Protocol of the Session on February 22, 2006

Der Kampf gegen den Krebs bleibt ein Schwerpunkt unserer Gesundheitspolitik. Wir können Krebs zwar nicht verhindern, jedoch können und müssen wir Aufklärung, Prävention, Früherkennung und Bekämpfung aller Arten von Krebs wirksam verbessern und die Bevölkerung so gut wie möglich schützen. Die Brustkrebsfrüherkennung und die mit dem Gesetz beabsichtigte Meldepflicht für Krebserkrankungen leisten dazu einen wesentlichen Beitrag.

Wie ist die derzeitige Situation? Nach der Krebsfrüherkennungsrichtlinie haben Frauen zwischen 50 und 70 Jahren alle zwei Jahre Anspruch auf ein Mammografiescreening. Es war eine politische Forderung des Bundestags an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen, die flächendeckende Einführung eines bevölkerungsbezogenen Mammografiescreenings auf der Grundlage der europäischen Leitlinien zu veranlassen. Mit der Änderung der Früherkennungsrichtlinie kamen die Verbände dieser Forderung nach.

Diese Vorsorge ist geboten, weil das Erkrankungsrisiko ab dem genannten Alter wächst und Frauen zwischen 50 und 70 Jahren von der Diagnose Brustkrebs überdurchschnittlich betroffen sind. Überdies belegen auch internationale wissenschaftliche Studien und die praktischen Erfahrungen anderer Länder den Nutzen eines Screenings, auch wenn er manchmal bezweifelt wird. So konnten mit entsprechenden Früherkennungsprogrammen in anderen europäischen Ländern die Sterberaten bei Brustkrebs deutlich reduziert werden. Das muss auch unser gesundheitspolitisches Ziel sein.

Es ist wichtig, dieses Vorhaben rasch umzusetzen, damit die anspruchsberechtigten Frauen diese Vorsorgemöglichkeit so schnell wie möglich nutzen können. Zunächst sollen alle Frauen zwischen 50 und 70 Jahren von einer Zentralen Stelle zum Mammografiescreening eingeladen werden, so die Vorgaben der Krebsfrüherkennungsrichtlinie. In diesem Zusammenhang muss das Land die dafür notwendigen melderechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. Da die Zentrale Stelle nicht einfach auf die Daten der Meldeämter zurückgreifen darf, erfordert dies eine landesgesetzliche Regelung. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schafft die Landesregierung die Rechtsgrundlage dafür, dass die Meldeämter die Daten der betreffenden Frauen an die Zentrale Stelle weitergeben können. Somit können die Frauen dann zentral eingeladen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat krankenversichert sind.

Jetzt sind die Kassenverbände und vor allem die Kassenärztliche Vereinigung in Brandenburg in der Pflicht, dieses Screening in unserem Land weiter voranzubringen, und sie haben

die Aufgabe, die Zentrale Stelle einzurichten. Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg muss ferner die medizinische Versorgung im Rahmen des Mammografiescreenings sicherstellen. Im Interesse der betroffenen Frauen ist es höchste Zeit, dass die Selbstverwaltung von Kassen und Ärzten in Brandenburg die organisatorischen Voraussetzungen dafür schafft.

