pflege von Gemeinschaft. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass wir auf diese guten Einrichtungen ver zichten müssen.

Ob sich auf die Dauer jede dieser Einrichtungen wird halten können, muss man sicherlich immer im Einzelfall prüfen. Aber ich will Ihre Anfrage gern zum Anlass nehmen, auch un ter dem Aspekt Tourismus hier einmal gezielt die Verbindung zum Kultusministerium mit der Fragestellung „Weiterent wicklung der Jugendherbergen“ herzustellen.