Protocol of the Session on May 4, 2017

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Gennburg das Wort. – Bitte!

Vielen Dank! – Ich hätte große Lust, in philosophische Auseinandersetzungen über die Frage, was der Unterschied zwischen Mühlheim, Berlin und Oranienburg ist, einzusteigen. Leider ist das hier nicht der richtige Zeitpunkt, aber wir können das später einmal nachholen, Herr Förster. – Es geht eben nicht um Mut zur Baulücke, sondern um Mut, ein strategisches Flächenmanagement zu organisieren. Der FDP-Antrag gründet auf der Annahme, die Wohnungsnot in Berlin ließe sich ganz einfach durch Neubau lindern.

(Iris Spranger)

[Sibylle Meister (FDP): Genau!]

Die FDP betrachtet den städtischen Wohnungsmarkt zudem lediglich aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive der Immobilienunternehmen. Der gesamtstädtische Blick fehlt. Das ist kein Wunder.

Rot-Rot-Grün hat sich hingegen auf die Erstellung eines Leerstandskatasters geeinigt und greift damit eine bundesweit bekannte Initiative auf. Der Leerstandsmelder, auch zu finden im Internet, sammelt Informationen über leer stehende Objekte landauf und landab und engagiert sich so für die sozial und ökologisch sinnvolle Nutzung von leerstehenden Gebäuden, statt immer nur neue Flächen zu versiegeln, Bodenpreise anzuheizen und Investoren die Verfügungsmacht über die Nutzung oder das Verfallen von Räumen zu überlassen.

„Eigentum verpflichtet“ heißt es in § 14 des Grundgesetzes, und der Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklungspolitik einer linken Landesregierung besteht eben in der – Achtung aufgepasst! – strategischen Flächenrückgewinnung. Wir müssen angesichts der Flächenkonkurrenzen in Berlin die untergenutzten Räume verfügbar machen und aus dem Marktmonopoly herauslösen.

Dass ein Großteil der privaten Wohnungswirtschaft trotz jahrelang ausreichendem Flächenangebot bei der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für niedrige und mittlere Einkommen völlig versagt hat und sich lieber auf den Bau von hochpreisigen Miet- und Eigentumswohnungen konzentriert, ist bekannt. Das bestärkt uns in unserem Handeln gegen spekulativen Leerstand und Spekulation mit und auf städtischen Flächen.

Dass der Antrag zudem beinhaltet, leerstehende Gebäude ungeachtet ihres baulichen Zustands als potenzielle Neubauflächen auszuweisen und damit dem Abriss preiszugeben, verdeutlicht, dass es der FDP in Wahrheit gar nicht um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums geht, denn die Flächen müssen wir ja erst einmal zurückgewinnen.

Der FDP-Antrag basiert außerdem auf der Annahme, dass freie Flächen in Berlin nur für den Wohnungsneubau gebraucht würden. Dass aber Stadtentwicklung weit mehr umfasst als Wohnen, hat heute Frau Spranger schon ausgeführt. Es geht auch um Flächen für Gewerbe, soziale Infrastruktur, wie Kindergärten und Schulen, Grün- und Freiflächenmangel oder aber um Räume für nachbarschaftliche Initiativen – Achtung, Herr Czaja! –, auch für den Anbau von Roter Bete, und Kulturschaffende und nicht zuletzt für neue Produktionsstandorte. Das ist Ihnen wohl entgangen.

Offensichtlich denken Sie Berliner Stadtplanung im stadthistorischen Raster der Kaiserzeit und wollen das von Werner Hegemann beschriebene steinerne Berlin

wieder auferstehen lassen. Nein, danke! Städtebauliche Moderne ist Ihnen wohl entgangen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten, der auf dem Platz von Herrn Krestel sitzt?

Ja! Los geht’s!

Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Kollegin Gennburg! Nur eine kurze Frage: Haben Sie unseren Antrag eigentlich gelesen?

