Reinhilde Schildhauer-Gaffrey
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im April wurde die Landesregierung durch das Plenum aufgefordert, eine Bundesratsinitiative zur Problematik der Rüstungsaltlastenfinanzierung auf den Weg zu bringen. Ich erinnere noch einmal daran, dass dieser Beschluss einstimmig hier im Haus gefasst wurde. Das erforderliche Verfahren zur Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes wurde eingeleitet.
In meinem Redebeitrag am 4. April habe ich versucht, Sie zu sensibilisieren, indem ich die Problematik am Beispiel der Stadt Oranienburg und ihrer Umgebung schilderte. Heute möchte ich
Sie nicht mit Wiederholungen langweilen. Deswegen folgen jetzt neue Informationen aus Oranienburg.
Am 22.05.2001 wurde wieder eine amerikanische Zehn-ZentnerBombe mit einem chemischen Langzeitzünder geborgen, übrigens die 78. Glücklicherweise verlief die Bergung ohne Schaden für die Menschen. Circa 5 000 Bürger mussten evakuiert werden. Somit müssen wir „nur noch” von ca. 1 699 statt von 1 700 Verdachtspunkten in Oranienburg und Umgebung ausgehen. Ich entschuldige mich für die etwas sarkastische Formulierung.
Im Moment laufen die Vorbereitungen zur Bergung eines schrottreifen Lastkahnes im niederen Teil des Havelarmes. Die Bergung ist erforderlich, um die systematische Bombensuche fortsetzen zu können, da rund um den Kahn bei Messungen Störwerte auftreten. Auf Antragstellung hat die Stadt Oranienburg vom Land GFG-Mittel in Höhe von 43 000 DM erhalten. Es handelt sich hierbei um eine 60%-Förderung. Die Kommune muss trotz alledem noch 40 % drauflegen.
In der Sommerpause wird nun an drei Stellen im Zentrum der Stadt die systematische Suche nach Bomben fortgesetzt - eine Grundvoraussetzung für das Förderprogramm „Zukunft im Stadtteil”, in das Oranienburg aufgenommen wurde.
Sie sehen, Oranienburg kommt nicht zur Ruhe. Handlungsbedarf besteht nach wie vor. Die Bundesratsinitiative ist wichtiger denn je, nicht nur für Oranienburg.
Der Gesetzentwurf knüpft an die erheblichen Gefahren an, die in ganz Deutschland weiterhin von Fliegerbomben und anderer Kriegsmunition ausgehen. Er soll die Grundlage dafür schaffen, dass sich der Bund über die von ihm bisher geübte eingeschränkte Staatspraxis hinaus zur Beseitigung von Folgen der Weltkriege verpflichtet.
Der Entwurf eines Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes wurde den Wirtschafts- und den Innenministerien der anderen Bundesländer mit der Bitte um Unterstützung einer entsprechenden Bundesratsinitiative zugeleitet. Bisher haben sich folgende Bundesländer gemeldet und auf Arbeitsebene Unterstützung signalisiert: Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das ist durchaus ein Grund, optimistisch zu sein, und beweist auch, dass der Ansatz richtig war, nicht nur die neuen Bundesländer in dieser Problematik zu betrachten.
Wir hoffen auf ein zügiges Verfahren im Bundesrat und die Zustimmung des Bundestages zu diesem Gesetzentwurf. Jeder von uns sollte bei seinen Kolleginnen und Kollegen in den Bundestagsfraktionen für dieses Gesetz werben. Für die betroffenen Bürger, Kommunen, Kreise und Länder würden sich Rechtssicherheit und Kostengerechtigkeit erhöhen.
Sicher wird uns die Landesregierung über den Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens informieren - auch ohne Antrag der PDS. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mich an den Drücker lassen. Ich hatte rechtzeitig gedrückt, weil mich die gesamte Problematik zu zwei Nachfragen provozierte.
Erste Nachfrage: Herr Minister, sind Sie davon überzeugt - es klangen schon leichte Bedenken an betreffs der Problematik Oberhavel und der Verlegung des staatlichen Schulamtes, also statt Neuruppin Perleberg zu wählen -, dass die Arbeit dort effektiv durchgeführt werden kann, und haben Sie Verständnis dafür, dass der Ruf bzw. die Forderung nach einer Außenstelle Oranienburg von den Betroffenen nach wie vor erhoben wird?
