Protocol of the Session on December 15, 2005

Es gibt einen zweiten Punkt, bei dem ich Sie bitte darüber nachzudenken, ob man unserem Antrag nicht wirklich folgen könnte. Das erste Mal hat die Europäische Union mit der Dienstleistungsrichtlinie eine so genannte horizontale Richtlinie vorgelegt. Das heißt im Klartext, dass nicht ein einzelner Bereich, beispielsweise ein Sektor wie die Filmwirtschaft bzw. die Medienwirtschaft, einer Regulierung ausgesetzt ist, sondern es sind 70 bis 80 % der gesamten Wirtschaftsleistung durch diese Dienstleistungsrichtlinie erfasst. Es ist eine Unzahl einzelner Wirtschaftsbereiche, und zwar alle die, deren Leistungen gegen Entgelt erbracht werden.

Die politische Diskussion geht seit Vorliegen des Entwurfs darum, ob es gerechtfertigt ist, dass bestimmte soziale Leistungen darunter fallen, ob es gerechtfertigt ist, dass bestimmte Vorsorgeleistungen wie Wasser, Abwasser, Müllentsorgung usw. darunter fallen dürfen oder nicht. Wir appellieren an dieser Stelle dringend an Sie, die politische Möglichkeit zu eröffnen, dass man sich im Bundesrat, im Bundestag und auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz der europäischen Länder darüber verständigt, ob die Europäische Union nach den Amsterdamer Verträgen überhaupt berechtigt ist, eine derartige horizontale Richtlinie vorzulegen. Das ist ein Strategiewechsel, greift in das Subsidiaritätsprinzip ein und beschneidet letztlich nationale Souveränitätsrechte.

Insofern haben wir Ihnen heute noch einmal einen Antrag vorgelegt, der aufbauend auf der Bundesratsinitiative des Landes Hessen weitere Punkte benennt, unter anderem die politische Debatte über eine horizontale Richtlinie, darüber, ob dies nach den Amsterdamer Verträgen überhaupt zulässig ist, und die weitere Ausnahmen vorsieht, unter anderem für den Gesundheitsbereich und für den Bereich der Bildung, die wir für dringend notwendig halten.

Ich möchte Sie an dieser Stelle bitten, unserem Antrag zuzustimmen und damit der politischen Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie und ihre Veränderung neuen Schub zu verleihen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. Es spricht der Abgeordnete Bochow von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits vor einigen Monaten hat sich dieses Haus mit der geplanten Dienstleistungsrichtlinie beschäftigt, sich dazu positioniert. Dem heuti

gen Antragsteller schien das damals auch sehr gefallen zu haben, denn in seinem Antrag wird mehrfach auf diese Drucksache Bezug genommen. Es ist schön, dass wir uns so weit einig sind. Meine Fraktion sieht aber keinen Anlass, von dem damals gefassten Beschluss abzuweichen. Ebenso wenig sieht sie einen Anlass, jenen Beschluss von damals noch einmal durch einen Beschluss von heute zu bekräftigen; denn es liegen Entwicklungen vor, die wir hier vielleicht auch einmal ansprechen müssen.

Zum derzeitigen Verfahrensstand ist Folgendes zu sagen: Inzwischen hat sich der federführende Ausschuss der EU, der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, mit den rund 1 600 Änderungsanträgen befasst und am 22. November, also erst vor wenigen Tagen - Herr Christoffers, Sie wissen das genauso gut wie ich -, einer geänderten Version der Richtlinie zugestimmt. Die jetzt vorliegende Version muss allerdings noch einige Hürden überwinden. Selbst eine Antwort auf die Frage, ob die 1. Lesung im Europäischen Parlament im Januar oder Februar 2006 stattfindet, steht noch in den Sternen.

