Ich habe zu Ihren ersten Ausführungen eine Frage. Sie sagen, dass dieser Antrag sachlich unzutreffend sei. Sie waren doch auf der gestrigen Veranstaltung anwesend. Ich möchte Sie fragen: Wie empfanden Sie die Forderungen der Verbände und sogar der AWO, die meines Erachtens sehr SPD-dominiert ist?
Frau Bednarsky, ich war mit meinen Ausführungen noch nicht so weit. Ich werde auf die gestrige Veranstaltung noch kurz eingehen.
Sie werten die in den Pflegeheimen geleistete Arbeit pauschal ab und schüren die Angst älterer Menschen vor solchen Einrichtungen.
Danach wird dann im Text der Eindruck erweckt, gerade auf die speziellen Bedürfnisse älterer Behinderter werde in Brandenburg nicht eingegangen. Dem ist ausdrücklich zu widersprechen. Mit dem Halbsatz - ich zitiere - „um wie die nicht behinderten Senioren auch am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können” entlarvt sich Ihr Standpunkt dann zu einem gewissen Teil selbst. Wenn auf die besonderen Bedürfnisse von Behinderten eingegangen werden soll - bei diesem Anliegen haben Sie mich als engagierte Mitstreiterin an Ihrer Seite -, dann kann die Zielstellung nicht lauten: Leben wie nicht Behinderte.
Zum Abschluss des ersten Teils erweckt der Antrag schließlich den Eindruck, das Thema „Senioren mit geistiger Behinderung”
stelle in Brandenburg völliges Neuland dar. Sie müssten es eigentlich besser wissen. Ich denke, Herr Minister Ziel wird in seinem Redebeitrag die Chance nutzen, kurz auf die bisherigen Aktivitäten der Landesregierung hinzuweisen.
Da Ihre letzte Einschätzung nicht stimmt, stehen auch die vier Forderungen, in die Ihr Antrag mündet, letztlich auf tönernen Füßen. Eine Arbeitsgruppe beim Landesamt für Versorgung und Soziales gibt es bereits. Eine Veranstaltungsreihe, Modellversuche auf Landesebene und die Herausgabe von Dokumentationen wären vielleicht angebracht, wenn man ein neues Thema angeht. Dies ist hierbei aber nicht der Fall.
Die Bedürfnisse älterer Behinderter sind sehr individuell. Deshalb muss es dafür individuelle Lösungen und Angebote geben, die vor Ort gefunden werden müssen.
Ich erinnere dabei an die von Ihnen erwähnte Veranstaltung der Arbeiterwohlfahrt am gestrigen Tag unter dem Motto „Alt und behindert - Ende der Integration”. In einem Gespräch im Anschluss an die Fachtagung mit Herrn Strengler, dem Projektleiter eines lokalen Modellprojektes zur Integration Behinderter in Hamburg, warnte dieser ausdrücklich vor großen, aufgesetzten Konzepten; viel besser sei es, kleine, lokale Integrationsprojekte zu unterstützen.
Genau dieser Empfehlung werden wir als SPD-Fraktion folgen. Eine fachliche Begleitung der Thematik im Ausschuss befürworten wir ausdrücklich. Das Thema ist damit also nicht vom Tisch, auch wenn wir den heutigen Antrag wegen seiner inhaltlichen Schwächen ablehnen werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Frau Schildhauer-Gaffrey. - Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Fechner für die Fraktion der DVU.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war klar, dass die PDS-Fraktion ihren Antrag wieder einmal mit der NS-Keule kommentiert. Stellen Sie sich einmal vor, dass es diese unseligen und verwerflichen zwölf Jahre nicht gegeben hätte. Womit würde die PDS dann ihren Antrag begründen?
Doch um es deutlich zu sagen: Selbstverständlich setzen auch wir uns dafür ein, dass Senioren mit geistiger Behinderung eine soziale Umgebung vorfinden, die ihnen ein menschenwürdiges und möglichst eigenständiges Leben ermöglicht. Dazu zählt auch das Angebot eines sinnvollen Konzeptes für die Menschen, welche aufgrund ihrer Behinderungen nicht mehr allein in der Lage sind, ihren Tagesablauf zu ordnen.
So herum betrachtet, könnten wir dem Antrag eigentlich zustimmen, wenn er nicht nur aus hohlen Worthülsen bestünde und offensichtlich ein neues Arbeitsbeschaffungsprogramm für unterbeschäftigte SED-Soziologen darstellte.
Nehmen wir uns daher einmal vor, was der Landtag alles so feststellen soll. Zunächst einmal soll er pauschal feststellen, dass der demographische Wandel auch zu einem Strukturwandel in den Einrichtungen und ambulanten Diensten führt. Das Wort „Strukturwandel” klingt doch ziemlich bedeutend. Was bedarf es da noch eines Inhaltes oder einer Erläuterung, was konkret gemeint ist?
