Protocol of the Session on May 4, 2017

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 30

Ein Baulückenkataster für Berlin

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0300

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Für die FDP spricht der Abgeordnete Herr Förster. – Sie haben das Wort, bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Mut zur Lücke war lange das Motto in Berlin, wenn man die Stadtstruktur in den einzelnen Straßen betrachtet, aber Mut zur Lücke können wir uns angesichts der städtebaulichen Herausforderungen der nächsten Jahre nicht mehr länger leisten. Gibt man das Stichwort Baulückenkataster in die Suchmaschine eines großen amerikanischen Internetkonzerns ein, kommen die ersten Treffer für Strausberg, Ennepetal, Gummersbach, Mülheim an der Ruhr – Stichwort Ruhrgebiet, die Ruhr wird bedeutender –,

[Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Oranienburg, Pirna, Schwerte, Wallenhorst, Fröndenberg – wieder an der Ruhr gelegen – und Eppstein. Das sind die ersten Treffer, die bei der Suchmaschine auf der ersten Seite angezeigt werden. Sie können noch seitenweise weiterklicken, von Berlin kommt nichts.

[Beifall bei der FDP – Steffen Zillich (LINKE): Ist da eine Stadt über 100 000 Einwohner dabei?]

Wie sagte doch die Kollegin Kapek neulich bei der Hochhausdebatte so nett: Berlin ist nicht Pinneberg. – In diesem Fall, beim Baulückenkataster ist Berlin noch nicht mal Strausberg oder Oranienburg.

[Beifall bei der FDP]

Höchste Zeit also, dass sich etwas ändert! Wir brauchen ein Baulückenkataster, aus dem öffentlich einsehbar Baulücken und -flächen im privaten und öffentlichen Besitz ersichtlich sind, die für eine künftige Bebauung, in welcher Form auch immer, zur Verfügung stehen. Dafür sollten auch Grundstücke im bezirklichen Fachvermögen, die dort für eine Aufgabenwahrnehmung nicht mehr nötig sind, aufgenommen werden.

Nehmen wir mal die Stadt Gummersbach! Die hat es begriffen und schreibt auf ihrer Internetseite zur Notwendigkeit eines Baulückenkatasters Folgendes, was ich nicht besser hätte formulieren können – Zitat:

Mit der Veröffentlichung des Baulückenkatasters will die Stadt Gummersbach ein Instrument zur Aktivierung und Mobilisierung des in ihrem Stadtgebiet vorhandenen Baulückenpotenzials schaffen. Das Baulückenkataster beinhaltet unbebaute Grundstücke sowie untergenutzte oder nur geringfügig bebaute Grundstücke … Darin sind sowohl Grundstücke für eine mögliche Wohnbebauung enthalten

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

als auch solche, für die eine gemischte oder gewerbliche Nutzung denkbar ist. Sie werden in Karten erfasst und in Datenblättern mit Angaben zu Flur, Flurstücksnummer, Straßennamen, Grundstücksgröße und Planungsrecht dargestellt. Des

(Stefan Gelbhaar)

Weiteren sind Luftbilder beigefügt. Die Zusammenstellung der Grundstücke soll Bauwilligen, Architekten und Maklern als Informationsgrundlage und Entscheidungshilfe dienen.

Genauso stellen wir Freien Demokraten uns das auch für Berlin vor.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wissen Sie, wie viele Einwohner Gummersbach hat? – 51 000!]

Wir müssen erst einmal die Grundstückspotenziale erkennen, ehe wir diese Schätze auch heben können. Dabei ist die konkrete spätere Nutzung erst einmal zweitrangig. Ob dort dann private Investoren, Genossenschaften oder städtische Gesellschaften bauen, ob eine Kita, eine Schule, eine Schwimmhalle oder eine Seniorenfreizeitstätte entsteht, ob vielleicht sogar Gewerbe angesiedelt wird, was ja auch sinnvoll sein kann – wir brauchen erst mal diese fundierte Übersicht.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Luthe?

Vielen Dank! – Herr Kollege Förster! Verstehe ich Sie richtig, dass Sie das Baulückenkataster als Beitrag zur Transparenz verstehen?

