Protocol of the Session on June 20, 2001

Die Qualität der Betreuung und Versorgung hängt stets auch davon ab, wie es den Trägern gelingt, die räumlichen, sächlichen und personellen Gegebenheiten auf die konkreten Bedürfnisse behinderter Menschen auszurichten. Wir haben deshalb mit den Trägern so genannte Personalwerte verabredet, um alten Menschen mit Behinderungen tagesstrukturierende Maßnahmen im Rahmen der Ganztagsbetreuung anbieten zu können.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass wir unser Investitionsprogramm Pflege zügig verwirklichen. Hierbei handelt es sich um ein riesiges Investitionsprogramm des Bundes gemeinsam mit den neuen Ländern, das bis zum Jahre 2005 läuft. Mit dem Um- und Neubau von Wohneinrichtungen wachsen auch die Möglichkeiten, tagesstrukturierende Maßnahmen innerhalb der Einrichtungen noch besser durchzuführen.

Ich sage aber auch, dass es nicht allein unser Weg sein kann, zusätzliche Räume und Bauten zu errichten, was im Übrigen auch unser finanzielles Vermögen überstiege. Auch jeder Träger sollte Anlass sehen, die Situation zu analysieren und das Vorhandene flexibler zu nutzen. Auch das ist ein wichtiger Weg, um die Qualität der Betreuung auf die Bedürfnisse geistig behinderter älterer Menschen auszurichten.

Wir alle tragen Verantwortung in Bezug auf die Unterstützung behinderter Menschen, und zwar erst recht, wenn diese Menschen älter und in höherem Maße pflegebedürftig werden. Ich meine, das braucht keine Modellversuche; vielmehr braucht es gesellschaftliche Akzeptanz, Menschlichkeit, Teilhabe der betroffenen Menschen am gesellschaftlichen Geschehen und darauf sollten wir uns gemeinsam konzentrieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Ziel. - Damit kann ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt beenden und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der PDS beantragt, die Drucksache 3/2755 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag selbst. Wer der Drucksache 3/2755 der Fraktion der PDS seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Bundesratsinitiative zum Reformvorhaben der Bundesregierung zur Zivilprozessordnung

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2746

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung beabsichtigt eine grundlegende Reform der Zivilprozessordnung. Das Thema ist also brandaktuell. Detaillierter als Sie es bisher gewohnt waren, haben wir unsere Bundesratsinitiative formuliert. Heute möchte ich sie begründen.

Aus der Sicht der Fraktion der Deutschen Volksunion stellen sich im Zusammenhang mit diesem Reformwerk zwei grundlegende Fragen. Erstens: Wie gestalten wir den Zivilprozess möglichst bürgerfreundlich? Zweitens: Wie gestalten wir eine Reform des Zivilprozesses so, dass weder die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger geschmälert noch die Rechtssicherheit und die richterliche Rechtsfortbildung infrage gestellt werden?

Wir wollen nicht bezweifeln, dass der Zivilprozess durch eine Reform verbesserungsfähig ist. Grenzen sind aus unserer Sicht allerdings dort zu ziehen, wo das gegenwärtige System des Zivilprozesses an sich verändert werden soll. Dieses hat sich einschließlich der Instanzenzüge im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes bewährt. Das ist weltweit anerkannt.

Verbesserungsfähig ist die Verfahrensdauer vom Antragseingang bis zur Entscheidung. Man wird dabei jedoch unterscheiden müssen zwischen Defiziten der personellen oder sachlichen Ausstattung der Zivilgerichte und solchen, die in den gegenwärtigen Fassungen von Zivilprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ihre Grundlage haben. Nur letztere Defizite gehören aus der Sicht unserer Fraktion in die Zivilprozessreform. Defizite personeller oder sachlicher Natur sind hingegen mit entsprechenden Investitionsmaßnahmen zu beseitigen. Solche Investitionen sind sowohl zum Vorteil unserer Bürgerinnen und Bürger als auch der Staatskasse.

Ich verweise dazu auf die überzeugenden Ausführungen des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Brandenburg, Dr. Macke, im Rechtsausschuss. Danach führen sachliche und personelle Defizite der Zivilgerichte in Brandenburg zu Verfahrensstaus. Diese blockieren Investitionen in erheblicher Höhe. Das wiederum führt zu Einnahmeausfällen in den öffentlichen Kassen und ist dem Investitionsklima abträglich. Dies gilt für ganz Deutschland und nicht nur für Brandenburg.

Außerdem teilen wir Ihre Einschätzung, Herr Minister Schelter, dass eine effektiv arbeitende Justiz ein positiver Standortfaktor von erheblicher Bedeutung ist. Effektivität muss hierbei heißen:

kurze Verfahrenszeiten bei möglichst hoher Qualität der Entscheidungen. Gerade die Qualität von Entscheidungen hat hohen Stellenwert für deren Akzeptanz und den Rechtsfrieden.