[Katalin Gennburg (LINKE): So ist es!]

Dann hätten Sie nicht dem Trugschluss unterliegen dürfen, wir hätten uns nur für den Zweck des Wohnungsneubaus für eine Identifizierung von Baulücken ausgesprochen. Es geht uns um ein effizientes Bebauen der Flächen oder Baulücken, die in Rede stehen. Davon haben wir gesprochen. Das war nicht beschränkt auf Wohnungsbau.

Was war jetzt Ihre Frage? Ob ich den Antrag gelesen habe? – Ja, das habe ich.

[Florian Swyter (FDP): Das ist gut!]

Die städtebauliche Moderne gab es in Ost wie West, und danach ist ein schematisches Denken in Baulücken nicht machbar. Werte FDP! Wir rangieren eben keine Bauklötzchen, sondern wir machen Stadtentwicklungspolitik mit stadthistorischem Bewusstsein.

[Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der FDP]

Vielen Dank! – Gestatten Sie mir eine Bemerkung in eigener Sache: Es ist ohnehin schwierig zu überschauen, wer Zwischenfragen stellt. Ich bitte Sie: Stellen Sie die Zwischenfrage von Ihrem Platz aus! Das führt sonst hier oben zu viel Verwirrung. – Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat der der Abgeordnete Herr Laatsch das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Gennburg! Habe ich Sie gerade richtig verstanden, es gibt ein Hausbesetzerkataster?

(Katalin Gennburg)

[Katalin Gennburg (LINKE): Wie bitte?]

Gibt es ein Hausbesetzerkataster?

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Ein Leerstandkataster!]

Das Bemerkenswerte an diesem Antrag ist, dass es ihn gibt. Als ich ihn zum ersten Mal las, dachte ich – ich leiste jetzt schon mal Abbitte bei den Kollegen der FDP –: Was haben die da wieder für einen Unsinn verzapft? Die größte Stadt Deutschlands, die Millionenstadt, die Bundeshauptstadt hat doch ein Baulandkataster gemäß § 200 Baugesetzbuch, aus dem Baulücken, bebaubare Flächen und Ruinen zur Neubebauung hervorgehen. Was denn sonst? – Dachte ich, und dann wuchs die Erkenntnis: Nein, hat sie nicht! Rund 30 Jahre nach dem Fall der Mauer hat sich niemand dieser Selbstverständlichkeit und dieser planerischen und entwicklungspolitischen Notwendigkeit – diesem Muss für vernünftige Regierungsarbeit und für sinnvolle Stadtentwicklung – angenommen. Regierungen kamen und gingen – rote, rotrote, rot-grüne, rot-rot-grüne, schwarze, schwarz-gelbe, rot-gelbe –, aber keine hielt es für zwingend notwendig, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

Schaut man auf die Entwicklung der Kaufpreise pro Quadratmeter, kann jedermann erkennen, wohin die Reise geht. Die Wohnungsnot zeichnet sich seit mindestens einem Jahrzehnt am Horizont ab. Spätestens aber seit dem Erreichen des Hauptstadtstatus hätte jeder – wirklich jeder –, der sich um politische Verantwortung beworben hat, mal einen Blick seitwärts in die Hauptstädte dieser Welt werfen müssen. Nichts dergleichen ist passiert. Sie haben den Kopf eingezogen und sich mit sich selbst oder mit Gender-Toiletten und Becherhelden beschäftigt. In einem Unternehmen, das wirtschaftlich arbeiten muss, wären alle, die behaupten, hier Verantwortung zu tragen, längst entlassen worden, oder das Unternehmen wäre pleite.

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Da fällt mir gerade die Frage ein: Wie hoch war noch mal die Verschuldung dieser Stadt?

[Marcel Luthe (FDP): 60 Milliarden!]

