Protocol of the Session on June 21, 2001

Ich komme zum letzten Problemkreis, dem Rindfleischmarkt. Leider gibt der Agrarbericht keine Auskunft darüber, wie hoch in Brandenburg die aus der Rinderhaltung erzielten Verkaufserlöse sind. Trotzdem sind schon heute Defizite in Millionenhöhe aufgrund des Niedergangs des Rindfleischmarktes vorauszusagen. Insbesondere für viele auf Futterbau und Veredelung spezialisierte Betriebe ist der Zusammenbruch des Rindfleischmarktes eine existenzielle Bedrohung.

Frau Abgeordnete, bitte schließen Sie Ihren Beitrag.

Möglicherweise muss sich die Landwirtschaft langfristig auf

eine geringere Verbrauchernachfrage nach Rindfleisch und Fleisch überhaupt einstellen. Das Zurückfahren der Produktion darf aber nicht im Crashkurs erfolgen. Das darf unter anderem auch deshalb nicht geschehen, weil es eine enge Verflechtung mit der Milchproduktion gibt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Woidke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das erste Jahr unter den Bedingungen der Agenda 2000 liegt hinter uns. Der vorliegende Bericht zur Lage der Land- und Ernährungswirtschaft des Landes Brandenburg liefert eine Fülle an statistischem Material und ist aus dieser Sicht eine große Fleißarbeit. Er ist aber teilweise nur eine Situationsbeschreibung und gibt vor allen Dingen nur teilweise eine Beschreibung der Stimmung in den Agrarbetrieben unseres Landes wieder.

Frau Wehlan hat schon einige Worte zur Entwicklung der Betriebe gesagt. Es ist zu bemerken, dass sich die Steigerung der Produktion und des Gewinns in den Marktfruchtbetrieben nur auf einen Teil unseres Landes bezieht. Andere Landesteile hatten im vergangenen Jahr mit der großen Trockenheit in den Monaten Mai/Juni zu kämpfen. Es kam besonders bei den Getreidebeständen auf leichten Standorten zu sehr hohen Ertragseinbußen.

Das Land Brandenburg hat sein Versprechen gehalten und in ihrer Existenz extrem bedrohten Unternehmen einen Zuschuss von insgesamt 441 000 Mark bezahlt. Für die schnelle und unbürokratische Bereitstellung der Gelder möchte ich mich an dieser Stelle im Namen vieler betroffener Betriebe aus der Lausitz besonders bei Herrn Minister Birthler und seinen Mitarbeitern bedanken.

(Beifall des Abgeordneten Kolbe [SPD])

Der Rückgang der Rinderbestände um 5 % und der Schweinebestände um fast 2 % sind Alarmsignale. Kann man bei den Rindern diesen Rückgang noch der BSE-Krise zurechnen, so ist der gleichzeitige Rückgang bei den Schweinebeständen bei relativ hohen Preisen schon schwieriger zu erklären. Tatsache ist, dass jedes Prozent Rückgang in den Tierbeständen einen Verlust an Arbeitsplätzen sowohl in der Primärproduktion als auch in der Verarbeitung bedeutet. Diese Arbeitsplatzverluste schmerzen im strukturschwachen ländlichen Raum besonders.

Wir müssen darüber nachdenken, wie wir durch die künftige Gestaltung der Investitionsförderung im Bereich der Landwirtschaft diese Arbeitsplätze auch in Zukunft sichern können. Die Investitionen in der Landwirtschaft haben sehr viel mit Vertrauen in die Zukunft der Landwirte zu tun. Hierbei hat die BSE-Krise nicht nur zu einer tiefen Vertrauenskrise der Verbraucher zur Landwirtschaft, sondern auch innerhalb der Landwirtschaftsbetriebe zu einer großen Verunsicherung geführt.

Es wurde an dieser Stelle schon mehrfach gesagt, aber ich möchte es wiederholen: Die Landwirte sind größtenteils die Opfer und nicht die Täter. Die Vertrauenskrise der deutschen Landwirtschaft ist nicht auf deutschen Höfen gemacht worden, sondern in deutschen und europäischen Beamtenstuben. Wenn diese Leute, die jahrzehntelang die Rahmenbedingungen gesetzt haben, jetzt von Agrarwende, Modulation oder ähnlichen Sachen reden, dann läuft es nicht nur den Brandenburger Bauern kalt den Rücken herunter.

