Ich glaube, die ersten Schritte sind getan. Jetzt geht es zu nächst einmal darum, dass die Hebammen eine kurzfristige Lösung in Form eines stabilen Gruppentarifs erhalten. Aber es geht auch darum, eine langfristige Lösung zu finden. Hier zu wäre zu prüfen, ob durch die Schaffung einer erweiterten Trägerhaftung oder die Schaffung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds eine Absicherung des Haftungsrisikos in der Geburtshilfe erreicht werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fazit ist: Das Thema ist in Berlin in der Mache. Es gilt, dort jetzt schnellstmöglich eine taugliche Lösung zu finden. Wir, die Vertreter unserer Frakti on, drängen in Berlin darauf. Denn wir wollen eine schnelle, eine nachhaltige Lösung der Haftpflichtproblematik, damit die Versorgung mit Hebammen dauerhaft gesichert ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist dies – das erkennt man, wenn man meine Vorrednerinnen Frau Graner und Frau Brunnemer gehört hat – ein überfraktionelles, ein interfraktionelles Thema, und es gibt die Bereitschaft, sich da mit konstruktiv auseinanderzusetzen. Das ist gut so.
Die heutige Debatte hat das Thema „Unsere Hebammen und ihre Arbeitsbedingungen“ mit dem Zusatz: „Der Bund muss jetzt diesen wesentlichen Pfeiler der Geburtshilfe stabilisie ren!“ Ja, das muss der Bund in der Tat, und es wird allerhöchs te Zeit.
Seit 2010 besteht diese prekäre Situation bei den Hebammen. Der Berufsverband weist immer wieder mahnend darauf hin, dass die Haftpflichtprämien so hoch steigen, dass eine wirt schaftliche Tätigkeit überhaupt nicht mehr möglich ist; das ist nicht sinnvoll und nicht zu vertreten. Die Konsequenz ist, dass immer mehr junge Frauen aus diesem Beruf aussteigen, ihre Tätigkeit frühzeitig beenden, und dass auch immer weniger Personen die Ausbildung machen.
In Stuttgart ist das gerade konkret diskutiert worden. Bei spielsweise drohte dem Geburtshaus in Stuttgart-Mitte die Ge fahr, nicht mehr weiterarbeiten zu können, weil nicht mehr genügend Hebammen da sind, weil nicht mehr genügend Heb ammen bereit sind, diese Arbeit zu machen; denn diese Tätig keit ist wirtschaftlich nicht mehr auskömmlich.
Damit sind wir an einem Punkt angekommen, an dem die Po litik ganz deutlich sagen muss: Hier ist Handlungsbedarf, hier müssen wir alle aktiv werden.
Ich möchte an dieser Stelle Frau Ministerin Altpeter zunächst einmal dafür danken, dass es gelungen ist – auch mit Unter stützung von Baden-Württemberg –, die Bundesratsinitiative am vergangenen Freitag zu einem wirklich großen Erfolg zu führen.
Im Zusammenhang mit dieser Bundesratsinitiative hat sich insgesamt herausgestellt, dass dies nicht nur in Baden-Würt temberg ein Thema ist, sondern dass es überall ein Thema ist: Es ist an der Nordseeküste genauso brisant wie bei uns hier. Das hat dazu geführt, dass es eine überwältigende Mehrheit für diese Bundesratsinitiative gegeben hat.
In der Tat ist das Thema – wie Frau Brunnemer eben ausge führt hat – zum Glück auch in der Bundesregierung angekom men; offensichtlich ist das anders als bei den letzten Bundes gesundheitsministern der FDP. Zumindest Bundesgesund heitsminister Gröhe macht dies zu seinem Thema und versieht es mit dem entsprechenden Nachdruck. Das geschieht also parteiübergreifend, und das ist gut so.