Ein zweiter Gesetzesabschnitt regelt die Einführung einer Meldepflicht für Krebserkrankungen. Danach sollen die Ärzteschaft und die Zahnärzteschaft Brandenburgs verpflichtet werden, festgestellte Krebserkrankungen an das Gemeinsame Krebsregister der ostdeutschen Länder und Berlins zu melden. Flächendeckende bevölkerungsbezogene Krebsregister sind die wesentliche Voraussetzung, um Informationen über die Verbreitung von Krebs und seine Ursachen zu gewinnen sowie den Erfolg von Vorsorgemaßnahmen bewerten zu können. Allerdings erfordern zuverlässige wissenschaftliche Wertungen und Schlussfolgerungen die Erfassung von mindestens 90 % aller Krebserkrankungen. Derzeit liegt die ärztliche Melderate in Brandenburg jedoch nur bei etwa 75 %. Die Meldepflicht soll also helfen, diese Rate weiter zu steigern, damit die Datengrundlage verlässlicher wird und damit auch der wissenschaftliche Gehalt des Krebsregisters erhöht werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort erhält die Abgeordnete Wöllert von der Linkspartei.PDS. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Ich darf noch ein paar Tage Leben probieren! Jeden Tropfen Leben werde ich auskosten, Leben tröpfelweise. Aber sicherlich habe ich mehr davon als viele andere Menschen, die nicht wissen, was Leben eigentlich ist.“

Diese Zeilen schrieb Maxi Wander in ihrem Buch „Leben wär eine prima Alternative“. Sie verstarb 1977 an Brustkrebs.

Am 28. Juni 2002 beschloss der Deutsche Bundestag die flächendeckende Einführung des Mammografiescreenings. Mit Jahresbeginn 2006 sind die Referenzzentren in Münster, Bremen und Wiesbaden in Betrieb, laufen in Berlin die Vorbereitungen, um im April zu starten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung werden nun auch in Brandenburg die Voraussetzungen geschaffen, in absehbarer Zeit mit dem Mammografiescreening zu beginnen. Das findet die Unterstützung meiner Fraktion genauso wie die mit dem Gesetz verbundene verbesserte Vollzähligkeit des Krebsregisters. Während Letzteres vor allem der wissenschaftlichen Arbeit dient, geht es beim Screening um die Früherkennung des Brustkrebses. In Anbetracht der Tatsache - die Ministerin sagte es bereits -, dass Brustkrebs bei Frauen die häufigste Krebsart und auch die häufigste Todesursache ist, ist das eine überaus notwendige Maßnahme.

Trotzdem ist das Mammografiescreening nicht unumstritten. Besonders wurden immer wieder die Strahlenbelastung der in

der Mehrheit untersuchten gesunden Frauen bei einem Screening und die Verunsicherungen der Patientinnen bei Fehldiagnosen diskutiert. Deshalb wurde auch bereits 2002 vom Bundesamt für Strahlenschutz eingefordert, dass der Nutzen das Risiko deutlich überwiegen müsse. Mit der Festlegung eines Mindestalters der zum Screening eingeladenen Frauen wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass etwa 80 % der Frauen, die an Brustkrebs erkranken, älter als 50 Jahre sind.

Darüber hinaus wird durch das Mammografiescreening eine höhere Effektivität mit einer höheren Qualität der Diagnostik verbunden, was auf der Grundlage der europäischen Leitlinien geschieht. Diese beinhalten eine besondere Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte, ihr strukturiertes Zusammenwirken, und zwar unter anderem durch die obligatorische Doppelbefundung aller Mammografien, eine in das Programm integrierte qualitätsgerechte Abklärungsdiagnostik und eine regelmäßige Überprüfung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der beteiligten Ärztinnen und Ärzte mit einer Zertifizierung durch die Kooperationsgemeinschaft.

Wir begrüßen es auch, dass zur Finanzierung eine Lösung unter Beteiligung der privaten Krankenversicherungen gefunden worden ist. Vielleicht, Frau Ministerin, wäre es ein gutes Signal, wenn sich auch das Land beteiligte. Ich denke da besonders an die Fürsorgepflicht gegenüber Beamtinnen.

Eine möglichst frühzeitige Diagnose verbunden mit immer besser werdenden therapeutischen Möglichkeiten wird vielleicht helfen, den Krebs nicht mehr so empfinden zu müssen wie Maxi Wander, als sie schrieb:

„An Krebs zu denken ist, als wär man in einem dunklen Zimmer mit einem Mörder eingesperrt. Man weiß nicht, wo und wie und ob er angreifen wird.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank, Frau Wöllert. - Es spricht nun die Abgeordnete Dr. Münch für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ministerin sprach bereits von den erschreckend hohen Zahlen. In Deutschland erkranken jährlich über 55 000 Frauen an Brustkrebs; fast die Hälfte von ihnen ist jünger als 60 Jahre.

