Protocol of the Session on March 19, 2014

Im Übrigen ist die Statistik der Ausgleichsmittel für BadenWürttemberg in all den Jahren so schlecht nicht. Wir haben im letzten Jahr 74 Millionen € zusätzlich abgenommen; 2011 waren es 69 Millionen €. 2010 – noch zu Ihrer Zeit – haben Sie übrigens 79 Millionen € abgerufen, jedoch 2009 beispiels weise nur 16 Millionen €. Zu Zeiten, als Herr Mappus in die sem Ministerium noch etwas zu sagen hatte, waren es schon einmal 0,9 Millionen € an Ausgleichsmitteln. War das sehr er folgreich?

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wann war das?)

Das war 2004 und 2005. Da waren es gerade einmal 15 Mil lionen €.

Diese Mittel waren nie kalkulierbar, sie haben immer ge schwankt. Ich mache Ihnen da keinen Vorwurf. Jedoch so zu tun, als hätte man das Geld fest in der Hand, ist ein großer Fehler. Das ist eine Täuschung, und davon sollten Sie Abstand nehmen. Nehmen Sie überhaupt Abstand von Ihrer Verspre chungspolitik. Kehren Sie um zu einer ordentlichen, seriösen Finanzierung von Infrastruktur.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist eine Unver schämtheit! Er nimmt sich einfach Redezeit und lässt niemanden mehr dran! Das geht doch gar nicht!)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet.

(Unruhe)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Unsere Hebammen und ihre Arbeits bedingungen – der Bund muss jetzt diesen wesentlichen Pfeiler der Geburtshilfe stabilisieren! – beantragt von der Fraktion der SPD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Graner das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Hebammenberufsordnung zitieren:

Hebammen... haben Schwangeren, Gebärenden, Wöch nerinnen und Neugeborenen Hilfe zu leisten und Rat zu geben. Dabei ist die Gesundheit der Schwangeren, Müt

ter und Neugeborenen zu schützen und zu erhalten. Bei der Beratung sind neben medizinischen auch soziale und psychische Faktoren zu berücksichtigen.

Bis vor wenigen Jahren habe ich mir über die näheren Um stände einer Geburt wenig Gedanken gemacht. Aus meiner ei genen Erfahrung kann ich jetzt sagen: Hebammen leisten vor, während und nach der Geburt unersetzliche Hilfe.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für sicherlich alle Frauen ist eine Geburt eine Ausnahmesitu ation. Dabei hat die Hebamme eine einzigartige Vertrauens position inne. Mir wurde auch bewusst, dass es nicht leicht ist, überhaupt eine Hebamme zu finden, die Vor- und Nach sorge übernimmt. Diese Erfahrung machen leider immer mehr Frauen.

Deshalb begrüße ich die heutige Debatte außerordentlich und hoffe, dass wir uns fraktionsübergreifend für den Erhalt des Berufsstands der Hebamme einsetzen werden – denn um nicht weniger geht es.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Die originäre Tätigkeit der Hebammen ist die Geburtshilfe. Sie arbeiten als Beleghebammen sowie in Geburtshäusern und betreuen Hausgeburten. Sie bereiten jedoch auch Eltern – Mütter und Väter – gezielt auf die Geburt und die Elternschaft vor. Zur Pflege des Neugeborenen, zur Nachsorge der Frau kommen die Hebammen zu den Familien nach Hause. Dabei erhalten sie Einblicke in das familiäre Umfeld und können so zu einem sehr frühen Zeitpunkt weiter gehende Hilfe veran lassen. Dies ist für mich ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum präventiven Kinderschutz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Bei der Nachsorge unterstützen die Hebammen Frauen aus al len Gesellschaftsschichten. Sie bieten gerade Familien mit schwierigem sozialen Hintergrund niedrigschwellige und dis kriminierungsfreie Hilfestellung.

Das bislang flächendeckende Angebot der Hebammen sowohl in der Geburtshilfe als auch in der Vor- und Nachsorge müs sen wir erhalten. Dazu gehört auf jeden Fall eine angemesse ne Vergütung der Leistungen der Hebammen. Unumgänglich ist aber auch für alle Hebammen eine Haftpflichtversicherung.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Denn ohne diese können sie schlicht nicht arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

In den letzten Jahren sind die Versicherungsprämien für frei berufliche Hebammen in der Geburtshilfe enorm angestiegen. Im Jahr 1981 waren es gerade einmal 30 €, im Jahr 2000 wa ren es schon rund 400 €, und in diesem Jahr ist eine Steige rung auf 5 091 € pro Jahr angekündigt worden. Begründet wird diese Entwicklung insbesondere mit den steigenden Schadenssummen und den schwer kalkulierbaren Kosten für Spätfolgen. Diese Prämie kann kaum eine Hebamme erwirt schaften.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass ein Versicherer seinen Ausstieg aus den zwei Konsortien angekündigt hat, die den Versicherungsschutz für alle Hebammen in Deutschland anbieten. Ob es künftig überhaupt noch einen Anbieter für die Berufshaftpflichtversicherung der Hebammen gibt, ist unge klärt.