Ich denke, aus meinen bisherigen Ausführungen ist zweierlei deutlich geworden. Erstens: Personelle oder sachliche Defizite lassen sich mit Gesetzesänderungen nicht ohne negative Auswirkungen auf den Rechtsschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger beseitigen. Zweitens: Eine Sparreform mit solchen Auswirkungen lehnt die Fraktion der Deutschen Volksunion entschieden ab. Das Reformwerk der Bundesregierung wird dem nach wie vor nicht gerecht. Die Mängel des Reformvorhabens wurden nur abgemildert, aber nicht beseitigt.

Wir haben unseren Antrag in zwei Teile untergliedert und unter erstens aufgeführt, was auf gar keinen Fall erfolgen soll, und unter zweitens aufgeführt, was auf jeden Fall der Reformgegenstand sein sollte.

Zu Erstens: Auf gar keinen Fall darf aus der Sicht der Deutschen Volksunion in irgendeiner Weise das bewährte Instanzenwesen der Zivilgerichte verändert werden. Das betrifft die beabsichtigte gravierende Aushöhlung der landgerichtlichen Zuständigkeiten und die Überfrachtung der Oberlandesgerichte mit Zuständigkeiten, welche sie bisher nicht hatten. Es gilt aus der Sicht meiner Fraktion, auch die Restbestände dieser verfehlten Reformansätze im Deutschen Bundesrat auf die Halden der Geschichte zu werfen. Warum? Ich will es kurz erläutern.

Jede der Instanzen - Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte - hat spezifische Funktionen und spezifische Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit unseres Landes: die Amtsgerichte als Eingangsinstanz für in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht voraussichtlich einfach gelagerte Fälle, die Landgerichte als erste Instanz für komplexere Fälle und als Berufungsinstanz - das rechtfertigt grundsätzlich ihre Ausgestaltung als Kollegialgericht - und die Oberlandesgerichte als Berufungsund Revisionsinstanz mit zugleich besonderer Bedeutung für die Rechtsfortbildung.

Unzutreffend ist hinsichtlich der Landgerichte die Behauptung von Verfechtern des Reformvorhabens der Bundesregierung, ein Einzelrichter entscheide zügiger sachgerecht als das Kollegialgericht. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Kollegialgerichte nach dem Motto „Viele Köche verderben den Brei” arbeiten. Angesichts der oftmals sehr komplexen Sachverhalte von landgerichtlichen Parteienstreitigkeiten muss es vielmehr heißen: Sechs Augen sehen mehr als zwei.

Aus diesem Grund kann es nicht angehen, dass die zweite Instanz als Tatsacheninstanz beseitigt wird. Für die Bürgerinnen und Bürger würde das eine erhebliche Verschlechterung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten bedeuten. Entscheidungen der Oberlandesgerichte sind in vielfältiger Hinsicht prägend für die Fortbildung der Rechtsprechung der unteren Instanzen der Bundesländer. Hierbei verträgt es sich nicht, wenn die Oberlandesgerichte die Aufgaben der zweiten Instanz von den Landgerichten übernehmen sollen. Davon abgesehen führt die Abschaffung der zweiten Tatsacheninstanz voraussichtlich zu mehr Streitigkeiten über reine Verfahrensfragen. Die für die Bürgerinnen und Bürger längeren Reisewege, besonders in den Flächenländern, zum Beispiel in Brandenburg, kommen unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit hinzu.

Zwischenzeitlich wurden diese geplanten Veränderungen zwar in das Belieben der Bundesländer gestellt, welche die Reform probeweise einführen können, aber auch dagegen bestehen zwei grundlegende Bedenken:

Die Bundesländer werden hiervon nur teilweise Gebrauch machen. Hierzu merkt das HAV-Info 2001, Heft 2, Seite 6 wörtlich an:

„Gegen solche Experimentiermöglichkeiten der Länder hat der Deutsche Anwaltsverein erhebliche Bedenken... Nicht zuletzt würde die uneinheitliche Handhabung in der Bundesrepublik von Bundesland zu Bundesland zu anderen Zuständigkeiten führen. Vor dem Hintergrund der geänderten Postulationsmöglichkeiten der Rechtsanwälte ist das Chaos vorprogrammiert.”

Obendrein wird die Zivilgerichtsbarkeit durch diese Experimentierklausel zur Spielwiese sozialdemokratischer Reformeiferer. Es ist richtig, dass die Zivilrechtsprechung nicht zum Versuchskaninchen der Nation werden darf. Die Folgen wären verheerend. Also, lassen Sie die Finger davon!

Zu Zweitens: Die Reformvorschläge im zweiten Teil unseres Antrages konzentrieren sich darauf, die Zuständigkeiten der aktuellen Lebenswirklichkeit anzupassen und Verfahrensabläufe innerhalb des Systems zu flexibilisieren. Die Streitwertgrenze für die Zuständigkeit der Amtsgerichte soll auf 20 000 DM erhöht werden. Das ist der Bereich, in dem sich heute eine Vielzahl von tagtäglichen Fällen abspielt, etwa Kfz-Fälle, privatversicherungsgerichtliche und vertragliche Streitigkeiten. Diese Fälle weisen oftmals in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht keine größeren Schwierigkeiten auf als heutige amtsgerichtliche Streitigkeiten. Deswegen sollen sie künftig dort in erster Instanz behandelt werden. Nach den Kriterien der Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht soll der Amtsrichter künftig umgekehrt die Möglichkeit bekommen, schwierige Fälle ab der Berufungssumme von 1 500 DM dem Landgericht vorzulegen. Zugleich wird dadurch unterbunden, dass die Amtsgerichte in schwierigen Fällen oftmals nur als Durchgangsinstanz angesehen werden.