Selbstverständlich, Kollege Luthe, denn wenn klar ist, welche Grundstücke auf dem Markt sind und welche Grundstücke entsprechend bebaut werden können, haben wir in der Stadt auch eine Diskussion darüber, wo und an welcher Stelle wer bauen kann. Es ist natürlich auch ein Beitrag zur Transparenz beim Thema Bauen.

Aber das Baulückenkataster – darauf will ich hinweisen – erfüllt sogar eine zutiefst ökologische Funktion. Angesichts des hohen Flächenverbrauchs in Deutschland mit ca. 115 Hektar pro Tag kann dem nur wirksam mit einer verstärkten Innenentwicklung der Städte begegnet werden. Übrigens beschreibt auch § 200 Abs. 3 des Baugesetzbuchs den Rahmen dafür. Dort steht – Zitat:

Die Gemeinde kann sofort oder in absehbarer Zeit bebaubare Flächen in Karten oder Listen auf der Grundlage eines Lageplans erfassen, der Flur- und Flurstücksnummern, Straßennamen und Angaben zur Grundstücksgröße enthält …

Kurzum: Berlin braucht ein Baulückenkataster, um die Potenziale, die in unserer Stadt schlummern, sinnvoll nutzen zu können. Flächen, die unbebaut sind oder mit leer stehenden und verfallenden Gebäuden belegt sind, blockieren die Entwicklung unserer Zukunft. Wenn man sie kennt, kann man auch sinnvoll mit ihnen umgehen. Also packen wir es an und sagen in diesem Fall ruhig mal: Wir sind bei diesem Thema gern Gummersbach oder Wallenhorst, auf dass der Mut zur Lücke bald der Vergangenheit angehört. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Abgeordnete Frau Spranger das Wort. – Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Luthe! Der von mir sehr geschätzte Herr Förster hätte mit Sicherheit das, was Sie nachgefragt haben, auch selbst noch in seiner Rede drin gehabt.

[Beifall bei der SPD]

Insofern brauchen Sie ihm da nicht zu helfen. Das kriegt er auch alleine hin.

Das Angebot an Wohnraum wird knapper. Deshalb hat sich die rot-rot-grüne Koalition der Schaffung bezahlbaren Wohnraums verschrieben. Hier spielen natürlich, Herr Förster, da haben Sie völlig recht, Neubau und Nachverdichtung eine entscheidende Rolle. Deshalb sind kreative Ideen gefragt. Die Frage ist natürlich: Wo kann gebaut werden? Wo finden sich Potenziale für urbane Verdichtung? – Manchmal hilft natürlich ein Spaziergang durch die Stadt. Schnell fallen uns da – allerdings nicht mehr genau in der Innenstadt – Brachflächen und Baulücken ins Auge. Manchmal hilft natürlich die Nachfrage beim zuständigen Baudezernat im Bezirksamt. Manchmal ist es aber auch weitaus schwieriger, die passende Immobilie bzw. das passende Grundstück zu finden.

Der Vorschlag der FDP ist ja gut gemeint und grundsätzlich auch sinnvoll, allerdings hat es bereits 1999 ein Baulückenmanagement in Berlin gegeben, entwickelt in Form eines interdisziplinären Aufgabenbereiches zwischen der Hauptverwaltung und den Bezirksverwaltungen. Über den sogenannten FIS-Broker, also zu Deutsch: Fachübergreifendes Informationssystem, konnten Informationen über unbebaute oder mindergenutzte Grundstücke abgerufen werden. Dieser Service sollte – deshalb habe ich ihn jetzt genannt, wir haben uns das noch mal angeschaut – für interessierte Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch für Investoren wiederbelebt bzw. weiterentwickelt werden. Die Veröffentlichung der Daten muss jedoch die schutzbedürftigen Interessen der Grundstückseigentümer sowie andere schutzbedürftige Inhalte berücksichtigen,

(Stefan Förster)

wie es u. a. im § 200 des Baugesetzbuchs steht. Dort ist geregelt, wie die Rechte an Grundstücken und Baulandkataster zu behandeln sind.

Dennoch reicht es nicht aus, ein Angebotsportfolio an Grundstücken und Immobilien zu erstellen, zum einen nicht, weil nicht jede Baulücke eine unbebaute Brachfläche zwischen zwei Gebäuden ist. Als Baulücke werden z. B. auch Gebäude klassifiziert, die nicht der ortsüblichen Geschosshöhe entsprechen, in denen mitunter sogar noch Menschen leben oder arbeiten. Zum anderen liegen Bebauungspläne oft gar nicht vor. Dann muss nach § 34 Baugesetzbuch geplant werden. Das zieht mitunter jahrelange juristische Auseinandersetzungen nach sich. Das hilft uns dann natürlich auch nicht weiter.

