Protocol of the Session on November 19, 2009

Die Bildungsarbeit in diesem Bereich muss systematisiert werden. Wir brauchen weiter vermehrte Anstrengungen um den Geschichtsunterricht an unseren Schulen. Es geht dabei darum, dass junge Menschen Kritikfähigkeit lernen und sich ihr eigenes Bild von unserer jüngeren Geschichte machen können, unabhängig vom Hintergrund von Eltern und Großeltern.

Genauso ist der Landesbeauftragte auch die richtige Stelle, um Kriterien aufzustellen für die Überprüfung von Stasi-Verdachtsfällen, wie wir sie auf kommunaler Ebene in letzter Zeit häufiger hatten. Ich erinnere nur an Welzow, Milower Land, Friesack und Kleinmachnow, die zeigen, dass da Handlungsbedarf besteht. Und nebenbei bemerkt: Wäre die Einsetzung des Landesbeauftragten schon früher erfolgt, wäre er jetzt auch eine geeignete Stelle für die Überprüfung der Mitglieder unseres Hauses.

(Beifall FDP - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, vor bald 20 Jahren - am 4. und 5. Dezember 1989 - besetzten zahlreiche Bürgerrechtler und Vertreter von Bürgerkomitees die Stasidienststellen in unserem Land und verhinderten so, dass noch mehr Akten vernichtet wurden und damit die Aufarbeitung der Vergangenheit unmöglich gemacht worden wäre.

Wer diesen Jahrestag ehrlich und glaubwürdig begehen und aufrichtig feiern will, der sollte jetzt alles dafür tun, dass das Erbe, die Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit, auch zügig vorankommen kann und nicht weiter verschoben wird. Dafür brauchen wir einen gut ausgestatteten, einen unabhängigen und einen vertrauenswürdigen Landesbeauftragten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Herr Abgeordneter Görke für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Antrag „Arbeitsfähigkeit des Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur gewährleisten“: Wir wollen heute die inhaltliche Diskussion nicht noch einmal fortsetzen, sondern uns hier über die Umsetzung austauschen.

Der Wille der bisherigen Koalitionspartner - und damit auch Ihr Wille, Frau Dr. Ludwig, der CDU - war, das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Beauftragten für die Aufarbeitung bei der Landesregierung anzusiedeln. Der Kollege Kuhnert hat deutlich gesagt, wer jetzt in der Pflicht ist. Es war der Wille der bisherigen Koalitionspartner und damit der CDU, dass der Landesregierung gestattet wird, von der nach § 6 Landesbeamtengesetz grundsätzlich vorgeschriebenen Ausschreibungspflicht abzusehen. Das haben Sie selbst in § 5 Abs. 1 Satz 2 Aufarbeitungsbeauftragtengesetz geschrieben. Warum Sie nun wenige Wochen nach der Beschlussfassung über das Gesetz eine andere Auffassung haben, können Sie uns gleich erklären.

(Zuruf: Hören Sie zu!)

- Ich habe genau zugehört. Sie sagen: Wenn es jetzt öffentlich ausgeschrieben wird, ein transparentes Verfahren kommt, dann verbrennen wir keine Menschen mehr, Personen, die sich möglicherweise für diese schwierige Arbeit bereitstellen. Als Sie dieses Gesetz beschlossen haben, hatten Sie bereits zwei Personen - Sie standen mit in der politischen Verantwortung verbrannt. Das will ich hier noch einmal sagen.

Drittens: Es war nicht der Wille der bisherigen Koalitionsfraktionen und damit auch nicht der CDU, dass dem Aufarbeitungsbeauftragten sieben Stellen zuzuordnen sind. Ihre Behauptung, der Hauptausschuss hätte am 24. Juni beschlossen, insgesamt acht Stellen in diesem Bereich zu schaffen, ist einfach falsch. Hätte es die CDU so gewollt, dann hätte sie es in den Gesetzestext schreiben müssen. Das haben Sie nicht getan. Es steht leider nur in der Begründung. Deshalb gab es die Diskussion im Haushaltsausschuss.