Mit den beiden Änderungen soll eine Prozessverschleppung konsequent unterbunden werden. Das sukzessive Beibringen von Angriffs-, Verteidigungs- und Beweismitteln wird erschwert. Außerdem sollen die Landgerichte in zweiter Instanz Fälle jedenfalls dann durchentscheiden, wenn hierdurch voraussichtlich eine Entscheidung rascher erfolgen kann als bei Zurückweisung an das Amtsgericht.

Das alles ist im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Mit den hierdurch zu erreichenden Verfahrensverkürzungen wird zugleich dem Rechtsfrieden sowie den gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung getragen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Ich gebe das Wort für die Koalitionsfraktionen an den Abgeordneten Homeyer.

Ehe Herr Homeyer hier ist, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen. Wir haben ein sehr differenziertes Schulsystem, meine Damen und Herren, dass wir aber musikbetonte Gesamtschulen haben, war für mich zumindest neu. Ich begrüße also die 12. Klasse der musikbetonten Gesamtschule „Paul Dessau” aus Zeuthen. Herzlichen willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Herr Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist uns die Novelle der Zivilprozessordnung nicht entgangen und natürlich hat sich das Land Brandenburg in Verhandlungen in den entsprechenden Gremien für Änderungen eingesetzt. Das Land Brandenburg votierte auch bereits im Herbst des Jahres 2000 im Bundesrat gegen diese Reform. Die Stellungnahme des Bundesrates vom 10. November, die mit den Stimmen Brandenburgs zustande kam, beinhaltete die Aufforderung, den Regierungsentwurf in einer ganzen Reihe von Einzelpunkten zu überarbeiten. Sie alle, meine Damen und Herren, können das in der entsprechenden Bundesratsdrucksache nachlesen.

Dies alles geschah zur rechten Zeit. Der uns heute hier vorliegende Antrag jedoch kommt zu spät. Der Bundestag hat die Novelle der Zivilprozessordnung bereits am 17.05.2001 beschlossen und der Bundesrat beschäftigt sich übermorgen, das heißt am 22. Juni 2001, abschließend mit dieser Thematik. Eine Mehrheit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses ist nach den zahlreichen Verbesserungen des Entwurfes, die im Laufe des Verfahrens auch durch das Engagement Brandenburgs erfolgten, nicht vorhanden. Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der DVU ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, an Herrn Abgeordneten Ludwig.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Reform der Zivilprozessordnung ist eines der großen Reformvorhaben der Bundesregierung in dieser Wahlperiode auf rechtspolitischem Gebiet. Die DVU-Fraktion versucht nun mit einem Antrag, in diese Fachdiskussion, die seit mehreren Jahren intensiv geführt wird, erstmalig einzugreifen. Der Antrag kommt zwar fachkompetent daher, ist aber schlecht gemacht. Die PDS-Fraktion lehnt den Antrag ab.

Der Antrag der DVU ist dreigeteilt. Trotz der Teilung ist aber kein Punkt zustimmungsfähig. Im ersten Punkt wird umfangreich formuliert, welche Regelungen unverändert bleiben sollten. Folgt man aber allen Vorschlägen, bliebe von einer Reform nichts übrig. Warum schreibt die DVU dann nicht unter Erstens auf, dass die Reform abgelehnt werden soll? Wozu der ganze Text?

(Zuruf der Abgeordneten Frau Hesselbarth [DVU])

Im zweiten Punkt wird der Landesregierung auf verfassungsrechtlich bedenkliche Weise ein eigener Gesetzentwurf aufgegeben. Dies können wir ohne Ansehen der einzelnen vorgeschlagenen Regelungen, die zum Teil Kern der fachlichen Debatte sind, so nicht mittragen.

Der dritte Punkt sagt dann endlich, was die DVU will. Die Reform soll abgelehnt werden. Warum reicht die Fraktion nicht einen solchen Antrag ein?

Festzuhalten bleibt: Von den großen rechtspolitischen Reformvorhaben der Bundesregierung ist nicht viel übrig geblieben. Der Rest ist zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Fachwelt nachlesbar umstritten. Die Reform soll so dürftig ausfallen, dass die PDS im Bundestag ihr nicht mehr zustimmen kann.

Die Diskussion wird aber weitergehen. Der DVU-Antrag ist kein fachlicher Beitrag zu dieser Diskussion, wir lehnen ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Ludwig. - Ich frage die Landesregierung, ob sie Redebedarf hat. - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.