Warum wollen wir die Hebammen stärken? Warum brauchen wir Hebammen? Hebammen und Geburtshilfe – das hat Frau Graner eben schon sehr deutlich ausgeführt – sind untrennbar miteinander verbunden. Darum ist das Wegbrechen dieser Be rufsgruppe in der Tat nicht vergleichbar mit einer Diskussion darüber, wie es um andere Berufsgruppen steht. Hebammen sind mit ihrer Tätigkeit ein Garant für die ganzheitliche Be
gleitung und Unterstützung von schwangeren Frauen. Heb ammen sind auch das Symbol für das beginnende Leben und in ihrer Struktur eine Ermutigung für Frauen, Kinder zu be kommen. Darum ist die mentale Botschaft in dieser Debatte ganz zentral.
Wie viel ist uns eine ganzheitliche, natürliche Geburtshilfe wert? Wie wollen wir Frauen im Land weiterhin die Entschei dungsmöglichkeit zugestehen, auf welche Weise sie ihre Kin der bekommen? 97 % der Frauen – das wissen wir – gehen dafür in die Klinik. Aber auch sehr viele Frauen, die in der Klinik entbinden, brauchen die Unterstützung von Hebam men. Die Beleghebammen in den Kliniken sind natürlich ein ganz wichtiger Bestandteil und eine Garantie für die ganzheit liche Begleitung.
Das muss erhalten werden. Wir sind angetreten, dies zu tun. Insgesamt kann man sagen, dass die freie Wahl in der Gesund heitsversorgung ein ganz zentraler Bestandteil ist, den wir al le auch immer hochhalten. Wir sprechen von einer freien Arzt wahl, wir sprechen von einer Therapiewahl, und wir sprechen z. B. auch von einer freien Klinikwahl. Das ist unstrittig, und das wird auch angenommen.
Wir wollen, dass die Wahlfreiheit auch bei der Geburtshilfe möglich bleibt. Deshalb brauchen wir eine politische Lösung, die sowohl kurzfristig als auch mittelfristig und langfristig die Botschaft vermittelt: „Wir sehen das Problem; wir wollen, dass die Akteure an einen Tisch kommen.“ Wir wollen zu nächst eine kurzfristige Lösung, wir brauchen aber auch ganz dringend eine mittel- und langfristige Lösung.
Wir glauben, dass es notwendig ist, sehr schnell zu handeln, und dass deutlich geworden ist, was passiert, wenn nicht ge handelt wird. Dann nämlich wird dieser Berufsstand in Gän ze perspektivisch wegbrechen, und zwar schon sehr bald, nämlich zum 30. Juni 2015. Es ist also ein Handlungsdruck entstanden, der auch notwendig ist, damit sich alle Akteure bewegen. Genau das ist wichtig.
Wir wollen mit dieser Bundesratsinitiative das Signal setzen, dass es uns wichtig ist, die Geburtshilfe insgesamt zu stärken. Ich möchte in diesem Rahmen noch einmal auf die Kampag ne zur Stärkung der natürlichen Geburt hinweisen, die hier im Landtag beschlossen worden ist, die wir nächste Woche star ten werden und die genau das zum Ziel hat: Wir wollen die natürliche Geburt stärken. Hier in Baden-Württemberg konn te ein Zusammenschluss aller Akteure im Gesundheitswesen erreicht werden; sowohl die Frauenärzte als auch die Ärzte kammer, die Krankenhausgesellschaft und natürlich die Heb ammen und die Krankenkassen sind dabei: Sie haben mit un serer Unterstützung diese Kampagne gemeinsam auf den Weg gebracht mit dem Ziel, die natürliche Geburt zu stärken.
Die natürliche Geburt kann nur gestärkt werden, wenn auch die Hebammen gestärkt werden. Wie wir das machen können, sage ich in der zweiten Runde.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, bei die sem Thema herrscht große Einigkeit. Ich darf daran erinnern, dass wir am 3. Mai 2012 im Sozialausschuss einen Antrag der Frau Kollegin Schneidewind-Hartnagel zur Hebammenver sorgung in Baden-Württemberg, Drucksache 15/1168, bera ten haben. Meine Anregung war, eine gemeinsame Resoluti on zu verabschieden, die ich gern vorlese:
fordert die Krankenkassen auf, die Verhandlungen mit dem Hebammenverband wieder aufzunehmen mit dem Ziel, eine Vergütung zu vereinbaren, die auch die gestie genen Betriebskosten und Haftpflichtprämien abbildet.