Zum vierten Punkt. Es war der Wille der bisherigen Koalitionspartner und damit auch Ihrer Seite, zunächst drei Planstellen, einschließlich der Stelle des Aufarbeitungsbeauftragten, zu schaffen. Genau das hat der Haushaltsausschuss am 21. August auch mit den Stimmen der CDU beschlossen. Sie sind damit de facto der Auffassung des damaligen Ministers der Finanzen, Herrn Speer, gefolgt, der vorgeschlagen hat:

„Weitere Entscheidungen über die personelle Ausstattung werden dann gemeinsam mit dem gewählten Landesbeauftragten getroffen und in das Gesetzgebungsverfahren für den Haushalt 2010 einfließen.“

So weit zum Verfahren. Ich glaube, deshalb kann man diesem Antrag heute nicht seine Zustimmung geben. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Abgeordnete Niels.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verfolge seit einiger Zeit mit Interesse die Folgen des Wechsels von Mitregierungsverantwortung zur Opposition und habe in der jetzigen Debatte mitbekommen, dass man sich uneins ist: Was genau ist festgeschrieben? Wer darf wann bestimmen? Was sind die parlamentarischen Folgen dieser Forderung des Antrags der CDU?

Grundsätzlich kann ich als Neumitglied erst einmal sagen, dass wir, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, inhaltlich folgenden Punkten zustimmen: Wir sind dafür, dass der Beauftragte mit acht Stellen ausgestattet wird, inklusive seiner eigenen Person. Wir sind im Sinne der Transparenz für eine Ausschreibung. Wenn es im Verfahren dazu kommen sollte, dass wir eine Gesetzesänderung beantragen müssen, weil die Landesregierung im Moment diesen Beauftragten zur Überprüfung der Folgen der kommunistischen Diktatur beruft, dann würden wir uns dem prinzipiell anschließen. Ich bitte darum, zu klären, wie das Verfahren im Folgenden ist.

Wir werden den Antrag auf jeden Fall unterstützen, denn es ist Folgendes noch nicht gesagt worden: In Brandenburg haben wir einen ganz deutlichen Nachteil gegenüber den Nachbarländern. In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen hat die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen drei Außenstellen. Hier in Brandenburg verfügen wir lediglich an unserer östlichsten Grenze in Frankfurt (Oder) über eine einzige Außenstelle. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Tätigkeit 1993 aufgenommen, und die Antragsflut nimmt zu. Sie wird wahrscheinlich in den Jahren 2009 und 2010 zunehmen, weil jetzt diskutiert wird: Zwangsadoption, die Opfer hinsichtlich Aufenthalten in Kinderheimen, die nicht so gewünscht waren. Insofern ist es auch an der Zeit, schleunigst einen Landesbeauftragten zu finden.

Warum die Landesregierung eventuell die Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen könnte, die Stelle öffentlich auszuschreiben, bitte ich, mir in der anschließenden Rede der Regierung noch zu erklären.

Vielleicht kann in diesem Haus im Endeffekt ein Konsens gefunden werden, schnellstmöglich eine ordentliche Ausstattung im Sinne des Auftrags auch öffentlicher Bildung zu gewährleisten. Es geht schließlich nicht nur um die Beratung von Opfern und Tätern. Ich möchte immer wieder auf das Bildungsdefizit hinweisen, das wir haben. Vielleicht kann die Landesregierung einfach den Auftrag aus diesem Haus übernehmen - ich hoffe auf eine breite Zustimmung -, und es werden schleunigst acht Stellen geschaffen. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Minister Rupprecht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir auch nicht verkneifen, noch einmal daran zu erinnern, dass das Gesetz, über das jetzt schon sehr oft gesprochen wurde, in der letzten Legislatur von den damaligen Regierungsfraktionen erarbeitet und am 1. Juli verabschiedet worden ist. Nun ist es an der neu konstituierten Landesregierung, die Stelle des Landesbeauftragten so schnell wie möglich zu besetzen. Dieser Aufgabe werden wir uns stellen mit dem Ziel, dass der Beauftragte im I. Quartal 2010 seine Arbeit aufnehmen kann. Früher wird es nicht möglich sein. Ein Termin Mitte Dezember ist schlichtweg nicht zu realisieren.

Um die volle Arbeitsfähigkeit des Beauftragten zu gewährleisten, wird die Landesregierung natürlich auch die Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln zügig sicherstellen. Ein erster Schritt ist erfolgt. Auch darüber ist schon gesprochen worden. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat der Ausbringung von zunächst drei Stellen zugestimmt. Man könnte dazu vielleicht Aufbaustab sagen. Dem Beschluss des Hauptausschusses vom 24. Juni entsprechend, wird die weitere Stellenausstattung im Rahmen der Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers zum Haushaltsjahr 2010 stattfinden. Ich gehe davon aus, dass die in diesem Beschluss festgelegte Stellenausstattung, die ich für angemessen halte, auch so realisiert wird.