Die Verunsicherung in der deutschen Landwirtschaft muss schnellstmöglich beendet werden. Investitionen als Wechsel auf die Zukunft müssen wieder möglich werden. Die Bundesministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz muss endlich klar sagen, wie und wohin sie die deutsche Landwirtschaft entwickeln will. Es kann nur - wie es der Vorsitzende des Agrarausschusses, Dombrowski, auf der Bauernversammlung in Paaren sagte - um eine Weiterentwicklung gehen und diese muss schnellstmöglich passieren. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank. - Das Wort geht an den Abgeordneten Claus. Er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Was macht man eigentlich, wenn man unbequeme Wahrheiten nicht länger verbergen kann und darüber berichten muss? Der Berichterstatter muss also so schreiben, dass Negatives in einem positiven Licht erscheint. Lassen Sie mich einen Satz aus der Kurzfassung des Agrarberichtes 2001 zitieren, damit Sie nachvollziehen können, was ich damit meine:

„Die Zentren im äußeren Entwicklungsraum fungieren mit einem Beschäftigtenbesatz, der zum Teil mehr als 60 % über den vergleichbaren Werten der anderen ländlichen Teilräume liegt, weiterhin als Arbeitsmarktzentren im ländlichen Raum.”

Die Passage „60 % mehr” hat man vielleicht noch behalten. Das hört sich eigentlich positiv und beeindruckend an. Leider ist genau das Gegenteil richtig. Dieses gespreizte Wortungetüm bedeutet nichts anderes, als dass in den von besonders hoher Arbeitslosigkeit geplagten Gebieten außerhalb des Berliner Speckgürtels ein krasses Arbeitsplatzgefälle zwischen Stadt und Land besteht, und zwar bis zu 60 %. Das bedeutet weiter, dass auf dem flachen Land fast niemand mehr einen ungeförderten Arbeitsplatz am Wohnort findet. Folgerichtig sind daher immer mehr Menschen zum Wegzug gezwungen. Der Beschäftigungsanteil in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei liegt laut Bericht bei nur noch 4 %.

Die Frage ist nun, worauf sich dieser Beschäftigungsanteil bezieht. Der Leser oder Hörer sagt natürlich sofort: Ist doch klar, diese 4 % beziehen sich auf die Gesamtbeschäftigten im Land Brandenburg. Das ist richtig, doch so hätten Sie es auch ungefähr schreiben sollen. Diese 4 % erwecken den Eindruck, dass

auf je 100 arbeitsfähige Personen noch vier im landwirtschaftlichen Bereich Tätige kommen. Klar ist, dass dann die daneben liegenden Städte im Vergleich als wahre Arbeitsplatzoasen angesehen werden können, wenn je Dorf vielleicht noch fünf Personen dort Lohn und Arbeit finden. Es kommt halt immer auf die Perspektive an.

Welche Zukunft unter diesen Gesichtspunkten der berlinferne ländliche Raum hat, mag jeder selbst beurteilen. Somit kommt man nicht umhin, im Bericht zu bekennen, dass sich die Arbeitsplatzdefizite im Laufe der Jahre verfestigt haben. Defizite bedeuten Lücken im Arbeitsplatzangebot. Tatsächlich ist jedoch auf dem flachen Land ein ungeförderter Arbeitsmarkt gar nicht mehr vorhanden. Das bestätigt auch der Bericht.

Nach der Kurzfassung wird zur Förder- und Strukturpolitik übergeleitet. Früher galt der Spruch: „Hat der Bauer Geld, hat’s die ganze Welt!” Die Älteren von Ihnen werden den Spruch vielleicht kennen. Wie gesagt, das galt früher. Wie sieht es heute aus? Die Landwirtschaft in Brandenburg wird mit über 75 % Fördermittel gestützt.

Ich komme zum Schluss des Berichtes, und zwar zu BSE und zu MKS. Da erst am 24. November in Deutschland die erste BSEpositiv getestete Kuh auftauchte, verhagelte die 2000er Bilanz nicht ganz so sehr. Die Auswirkungen, meine Damen und Herren, werden wir im nächsten Bericht der Landesregierung lesen können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion, an den Abgeordneten Helm.

Bevor er beginnt, darf ich herzlich junge Gäste aus Zeuthen von der dortigen musikbetonten Gesamtschule begrüßen. Gestern waren offensichtlich bereits andere Schüler dieser Schule hier. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte, Herr Helm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wäre der vorliegende Bericht Anlass für eine Grundsatzdebatte - da stimme ich mit Ihnen, Frau Wehlan, überein -, da verschiedene Bundesländer jetzt die Probleme der Landwirtschaft zum Schwerpunktthema machen; denn hier geht es nicht um irgendetwas, hier geht es um die Zukunft eines ganzen Wirtschaftszweiges, der auf dem Spiel steht.

Von den insgesamt zur Agrarförderung ausgezahlten Haushaltsmitteln wurden im Haushaltsjahr 2000 circa 74 % von der EU, 19 % vom Bund und ganze 7 % vom Land bereitgestellt. Das zeigt, welchen politischen Handlungsspielraum wir im Agrarbereich noch haben und wo Agrarpolitik eigentlich betrieben wird. Anerkennung verdienen in diesem Zusammenhang in jedem Fall die Mitarbeiter des MLUR, die sich mit den Haushaltsfragen befassen und Wege gefunden haben, mit diesem ge

ringen Anteil von Landesmitteln die Förderung des Agrarbereiches in dem Umfang sicherzustellen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Woidke [SPD])