Die Lage ist also ernst, und der Handlungsbedarf ist akut.

Es ist eine politische Entscheidung, ob wir Müttern weiterhin die Wahl zwischen einer Hausgeburt, einer Geburt im Ge burtshaus und einer Geburt in einer Klinik ermöglichen. Wenn wir uns dafür entscheiden – dafür treten wir ein –, dass Frau en weiterhin diese Wahlfreiheit haben, dann muss die Frage der Haftpflichtversicherung geklärt werden, und zwar zügig und nachhaltig. Denn sonst machen nach und nach die Heb ammenpraxen zu. Es ist bald schlicht zu spät, und dann wird unsere gute Infrastruktur auch und gerade im Bereich des prä ventiven Kinderschutzes zerstört sein.

Deshalb begrüße ich ausdrücklich, dass Ministerin Altpeter bereits reagiert und mit einem Antrag über den Bundesrat an den Bundestag appelliert hat. Der Abschlussbericht der inter ministeriellen Arbeitsgruppe im Bund zu diesem Thema soll in den nächsten Wochen vorgelegt werden. Dann muss auf Bundesebene zügig und entschlossen gehandelt werden. Wir unterstützen den Vorschlag einer Haftungsobergrenze und ei nes staatlich finanzierten Hilfsfonds für darüber hinausgehen de Schäden.

Herr Gröhe, finden Sie baldmöglichst eine grundsätzliche und nachhaltige Lösung!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Brunnemer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Graner hat ein The ma aufgegriffen, das nicht nur uns hier bewegt, sondern das die Große Koalition auch in den Koalitionsvertrag aufgenom men hat. Am vergangenen Freitag wurde dieses Thema aktu ell im Bundesrat diskutiert.

Meine Damen und Herren, wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass die Sicherstellung einer flächendeckenden Versor gung mit Geburtshilfe sowie eine angemessene Vergütung der Hebammen wichtig sind; wir alle unterstützen das.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Denn klar ist: Die Hebammen leisten eine sehr anspruchsvol le und sehr wertvolle Arbeit, die unverzichtbar ist. Hebam men begleiten die Schwangerschaft, leisten Geburtshilfe, hel fen den jungen Müttern, mit der neuen Situation zurechtzu kommen. Das muss erhalten bleiben, und das muss ausgebaut werden.

Deswegen ist es auch für uns, die CDU, sehr wichtig, dass die Entscheidung bei der werdenden Mutter liegt, ob sie zu Hau

se, in einem Geburtshaus oder – ambulant oder stationär – in einem Krankenhaus entbinden möchte. Um den Wunsch der werdenden Mutter zu erfüllen, brauchen wir die freiberufli chen Hebammen.

(Beifall des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Es geht um deren finanzielle Situation. Wir müssen ein beson deres Augenmerk auf die Haftpflichtversicherung legen. Frau Graner hat es gesagt: Die Berufshaftpflichtversicherungsprä mien für Hebammen steigen seit Jahren. Derzeit sind nur we nige Versicherungsunternehmen bereit, solche Haftpflichtver sicherungen abzuschließen. Zu befürchten ist, dass bald gar kein Versicherungsunternehmen mehr dazu bereit ist.

Es geht immerhin um eine Summe von etwa 4 000 bis 5 000 € pro Jahr, die die Haftpflichtversicherung die freiberuflichen Hebammen kostet. Eine Erhöhung dieser Prämien um etwa 15 bis 20 % ist zu befürchten. Das können die Hebammen kaum tragen; das ist für sie nicht mehr wirtschaftlich.

Deshalb brauchen wir – und zwar schnellstmöglich – eine Lö sung. Denn die Unsicherheit, in der sich die Hebammen im Moment befinden, ist nicht akzeptabel. Wir brauchen eine nachhaltige Lösung dieser Haftpflichtproblematik, damit die Versorgung durch Hebammen dauerhaft gesichert ist.

Derzeit laufen in Berlin Gespräche. Denn dort gilt es zu han deln. Es gibt im Moment eine interministerielle Arbeitsgrup pe. Sie stimmt gerade den Abschlussbericht ab. Das Ergebnis soll in Kürze vorgelegt werden. Der Gesundheitsminister ist mit den Verantwortlichen – das sind die Hebammenverbände, das ist die Versicherungswirtschaft, und das ist der GKV-Spit zenverband – im Gespräch.

(Das Handy des Abg. Ulrich Müller CDU klingelt. – Zuruf von der SPD: Das ist der Wecker! – Unruhe)

Schließlich hat auch der Bundesrat eine Entschließung an die Bundesregierung gerichtet.

Ich glaube, die ersten Schritte sind getan. Jetzt geht es zu nächst einmal darum, dass die Hebammen eine kurzfristige Lösung in Form eines stabilen Gruppentarifs erhalten. Aber es geht auch darum, eine langfristige Lösung zu finden. Hier zu wäre zu prüfen, ob durch die Schaffung einer erweiterten Trägerhaftung oder die Schaffung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds eine Absicherung des Haftungsrisikos in der Geburtshilfe erreicht werden kann.