Protocol of the Session on March 25, 2010

Die durchschnittliche Höhe der Verdienste unterscheidet sich auch erheblich je nach Branche und Wirtschaftsbereich. Im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe, im Kredit- und Versicherungswesen sowie in der Energie- und Wasserversorgung verdienten die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bis zu 47 000 Euro jährlich, in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Erziehung und Unterricht sowie Dienstleistung und Handel lagen die Verdienste hingegen im Durchschnitt zwischen 25 000 und 34 000 Euro, Schlusslicht ist das Gastgewerbe mit lediglich knapp 17 000 Euro. Gerade in den letztgenannten Bereichen ist die Frauenerwerbstätigkeit besonders hoch.

Es gibt vor allen Dingen drei Ursachen für die Entgeltungleichheit. Das ist einmal die familienbedingte Erwerbsunterbrechung und Arbeitszeitreduzierung bei Frauen sowie die ungleiche Verteilung der familien- und kinderbedingten Erwerbspausen auf Frauen und Männer, sowie die bereits erwähnten Unterschiede bei der Arbeitszeit – Vollzeit, Teilzeit, Minijobs –, die ihre Ursache darin haben, dass die Familienarbeit zwischen Männern und Frauen immer noch ungleich verteilt wird.

Zweitens wirkt sich hier die unterschiedliche Bewertung von Tätigkeiten aus. Typische Frauenberufe werden schlechter bezahlt als Berufe, die traditionell von Männern ausgeübt werden. Wir haben eine Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten sowohl in tariflichen wie in betrieblichen Regelungen und Praktiken. Hier wirkt sich im Übrigen auch noch das Steuersystem aus, das mit dem Ehegattensplitting das Zuverdienermodell begünstigt, was sich auch bei der Frage der Lohnfindung auswirkt. Die dritte Ursache ist die Unterrepräsentanz von Frauen in bestimmten Berufen, der wir unter anderem durch den Girls’ Day, der in diesem Jahr zum zehnten Mal stattfindet, versuchen entgegenzuwirken.

Nun zu der Frage, was das Land Berlin dagegen unternimmt. Ich glaube, aus dem, was ich bislang ausgeführt habe, wird deutlich, dass es sich um kein landesspezifisches Thema handelt. Wir haben es mit Problemen zu tun, die grundsätzlich angegangen werden, für deren Beseitigung Rahmenbedingungen verändert werden müssen. Das ist zum einen das Zurückdrängen prekärer Beschäftigung und die Verhinderung der Ausweitung des Niedriglohnsektors.

Ich sage an dieser Stelle: Das Thema Mindestlohn ist auch eine typisch frauenpolitische Forderung, weil sich Frauen zu einem hohen Prozentsatz im Niedriglohnsektor aufhalten. Deshalb haben wir auch landespolitisch mit dem Vergabegesetz, das gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung ist, versucht, hier ein Stoppzeichen zu setzen, allerdings nur in dem Bereich der öffentlichen Aufträge, aber immerhin in einem Volumen von 4 bis 5 Millionen Euro.

Auch das Zuverdienermodell, das in der Steuergesetzgebung immer noch dominant ist, ist ein Thema, das auf Bundesebene geregelt werden muss. Wir thematisieren das immer wieder auch über die Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz.

Ansonsten unterstützen wir, was konkrete Aktivitäten betrifft, in Berlin gegenwärtig das bundesweite Aktionsbündnis zum Equal Pay Day.

[Mieke Senftleben (FDP): Wer nicht?]

Das ist ja erfreulich, dass es eine sehr breite Unterstützung gibt. Aber wir sind gefragt worden, was wir tun, und das tun wir unter anderem. Wir machen nicht nur dieses, sondern unterstützen auch und fördern Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen bei der Lohn- und Gehaltsfindung durch Coaching und Mentoring, sowohl was individuelle Frauen angeht, was sie bei ihren Vertragsverhandlungen durchsetzen können, als auch die Stärkung und Unterstützung von Personalverantwortlichen und Betriebsräten. Wir haben gegenwärtig die Nominierung des Landesgleichstellungsgesetzes, was den öffentlichen Bereich angeht, in der Befassung im Senat.

Es gibt ein neues Instrument, das von der Hans-BöcklerStiftung entwickelt worden ist, ein Entgeltgleichheitscheck, mit dem Unternehmen ihre Lohnfindung und

Lohnstruktur und auch Betriebsräte die Lohnstruktur auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten überprüfen können. Ich kann nur empfehlen und darum bitten – und wir regen dazu an –, dieses Instrument zu nutzen, um auch hier auf Lohnungerechtigkeiten und Entgeltungleichheit hinweisen zu können.

Zu den Landesmaßnahmen gehört natürlich auch das Thema Kinderbetreuung. Ich glaube, das brauche ich an dieser Stelle nicht weiter auszuführen. Wichtig ist aber angesichts der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, dass wir auch hier eine zunehmende Flexibilisierung der Kinderbetreuung brauchen.