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Fünfjahres-Überlebensrate liegt bei 79 %. Insgesamt zeigt sich seit 1970 eine stetig steigende Inzidenz, das heißt ein Auftreten von Brustkrebs-Neuerkrankungen, während seit Mitte der 90er Jahre die Mortalität, also die Sterblichkeit, glücklicherweise leicht sinkt.

Wie kann man diese Daten interpretieren? Die Zunahme der Zahl der Erkrankungsfälle beruht überwiegend auf einer verbesserten Früherkennung von Tumoren, die vor allem auf eine verbesserte Vorsorge zurückzuführen ist. Diese Früherkennung von Tumoren führt zu einer besseren Therapiemöglichkeit, was

sich in der sinkenden Sterberate widerspiegelt. Wir haben damit den direkten statistischen Beweis, dass Früherkennung etwas nützt, dass sie Menschenleben schützt und viele Frauen vor Leiden und einem viel zu frühen Tod bewahren kann.

Daher ist es außerordentlich erfreulich, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Voraussetzungen für ein umfassendes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm geschaffen werden. Alle Frauen zwischen 50 und 70 Jahren im Land Brandenburg haben einen Anspruch auf ein Mammografiescreening im Abstand von zwei Jahren. Sie sollen von einer Zentralen Stelle eingeladen werden. Voraussetzung dafür ist die Übermittlung der Meldedaten von den Meldebehörden. Die Zentrale Stelle, die die Frauen einladen wird, wird von den gesetzlichen und erfreulicherweise, wie Frau Wöllert zu Recht bemerkte, auch von den privaten Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung eingerichtet.

Wichtig ist jetzt, dass die Zentrale Stelle durch die zuständigen Organe der Selbstverwaltung möglichst rasch eingerichtet wird und dass die radiologischen Leistungen der Mammografie durch die Kassenärztliche Vereinigung zeitnah ausgeschrieben werden, damit das Screeningprogramm so rasch wie möglich starten kann. Dabei muss auf eine ausreichende Erfahrung mit der Mammografie und die entsprechende Qualität von beteiligten Ärzten gemäß den Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses geachtet werden; denn die Untersuchungsergebnisse sollen auch verlässlich und belastbar sein.

Um Erkenntnisse zu Ursachen und Häufigkeit von Krebserkrankungen zu gewinnen, ist eine möglichst vollständige Erfassung der Krankheitsdaten notwendig. Dabei kommt es auf die Vollzähligkeit der Erfassungen und die Vollständigkeit der Daten an. Belastbare Aussagen sind nur möglich, wenn es gelingt, 90 % aller Krebserkrankungen zu erfassen. Dadurch können Risikofaktoren für bestimmte Krebsformen erkannt werden.

Lassen Sie es mich an dem Beispiel des Brustkrebses verdeutlichen: Als Risikofaktoren gelten Brustkrebserkrankungen in der nahen Verwandtschaft, aber auch ein früher Beginn der Regelblutung, Kinderlosigkeit oder ein höheres Alter bei der Geburt des ersten Kindes. Möglicherweise müssen wir wegen dieser Zusammenhänge auch aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft mit einer erhöhten Brustkrebsrate rechnen.

Von großer Bedeutung sind die Einflüsse der Östrogentherapie in den Wechseljahren. Die aus den Krebsdaten gewonnenen Daten haben gezeigt, dass die bis dato durchgeführte Hormonersatztherapie zu einer Erhöhung des Brustkrebsrisikos geführt hat. Dies hatte eine Kehrtwende in der medikamentösen Behandlung von Frauen in den Wechseljahren zur Folge.