Wenn wir also über ein Baulückenkataster sprechen, muss es natürlich unser Ziel sein, dass Neubaupotenziale schneller erkannt werden, denn bezahlbarer Wohnraum entspringt dem natürlich noch nicht – aber so habe ich Sie, Herr Förster, auch nicht verstanden. Wie wir immer wieder feststellen, muss sich unsere Neubautätigkeit in die umliegende städtische Struktur einfügen, ansonsten melden berechtigterweise – das hatten wir in Berlin schon öfter – Nachbarschaften ihre Bedenken an. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Wir werden uns gemeinsam im Ausschuss mit Ihrem Antrag beschäftigen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Evers das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Förster! Ich glaube, Sie legen Ihren Finger in die richtige Wunde. Das führt auf eine Spur zum Baulückenmanagement in Berlin, die sich, wenn man nicht nur Google, sondern auch andere Quellen heranzieht, irgendwann 2015 verliert. Frau Spranger hat auf den FISBroker hingewiesen, der allerdings nicht alleine das Thema Baulückenmanagement beinhaltet. Er greift Teile des Ansatzes der FDP auf, ist aber in anderen Aspekten viel weitreichender. Ich glaube schon, dass es Sinn macht – wir hatten in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam die Bezirke finanziell ertüchtigt, Wohnungsbaupotenzialstudien zu unternehmen und Daten über genau solche Flächen, die dafür zur Verfügung stehen, zu erheben –, diese Daten öffentlich und jedermann zur Verfügung zu stellen.

Insofern bin ich mir zwar nicht sicher, ob wir Strausberg sein müssen und ob es das Baulückenkataster nach genau diesem Vorbild sein muss, aber ich stelle trotz allem die

Frage, wo erstens die zuständige Senatorin ist und wo zweitens wir mit den Baulückenmanagement stehengeblieben sind, das Anfang der Zweitausenderjahre in Berlin in vorbildlicher Weise begonnen wurde – zu einer Zeit, in der wir noch nicht so sehr wie heute über Wohnungsnot und Flächenknappheit diskutiert haben. Was bedeutet der Hinweis auf den entsprechenden Seiten der Stadtentwicklungsverwaltung, dass sich das in grundlegender Überarbeitung befinde? Ich konnte damit relativ wenig anfangen, denn die Seite, auf die verlinkt wurde, lautete „Error 404“. Die entsprechende Webseite wurde gelöscht. Ich wurde auf das allgemeine Verzeichnis der Stadtentwicklungsverwaltung umgeleitet.

Das ist nicht das Baulückenmanagement, das ich mir vorstelle. Ich glaube, da können wir sehr wohl zu einem anderen Maß an Transparenz kommen. Ich denke, es ist uns ein gemeinsames Anliegen, im Ausschuss zu diskutieren, wie uns das gelingen kann. Dann ist vielleicht die Senatsverwaltung anwesend. – Hier schafft sie es noch nicht einmal, auf Staatssekretärsebene anwesend zu sein. Die Zahl der Regierungsmitglieder wird so langsam knapp. – Das sollten wir uns von der Fachverwaltung noch einmal anhören und anschließend das Resümee ziehen, ob bzw. an welcher Stelle es konkreten Handlungsbedarf gibt. Wenn wir ihn sehen, sollten wir gemeinsam aktiv werden. Wenn wir uns darin einig sind, dass es dieses Potenzial zu erkennen und zu erschließen gilt, dann ist es unsere Verpflichtung als Abgeordnetenhaus, die Öffentlichkeit in den Stand zu versetzen, eine eigene Eischätzung vorzunehmen. Ebenso, wie wir lange um ein öffentliches Liegenschaftskataster gestritten haben, glaube ich, ist das ein weiterer Punkt, den es sich in Angriff zu nehmen lohnt. Wir sind dafür offen. Wir danken für den Vorstoß und sind ausgesprochen gespannt, was die Stadtentwicklungsverwaltung, sollte sie jemals wieder aus der Versenkung auftauchen, zu dem Thema beizutragen hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]