Zum Thema Ausschreibung kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass es noch keine Entscheidung gegeben hat. Beides, Ja oder Nein, ist nach dem Gesetz möglich. Für beide Varianten gibt es Pro- und Kontraargumente. Das ist keine leichte Entscheidung, die da zu fällen ist.

Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die notwendige sächliche und räumliche Ausstattung gesichert ist. Mein Ministerium hat entsprechende Vorsorge getroffen. Die Räume stehen bereit. Daran erkennen Sie, meine Damen und Herren, dass wir bei der Besetzung des Beauftragten auf einem guten Weg sind. Deswegen ist der vorliegende Antrag zwar gut gemeint, aber überflüssig. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Herr Minister Rupprecht. - Das Wort erhält der Abgeordnete Dombrowski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den vorherigen Wortmeldungen, insbesondere von der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE, entnehme ich, dass so getan wird, als sei nichts passiert, als habe sich in Brandenburg nichts verändert, als sei die jetzige politische Konstellation der Landesregierung als etwas völlig Normales anzusehen.

(Ness [SPD]: Ja, das ist sie auch. Wir hatten einen normalen Regierungswechsel!)

- Genau, Herr Ness. Bitte nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass die Opferverbände, die bereits erwähnte VOS und auch die UOKG, zwar nicht Rot-Rot an sich, aber durchaus die Tatsache, dass am Kabinettstisch mit einer Fraktionsvorsitzenden der

Linksfraktion auch eine ehemalige Stasimitarbeiterin Platz nimmt, als bemerkenswert empfinden. Auch die Opfer und Opferverbände haben zur Kenntnis genommen, dass sich in der Fraktion DIE LINKE, also bei Ihrem Koalitionspartner, die Zahl der stasibelasteten Abgeordneten erhöht hat. Von daher ist bei einem solchen Thema, bei dem es um die Aufarbeitung des SED-Unrechts über einen Zeitraum von 40 Jahren geht, dieser Punkt nicht zu vernachlässigen. Man kann nicht so tun, als wäre vorher eine andere Situation gewesen.

Die Redebeiträge haben es gezeigt, und wir wissen, dass auch in der SPD-Fraktion in der letzten Amtsperiode keine große Begeisterung über die Initiative um dieses Vorhaben herrschte. Erinnern Sie sich an die Erwartungen, die von führenden Leuten, vom Ministerpräsidenten an einen Beauftragten gestellt wurden. Zum Beispiel durfte es Herr Hilsberg nicht sein, auch wenn er von der SPD war, weil es die Sorge gab, dass er da vielleicht zu tief graben wolle. Damals kam von Herrn Platzeck der Vorschlag, es müsse so einer wie Herr Bräutigam sein, aber der sei ja zu alt. Im Grunde genommen wurde ein Chefdiplomat gesucht. Bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts geht es aber nicht darum, diplomatisch staatsbewahrend vorzugehen, sondern vor allen Dingen darum, die Opfer zu vertreten.

Von daher muss man aufgrund der politischen Veränderungen Sie haben so entschieden, dass ehemalige Täter, Stasimitarbeiter, hier jetzt mitreden und mitentscheiden können - eine öffentliche Ausschreibung fordern, weil nur diese die Gewähr dafür bietet, dass in einem transparenten Verfahren eine Persönlichkeit gefunden wird, die in jeder Weise unabhängig genug ist, um eine solche Aufgabe im Interesse der Opfer wahrnehmen zu können.

Der Kollege Kuhnert sprach davon, dass die Opferverbände in einem Gespräch, das in der letzten Wahlperiode stattgefunden hat, nicht einer Meinung gewesen seien. Da haben Sie Recht. Dennoch irren Sie sich. Dadurch, dass das ursprüngliche Gesetz vorsah, dass auch die NS-Zeit betrachtet und bearbeitet werden sollte, gab es Vorbehalte der Opferverbände der nationalsozialistischen Diktatur, die gesagt haben: Wir gehören da nicht hinein. - Das ist auch nicht mehr Thema. Die Opferverbände der SED-Herrschaft sind immer mit einer Stimme vertreten gewesen. Es gab nie einen Zweifel daran. Die beiden großen Opferverbände sind auch in der Beurteilung dessen, was in Brandenburg jetzt geschehen ist, völlig einer Meinung. Auch sie sind für eine Ausschreibung.