Aus den Krebsregisterdaten wird aber auch deutlich, dass andere Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel, regelmäßiger Alkoholkonsum und Nikotingebrauch zusätzlich an der Entstehung von Brustkrebs beteiligt sind. Es zeigt sich anhand der Daten aber auch, dass es schützende Faktoren wie eine hohe Kinderzahl, lange Stillzeiten, regelmäßige sportliche Betätigung und Ähnliches gibt. An diesen Beispielen zeigt sich, wie wichtig die Datenerfassung für die Prävention, die Diagnostik und die Therapie von Krebserkrankungen ist.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine generelle ärztliche Meldepflicht erfüllt Brandenburg eine Bedingung, die bereits in mehr als der Hälfte der Bundesländer gegeben ist. Es bleibt zu hoffen, dass das Gesetz dazu beiträgt, dass Krebserkrankungen früher entdeckt und geheilt werden können, und dass unser Wissen über ursächliche Zusammenhänge bei der Entstehung erweitert wird, damit den Menschen unnötiges Leid erspart werden kann. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Münch. - Es spricht nun derAbgeordnete Nonniger zu uns. Während er sich auf den Weg zum Rednerpult macht, begrüße ich Schülerinnen und Schüler aus dem Gymnasium Falkenberg/Elster. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gegen den heute vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung ist in Bezug auf sein sachbezogenes Anliegen nichts einzuwenden.

Die DVU-Fraktion kann Ihnen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, jedoch eine wichtige Kritik nicht ersparen: Weshalb haben Sie diese lange Zeit benötigt, um nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen? Ist doch jeder Tag Verzögerung einer effektiven Vorsorge und Behandlung bereits ein Tag zuviel.

Es ist eine Tatsache, dass der Bundestag bereits im Juni 2002 das flächendeckende bevölkerungsbezogene Mammografiescreening auf der Grundlage der europäischen Leitlinien gefordert hat und durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Dezember 2003 eine entsprechende Änderung der Krebsfrüherkennungsrichtlinie beschlossen wurde.

Es ist auch eine Tatsache, dass sich der Landtagsausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie bereits im März des vergangenen Jahres mit einem Bericht des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zum Thema Mammografiescreening beschäftigte und dabei die Festlegung getroffen wurde, frühestmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Bei allem Verständnis für zweifellos auftretende Probleme bei einem solchen Gesetz hält sich unser Verständnis in Bezug auf die bisher verstrichene Zeit jedoch sehr in Grenzen. Letztendlich geht es um die Gesundheit der Frauen unseres Landes, es geht schlechthin um deren Leben. Da kann und darf es keine Kompromisse und keine Zeitverzögerungen geben.

Einer Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie wird sich die DVU-Fraktion nicht verweigern. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Es spricht nun die Abgeordnete Schier für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ausführlich aus medizinischer und auch aus organisatorischer Sicht berichtet worden: Brustkrebs - jede Art von Krebs ist ein Schicksal. Brustkrebs ist die häufigste Form von Krebs bei Frauen. Das Screening ist eine begrüßenswerte Maßnahme.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf aufmerksam machen - viele von uns sind noch nicht 50 Jahre alt -: Es ist eine Frage der Eigenverantwortung. Alle Frauen sollten nicht vergessen - trotz dieses schönen Gesetzes -, jährlich den Gynäkologen aufzusuchen und sich untersuchen lassen; denn leider erkranken auch viele junge Frauen an Brustkrebs, was wir damit vermeiden können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Wir sind damit am Ende der Diskussionsliste angelangt und ich möchte zur Abstimmung kommen.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs zur Umsetzung des Brustkrebs-Früherkennungsprogramms und zur Einführung einer Meldepflicht für Krebserkrankungen - Drucksache 4/2502 - an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Überweisungsempfehlung ist einstimmig zugestimmt worden.