Meine zweite Nachfrage: Sehen Sie die Elternmitbeteiligung, also die Elternvertretungen, durch diese Entscheidung gefährdet?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, legt die PDS-Fraktion dem Landtag den Zweiten Entwurf eines Chancengleichheitsgesetzes für Behinderte vor. Man könnte ihn auch als zweiten Anlauf bezeichnen, denn vor gut zwei Jahren, in der Endphase der 2. Legislaturperiode, lag ein solcher Entwurf schon einmal vor. Da die Legislaturperiode mit der Sommerpause zu Ende ging, konnte die Behandlung im Ausschuss nicht mehr abgeschlossen werden.
Ich erinnere daran, dass es damals durchaus kritische Stimmen seitens der Betroffenen gab und der Entwurf hinsichtlich seiner handwerklichen Qualität insgesamt nicht wirklich überzeugen konnte. Der Grund dafür, dass die SPD-Fraktion schon damals für eine Überweisung gestimmt hat - ich nehme vorweg, wir sprechen uns auch heute für die Überweisung des vorliegenden Entwurfes aus -, war das aus unserer Sicht unstrittige Grundanliegen in Form eines Gesetzes, das Gleichbehandlungsgebot von Grundgesetz und Landesverfassung für die behinderten Menschen in Brandenburg zu konkretisieren.
Gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zur Situation auf Bundesebene. Mit dem Gesetz zur Förderung der Beschäftigung Schwerbehinderter und mit dem SGB IX - die Inhalte sind oft dargestellt worden; angesichts der kurzen Redezeit möchte ich nicht näher darauf eingehen - hat die Bundesregierung bereits zwei große Gesetzesvorhaben zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Behinderten erfolgreich abgeschlossen. Folgen muss nun das Chancengleichheitsgesetz, an dessen Entwurf auf Regierungsebene gerade gearbeitet wird.
Es ist unübersehbar, dass behindertenpolitisch viel in Bewegung ist. Das bestärkt mich in der Auffassung, dass Brandenburg hierbei nicht abseits stehen darf. Deshalb verbinde ich mit der Überweisung des Gesetzentwurfes der PDS-Fraktion heute die Erwartung, dass die Landesregierung so bald wie möglich einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt.
Es wäre sinnvoll, über beide Entwürfe in den Ausschüssen zusammen zu beraten. Inhaltlich möchte ich an dieser Stelle noch nicht ins Detail gehen. Für die Diskussion einzelner Punkte, vielleicht auch solcher, die jetzt im Gesetzentwurf der PDSFraktion nicht enthalten sind, besteht im Rahmen der Ausschussberatungen genügend Gelegenheit.
Einer Illusion sollten wir uns auf keinen Fall hingeben, und zwar, dass Brandenburg ein Chancengleichheitsgesetz bekommen wird, das umfangreiche Mehrkosten zur Folge hat. Dennoch erscheint mir Regelungsbedarf - ob als gesetzliche Festschreibung bereits üblicher Praxis oder als effektive Verbesserung an einigen Stellen - gegeben. Ich denke dabei zum Beispiel an die Berücksichtigung der Belange Behinderter beim Denkmalschutz oder an die Frage, ob im Rahmen der Mietwohnungsbauförderung der pflichtige Anteil an barrierefreien Wohnungen erhöht werden sollte.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive Beratung in den Fachausschüssen, an die der Gesetzentwurf überwiesen wird.
Eine kleine Anmerkung, Frau Bednarsky: Einige Passagen Ihrer Rede, die zwar heute sehr abgemildert waren, veranlassen mich aber dennoch zu einer Klarstellung: Auch ich bin regelmäßig mit Behindertenverbänden und Interessenvertretern im Land unterwegs und spreche mit ihnen. Insofern würde ich es als fair empfinden, wenn Sie hier nicht den Eindruck erwecken würden, dass es echtes Engagement nur vonseiten der PDS-Fraktion gebe und ein Alleinvertretungsanspruch von ihr bestehe.
- Ich sagte ja, es war heute wesentlich sanfter!
Lassen Sie uns die Haushaltsdiskussionen dort führen, wo sie hingehören, nämlich in den Haushaltsberatungen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen der PDS, ich setze voraus, dass Sie mit Ihrem Antrag in der besten Absicht eine Problematik aufgreifen, die von der Landesregierung längst erkannt wurde. Es ist richtig, dass wir als Sozialpolitiker nichts unterlassen und
alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation älter werdender Behinderter ausschöpfen müssen - aber nicht aus Anlass eines derart unsachlich formulierten Antrages.
Ich möchte einige Bemerkungen voranschicken, bevor ich auf die Forderungen am Ende des Antrages eingehe.
Wir wissen, dass in Zukunft mehr alte Menschen mit geistiger Behinderung unter uns leben werden als in den vergangenen Jahrzehnten. Genauso zutreffend ist es, dass diese Entwicklung die entsprechenden Einrichtungen vor große Herausforderungen stellt.
Den weiteren Passagen des Antrags kann ich immer weniger folgen. Die in zwei aufeinander folgenden Sätzen getroffene Aussage, dass tagesstrukturierende Maßnahmen in den meisten Wohnstätten fehlen und dass ältere Bürger sich selbst überlassen bleiben und dadurch schneller pflegebedürftig werden, ist in meinen Augen unverantwortlich.
Bitte.
Frau Bednarsky, ich war mit meinen Ausführungen noch nicht so weit. Ich werde auf die gestrige Veranstaltung noch kurz eingehen.
Sie werten die in den Pflegeheimen geleistete Arbeit pauschal ab und schüren die Angst älterer Menschen vor solchen Einrichtungen.
Danach wird dann im Text der Eindruck erweckt, gerade auf die speziellen Bedürfnisse älterer Behinderter werde in Brandenburg nicht eingegangen. Dem ist ausdrücklich zu widersprechen. Mit dem Halbsatz - ich zitiere - „um wie die nicht behinderten Senioren auch am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können” entlarvt sich Ihr Standpunkt dann zu einem gewissen Teil selbst. Wenn auf die besonderen Bedürfnisse von Behinderten eingegangen werden soll - bei diesem Anliegen haben Sie mich als engagierte Mitstreiterin an Ihrer Seite -, dann kann die Zielstellung nicht lauten: Leben wie nicht Behinderte.
Zum Abschluss des ersten Teils erweckt der Antrag schließlich den Eindruck, das Thema „Senioren mit geistiger Behinderung”
stelle in Brandenburg völliges Neuland dar. Sie müssten es eigentlich besser wissen. Ich denke, Herr Minister Ziel wird in seinem Redebeitrag die Chance nutzen, kurz auf die bisherigen Aktivitäten der Landesregierung hinzuweisen.
Da Ihre letzte Einschätzung nicht stimmt, stehen auch die vier Forderungen, in die Ihr Antrag mündet, letztlich auf tönernen Füßen. Eine Arbeitsgruppe beim Landesamt für Versorgung und Soziales gibt es bereits. Eine Veranstaltungsreihe, Modellversuche auf Landesebene und die Herausgabe von Dokumentationen wären vielleicht angebracht, wenn man ein neues Thema angeht. Dies ist hierbei aber nicht der Fall.
Die Bedürfnisse älterer Behinderter sind sehr individuell. Deshalb muss es dafür individuelle Lösungen und Angebote geben, die vor Ort gefunden werden müssen.
Ich erinnere dabei an die von Ihnen erwähnte Veranstaltung der Arbeiterwohlfahrt am gestrigen Tag unter dem Motto „Alt und behindert - Ende der Integration”. In einem Gespräch im Anschluss an die Fachtagung mit Herrn Strengler, dem Projektleiter eines lokalen Modellprojektes zur Integration Behinderter in Hamburg, warnte dieser ausdrücklich vor großen, aufgesetzten Konzepten; viel besser sei es, kleine, lokale Integrationsprojekte zu unterstützen.
Genau dieser Empfehlung werden wir als SPD-Fraktion folgen. Eine fachliche Begleitung der Thematik im Ausschuss befürworten wir ausdrücklich. Das Thema ist damit also nicht vom Tisch, auch wenn wir den heutigen Antrag wegen seiner inhaltlichen Schwächen ablehnen werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Kollegin, Sie sind zwar schon über das Thema hinweg, aber ich frage: Ist Ihnen bewusst, dass die Richtlinie „55 aufwärts” in diesem Jahr durch Lotto-Mittel aufgefüllt wird und es in diesem Jahr keinen Abbruch der Förderung gibt?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter hat der Bund im vergangenen Jahr ein wichtiges behindertenpolitisches Signal gesetzt. Weitere sollen folgen. Zu nennen wäre das SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, das sich momentan in der parlamentarischen Beratung befindet. Ein Bundesgleichstellungsgesetz für Behinderte wird gerade als Referentenentwurf erarbeitet.
Es ist unübersehbar: Die Bundesregierung geht auch in der Behindertenpolitik den von ihrer Vorgängerregierung hinterlassenen Reformstau entschlossen an.
Lassen Sie mich mit einer Frage zum Thema der Eingliederung von Schwerbehinderten in den Arbeitsmarkt überleiten: Was, glauben Sie, haben große Teile der Bevölkerung für eine Vorstellung von Schwerbehinderten? Ich fürchte, da stellen sich die meisten offensichtliche Behinderungen vor, Menschen, die umfassend versorgt werden müssen und für die Beschäftigung im Sinne von Arbeit eine geringere Bedeutung hat als für den vermeintlichen Durchschnittsbürger.
Wie bei den meisten Themen wird man auch hier der Realität nur mit Differenzierung gerecht. Selbstverständlich gibt es schwere Behinderungen, die ein Leben ohne ständige oder dauerhafte Versorgung und Betreuung nicht zulassen. Es gibt aber genauso Schwerbehinderte, die wir auf den ersten Blick nicht als solche erkennen und die, durch die richtige Förderung unterstützt, mehr oder weniger ausgeprägt genauso am Leben teilhaben können wie Nichtbehinderte. Ich freue mich übrigens, als Schwerbehinderte zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Das Schwerbehindertengesetz hat dementsprechend schon vor seiner Novellierung im vergangenen Jahr verschiedene Formen der Förderung der Beschäftigung Schwerbehinderter vorgesehen. Da wären die Werkstätten für Behinderte, die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Schwerbehinderten bieten, die sich auf dem Arbeitsmarkt - noch - nicht einbringen können, Vorschriften für alle Arbeitgeber, zum Beispiel Pflichtquote, Ausgleichsabgabe, besonderer Kündigungsschutz zur Verbesserung der Integration Schwerbehinderter auf dem Arbeitsmarkt und die Förderung von Integrationsprojekten, egal ob es sich dabei um selbstständige Unternehmen handelt oder um rechtlich unselbstständige Betriebe bzw. Abteilungen. Auch sie gehören zum Arbeitsmarkt.
Gestatten Sie mir ein konkretes Beispiel aus meinem Wahlkreis. Da kann ich der Ansicht meiner Kollegin Frau Bednarsky nicht folgen, dass die Projekte für Integrationsfirmen nicht zügig angegangen würden. Es existiert zurzeit noch ein Beschäftigungsprojekt, bei dem die durch das Arbeitsamt geförderte Maßnahme ausläuft. Dieses Unternehmen ist auf dem besten Weg, in Zukunft als Integrationsfirma auf dem regulären Arbeitsmarkt zu agieren. 50 % bzw. mehr als 50 % der Beschäftigten werden Schwerbehinderte sein.
Im Februar waren in Brandenburg 6 128 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet. Das sind mehr als in den Vormonaten, aber - und das ist die aussagekräftigere Zahl - 1,7 % weniger als im Februar 2000. Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist die absolute Zahl an schwerbehinderten Arbeitslosen damit wieder rück
läufig - ein positives Signal und man soll nicht nur alles schlecht reden.
Angaben zur Arbeitslosenquote von Schwerbehinderten lassen sich nur mit einiger zeitlicher Verzögerung ermitteln. Der Wert lag im November 1999 für Ostdeutschland bei 23,8 % und damit 5,5 Prozentpunkte über der allgemeinen Arbeitslosenquote. Den Angaben der Arbeitsämter zufolge sind schwerbehinderte Arbeitslose im Schnitt älter als nichtschwerbehinderte. Das hat leider zur Folge, dass sie im Schnitt länger arbeitslos sind und somit der Anteil langzeitarbeitsloser Schwerbehinderter besonders hoch ist. Im November 1999 waren es 42,7 %.
Die Anfrage der PDS zielt nun darauf ab, wie Brandenburg das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter umsetzt. Sie fordert allerdings, wie ich dem Redebeitrag meiner Kollegin Bednarsky entnommen habe, auch gleich flexibel anwendbare Rezepte. Ich finde, dass die Frage zu einem späteren Zeitpunkt mehr Sinn gemacht hätte; denn für eine fundierte Antwort ist es eigentlich noch zu früh. Ganz abgesehen davon, dass die neuen Regelungen in erster Linie von der Verwaltung das betrifft die Arbeitsämter ebenso wie die Hauptfürsorgestellen - umgesetzt werden müssen, sind sechs Monate einfach zu wenig, um belastbare Aussagen zur Entwicklung der Chancen Schwerbehinderter auf dem Arbeitsmarkt machen zu können. Auch Aussagen zur Arbeit der neuen Integrationsfachdienste können kaum jetzt schon getroffen werden.
Positiv zu bemerken bleibt, dass die fünf vorgesehenen Stellen eingerichtet sind und ihre Arbeit aufgenommen haben. Hier wird es eine enge Kooperation mit den Arbeitsämtern geben deshalb auch die räumliche Zuordnung.
Ich will an dieser Stelle kurz auf die wesentlichen Punkte der Neuregelungen eingehen. Zukünftig muss ein Arbeitgeber auf 5 % - bisher waren es 6 % - der Arbeitsplätze Schwerbehinderte beschäftigen. Darüber hinaus gilt die Regelung künftig erst ab 20 Beschäftigte, bisher waren es 16. Zunächst ist dieses Absenken der Pflichtquote aber befristet. Gelingt es bis Oktober 2002 nicht, die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter bundesweit um rund 50 000 zu senken, gilt ab 2003 wieder die Pflichtquote von 6 %. Für Brandenburg bedeutet das übrigens, dass ca. 1 300 zusätzliche Arbeitsplätze für Schwerbehinderte angepeilt werden.
Die Höhe der Ausgleichsabgabe hängt künftig davon ab, in welchem Umfang ein Arbeitgeber der Beschäftigungspflicht nachkommt. Es gilt das Prinzip: Diejenigen, die sich für die Einstellung Schwerbehinderter engagieren, werden entlastet; diejenigen, die ihrer Pflicht überhaupt nicht nachkommen, werden deutlich stärker als bisher belastet. Im Einzelnen beträgt die Ausgleichsabgabe pro nicht besetzten Pflichtplatz zwischen 200 und 500 DM, wenn die Beschäftigungsquote unter 2 % liegt.
Für Unternehmen in Brandenburg ist aufgrund der Wirtschaftsstruktur in unserem Bundesland die Sonderregelung für Kleinbetriebe mit weniger als 60 Arbeitsplätzen von besonderem Interesse, die bei Nichteinhaltung der Pflichtquote einer weniger strengen Abgabenpflicht unterliegen.
Die differenzierte Ausgleichsabgabe ist ein echter Fortschritt; denn man muss ehrlicherweise einräumen, dass die alte Regelung zuletzt nur noch sehr wenig Wirkung entfaltet hat.
Neben diesen Instrumenten, die die Arbeitgeber motivieren sollen, die Pflichtquote bei der Beschäftigung Schwerbehinderter zu erfüllen, werden Schwerbehinderte mit dem Gesetz auch arbeitsrechtlich besser gestellt.
Gleiches gilt für die Strukturen, die zu ihrer Integration im Berufsleben beitragen sollen. Ich nenne hier nur beispielhaft den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, wenn Art und Schwere der Behinderung dieses erfordern, und eine notwendige Arbeitsassistenz sowie die Ausweitung der Beteiligungsrechte von Schwerbehindertenvertretungen. Hier ist erstmals die Freistellung von schwerbehinderten Mitarbeitern festgeschrieben, die sich in der Vertretung engagieren.
In der Förderung von Integrationsprojekten ist Brandenburg schon seit Anfang der 90er Jahre in Ostdeutschland vorbildlich. Schon bevor durch die Novellierung des Bundesgesetzes jetzt eine Förderung für diesen Bereich aus Mitteln der Ausgleichsabgabe möglich wurde, hat das Land als einziges in Ostdeutschland massive Anstrengungen unternommen, insbesondere geschützte Abteilungen in Betrieben zu erhalten. Landesmittel in Höhe von bis zu 5,5 Millionen DM pro Jahr wurden hierfür bereitgestellt. Im aktuellen Doppelhaushalt stehen in den beiden Jahren mehr als 2 Millionen DM zur Verfügung.
Lassen Sie mich zum Abschluss dafür werben, dass wir alle unseren Beitrag zur Akzeptanz von Schwerbehinderten im Arbeitsleben leisten. Jeder von uns ist Arbeitnehmer, Teil einer Belegschaft oder auch Arbeitgeber. Jeder von uns kann von einem Tag auf den anderen, sei es durch Unfall oder plötzliche Krankheit, zu der Gruppe der Schwerbehinderten gehören. Wir können nicht alle Verantwortung auf den Staat schieben und von einem Gesetz allein Wunder erwarten.
Die Gesetzesnovelle ist gut und sie war überfällig, davon bin ich überzeugt. Aber wenn diese Neuregelungen von den Menschen nicht mit Leben erfüllt werden, lässt sich das Ziel nur schwer erreichen. Das gilt insbesondere auch für die Idee der Integrationsprojekte. Wichtig ist, dass man ehrlich für die Beschäftigung Schwerbehinderter wirbt. Die Zusammenarbeit mit Schwerbehinderten ist nicht immer einfach, aber können wir denn von der Zusammenarbeit zwischen nichtbehinderten Kolleginnen und Kollegen immer sagen, dass sie einfach ist?
Ohne zusätzlichen Aufwand in irgendeiner Form ist das angestrebte Ziel nicht erreichbar. Die Frage ist nur, ob wir uns als solidarische Gesellschaft in einer sozialen Marktwirtschaft verstehen oder nicht. Wenn wir diese Frage bejahen, müssen wir alle im Rahmen unserer Möglichkeiten aktiv zur Integration Schwerbehinderter in den Arbeitsmarkt beitragen.
Ich vertrete auch nicht die Meinung, dass die Landesregierung nicht alles dazu tut und auch bereits getan hat, was in ihren Kräften steht. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt ein Antrag der Koalitionsfraktionen über Kriegsfolgenund Kriegslastenbeseitigung vor, in dem die Landesregierung gebeten wird, sich auf Bundesebene zusammen mit anderen Bundesländern mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, dass der Bund den Ländern die Mittel für die Bergung und Vernichtung der Alliierten-Munition erstattet.
Gestatten Sie mir, die Problematik am Beispiel der Stadt Oranienburg, meines Wahlkreises, zu untersetzen. Eine Pressemeldung vom Dienstag lautete:
„Die 77. Bombe problemlos entschärft.”
„Problemlos” heißt für den Sprengmeister schon fast „Routine”.
„500-Kilogramm-Bombe mit chemischem Langzeitzünder in 5,5 Meter Tiefe entschärft.”
Für die Stadt heißt das: 2 000 Bürger evakuieren, Sicherheitsmaßnahmen gewährleisten, Unterbringung garantieren, Verkehrschaos, S-Bahnen fahren nicht, Umsatzeinbußen bei Unternehmen und Ähnliches. Oranienburg war verstärkt Angriffsziel der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, insbesondere waren es die Werke der Rüstungsindustrie, wie die Auerwerke, der Verschiebebahnhof, der Heinkel-Flugplatz und die SS-Zentrale in Friedrichsthal. Wie bereits erwähnt: 20 000 abgeworfene Bomben, davon wurde Oranienburg zu 60 % zerstört. 30 % der Bomben hatten einen chemischen Langzeitzünder, gehören also zu dieser gefährlichen Art Bomben.
Die Auswertung der durch das Land Brandenburg erworbenen Luftbildaufnahmen der ehemaligen Alliierten ergab, dass nach zehn Jahren intensiver Bombensuche und -entschärfung noch von ca. 1 700 Verdachtspunkten auszugehen ist. Ein Ende ist kaum absehbar. Jeder Verdachtspunkt kann eine Bombe mit chemischem Langzeitzünder sein.
Experten des Staatlichen Munitionsbergungsdienstes sind davon überzeugt, dass jede Bombe, wenn sie nicht geborgen und entschärft wird, irgendwann detoniert. Das ist eine schreckliche Prognose, deren Folgen sich jeder ausmalen kann.
Nachdem in den vergangenen Jahren gezielt Gefahrenbereiche, wie Schulen, Kindergärten und Ähnliches, beräumt worden sind, hat sich das Land Brandenburg entschieden, mit Hochdruck eine systematische Kampfmittelberäumung durchzuführen, um der Selbstdetonation der im Boden vermuteten Blindgänger zuvorzukommen. Das ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Dabei trägt das Land nur die Kosten für die Munitionssuche und
-bergung. Eine Kostenübernahme durch den Bund scheidet aus, da der Bund nur für die Beseitigung ehemaliger reichseigener Munition aufkommt und es sich hierbei um Kampfmittel der früheren Alliierten handelt.
Die Kosten der Stadt für die behördlichen Maßnahmen betrugen von 1996 bis 2000 ca. 366 000 DM, im Jahre 1997 waren zusätzliche Mittel zur Instandsetzung einer Schule bzw. einer Turnhalle nach einer Munitionssuche von ca. 935 000 Mark erforderlich. Davon wurden nur ca. 573 000 DM aus Mitteln des kommunalen Ausgleichsfonds des Landes - das sind Mittel, die nicht vorausplanbar sind - gedeckt.
Auch der betroffene Bürger kann von Kosten nicht freigestellt werden. Will er bauen und besteht die Wahrscheinlichkeit eines Kampfmittelfundes, muss er für die Gebühren aufkommen, die mit der Auswertung der Luftbildaufnahmen entstehen. Alternativ kann er ein Kampfmittelberäumungsunternehmen mit der Suche beauftragen. Die durch die Suche entstehenden Kosten trägt der Bürger selbst. Hat ein Bürger im guten Glauben bereits gebaut und stellt sich im Nachhinein ein Blindgängerfund heraus, ist er in ordnungsrechtlicher Hinsicht ein Zustandsstörer. Für veranlasste Baumaßnahmen zur anschließenden Bergung der Kampfmittel muss er ebenfalls mit seinem privaten Vermögen haften. Die finanziellen Aufwendungen führen oft zur Überforderung. Es gab im vergangenen Jahr ein solches Beispiel in Lehnitz.
Aufgrund der besonderen Gefährdung und Belastung in Oranienburg ist im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren eine Freigabebescheinigung für das komplette Grundstück vorzulegen. Oranienburg gilt aus diesem Grunde nicht als bevorzugte Region für Investoren.
Die Petitionen der Stadt Oranienburg an den Landtag und an den Bundestag sind als Hilferuf zu werten. Am 8. Februar 2001 wurde im Bundestag der Antrag der CSU/CDU-Fraktionen zu Kriegsfolgen- und Kriegslastenbeseitigung in den neuen Bundesländern behandelt, mit der Zielstellung, der Bundesregierung einen Prüfauftrag zu erteilen, zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt bereitzustellen, um private Haushalte, Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern, die von Bomben- und Munitionsfunden aus dem Zweiten Weltkrieg betroffen sind, in angemessener Weise zu unterstützen. In der Debatte über diesen Antrag wurde deutlich, dass dieser Antrag zu kurz greift, da die gesetzliche Grundlage für eine solche Entscheidung fehlt, die Betroffenen weiterhin ewige Bittsteller bleiben und es keineswegs nur ein Problem der neuen Bundesländer ist.
Auch Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg haben ähnliche Probleme zu lösen. Brandenburg als besonders stark munitionsbelastetes Land sollte deshalb Initiator dieser sinnvollen und wichtigen Bundesratsinitiative sein. Ich hoffe auf die Zustimmung der drei großen Fraktionen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.