Meine Damen und Herren, Sie haben gesagt, das sei zeitlich gar nicht zu schaffen. Heute Mittag wird Herrn Görkes Aussage gesendet, dass die Linksfraktion und die Koalition davon ausgehen, dass der Beauftragte bis Dezember bestellt ist. Sie sollten sich einmal darauf verständigen, wie denn nun die Sprachregelung bei Ihnen ist.

Noch ein Punkt, meine Damen und Herren, an dem Sie sehen können, dass sich schon etwas verändert hat. So sehr Sie uns jetzt auch als Opposition behandeln dürfen und sollen, müssen Sie sich zumindest in das Denken der ehemaligen Opfer und Opferverbände versetzen, die sich nun zum Beispiel in einem Rehabilitierungsverfahren mit dem dafür zuständigen Justizministerium auseinandersetzen müssen; denn Anträge auf eine Opferrente sind im Justizministerium und bei den Gerichten einzureichen. Die Leute müssen nun zur Kenntnis nehmen,

dass dort ein Justizminister sitzt, für den die DDR kein Unrechtsstaat war.

(Holzschuher [SPD]: Das hat er nicht gesagt! - Zurufe von der SPD und von der Fraktion DIE LINKE)

- Na ja, ich habe das ganze Zeug lesen müssen. Sie wissen natürlich und ich weiß es auch, dass das, was da niedergeschrieben ist, nicht das Regierungshandeln bestimmen wird. Aber verstehen Sie doch die Sorgen, die Betroffene haben, wenn sie so etwas zur Kenntnis nehmen. Der heutigen Diskussion liegt eigentlich ein ganz harmloser Antrag zugrunde, nämlich zügig zu entscheiden, ein öffentliches Verfahren einzuleiten, um einen geeigneten Kandidaten zu finden und die Behörde arbeitsfähig zu machen. Denn das, was hier mit drei Stellen angekündigt wurde, reicht in der Tat nicht aus, Herr Kuhnert. Es ist von allen Opferverbänden gesagt worden, wenn diese Stelle die Aufgaben wahrnehmen soll, die ihr zugewiesen sind, dann geht das nicht mit zwei oder drei Leuten. Das würde nicht funktionieren, weil wir diesbezüglich 20 Jahre lang viel zu wenig bis gar nichts getan haben.

Es hat sich in Brandenburg tatsächlich etwas geändert, meine Damen und Herren. Von daher ist es auch völlig richtig, dass man an der Stelle Vorsicht walten lässt, um zu garantieren, dass denjenigen zu ihrem Recht verholfen wird, die in Brandenburg bisher keine ausreichende Hilfe erhalten haben.

Hinter der Häme aufseiten der Linksfraktion, die ich vernehme, während ich hier spreche, verbirgt sich ihr wirkliches Denken: Sie haben Angst vor der Aufarbeitung.

(Schwachsinn! bei der Fraktion DIE LINKE - Beifall CDU)

Sie sind nicht offen bei der Aufarbeitung Ihrer eigenen Vergangenheit. Und Sie haben Sorge, dass der Beauftragte mit seinen Mitarbeitern, wenn er zu unabhängig ist, dies auch deutlich macht.

Wir als CDU-Fraktion stehen dafür, dass diese Stelle ordentlich besetzt wird. Wenn es ein ordentlicher Vorschlag wird, werden wir ihn mittragen. Aber wir werden auf jeden Fall alles daransetzen, dass nichtinteressierte Kreise in diesem Landtag die Wirksamkeit dieser kleinen Behörde nicht minimieren können. - Danke.

(Beifall CDU und FDP)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. Ich würde darum bitten, dass wir uns in diesem Raum zu den vorgetragenen Themen äußern und nicht so sehr dazu, was der eine eventuell denken könnte, oder was sich hinter der Stirn des anderen Abgeordneten verbirgt, Herr Dombrowski.

(Oh! bei der CDU)

Das ist ein bisschen problematisch. Ich habe von hier vorn auch den Blick, den Sie eben gehabt haben. Ganz so habe ich es nicht gesehen. Ihren Ausführungen ist mit Interesse gefolgt worden.