Last but not least, werden wir auf der nächsten Gleichstellungs- und Frauenminister- und -ministerinnenkonferenz das Thema Entgeltungleichheit im öffentlichen Dienst thematisieren, weil auch hier die Frage der Bewertung von Tätigkeiten natürlich ein wichtiger Punkt ist,

[Gregor Hoffmann (CDU): Ist das die Aktuelle Stunde?]

wo auch im Landesdienst bzw. im öffentlichen Dienst bei Bund, Ländern und Kommunen noch einiges zu tun ist.

Danke schön, Herr Senator! – Gibt es eine Nachfrage von Frau Kollegin Neumann? – Dann hat sie das Wort.

Schönen Dank, Herr Senator! Ich hätte noch eine Frage, und zwar gibt es das Instrument „Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland“, das Logib-D, das in der Schweiz entwickelt wurde. Dort ist es auch nicht auf freiwilliger Basis, sondern dort müssen zumindest Firmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern nachweisen.

[Zurufe von den Grünen und von der CDU: Frage!]

Sehen Sie dieses Instrument aus Ihrer Sicht auch als notwendig an?

Herr Senator Wolf – bitte!

Ich habe dieses neue Instrument, das Entgeltgleichheit checkt, schon angesprochen. Das halte ich für sinnvoll und, finde ich, sollte auch möglichst breit angewandt werden. Das gibt es im Moment in einer Testversion. Wir sind in der Anfangsphase. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man versucht, hier eine größere Verbindlichkeit zu schaffen. Das sollten wir gemeinsam in parlamentarischen Rahmen diskutieren und gucken, welche Erfahrungen dabei bisher mit der jetzt hier vor Kurzem eingestellten Testversion gemacht worden sind. Ob das schon die

Grundlage gibt, um das hier verbindlicher zu machen oder ob wir hier noch eine längere Testphase brauchen, kann ich gegenwärtig noch nicht beurteilen. Vom Grundsatz her halte ich das für sinnvoll.

Danke schön! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Kofbinger – bitte schön, Frau Kofbinger!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Wolf! Sie haben es gerade angesprochen. Es geht um den Entgeltgleichheitscheck, wie er so schön genannt wird, kurz Logib-D. Das hat die Bundesregierung auch irgendwann einmal in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben. Sie haben gesagt, Sie befürworteten das. Meine Frage dazu ist: Ist Ihnen die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes vom 9. März 2010 bekannt, wo er das Fazit zieht, ich zitiere:

Das Selbsttestinstrument Logib-D liefert den Unternehmen Informationen, die zur Aufdeckung von Geschlechtsdiskriminierung beim Entgelt nicht geeignet sind. Es kann deshalb die Ziele, die es anstrebt, nicht erreichen.

Herr Senator Wolf – bitte!

Frau Kofbinger! Diese Stellungnahme ist mir nicht bekannt. Aber wenn Sie eben meiner Antwort auf Frau Neumanns Fragen zugehört haben, da habe ich gesagt, ich halte einen solchen Check grundsätzlich für sinnvoll. Ob das, was jetzt als Testversion eingestellt ist, die Grundlage dafür abgeben kann, dass man hier einen höheren Grad der Verpflichtung schafft, oder welche Erfahrungen damit gemacht worden sind, das muss man erst einmal abwarten. Aber vom Grundsatz her halte ich es für sinnvoll.

Der Juristinnenbund, den Sie eben zitiert haben, zweifelt offensichtlich die Tauglichkeit des Instruments im Detail an. Das, habe ich gesagt, muss man überprüfen. Damit muss man Erfahrungen machen. Da es erst seit Kurzem in dieser Version existiert, scheinen mir die Erfahrungen noch nicht umfangreich zu sein. Das ändert nichts daran, dass wir versuchen sollten, bei der Lohnungleichheit die Instrumente der Überprüfung zu etablieren, damit hier überprüft werden kann, ob die geltende Rechts- und Gesetzeslage auch eingehalten worden ist. Dann haben wir immer noch unterhalb der geltenden Rechts- und Gesetzeslage Tatbestände von Diskriminierung und unterschiedlicher Bewertung von Arbeit, die man wahrscheinlich mit einem internetbasierten System oder mit einer Software noch nicht aufdecken kann, sondern das ist dann auch eine Frage der Änderung der Unternehmenskultur und der Bewertung von Tätigkeiten in der Gesellschaft.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Andreas Otto (Grüne): War ein schönes Referat!]

Danke schön, Herr Senator!

Dann geht es weiter mit der Frage Nr. 2 des Kollegen Steuer von der CDU-Fraktion zum Thema

Schülerclubs werden geschlossen – ist der Ganztag an den Sekundarschulen überhaupt finanziert?

