Protocol of the Session on January 16, 2014

Herr Senator Nußbaum! Mit einigem Erstaunen höre ich, dass die Rechtssicherheit für Sie nicht mehr höchste Priorität beim Vergabeverfahren hat. Ich möchte noch wissen:

Haben Sie die Bieter und im Rahmen der Ressortabstimmung auch Ihre Senatskolleginnen und -kollegen über die Inhalte der Bedenken des Kartellamts informiert?

Herr Senator!

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Schäfer! Ich kann Ihnen das Verfahren gern noch mal lange erklären. Vielleicht kommen Sie dann selber zu dem Schluss, dass das nichts mit Rechtssicherheit zu tun hat. Das Bundeskartellamt ist nicht formal Verfahrensbeteiligter, das Bundeskartellamt hat eine ordnungspolitische Aufgabe, in dem Fall anscheinend eine etwas andere als bei den Wasserpreisen, wo das Kartellamt ja festgestellt hat, dass die Wasserpreise zu hoch sind, und den Verbraucher schützen wollte. Hier wird vom Kartellamt festgestellt: Die Vergabe sollte so erfolgen, dass möglichst auch privater Wettbewerb stattfindet und möglicherweise die Vorstellung einer Kommune und der Berlinerinnen und Berliner in der Vergabe eben nicht zum Tragen kommt. Das ist ein großer Unterschied an dem Punkt.

Wir müssen am Ende eine Entscheidung treffen. Deswegen haben wir am Dienstag gemeinsam im Senat diesen dritten Verfahrensbrief beschlossen. Der wird jetzt dem Hauptausschuss zugeleitet. Sie sind Parlamentarier, Sie wissen, diese Entscheidung muss auch vom Parlament gefällt werden, und dann gibt es einen dritten Verfahrensbrief.

Um vielleicht noch etwas zur Aufklärung beizutragen: Es handelt sich hier nicht um eine Ausschreibung, und auch diese Verfahrensbriefe sind, wie die Juristen sagen, eine Invitatio ad offerendum, das heißt, wir beschreiben nur, wie wir als vergebende Stelle das Verfahren sehen. Es ist keiner von den Bewerbern um diese Konzession gezwungen, diese Klausel aufzunehmen. Sie riskieren dann natürlich nur in dem Verfahren, das ja in einzelnen Modulen bepunktet ist und bei einer Gesamtpunktzahl von über 300 Punkten landet, dass es dafür möglicherweise Abzüge gibt, die aber anderer Stelle gegebenenfalls wieder gut zu machen sind. Das heißt, es ist nicht etwa so, dass der, der diese Change-of-Control-Klausel nicht so anbietet, wie wir sie wollen, aus dem Verfahren rausfliegt, sondern es ist Teil einer Gesamtbewertung. Aber wir machen als Kommune schon sehr deutlich – daran halten wir auch fest, und ggf. muss das dann auch gerichtlich überprüft werden –, dass wir es nicht für richtig halten, eine Konzession zu vergeben, um dann festzustellen, dass sie nach einem halben Jahr möglicherweise von dem Konzessionsinhaber mit großem Gewinn weiterverkauft wird und wir noch nicht mal wissen, dass sie weiterverkauft wird, und nichts dagegen tun können. Das halte ich nicht für richtig.

Wenn es dann zum Streit kommt, dann kommt es eben zum Streit.

[Beifall bei der SPD]

Als Nächstes hat jetzt Herr Kollege Magalski das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Sozialsenator Herrn Czaja. Sie knüpft an eine Frage an, die ich vor Jahresfrist schon mal ähnlich stellte: Was hat der Sozialsenator mittlerweile unternommen, um die Notübernachtung für Obdachlose des Vereins mob e. V. in Pankow zu retten?