Vielleicht war es ein zeitlicher Zufall, dass genau einen Tag später, nämlich am 4. Mai 2012, der ehemalige Bundesge sundheitsminister Daniel Bahr das Gutachten zur Versor gungs- und Vergütungssituation in der außerklinischen Heb ammenhilfe veröffentlicht hat. In der Bewertung heißt es, dass Hebammen einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag für die medizinische Versorgung Schwangerer, junger Mütter und Familien leisteten; wichtig sei die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe einschließ lich der Möglichkeit – das wurde von meinen Vorrednerinnen mehrfach angesprochen – der freien Wahl des Geburtsorts. Daher ist dies hinsichtlich der Vergütung von besonderer Be deutung.
Dieses Gutachten weist in seiner Bewertung drei wesentliche Elemente auf: Erstens gibt es – dies bezieht sich auf das ge samte Bundesgebiet – trotz sinkender Geburtenzahlen mehr Hebammen, und diese weisen eine höhere Arbeitszeit auf. Zweiter Punkt: Im Bereich der Vergütung gibt es Herausfor derungen. Hier bedarf es der Differenzierung; insgesamt aber muss es zu Verbesserungen kommen. Drittens wird als ganz elementares Thema die Berufshaftpflichtversicherung ge nannt. Im Jahr 2012 betrug die Berufshaftpflichtversiche rungsprämie pro Jahr noch 3 700 €, im Jahr 2013 4 240 €, und in diesem Jahr – wir haben es vorhin von Frau Kollegin Graner gehört – wird sie voraussichtlich über 5 000 € betra gen. Sofern schon einmal ein Haftpflichtfall vorlag, steigt der Betrag nochmals um einiges. Man sieht, dass dieser Punkt die größte Herausforderung darstellt.
Jetzt ist es aber nicht so, Frau Kollegin Mielich, dass der ehe malige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr nichts getan hätte. Es wurde das GKV-Versorgungsstrukturgesetz verab schiedet. § 134 a SGB V wurde insoweit geändert, als die Krankenkassen – die Problematik betrifft ja immer auch das Verhältnis der Hebammen zu den Krankenkassen – die Mög lichkeit erhielten, auch die Aufgaben der Berufshaftpflicht versicherungen mit abzudecken. Das haben sie bisher natür lich nicht in dem Umfang getan.
Aber diese Möglichkeit sieht § 134 a SGB V vor. Wir sehen, dass es bisher sowohl bei den Berufshaftpflichtversicherungs prämien als auch bei der Vergütung nicht so einfach ist. Wir
wissen, dass die Verhandlungen – nicht nur, was die Hebam men betrifft, sondern auch in vielen anderen Bereichen – nicht immer einfach sind.
Beispielsweise wurde hinsichtlich der Vergütung die Schieds stelle angerufen. Es hat lange gedauert, einen Schiedsspruch zur Vergütung zu erreichen. Schon das war nicht ganz einfach. Da hat sich im letzten Jahr einiges getan, was die Vergütung anbelangt. Aber nach wie vor bleibt das Problem der Versi cherungsprämien – ein ganz entscheidendes Problem – beste hen.
Frau Kollegin Brunnemer hat darauf hingewiesen, dass Dani el Bahr eine interministerielle Arbeitsgruppe einberufen hat. Die Ergebnisse werden jetzt in den nächsten Tagen vorliegen. Ich glaube, ein wichtiger Handlungsauftrag für den neuen Bundesgesundheitsminister wird sein, diese Bewertungen mit einfließen zu lassen.
Wir begrüßen die Bundesratsinitiative und die Entschließung des Bundesrats, die zum Ausdruck bringt, dass wir, wenn die Kassen in diese Thematik nicht einsteigen, dringend andere Lösungen brauchen, beispielsweise, wie im Bundesratsbe schluss vorgeschlagen, einen steuerfinanzierten Haftungs fonds. Denn sonst wäre die Folge, dass es irgendwann kaum noch Hebammen gibt, da ihre Leistungen kaum noch zu fi nanzieren sind.