Inhaltlich ist zu sagen: Die Bedenken, die in den Mitgliedsstaaten geäußert worden sind, wurden von den europäischen Gremien mit sehr viel Interesse aufgenommen. Vieles davon findet sich in dem geänderten Vorschlag des besagten EP-Ausschusses auch wieder. Dies betrifft insbesondere den Geltungsbereich der Richtlinie selbst. Hiervon sind beim gegenwärtigen Sachstand unter anderem ausgenommen: audiovisuelle Dienstleistungen, Gewinnspiele, Tätigkeiten von Rechtsanwälten und Notaren. Bei den Tätigkeiten von Rechtsanwälten ist hinzuzufügen - ich zitiere -: „... sofern sie nicht von anderen Gemeinschaftsinstrumenten geregelt werden“. Bei „Notaren“ kann man die Gerichtsvollzieher mit einordnen, sie sind dort mit erfasst. Des Weiteren sind die Gesundheitsdienste zu nennen. Dies sind nur die jüngsten Beispiele.

Sie hatten in Ihrem Beitrag Daseinsvorsorge, Wasser, Abwasser sowie Elektrizität angeführt. Diese Bereiche sind in der Richtlinie genannt. Aber es ist auch ausdrücklich gesagt, dass dort Grenzen eingezogen sind bzw. eingezogen werden können. Andererseits ist auch klar, dass sich nicht alle Ideen, Vorschläge und Konzepte in der derzeitigen Version des Richtlinienentwurfs wiederfinden können. Das liegt in der Natur der Sache. Aber für bestimmte Anliegen finden sich auch auf der europäischen Ebene keine Mehrheiten.

Eines, meine Damen und Herren, kann man im Hinblick auf die Dienstleistungsrichtlinie mit Sicherheit nicht sagen: dass hier ein europäisches Projekt hinter verschlossenen Türen einfach durchgewinkt werden soll. Das zeigt ja die Diskussion. In Anbetracht des Gesagten darf es niemanden überraschen, dass meine Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen wird.

Abschließend möchte ich jedoch einen allgemeinen Gedanken äußern. Die Schaffung eines einheitlichen Marktes für Dienstleistungen ist Bestandteil des Binnenmarktes und damit auch des Einigungsprozesses. Dieses Projekt einschließlich seiner Vorläufer ist bereits gut 50 Jahre alt. Es ist in den Verträgen verankert, denen alle Mitgliedsstaaten zugestimmt haben, und gehört damit zum Kernbestand der Integration. Angesichts dessen - so könnte man zumindest meinen - dürften wir mehr oder weniger nur über die Details streiten. Das tun wir aber nicht. Ich - und nicht nur ich - habe den Eindruck, dass der eine oder andere hier eine grundsätzliche Diskussion lostreten und dabei

auch den Inhalt der Verträge, also die Geschäftsgrundlage der EU, infrage stellen möchte. Das kann so nicht gehen, das darf so nicht gehen und das wird so nicht gehen.

Meine Damen und Herren, der erste Entwurf für eine Dienstleistungsrichtlinie liegt seit Januar 2004 vor. Seit dieser Zeit versuchen interessierte Kreise sie als Anschlag auf das europäische Sozialmodell zu verkaufen und den Bürgerinnen und Bürgern damit Angst einzujagen. Als wesentliches Argument diente und dient hierbei das Herkunftslandprinzip, das wir auch in diesem Hause - übrigens gemeinsam - als nicht ganz unproblematisch erkannt haben. Der eine oder andere, wenn Sie wollen, die eine oder andere Seite oder Partei, verschweigt dabei jedoch geflissentlich, für wie viele Bereiche - darunter sind sehr sensible Bereiche - das Herkunftslandprinzip inzwischen schon nicht mehr gelten soll. Ebenso verschwiegen werden die positiven Effekte, die mit der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit verbunden sind. Gerade diese Einseitigkeit der Diskussion müssen wir durchbrechen.