Herr Senator Czaja, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben uns mit diesem Thema ja einige Male beschäftigt, und ich bin auf Ihre Frage insofern auch vorbereitet, aber mob e. V. gehört nicht in das Angebot der Kältehilfe Berlin. Dieses Angebot einer Notübernachtung wird von uns zwar positiv unterstützt, ist aber nicht Teil der bereits in der Kältehilfe verankerten Programme. Somit handelt es sich um ein Programm, das ausschließlich vom Bezirk unterstützt wurde und das auf Eigeninitiative des Vereins auch bislang erfolgt ist. Damit müssen alle Hilfeangebote und Angebote gegenüber diesem Verein, beispielsweise jetzt bei der Vermietungsfrage, vom Bezirk gemacht werden. Für uns gibt es im Bezirk Pankow andere Vertragspartner, die Sie im Kältehilfewegweiser auch finden. Das sind eine Notübernachtung, zwei Tagesstätten, ein Nachtcafé, zwei Treffpunkte und eine Suppenküche. Dies alles wird mit Landesmitteln unterstützt, und sie sind im Bezirk eingerichtet worden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und grundsätzlich diesem bezirksübergreifenden Ansatz auch Rechnung zu tragen. Aber die von Ihnen angesprochene Einrichtung wird unabhängig von öffentlichen Mitteln tätig, und deswegen ist auch eine Hilfe diesem Verein gegenüber jetzt so nicht möglich.

Vielen Dank! – Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen, Herr Kollege? – Dann haben Sie jetzt das Wort. Bitte schön!

(Michael Schäfer)

Vielen Dank für die Antwort! Die ist natürlich aus unserer Sicht nicht befriedigend. Der Hinweis zur Kältehilfe ist in Ordnung, aber an welchen Stellen muss denn geschraubt werden, um tatsächlich ausreichend Plätze – nicht nur in Pankow, sondern auch in allen anderen Bezirken, in denen Not am Mann und an der Frau ist – zur Verfügung zu stellen und nicht noch mehr Plätze zu verlieren?

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wohnungslosenhilfe ist grundsätzlich eine Aufgabe der Kommunen, in Berlin der Bezirke. Das gilt auch für die Kältehilfe. Was der Senat macht, ist die Kältehilfeangebote der Bezirke zu koordinieren und Höchstkontingente mit den Trägern der Kältehilfe zu besprechen, die dann wiederum vom Finanzsenator und von der Finanzverwaltung – im Rahmen der Basiskorrektur bzw. manchmal auch im Rahmen von Vorschusszahlungen – finanziert werden. Das ist ein geordnetes und geübtes Verfahren, das von keinem Bezirk kritisiert wurde. Im Gegenteil – die Bezirke schöpfen das Angebot, das der Senat ihnen in der Ausfinanzierung gibt, derzeitig nicht aus. So ist das in Pankow, auch mit den unterschiedlichen Trägern. mob e.V. ist eines der Angebote, die eine ganzjährige Unterkunft für Wohnungslose vorhaben. Dieses Angebot wird von uns positiv gesehen und auch begrüßt. Aber die Entscheidungen, mit welchem Träger welche Angebote durchgeführt werden und welcher Bedarf in den Bezirken besteht, liegen bei den Bezirken. Und das ist auch richtig, weil die Bezirke über die örtlichen Sozialämter und die Eingliederungshilfe die einzigen sind, die den direkten Zugang zu diesen Menschen haben und für die Betreuung verantwortlich sind. Deswegen werden die Entscheidungen dort getroffen, wo die Mittel sind und die Fachverantwortung ist. Wenn Sie fragen, an welcher Stelle Sie bohren müssen, dann ist das die BVV von Pankow, wo Sie diese Fragen vortragen sollten und wo man sich in den notwendigen Fachausschüssen dazu austauscht.

Vielen Dank, Herr Senator!