Frau Kollegin Mielich hat das Geburtshaus in Stuttgart ange sprochen. Ich freue mich, heute in der Zeitung zu lesen, dass man jetzt einen Weg sucht, um dort weiterzumachen. Zwin gende Voraussetzung, um dies auch langfristig aufrechtzuer halten, ist jedoch, dass das Problem der Berufshaftpflichtver sicherung und der hohen Beiträge gelöst wird. Wenn die Kran kenkassen dies nicht machen – was zu befürchten ist –, dann ist dies aus meiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche Aufga be.
In Baden-Württemberg und in Deutschland wollen wir Kin der. Es liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse, bezüglich der Hebammen andere Lösungen zu finden. Da haben Sie die FDP/DVP-Landtagsfraktion an Ihrer Seite.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beruf der Hebamme ist ein angesehener und wichtiger Beruf mit einer langen Tradition und Geschichte, zum Teil sogar mit einer längeren Tradition als mancher ärzt liche Beruf.
Die Arbeit der Hebammen wird von Frauen und ihren Fami lien sehr geschätzt. Sie leisten während der Schwangerschaft, während der Geburt sowie in den Wochen danach wichtige Arbeit. Nicht zuletzt als Familienhebammen haben sie darü ber hinaus eine wichtige soziale Arbeit, insbesondere im Be reich der frühen Hilfen und des Kinderschutzes, zu leisten.
Man könnte also meinen, hinsichtlich der gesellschaftlichen Anerkennung und der Ausweitung der Aufgaben im Bereich „Frühe Hilfe und Kinderschutz“ sei alles in Ordnung. Doch das ist mitnichten der Fall.
Hebammen brauchen für mögliche Schadensfälle eine Haft pflichtversicherung. Die Prämien für freiberuflich in der Ge burtshilfe tätige Frauen sind in den letzten Jahren enorm ge stiegen. Während 2004 der Betrag noch bei ca. 1 300 € pro Jahr lag, wird die Versicherungsprämie ab 1. Juli 2014 über 5 000 € kosten.
Der Grund dafür liegt nicht in einem Anstieg der Schadens häufigkeit, sondern in der Tatsache, dass Gerichte in einzel nen Fällen eine immer höhere Schadensersatzzahlung fest schreiben. Das ist für mich ein ganz wichtiges Argument. Denn wenn der Grund in einer höheren Schadenshäufigkeit liegen würde, so würde das implizieren, dass in diesem Be reich zunehmend weniger professionell gearbeitet würde. Das ist jedoch mitnichten der Fall. Vielmehr werden immer höhe re Schadensersatzzahlungen von den Gerichten festgeschrie ben.
Eine Versicherung hat nun angekündigt, zum 1. Juli 2015 aus dem letzten noch verbliebenen Konsortium auszusteigen, das Haftpflichtversicherungen für in der Geburtshilfe freiberuf lich tätige Hebammen anbietet. Daher besteht die Gefahr, dass ab dem genannten Zeitpunkt die Hebammen keine Möglich keit mehr haben, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, und damit auch keine Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben, insbesondere was Hilfeleistungen während der Geburt anbe langt.
In den letzten Jahren haben sich wegen des Anstiegs der Haft pflichtversicherungsprämie bereits viele freiberuflich tätige Hebammen entschlossen, keine geburtshilflichen Leistungen mehr anzubieten. Manche haben den Beruf sogar ganz aufge geben. Dadurch hat sich die Versorgung mit Hebammenleis tungen bereits deutlich verschlechtert.
Falls ab dem 1. Juli 2015 hierfür tatsächlich keine Versiche rung mehr angeboten würde, dürften freiberufliche Hebam men keine Geburtshilfeleistungen mehr anbieten. Dann wäre die Wahlmöglichkeit der Frauen eingeschränkt. Denn sie könnten nicht mehr frei wählen, ob sie ihr Kind in der Klinik, im Geburtshaus oder zu Hause zur Welt bringen. Hausgebur ten wären praktisch nicht mehr möglich. Geburtshäuser – in dem bereits erwähnten Fall in Stuttgart hat man jetzt eine Lö sungsmöglichkeit gefunden – müssten dann schließen.