Meine Damen und Herren, man kann natürlich den freien Verkehr von Dienstleistungen von vornherein so weit beschränken, dass nichts mehr davon übrig bleibt und jeder Wettbewerb ausgeschlossen ist. Der eine oder der andere mag das wollen. Ich möchte das nicht, meine Fraktion will das nicht. Wir stehen zu den vier Freiheiten des Binnenmarktes. Wir haben den Beschluss dieses Hauses vom März mitgetragen, wir haben ihn initiiert. Wir stehen heute zu diesem Beschluss und zur europäischen Integration. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Bochow. Als Nächster spricht der Abgeordnete Nonninger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die so genannte EU-Dienstleistungsrichtlinie muss weg. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese unsinnige und unselige Richtlinie zum Jobkiller Nummer eins in Deutschland und besonders hier in Brandenburg wird. Ein EU-Sozialdumping zulasten Deutschlands darf es nicht geben. Die EU betreibt eine fatale Politik bei der Interpretation von Dienstleistungsfreiheit.

Ein umfangreiches Angebot an Dienstleistungen auf dem gesamten Markt der EU kann zwar grundsätzlich nur begrüßt werden - es ist sicherlich auch eine Chance für die deutsche Wirtschaft -, falsch und höchst gefährlich ist jedoch das Vorhaben der EU-Kommission, nach dem Herkunftslandprinzip vorzugehen. Es gibt Bereiche, zum Beispiel arbeits- und sozialrechtliche Fragen, die mit einer solchen Richtlinie schlicht und ergreifend nicht zu erreichen sind. Hier besteht seitens der Politik der Bundesregierung Handlungsbedarf. Ich kann nur hoffen, dass sie an dieser Stelle endlich tätig wird. Die Kontrollbefugnisse über die Dienstleister müssen bei den Behörden vor Ort und nicht im Herkunftsland liegen. Nur so lässt sich der massive Abbau von Arbeitsplätzen, gerade auch in so arg gebeutelten Branchen wie der Bauwirtschaft, vermeiden.

Daher fordern wir die Landesregierung auf, sich umgehend der Bundesratsinitiative der Länder Hessen und Schleswig

Holstein gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie anzuschließen.

Am vorliegenden Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion offenbart sich deren Scheinheiligkeit. Noch Anfang letzten Jahres forderte die PDS die volle Freizügigkeit ausländischer Arbeitskräfte aus den EU-Beitrittsstaaten. Nun will die Linkspartei.PDS-Fraktion die Freizügigkeit bezüglich der Dienstleistungen zu Recht beschneiden. Dies sind jedoch zwei Seiten derselben Medaille. Wer den deutschen Arbeitsmarkt schützen will, kann nicht einmal „Hü!“ und einmal „Hott!“ sagen. Da uns der vorliegende Antrag nicht weit genug geht, kündigen wir bereits jetzt für Anfang nächsten Jahres die Vorlage eines eigenen Antrags zur EU-Dienstleistungsrichtlinie an.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Das sind ja schlimme Nachrichten!)

Wir lehnen den verlogenen Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion ab, würden uns jedoch einer Ausschussüberweisung nicht verwehren. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Als nächsten Redner rufe ich den Abgeordneten Karney von der CDU-Fraktion auf. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission will mithilfe einer Richtlinie den Binnenmarkt für Dienstleistungen vollenden und die noch bestehenden Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen Mitgliedsstaaten für EU-Unternehmen beseitigen.

Ziel der EU ist es, den Wettbewerb im europäischen Dienstleistungssektor insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zur Nutzung der Vorteile des Binnenmarktes zu stärken. Dadurch werden neue Impulse für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung erwartet. Der ursprüngliche Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie stammt aus dem Jahr 2004 und wurde von der EU-Kommission unter Romano Prodi entworfen.