Daran schließen sich alle wissenschaftlichen Prognosen an. Welche das im Einzelnen sind, auf die man sich beruft, ist unerheblich. Denn wer will schon als Nichtfachmann den Wissenschaftlern widersprechen? Das wäre das Gleiche, als wenn die Genossen den Lehren von Marx widersprechen würden.
Da also anonyme Wissenschaftler einen pauschalen Strukturwandel feststellen, muss sich das Land Brandenburg auf neue Anforderungen einstellen. Welche das sind, ist erst einmal egal. Damit ist das erste Viertel des PDS-Antrages auf dem Papier untergebracht.
Nun wird ein Rundschreiben zitiert, dessen Inhalt eher zur Begründung des Antrages taugt denn als Feststellung des Landtages. Anschließend schlägt man den Zirkel zu den nichtbehinderten Menschen, denen vom Landtag pauschal unterstellt werden soll, nach einem erfüllten Arbeitsleben gelänge es ihnen mitunter nur schwer, nicht in Gleichgültigkeit und Langeweile zu versinken. Im Umkehrschluss lese ich daraus, dass es nur wenigen älteren Menschen mit Leichtigkeit gelingt, sich nicht zu Autisten zu entwickeln. Das ist natürlich absurd.
Beendet werden diese Feststellungen mit einem unverbindlichen „sollte”. Man sollte Konzeptionen und Modellversuche starten. Welche das sind, ist erst einmal egal.
Doch so richtig lässt die Antragstellerin auf der nächsten Seite die Katze aus dem Sack. Offenbar soll die Landesregierung ansonsten unterbeschäftigten und arbeitslos werdenden Experten neue Aufgabenfelder zur Selbstbefassung zuweisen.
Der Grund, weshalb ich befürchte, dass es für die betroffenen älteren Behinderten nicht besser wird, sondern schlechter, ist, dass aufgrund einer fremdbestimmten und bürgerfeindlichen Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik immer weniger Mittel vorhanden sind, die den Betroffenen einen erfüllten Lebensabend ermöglichen. Genau da hätten Sie einhaken müssen. Deshalb werden wir diesem Worthülsen-Antrag der PDS nicht zustimmen.
Zum Abschluss meiner Rede sei mir noch eine Bemerkung gestattet. Es verwundert mich doch immer wieder, wie wandlungsfähig Ihre Partei ist. „Vom Saulus zum Paulus”, sagt man so schön. Ich kann mich noch an die DDR-Zeiten erinnern, in denen alte, kranke Behinderte einfach in Heime weggeschlossen worden sind. Wenn diese Leute Ihren heutigen Antrag lesen könnten, sie würden ihn als Hohn empfinden. - Ich danke.
Danke, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht an die Abgeordnete Frau Marquardt für die Fraktion der CDU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS verweist in ihrem Antrag auf ein absolut nicht unbekanntes Problem und auf einen von der Wissenschaft schon seit längerem begleiteten und untersuchten Prozess. Es bedarf keiner Aufforderung an die Landesregierung, sich dieser Problematik anzunehmen.
Das von allen bisherigen Rednern festgestellte zunehmend höhere Lebensalter unserer Bürger führt zwangsläufig dazu, dass wir mehr ältere Menschen zu betreuen haben, die eine geistige Behinderung aufweisen, aber auch eine größere Anzahl von Menschen, die durch Hirnleistungsschwäche oder durch eine Beeinträchtigung von so genannten psychischen Normalfunktionen mit veränderten Verhaltensmustern bzw. Handlungsmustern umgehen. Wenn wir feststellen, dass wir uns den Menschen mit geistiger Behinderung im Alter besonders zuwenden sollten, dann trifft das genauso den Kern wie die Aussage, dass wir insgesamt eine große Anzahl von veränderten Verhaltensmustern in dem so genannten normal alt werdenden Kreis haben.
Wir alle kennen den soziologischen Begriff des Pensionierungsschocks, auf den der eine in stärkerem Maße und der andere in schwächerem Maße mit einem gestörten Verhalten reagiert. Wenn Sie davon ausgehen, dass ältere behinderte Menschen, die nicht mehr die Werkstätten besuchen, schneller pflegebedürftig werden, dann kann man das nicht leugnen, aber das gilt, wie eben festgestellt, genauso für den anderen Peronenkreis der älter Werdenden.
Wenig sinnvoll, weil auch sehr allgemein gehalten, sind Ihre Forderungen dahin gehend, dass sich die Wissenschaft mit dieser Thematik zu beschäftigen habe. Wie man heute schon im Internet sehen kann, gibt es bereits jede Menge grenzüberschreitender Projekte, etwa zwischen den Niederlanden und Deutschland, die sich eindeutig mit dieser Problematik beschäftigen und Lösungsansätze vorschlagen.