Eine letzte Frage haben wir noch von der Kollegin Bangert. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich habe eine Frage an Arbeitssenatorin Kolat. – Frau Senatorin! Trifft ein Pressebericht zu, nachdem die Mehrkosten in Höhe von knapp 7 Millionen

Euro, die im Zuge der Umsetzung des Landesmindestlohngesetzes im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung – das betrifft die Programme Bürgerarbeit und FAV-geförderte Arbeitsverhältnisse – durch die Anhebung der Stundenlöhne auf 8,50 Euro entstehen, nicht aus dem Arbeitsmarktetat finanziert werden müssen, sondern dass Sie diese Mittel von Finanzsenator Nußbaum bekommen, sodass wir keine Reduktion der Förderfallzahlen zu befürchten haben?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Bangert! Ich habe diesen Beitrag auch gelesen. Die Zahlen, die in diesem Beitrag beziffert worden sind, konnten wir nicht verifizieren. Es ist dem Senat bekannt, dass mit Umsetzung des Landesmindestlohngesetzes auch Mehrkosten entstehen werden. Konsens ist, dass es nicht zulasten der Fallzahlen gehen soll. Das ist eine einfache mathematische Aufgabe. Wir sind jedoch noch in der Abstimmung, was die Umsetzung angeht.

Frau Bangert, haben Sie eine Nachfrage? Bitte schön!

Können Sie wirklich verbindlich erklären, dass die Mehrkosten, die im Zuge der Umsetzung des Landesmindestlohngesetzes entstehen, nicht aus Ihrem Arbeitsmarktetat finanziert werden müssen?

Bitte, Frau Senatorin!

Frau Bangert! Wir haben gerade die Haushaltsberatungen hinter uns, und Sie wissen ganz genau, was im Bereich der Beschäftigungsförderung etatisiert ist. Die Zahlen, die ich aus der Zeitung entnehmen konnte – ich habe 10 Millionen Euro gelesen, Sie haben jetzt 7 Millionen Euro gesagt –, kann ich hier nicht bestätigen. Es liegt auch in der Natur der Dinge, denn wie sich die Fallzahlen entwickeln – es laufen Verträge aus, es werden neue geschlossen –, kann auch eine Mathematikerin nicht voraussehen, und auch Sie können das nicht voraussehen, so dass eine konkrete Bezifferung aus der heutigen Sicht gar nicht möglich ist.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Diese Art der Fragestunde ist für heute beendet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Was folgt aus dem Ergebnis des Volksbegehrens „100 Prozent Tempelhofer Feld“?

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die antragstellende Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Frau Kollegin Kapek das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Tempelhofer Feld ist ein echter Rohdiamant, um den wir weltweit beneidet werden. Wenn wir ihn schleifen, wird Berlin noch mehr strahlen, als es das sowieso schon tut. Der Berliner Senat hat sich allerdings seit der Schließung des Flugbetriebs jahrelang in Konzeptlosigkeit geübt. Die Flugfeldbrache wurde dementsprechend – zur Verwunderung aller – von der Bevölkerung selbst erobert und zu dem Ort gemacht, der heute internationale Aufmerksamkeit erfährt. Kein Wunder also, dass die Berlinerinnen und Berliner diesen Ort nicht einfach wieder hergeben wollen.