Ja, genau! Das spricht für Ihre Kompetenz, meine Herrschaften. – Haben Sie schon einmal von Ennepetal, Braunschweig, Lünen – und Sie sehnten sich nach einer Stadt mit über 100 000 Einwohnern –, Bremen oder Wiesbaden gehört? Das ist nur eine kleine Auswahl an Städten, in denen verantwortungsvolle Politiker ihre Arbeit machen. Jedes Kuhdorf kann, wozu Politiker in Berlin nicht in der Lage sind. Dass man mit solchen Fähigkeiten sogar vom Bausenator zum Bürgermeister aufsteigen kann, ist ein Armutszeugnis für die Politik dieser Stadt.

[Beifall bei der AfD]

Wir werden diesem Antrag mit Selbstverständlichkeit zustimmen. Wer dies nicht tut, zeigt, dass ihm politisches Geplänkel wichtiger ist, als den Berlinern bezahlbaren Wohnraum zu verschaffen. Schämt euch!

[Beifall bei der AfD – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Das mit dem Schämen hatten wir heute schon mal!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Otto das Wort. – Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns hier mit einem Antrag der FDP zu beschäftigen. Sie wollen ein Baulückenkataster einführen. Das kann man tun. In der Debatte schienen mir aber die Erwartungen an dieses Werkzeug deutlich überhöht – als könnte man davon auszugehen, sobald man veröffentlicht, welche Grundstücke es gibt und wo die liegen – vielleicht auch noch, wem sie gehören –, würde überall losgebaut und das Wohnungsproblem Berlins wäre geklärt. Das ist eine überhöhte Erwartung. Ich würde Sie bitten, da ein bisschen tiefer zu stapeln. Wir müssen hier über Stadtentwicklung reden. Darum geht es.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Hauptproblem liegt nicht darin, dass es zu wenig Grundstücke gibt und man nicht weiß, wem die gehören, sondern das Hauptproblem Berlins ist, dass wir einen Rückstand in der Planung haben und dass wir zu wenig Bebauungspläne haben, die genau Nutzungen für Gebiete, für Liegenschaften zuweisen. Wo soll gewohnt werden? Wo soll Gewerbe hin? Wo soll Kultur hin? Wo sollen Schulen hin? Wo sollen Kindergärten hin? Wo soll Grün hin? – Das ist unser Problem, und darum geht es. Das wird uns allein mit diesem Element, wenngleich es der Transparenz dient, nicht gelingen. Da müssen wir mehr machen, und das hat sich diese Koalition vorgenommen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir haben uns gerade gestern im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen mit dem Flächennutzungsplan beschäftigt. Wir haben verschiedene Änderungen im Flächennutzungsplan vor. Eine davon ist z. B. das Schumacher-Quartier in Tegel. Da sage ich mal in Richtung der FDP: Die größte Baulücke, die wir zukünftig haben, ist Tegel. Darum müssen Sie sich kümmern. Sie wollen dort fliegen, wir wollen dort Wohnungen hinbekommen. Wir wollen dort Gewerbe hinbekommen. Wir wollen dort eine Hochschule hinbekommen. Wir wollen dort Grünflächen hinbekommen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

(Harald Laatsch)

Tegel ist die größte Baulücke, und die wollen Sie verhindern. Meine Damen und Herren von der FDP! Da müssen Sie noch ein bisschen an sich arbeiten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Das soll das Volk entscheiden!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Luthe, der auf dem Platz von Herrn Czaja sitzt?

Aber gerne! Herr Luthe-Czaja!

Vielen Dank! – Nein! Ich denke, soweit werden Sie das noch unterscheiden können, wobei wir genau bei dem richtigen Thema sind, dem Unterscheiden. Sie sprachen gerade vom Flughafen Tegel. Können wir von Ihnen vielleicht auch noch kurz etwas zu der Baulücke auf dem Flughafen Tempelhof hören, dem großen Areal, das unbedingt als funktionierender Flughafen geschlossen werden sollte, weil man Flächen in der Stadt brauchte, um sie zu bebauen?