Es bedarf einer weitaus komplexeren Betrachtungsweise, bei der in den Forschungsprojekten unter anderem das multifaktorielle Geschehen, die möglichen Ursachen und Unterscheidungsformen untersucht werden, damit die theoretisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Praxis besser händelbar gemacht werden, das heißt, wir brauchen keine gesonderten Modellversuche oder andere Veranstaltungsreihen. Wir haben gerade die Woche der Senioren hinter uns. Überall hat man sich auch mit der Problematik des veränderten Verhaltens im Alter, mit der zunehmenden Zahl der Alzheimer-Erkrankungen und den möglichen Gegenstrategien, die man bedenken muss, beschäftigt. In umfassender Form beschäftigen sich beispielsweise das Deutsche Zentrum für Altersforschung der Ruprecht-KarlsUniversität in Heidelberg und die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie mit den vielschichtigen Problemen.
Mit bereits vorhandenen Ideen und Konzepten befassen sich unsere sozialen Dienste nicht erst seit heute bzw. sollen einen entsprechenden Auftrag dazu bekommen.
Wenn man in die Praxis geht, dann kann man also sehr wohl feststellen, dass es bereits entsprechende Projekte gibt. Dabei denke ich etwa daran, dass in Eisenhüttenstadt bereits seit gut sieben Jahren eine Einrichtung existiert, die mit geistig behinderten alten Menschen in dieser Form arbeitet und damit auch zur Familienentlastung beiträgt.
Es wird also bereits vieles getan. Wenn dies nicht in einem groß angelegten Stil geschieht, dann deshalb, weil der jeweilige Einzelfall und die regionalen Bedarfe berücksichtigt werden müssen, das heißt, weil das nicht in einer administrierenden globalen Form geschehen kann.
Die sozialen Organisationen stellen sich, wie gesagt, bereits seit Jahren planerisch auf die Strukturveränderungen ein und sind durch veränderte Betreuungs- und geragogische Strategien an der Lösung des Problems.
Wir würdigen in diesem Jahr ganz besonders die ehrenamtlich tätigen Menschen. Ehrenamtliche Arbeit findet auch gerade im Bereich der geistig behinderten Älteren statt.
Kommunikation und Aufbau ganz persönlicher Beziehungen, das heißt, wenig wechselnde Kontaktpersonen, das individuelle Umgehen mit der einzelnen Lebensbiographie, sind für jeden alten Menschen, aber insbesondere für alte Menschen mit einer geistigen Behinderung wichtig.
Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, dass wir uns im zuständigen Fachausschuss mit der Thematik befassen und auch den jeweiligen Stand der Dinge im Lande verfolgen. Aber wir halten den Antrag einfach für zu allgemein und können ihm nicht zustimmen, weil die praktischen Gegebenheiten das einfach nicht zulassen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Marquardt, und gebe das Wort an die Landesregierung. Herr Minister Ziel, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Angst, meine Damen und Herren von der PDS, auch die Landesregierung hat die demographische Entwicklung im Blick.
Im Dezember 1999 lebten in den stationären Einrichtungen Brandenburgs mehr als 8 300 chronisch kranke und behinderte Menschen, von denen mehr als 10 % älter als 65 Jahre und knapp 18,5 % älter als 60 Jahre waren. Auch wir wissen, dass der Anteil älterer Menschen mit Behinderungen in den nächsten Jahren deutlich steigen wird. Deshalb ist es seit Jahren ein Hauptanliegen der Behindertenpolitik in unserem Lande, bedarfs- und altersgerechte Betreuungsstrukturen aufzubauen und das Niveau der ambulanten und stationären Versorgung im Lande weiter zu verbessern.
Wir waren hier keineswegs untätig. Beispielsweise existiert die von Ihnen geforderte Arbeitsgruppe im Landesamt für Soziales und Versorgung bereits und sie wird durch das zuständige Fachreferat meines Hauses unterstützt. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Entwicklung analysiert die Arbeitsgruppe die Daten in diesem Bereich, um daraus notwendige Schritte für die materiellen und personellen Hilfebedarfe abzuleiten.
Bei allem, was wir heute tun, geht es uns um Normalität. Die Grundbedürfnisse behinderter Menschen unterscheiden sich nicht grundlegend von den Bedürfnissen Nichtbehinderter. Sie
wollen nicht isoliert sein, sie wollen in vertrauter Umgebung leben, sie wollen Hilfe für die Freizeitgestaltung, sie wollen in gewachsenen sozialen Beziehungen Hilfe von vertrauten Menschen. Deshalb muss es weiterhin unser Ziel sein, Menschen mit Behinderungen auch bei zunehmendem Alter und wachsender Pflegebedürftigkeit das gewohnte Umfeld, das heißt zum Beispiel das lebenslange Wohnrecht in den Einrichtungen, zu erhalten. Dieses Normalisierungsprinzip war und ist der Leitgedanke der Behindertenpolitik.
Die Qualität der Betreuung und Versorgung hängt stets auch davon ab, wie es den Trägern gelingt, die räumlichen, sächlichen und personellen Gegebenheiten auf die konkreten Bedürfnisse behinderter Menschen auszurichten. Wir haben deshalb mit den Trägern so genannte Personalwerte verabredet, um alten Menschen mit Behinderungen tagesstrukturierende Maßnahmen im Rahmen der Ganztagsbetreuung anbieten zu können.