Doch mit einem Mal muss alles ganz schnell gehen. Das mag wohl daran liegen, dass der Regierende Bürgermeister in dieser Legislatur wenigstens noch irgendein Bändchen durchschnippeln will, wenn es schon mit Flughafen und Staatsoper nicht gelingen mag. Einen sachlichen Grund dafür, dass der Senat so auf die Tube drückt und jetzt sogar ganze Planungsschritte überspringen will, gibt es jedenfalls nicht. Denn eigentlich sollte man doch erst einmal über den Masterplan des Senats ergebnisoffen debattieren. Dann im nächsten Schritt würde man den Flächennutzungsplan ändern – inklusive der breiten Beteiligung der Bevölkerung, der relevanten Akteure und dem Abgeordnetenhaus. Erst dann – aufbauend auf diesem Ergebnis – ist es üblich, Bebauungspläne aufzustellen. Diese Bebauungspläne sind dann wiederum mit der Stadt und dem Parlament zu diskutieren. Das sind alles keine spinnerten Ideen von uns, nein, das steht so im Gesetz, und das wäre vor allem die Grundlage dafür, dass man die nötige Akzeptanz für ein so großes Projekt schaffen würde.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Stattdessen aber soll das hochumstrittene Regenwasserbecken ganz ohne Bauleitplanung auskommen, und hätte der BUND keine Klage eingereicht, dann würden dort bereits seit Wochen die Bagger rollen und Fakten schaffen. Der Senat hätte jetzt die Chance einzulenken und durch eine echte Beteiligung und einen ausgereiften Plan diese Akzeptanz zu schaffen. Spekulieren Sie aber stattdessen darauf, dass der Volksentscheid scheitert, dann ist das wie Russisches Roulette spielen. Wir brauchen jetzt keine PR-Kampagne des Senats für einen Masterplan, wir brauchen jetzt einen guten Kompromiss. Um diesen zu erreichen, brauchen wir zunächst offene Ohren und die Bereitschaft, von Maximalforderungen abzuweichen – und zwar auf beiden Seiten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Denn auch die Bürgerinitiative muss sich jetzt beweglich zeigen, denn 100 Prozent heißt Null-Lösung. Dieser wollen aber viele Berlinerinnen und Berliner – wie auch wir Grünen im Abgeordnetenhaus – nicht zu 100 Prozent folgen. Denn wir brauchen auf der großen Freifläche, die auch wir erhalten wollen, trotz alledem mindestens schattenspendende Bäume, mehr Bänke, eine Nord-SüdFahrradverbindung sowie barrierefreie Infrastruktur, damit das Tempelhofer Feld nicht nur ein Feld für einige, sondern endlich auch für alle wird.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zudem – und jetzt gut zugehört – sind auch wir für eine moderate Randbebauung,

[Ah! von der SPD]

und zwar aus städtebaulichen und aus wohnungspolitischen Gründen, vor allem am Tempelhofer Damm.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Denn letztendlich geht es auch darum, Neubau für die dringend benötigten Wohnungen in der wachsenden Stadt zu schaffen. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Ich unterstütze damit keinesfalls die Schnellschussplanung des Senats. Der macht nämlich nur Wohnungspolitik für Faule. Die Ränder werden sozusagen herausgeschnitten und als große Tortenstücke für den Wohnungsbau präsentiert.

Ich würde die Schaffung sozialverträglichen Wohnraums und die Entwicklung einer tragfähigen Infrastruktur für die angrenzenden Kieze begrüßen, sodass ein lebendiges und vor allem durchmischtes Wohnquartier entstehen kann. Beharren jetzt Senat und Bürgerinitiative auf ihren Positionen, können wir in den nächsten vier Monaten dabei zusehen, wie zwei Züge aufeinander zu rasen. Setzen sie alles auf eine Karte, kommt es am Ende zum Crash. Das wäre kein Gewinn für Berlin, denn dabei gibt es nur Verlierer. Deshalb ist genau jetzt der Moment, aufeinander zuzugehen, statt gegeneinander zu kämpfen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wie Sie wissen, können wir am 25. Mai über den Gesetzentwurf der Initiative abstimmen lassen oder als Abgeordnetenhaus diesen Gesetzentwurf übernehmen. Es gibt aber auch einen dritten Weg. Dieser besteht darin, dass wir einen alternativen Gesetzentwurf zur Abstimmung bringen. Ich sehe genau in diesem dritten Weg die einzige Möglichkeit, den Crash zu verhindern. Deshalb möchte ich Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen hier im Abgeordnetenhaus, auch dazu einladen, mit uns gemeinsam einen solchen Entwurf zu entwickeln und einzubringen. Wenn es uns gelingen sollte, einen Allfraktionenentwurf abzustimmen und diesen im Vorfeld mit dem Senat, aber auch mit der Bürgerinitiative zu verhandeln, könnte darin genau der Mittelweg bestehen, der als eine breit getragene Lösung in ganz Berlin akzeptiert wird.