Damals hagelte es verstärkt Kritik aus Paris und Berlin, denn man befürchtete Dumpinglöhne und eine Aufweichung des Arbeitsschutzes. Unter der neuen Kommission wurde die Richtlinie wesentlich verändert. Dass diese Abstimmungen mit den einzelnen Ländern und Abgeordneten ihre Zeit brauchten, werte ich als eher positives Zeichen, denn dadurch, dass der Abstimmungsprozess so intensiv war, erhöhten sich die Chancen, dass der jetzige Entwurf des zuständigen Ausschusses auch das Parlament passieren wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren vom linken Rand des Plenarsaales, Ihr Antrag ist eindeutig nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge, sondern veraltet und damit für die berühmte Rundablage. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments hat im November ein Votum zur EU-Dienstleistungsrichtlinie gefasst. Man kann davon ausgehen, dass das beschlossene Konzept den Weg durch das Parlament finden wird.

Ich möchte an dieser Stelle einige Beispiele für Ihre Verspätung aufzeigen. Sie fordern, dass audiovisuelle Dienstleistungen wie Rundfunk oder Filmförderung aus der Richtlinie herausfallen. Genau das ist in dem Beschluss des Ausschusses enthalten. Sie wollen den Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips kritisch prüfen. Tun Sie das, aber der EU-Ausschuss hat das längst getan und das Prinzip durch eine moderate Regelung zum anwendbaren Recht ersetzt. Weiterhin befürchten Sie einen Eingriff in das Subsidiaritätsprinzip der einzelnen Mitgliedsländer. Auch hier haben Sie wieder einmal die Welt verschlafen. Es ist sichergestellt, dass die Richtlinie die staatliche und kommunale Daseinsvorsorge nicht einschränkt. Die Definitionsgestaltung sowie die Finanzierungshoheit der Mitgliedsstaaten bleiben unangetastet. Den Besonderheiten von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird innerhalb der Richtlinie Rechnung getragen.

Sie sehen also, meine verehrten Damen und Herren von der Linkspartei.PDS-Fraktion, die Europäische Union ist weiter, als Sie es jemals sein werden. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen. Es macht keinen Sinn, sich gegen laufende Prozesse in der EU zu stellen. Wir sollten und werden stattdessen die Prozesse als Chance nutzen, die Entwicklung der Europäischen Union produktiv mitzugestalten. Irland ist das beste Beispiel dafür, wie man diese Chance nutzen kann. Das Land hat es verstanden, die Liberalisierung der Märkte zu nutzen; es ist von einem EU-Subventionsempfänger zu einer wachsenden Wirtschaftsregion aufgestiegen. Tun wir es den Iren gleich und machen wir uns endlich auf den europäischen Weg der Liberalisierung! Ich denke, nur so können wir von der Entwicklung profitieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Frau Osten [Die Linkspar- tei.PDS]: Da tut man einmal etwas für die Mitglieder der Handwerkskammer!)

Danke sehr. Für die Landesregierung erhält der Chef der Staatskanzlei, Herr Appel, das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Kaum ein anderes europäisches Rechtsetzungsvorhaben wird derzeit so aufmerksam beobachtet wie der Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Das hat die Debatte deutlich gezeigt.

Obwohl wir noch am Anfang des Gesetzgebungsprozesses stehen, wurden kürzlich entscheidende Weichen gestellt. Ende November hat der federführende Ausschuss des Europäischen Parlaments einen Kompromiss zu den über 1 000 Änderungsanträgen erzielen können; das ist beachtlich.

(Bochow [SPD]: 1 600!)

Anfang 2006 soll auf dieser, im Übrigen nach Auffassung der Landesregierung tragfähigen Grundlage die 1. Lesung im Europäischen Parlament stattfinden. Fest steht: Mit der Dienstleistungsfreiheit gibt es im europäischen Binnenmarkt die größten Probleme. Dienstleistungen machen zwar 70 % des Bruttoinlandsprodukts und 70 % der Arbeitsplätze in Deutschland und in der EU aus, aber nur 20 % der grenzüberschreiten

den Wirtschaftstätigkeit innerhalb der EU sind Dienstleistungen.