Bitte schön, Herr Steuer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Stellen wird eine vierzügige Sekundarschule ab dem Schuljahr 2010/11 für den Nachmittagsbereich im Rahmen der Ganztagsschule zusätzlich erhalten?

2. Ist der Ganztagsbetrieb so schlecht ausfinanziert, dass zur Gegenfinanzierung die erfolgreichen Schülerclubs geschlossen werden müssen?

Danke schön! – Der Bildungssenator, Herr Prof. Zöllner – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Zur ersten Frage: Integrierte Sekundarschulen entscheiden über die Formen und den Umfang des Ganztagsangebots, das heißt, offener oder gebundener Ganztagsbetrieb, sowie über die Frage, mit welchem Personal und welchen Partnern der Ganztag im Rahmen ihres Schulprogramms organisiert wird. Eine vierzügige integrierte Sekundarschule mit 400 Schülerinnen und Schülern erhält folgende zusätzliche Ausstattung, das wäre quasi ein Standardpaket:

Erstens wären das im gebundenen Ganztagsbetrieb für Schülerarbeitsstunden 52 Lehrerstunden, das entspricht zwei Vollzeitlehreräquivalenzstellen und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen bzw. Erzieherinnen und Erzieher im Umfang von 3,5 Stellen.

Im offenen Ganztagsbetrieb wären es zweitens für Schülerinnen und Schüler 16 Lehrerstunden, das entspricht etwa einer Zweidrittelvollzeitstelle, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen bzw. Erzieherinnen und Erzieher im Umfang von 1,5 Stellen. Die Stellen für die Pädagoginnen und Pädagogen bzw. Erzieherinnen und Erzieher erhalten die Schulen auf Antrag, auch ganz oder teilweise als Budget für Kooperationen mit außerschulischen Partnern. Mögliche Partner sind in diesem Zusammenhang freie

Träger der Jugendhilfe, z. B. Sportvereine, aber auch Volkshochschulen oder Musikschulen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Der Ganztagsbetrieb an der integrierten Sekundarschule ist finanziert und im Doppelhaushalt 2010/2011 abgebildet. Daran ändern auch häufige Nachfragen nichts. Ein Zusammenhang mit der Weiterfinanzierung der Schülerclubs besteht nicht. Die Erfahrungen aus der Modellphase der Schülerclubs sind vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung von Jugendhilfe an Schulen zu betrachten. Hierbei handelt es sich um zusätzliche Angebote nach § 11 Sozialgesetzbuch VIII in Form von schulbezogener Jugendarbeit, die bisher durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Den Bezirken im Rahmen der Auftragswirtschaft bereitgestellten zusätzlichen Mittel werden auch zukünftig für zusätzliche – ich betone: zusätzliche – Angebote der Jugendarbeit, die den offenen Ganztagsbetrieb in den Schulen ergänzen – ich betone: ergänzen – eingesetzt.

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Steuer? – Bitte schön, Herr Steuer!

Danke sehr! – Herr Senator! Habe ich Sie also richtig verstanden, dass die Folge Ihrer Ankündigung, dass alle Sekundarschulen zu Ganztagsschulen werden und damit ein Mehr an Bildung stattfindet, lediglich ist, dass die Mehrzahl der Sekundarschulen, wenn sie im offenen Ganztagsbetrieb geführt werden, eine Zweidrittellehrerstelle erhalten werden und die ggf. noch weniger wird, wenn die Schülerarbeitsstunden verwendet werden, um die Profile der Schulen auszubauen?

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!

Sie haben mich richtig verstanden, wenn Sie mich so verstanden haben sollten, dass selbstverständlich die Voraussetzungen, die in Berlin völlig unbestritten sind, um Ganztagsbetrieb zu organisieren – einer der wenigen Bereiche, die auch bei allen Schulen völlig unbestritten sind –, dass die Schulen, je nachdem, wie sie den Ganztag organisieren, eine völlig adäquate und wie die Tatsache, dass es an den Gesamtschulen genauso praktiziert wird, ausreichende Ausstattung bekommen. Die kann variieren, je nachdem, in welcher Kombination man es macht. Gesetzt den Fall, alle würden einen gebundenen Betrieb machen, haben alle die höhere Ausstattung. Gesetzt den Fall, alle würden den offenen Betrieb machen, wo man ja auch weniger braucht, auch nach Aussagen der Schulen, bekommen sie entsprechend weniger. Wenn sie Mi

schangebote etablieren, dann bekommen sie einen Mittelwert, der dem entsprechenden Mischungsverhältnis zwischen den Angeboten entspricht, zugewiesen.

Danke schön, Herr Senator! – Nachfrage des Kollegen Mutlu! – Bitte schön, Herr Mutlu!

Herr Senator! Was machen Sie denn, wenn jetzt demnächst mit der Einführung der neuen Schulstruktur, mehr Sekundarschulen als Sie erwarten, einen echten Ganztagsbetrieb haben wollen? Ist das personell und finanziell gesichert?

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte!