Protocol of the Session on April 13, 2000

Ich frage daher die Landesregierung: Wie ist der aktuelle Stand dieser Verhandlungen?

Frau Abgeordnete Tack, Sie haben das Wort zur Formulierung der Frage 206 Tarife im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg [VBB]).

Ich habe eine ähnlich gelagerte Frage. Jüngste Pressemeldungen, dass die S-Bahn Berlin Fahrausweise des Verkehrsverbundes auf Teilstrecken nicht mehr anerkennen werde, vermitteln den Eindruck. dass es nach wie vor erhebliche Auseinandersetzungen im Verkehrsverbund gibt. Vorher waren DB Regio und BVG bereits mit Forderungen nach Anhebung der Fahrpreise hervorgetreten. Solche Ankündigungen verunsichern die Fahrgäste in der Region und sind Hinweise auf umstrittene verkehrspolitische Strategien von Berlin und Brandenburg, die sich beim Verkehrsverbund niederschlagen.

Ich frage die Landesregierung: Wie wird sie Einfluss Baraufnehmen, dass die Entwicklung der Fahrpreise im Verbundgebiet im Interesse der Steigerung der Fahrgastzahlen gestaltet wird? Es ist ja gestern Abend eine Entscheidung getroffen worden, also: Wie hat sie darauf Einfluss genommen?

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dellmann, die Landesregierung hat in der Tat die in der Fragestellung enthaltene Auffassung vertreten, dass der Verbundtarif für alle Verbundunternehmen. also auch für die S-Bahn GmbH, gleichermaßen gelten muss. Die S-Bahn hat allerdings seit Beginn der Diskussion über den Verbundtarif die Forderung erhohen, dass für die erstmalige Einführung des Wabentarifs im Tarifbereich Berlin C ein Ausgleich gewährt werden müsse. Der

erstmalig eingeführte Wabentarif im Tarifbereich Berlin C werde gegenüber dem vorher geltenden TB U-Tarif (Berliner Um- land) zu erheblichen Mindereinnahmen führen. Der S-Bahn ist daraufhin in der Tarifgenehmigung die Möglichkeit eingeräumt worden, die von ihr erhobene Ausgleichsforderung im Einzelnen nachzuweisen. Über die hierzu von der S-Bahn vorgetragenen Berechnungen konnte zunächst keine Verständigung erreicht werden. Die Zahlen mussten abgeglichen werden.

Nach langwierigen Verhandlungen wurde jetzt ein vertretbarer Kompromiss gefunden. Diese Entscheidung ist der Landesregierung wirklich nicht leicht gefallen. Die Landesregierung konnte sich aber der Argumentation der S-Bahn nicht völlig verschließen. Die Entscheidung ist ein wichtiger Beitrag zur Beibehaltung des bisherigen Tarifniveaus im Tarifbereich Berlin C, der im Besonderen den Schülern und Auszubildenden in diesem Tarifbereich zugute kommt. Die Landesregierung hat damit auch entgegen manchen Unterstellungen ihre Absicht bekräftigt, dass sie im Rahmen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg zu einer Tarifpolitik mit Augenmaß entschlossen ist.

Frau Tack, es ist zutreffend, dass es seit Oktober 1999 insbesondere seitens der großen Verkehrsunternehmen im VBB Bestrebungen gegeben hat, die Fahrpreise zu erhöhen. Dies wurde zum damaligen Zeitpunkt vom Aufsichtsrat der VBB GmbH abgelehnt. lm Dezember 1999 bzw. Januar 2000 wurden durch die DB Regio, die S-Bahn Berlin GmbH und die BVG erneut Tariferhöhungsanträge gestellt, die nicht mit den Aufgabenträgern, also den Landkreisen, den Ländern Berlin und Brandenburg und der VBB GmbH, abgestimmt waren. Infolge der daraufhin entstandenen Meinungsdifferenz zwischen den Verkehrsunternehmen und der VBB GmbH wurde durch das Land Brandenburg in der Aufsichtsratssitzung am 29. Februar 2000 ein Beschlussvorschlag initiiert, in dem das Verfahren der Tariffindung und der Antragstellung für die Tarifgenehmigung eindeutig geregelt werden sollte. Der Aufsichtsrat hat dem Beschluss zugestimmt.

Die Landesregierung geht davon aus, dass zukünftig derartige Situationen nicht wieder entstehen. Im Übrigen konnte der VBB nicht automatisch die Interessenunterschiede zwischen den Ländern und den Unternehmen beseitigen. Bezüglich der Tarifgestaltung hat die Landesregierung selbstverständlich ein Interesse daran, dass sich die Fahrgastzahlen auch zukünftig positiv entwickeln. Sie muss aber gemeinsam mit den anderen Aufgabenträgern und dem VBB gleichzeitig die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmen und die Auswirkungen auf den Landeshaushalt im Auge behalten.

Aktueller Stand ist - weil Sie es angesprochen haben -, dass der Aufsichtsrat des VBB eine Erhöhung der Verbundpreise zum 1. August 2000 entschieden hat. Gleichzeitig wurde die Einführung eines Arbeitslosenhilfeempfänger-Tickets und eines Semestertickets beschlossen. Nötig war das, um weitere Belastungen, beispielsweise durch Ökosteuer und Leistungserweiterungen der Unternehmen abzufangen. Die Teuerungsrate wird sich in Brandenburg größtenteils im Rahmen der Teuerungsrate insgesamt bewegen. In Berlin liegt sie nach meinen Informationen bisher etwas darüber. - Schönen Dank.

Frau Tack, bitte!

Land gag Brandenburg - 3. Wahlperiode - Plenarprotokoll 3114 13. April 2000 687

Glauben Sie eigentlich - und das war meine Fragestellung -, dass mit der Tariferhöhung ab August dieses Jahres verbunden ist, dass angesichts wachsender Fahrpreise weitere Fahrgäste motiviert oder Menschen dafür gewonnen werden, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen?

Frau Tack, Sie implizieren einen Irrglauben bei mir. Ich weiß selbstverständlich, dass Preiserhöhungen nicht automatisch dazu animieren, das Produkt anzunehmen. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir hier die Verantwortung auch für die Unternehmen haben und dass wir weiter darum kämpfen müssen, Interessenausgleiche zwischen der dichten Bevölkerungsstruktur Berlins mit dem natürlich viel höheren Fahrgastpotenzial und dem dünn besiedelten Brandenburg vorzunehmen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Wiebke [ SPD])

Aus diesem Grunde sagte ich auf die Frage von Herrn Dellmann ganz deutlich: Wir müssen das mit Augenmaß betreiben und müssen insgesamt den Service erhöhen. Und das versuchen wir.

(Frau Tack [PDS]: Das ist ein schönes Thema, die Mor- genspitze in Richtung Berlin!)

Ich bedanke mich herzlich. - Wir sind damit bei der Frage 207 (Zukunft des Potsdamer Reitervereins e.V.) , die von Herrn Dr. Niekisch gestellt wird. Bitte sehr!

In der Landeshauptstadt gibt es nur einen und noch dazu einen gemeinnützigen Verein für den Reitsport, den Potsdamer Reiterverein e.V., mit Sitz und Trainingsstätte in der Drewitzer Straße 38. Die Liegenschaft befindet sich im Eigentum des Landes Brandenburg. Der Reiterverein zählt über 160 Mitglieder, wovon die Hälfte Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 16 Jahren sind. Außer mithilfe einer Arbeitskraft erfolgt die Arbeit des Vereins ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis und erfüllt in starkem Maße auch soziale Funktionen, da besonders auch die Kinder und Jugendlichen in den Pflege- und Unterhaltungsdienst für die Pferde einbezogen sind. Zusätzlich bietet der Verein regelmäßig therapeutisches Reiten für behinderte Kinder und Jugendliche des Oberlinhauses in Potsdam-Babelsberg an, was schon für sich genommen unersetzlich ist.

Mithilfe der Finanzministerin und durch Unterstützung des Ministerpräsidenten konnte im Herbst 1999 ein vorzeitiges Räumungsersuchen seitens des Grundstücks- und Vermögensamtes abgewendet und ein befristeter Mietvertrag zu einem erträglichen Mietzins bis zum Sommer des Jahres 2002 erreicht werden.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2000 hat jedoch das Grundstücks- und Vermögensamt in Wünsdorf den Verein wiederum angemahnt, sich umgehend um ein Ersatzgrundstück zu bemühen. Das Kaufangebot eines dem Verein nahe stehenden Ehepaares wurde als zu gering erachtet und zurückgewiesen. In Pots

dam ist ein entsprechendes Ausweichgrundstück aber nicht zu finden. Müsste der Verein aber aus der Stadt weichen, wäre dies nicht nur ein unwiederbringlicher Verlust für die Landeshauptstadt, der Verein stünde sogar vor der Auflösung.

Deshalb frage ich die Landesregierung: Gibt es nicht doch die Möglichkeit und den Willen, den Potsdamer Reiterverein e. V. dauerhaft aufdein hervorragend geeigneten Gelände in der Drewitzer Straße 38 zu halten?

Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Niekisch, Sie haben in Ihrer Anfrage sehr richtig dargestellt, dass das Land dem Potsdamer Reiterverein in der Vergangenheit weit entgegengekommen ist. Das ist eine sehr liebenswürdige Beschreibung dafür, dass dieser Verein das Gelände - ich sage es einmal so - besetzt hatte, keine Mieten dafür zahlte und selbstverständlich die Politik so wie auch jetzt mobilisierte, um in den Genuss dieses Grundstücks zu kommen.

Da ich aber immer auch ein bisschen auf die Einnahmen achten muss, haben wir in der Tat diese unrechtrnäßige Inbesitznahme und Nutzung der Liegenschaft beendet und den Rechtsstreit um Zahlung eines Nutzungsentgeltes vermieden.

Bei meiner Einschätzung im Herbst bin ich allerdings davon ausgegangen, dass der Verein die ihm eingeräumte Zeit dazu nutzt, ein wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept zu erarbeiten. Um dieses Anliegen zu unterstützen, hatte ich Herrn Oberbürgermeister Platzeck um Mitwirkung der Stadt bei der Suche nach dauerhaften und tragfähigen Lösungen für den Reiterverein und die Liegenschaft gebeten, die auch den Interessen des Landes Rechnung tragen.

Sollte der Verein jedoch nicht in der Lage sein, eine solche Lösung zu finden, müsste er meines Erachtens die Zeit bis zum Ablauf des Vertrages nutzen, um einen Alternativstandort zu finden. In diesem Sinn ist auch das Schreiben des Grundstücks- und Vermögensamtes Potsdam zu verstehen, nämlich die Aufforderung, sich zwei Jahre vor Ablauf des Mietvertrages zu kümmern, um nicht wieder eine solche Situation herzustellen, wie wir sie im Herbst 1999 hatten, die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten jedenfalls nicht positiv zu bewerten ist.

Die vertraglich zugesicherte Nutzung wird selbstverständlich nicht infrage gestellt. Ein dauerhafter Verbleib kann aber nur dann in Betracht kommen, wenn es dem Verein vor allem gelingt, ein wirtschaftliches Konzept vorzulegen. Dies wird von jedem Nutzer verlangt und ist im Übrigen dem Verein auch schon seit vielen Jahren bekannt.

Es trifft zu, dass das Land dem erwähnten Kaufangebot nicht näher getreten ist, weil das Wertgutachten und der gebotene Kaufpreis so weit auseinander klaffen, dass man darüber ernsthaft nicht einmal in Verhandlungen eintreten kann.

Ihr Antrag, Herr Abgeordneter Dr. Niekisch, ist mir deshalb ein

ganz willkommener Anlass, heute erneut auf den Verein und auf die Landeshauptstadt einzuwirken, an sie zu appellieren, sich zu engagieren und dafür zu sorgen, dass im Interesse der betroffenen Kinder - denn diese therapeutische Arbeit ist in der Tat eine sehr wichtige und vernünftige Arbeit - eine Lösung und ein vernünftiges Konzept gefunden werden. - Vielen Dank.

Ich danke auch. - Wir sind damit bei der Frage 208 Abschiebung in den Kosovo). Bitte, Herr Domres!

Innenminister Schönbohm hat angekündigt, in den nächsten Wochen mit Abschiebungen von Bürgerkriegsflüchtlingen in den Kosovo zu beginnen. Führende Bundeswehroffiziere im Kosovo befürchten dadurch eine Verschärfung der Situation vor Ort. Die Sicherheit von Leib und Leben ist nach ihren Aussagen nichtgewährleistet. Es gibt weder genügend Unterbringungsmöglichkeiten noch ist die medizinische Versorgung gesichert. Fehlende Schulen und zerstörte Infrastruktur kommen noch erschwerend hinzu.

Ich frage die Landesregierung, ob sie Abschiebungen unter den geschilderten Bedingungen für verantwortbar hält.

Das Wort hat der Minister des Innern. Bitte sehr!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Domres, ich habe nicht Abschiebung angekündigt, sondern ich habe aufgefordert, freiwillig zurückzukehren, aber auch darauf hingewiesen, dass das Mittel der Abschiebung noch besteht.

Zum Zweiten habe ich verschiedentlich hier schon vorgetragen, dass es einen Beschluss der Innenministerkonferenz vom 1811 9. November gibt, in dem die Innenminister feststellen, dass die Rückkehrmöglichkeit ab jetzt besteht.

Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 27. März dieses Jahres noch einmal bestätigt, dass sich die Lage im Kosovo erheblich verbessert hat und dass eine Rückkehr möglich ist. Dieses Urteil des Innenministers beruht auf dem Ergebnis einer Beratung mit Offizieren des Hauptquartiers KFOR und mit den Staatssekretären der Bundesregierung im Auswärtigen Amt am 20. März. Darin stellt diese Staatssekretärsrunde gemeinsam mit den Offizieren von KFOR fest, dass die Lage stabil ist. wenn dies auch zum Teil öffentlich anders dargestellt wird.

Ab 20. April können die Bürgerkriegsflüchtlinge über den Landweg freiwillig zurückkehren, da ein Transitabkommen mit allen Staaten geschlossen ist, durch die sie zurückkehren müssen, sodass sie nicht mehr auf den Luftweg angewiesen sind.

Und der letzte Punkt: Sie weisen zu Recht darauf hin, dass die Schulen zerstört sind, dass das Land zerstört ist. Ja, das ist nach diesem Krieg so. Aber die Frage ist: Wann sollen die Bürgerkriegsflüchtlinge zurückkehren? Wenn das Land aufgebaut ist? Oder sollen sie dazu beitragen, dort aufzubauen? Ich glaube, sie sollen dazu beitragen aufzubauen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Domres, bitte!

Herr Minister, ich habe zwei Nachfragen. Die erste: Ist ihnen bekannt, dass Sachsen-Anhalt keine Angehörigen von Minderheiten in den Kosovo abschiebt, zum Beispiel Sinti, Roma und Serben?

Die zweite Frage: Ist Ihnen der UNHCR-Bericht bekannt, der davon ausgeht, dass Minderheiten im Kosovo gefährdet sind? Wie sichern Sie, dass Angehörige dieser Minderheiten aus Brandenburg nicht abgeschoben werden?

Herr Abgeordneter Domres, wir haben eine Vereinbarung der Innenministerkonferenz, die für alle Bundesländer gilt: Wir werden niemanden abschieben, bei dem Gefahr für Leib und Leben besteht. Die Frage der Minderheiten im Kosovo hängt jeweils von den Regionen ab. in die sie zurückkehren. Das können wir von hier aus im Einzelnen nicht klären. Sie kehren zurück in den Kosovo und werden dort in die Regionen zurückkehren, wo die Minderheiten, die Sie nannten, die es gibt und die große Schwierigkeiten haben, unter den Bedingungen des Balkans sicher leben können.

Herr Sarrach, bitte!

Herr Minister, Sie führten in den vergangenen Wochen über Presseinformationen - ich greife da einmal Ihre bekannte militante Wortwahl auf

(Lachen bei der CDU)

einen Kleinkrieg mit der Bundesausländerbeauftragten, die ja immerhin den von der Innenministerkonferenz festgelegten Rückführungszeitpunkt verschoben wissen möchte. Sind Sie wirklich der Meinung, Herr Minister, dass die Bundesregierung ihre Arbeit einfach nur schlecht gemacht hat, um den Rückführungszeitpunkt im Frühjahr dieses Jahres nicht umsetzen zu können, oder können nicht doch humanitäre Bedenken eine Bedeutung hierfür gehabt haben? Um die Relationen noch einmal deutlich zu machen: Von 515 Flüchtlingen sind bisher 288 freiwillig ausgereist; 67 wollen in diesen Tagen ausreisen, ich denke, dass dies auch möglich ist.