Die geplante Dienstleistungsrichtlinie will dieses Missverhältnis beseitigen. Mit ihr werden rechtliche, administrative und praktische Hindernisse für grenzüberschreitende Dienstleistungen - ich denke, die wollen wir alle - abgebaut. Die Kommission geht das bestehende Problem mit dem so genannten horizontalen Ansatz an; der Abgeordnete Christoffers hat es erwähnt. Damit - ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt – will sie eine Regelungsflut von etwa 30 bis 40 neuen Richtlinien vermeiden, die branchenspezifisch ausgerichtet werden müssten. Eine andere Herangehensweise würde nach Auffassung der Landesregierung jede dynamische Entwicklung der freien Erbringung von Dienstleistungen hemmen.

Seit Anbeginn ist die Frage umstritten, wie weit die geplante Richtlinie reichen soll, insbesondere wenn es um den Begriff der Daseinsvorsorge geht. Im Interesse einer sachlichen Diskussion muss klar differenziert werden. Der im Ausschuss des Europäischen Parlaments erzielte Kompromiss tut dies unserer Meinung nach: Es geht einerseits um die so genannten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und andererseits um so genannte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sollen gar nicht erst vom Richtlinienvorschlag erfasst sein. Was im Einzelnen darunter zu verstehen sein wird, sollen die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen können. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse - das sind Leistungen wie Wasser-, Elektrizitäts-, Gasversorgung, öffentlicher Transport sowie Abfallwirtschaft - sollen nur beschränkt erfasst sein.

Der Text, der dem Europäischen Parlament zur 1. Lesung vorliegen wird, stellt dazu klar, dass die geplante Richtlinie weder zu einer Liberalisierung noch zu einer Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen des Dienstleistungssektors zwingt. Das Herkunftslandprinzip soll in diesem Bereich ausdrücklich keine Anwendung finden.

Die Landesregierung betonte immer, dass über die in dem Richtlinienvorschlag ohnehin schon vorgesehenen Ausnahmen hinaus weitere Ausnahmen im Sinne einer Herausnahme aus dem Geltungsbereich erforderlich sind. Dazu konnte man sich im Ausschuss des Europäischen Parlaments auf die Bereiche der audiovisuellen Dienstleistungen, des Glücksspiels, der Tätigkeit von Rechtsanwälten und Notaren sowie - ein sehr wichtiger Bereich - der Gesundheitsdienste verständigen. Diese Schritte gehen in die richtige Richtung.

(Bochow [SPD]: Das haben wir im Antrag!)

Dreh- und Angelpunkt des Richtlinienentwurfs ist das Herkunftslandprinzip. Dieses Prinzip ist nach Auffassung der Landesregierung grundsätzlich der richtige Ansatz, um Dienstleistungsmärkte in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu öffnen.

Zum Herkunftslandprinzip wird vertreten, dass dieses sich besser nur auf den Marktzugang beziehen sollte. Demgegenüber sollten für die Modalitäten der Dienstleistungserbringung die zu beachtenden Normen sowie technischen und sozialen Standards des Bestimmungslandes gelten.

Nach dem nun abgestimmten Text soll zwar grundsätzlich das Herkunftslandsprinzip gelten, jedoch begleitet durch eine na

tionale Schutzklausel. Aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit bzw. des Umweltschutzes kann von ihr Gebrauch gemacht werden. Ein Beispiel: An den hohen deutschen Anforderungen an die Ingenieurqualifikation wird sicherlich festgehalten werden. Die am Gesetzgebungsprozess Beteiligten gehen durchaus mit Augenmaß an die Sache. Deshalb ist es auf dem heutigen Stand der Debatte nicht richtig, zu argumentieren, das Herkunftslandprinzip sei mit gewissen nationalen Schutzstandards schlicht unvereinbar. Das schließt einander nicht aus.

Lassen Sie mich noch auf Folgendes ausdrücklich hinweisen: Nach dem dem Europäischen Parlament vorzulegenden Text der Dienstleistungsrichtlinie wird die Entsenderichtlinie - die Möglichkeit zur Festlegung von nationalen Mindestlöhnen sowohl dem Wortlaut als auch der Sache nach neben der geplanten Dienstleistungsrichtlinie volle Gültigkeit haben.