Der Agrarbericht wird alljährlich auf der Grundlage des Landwirtschaftsfördergesetzes erarbeitet. 1994 geschah die Festschreibung dieser Berichterstattung vor dem Hintergrund, dass Agrarpolitiker gesagt haben, damit bestehe die Möglichkeit, mindestens einmal im Jahr Landwirtschaftspolitik im Landtag zu diskutieren und allen Abgeordneten und darüber hinaus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Heute, einige Jahre später, sind die Dinge doch mit etwas mehr Nüchternheit zu betrachten. Gerade der vorliegende Bericht, der sich in seiner Haupttendenz auf Daten des Vorjahres bezieht, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend überholt sind, die die jüngsten Entwicklungen, die wir in der Landwirtschaft mit BSE und MKS zu verzeichnen hatten, nicht widerspiegeln, gar nicht widerspiegeln können, lassen diese jährliche Berichterstattung in einem etwas anderen Licht erscheinen, zumal man dazu feststellen kann, dass der Agrarbericht nicht der einzige Bericht ist und nicht das einzige Datenmaterial, das der Öffentlichkeit zugänglich ist. Ich möchte nur an den statistischen Jahresbericht erinnern.

Wir sollten uns im Agrarbereich darüber verständigen, ob wir die jährliche Berichterstattung, die in jedem Jahr eine große Fleißarbeit darstellt, in dem Umfang und in der Ausführlichkeit weiterhin aufrechterhalten oder ob wir Änderungen veranlassen wollen. Der jährliche Bericht sollte bleiben, aber über den Inhalt der Berichterstattung sollten wir uns im Agrarausschuss noch einmal unterhalten; denn das, was vorliegt, ist in dieser Form aus meiner Sicht nicht immer notwendig.

Zu den Belastungen, denen die Landwirtschaftsbetriebe im letzten Jahr ausgesetzt waren, gehört auch neben politischen Entscheidungen, Dürre, BSE und MKS die Tatsache, dass die Preise für landwirtschaftliche Produkte insgesamt nur um 1,2 % gestiegen sind, während die Einkaufspreise für Betriebsmittel mit 5 % wesentlich stärker als die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise angestiegen sind. Daraus summiert sich eine zusätzliche Belastung gegenüber den Zahlen im Agrarbericht von circa 200 DM pro Hektar in der Negativbilanz. Danach kann sich jeder ausrechnen, wie es tatsächlich aussieht.

Im Vergleich der alten mit den neuen Ländern zeigt sich deutlich die Tendenz, dass es nach wie vor eine erhebliche Unterkapitalisierung der Landwirtschaftsbetriebe in Brandenburg im Vergleich zu den alten Ländern gibt. Das wird insbesondere bei der Eigenkapitalausstattung deutlich. Die Ursachen dafür liegen natürlich vor allem auch in den geringen Viehbeständen, die in Brandenburg gehalten werden. Mit 0,49 Vieheinheiten je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gehört Brandenburg zu den Bundesländern mit dem geringsten Viehbesatz überhaupt. Insofern sind die von der Agrarministerin Künast verkündeten Ziele bezüglich einer extensiven Landwirtschaft in diesem Bereich längst erreicht. Das heißt nicht, dass wir das Gerede von der Agrarwende unterstützen wollen. Allein mit der Förderung des ökologischen Landbaus, und das zulasten der übrigen Betriebe, ist es nicht getan. Eine Landwirtschaftspolitik kann nicht darauf ausgerichtet sein, nur maximal 20 % der Betriebe irgendwann erfassen zu wollen und zu fördern. Die Bauern brauchen in allen

Betriebsformen und allen Wirtschaftsweisen verlässliche Bedingungen für ihre Betriebe.

Das ist auch ein Grundsatz für Nachhaltigkeit, ein Begriff, der in der Politik mehr und mehr strapaziert und von den meisten inhaltlich nicht erfasst und begriffen sowie auch nicht tatsächlich umgesetzt wird.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja, bitte.

Herr Homeyer, bitte.

Herr Kollege Helm, wir sind nicht alles Landwirtschaftsexperten. Deshalb habe ich eine Frage. Können Sie bitte einmal erklären, was integrierte nachhaltige Produktion eigentlich ist?

Herr Präsident, wie viel Zeit geben Sie mir dafür?

Machen Sie es doch bilateral.

(Zurufe)

Es interessiert alle. Gut, dann machen wir einen Einschub.

Ich werde versuchen, es kurz zu machen. Die ausführliche Darstellung können wir sicherlich im persönlichen Gespräch nachholen.

Herr Homeyer, es ist klar, die Begrifflichkeit ist teilweise verwirrend: ökologisch, konventionell, integriert, nachhaltig. Um eines zu sagen: Integrierte nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft heißt nichts weiter als ordnungsgemäße Landwirtschaft. Auch wenn da Kritik kommt, das weiß ich, gehen Sie aber davon aus, dass 45 Jahre Berufsleben eigentlich ausreichen müssten, um das zu untermauern, was ich hier sage.