Sabine Dirlich

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl unstrittig: Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter; damit werden natürlich alterstypische Krankheiten weiter zunehmen. Ebenso unstrittig ist: Demenzkranke, gerontopsychiatrisch Erkrankte brauchen nicht nur einen viel höheren Pflegeaufwand, sondern sie brauchen vor allem eine ganz andere Pflege als andere. Unstrittig ist nicht zuletzt: Diesen besonderen Anforderungen wird das Pflegeversicherungsgesetz nicht in ausreichendem Maße gerecht, auch nicht nach der jetzt erfolgten Änderung.
Im Hinblick darauf, wie dieses Problem zu lösen sei, gingen die Vorstellungen weit auseinander. Die CDU schlug in ihrem Antrag vor, es im Rahmen der Pflegeversicherung durch die Neudefinition des Pflegebegriffes zu lösen.
Diesem Vorschlag hat sich der Ausschuss nicht angeschlossen. Der Hauptgrund dafür war, dass es zurzeit im Grunde nur zwei Möglichkeiten zur Finanzierung dieses Vorschlages, der wesentliche Kosten verursachen würde, gibt. Die erste Möglichkeit wäre eine Erhöhung der Beitragssätze zur Pflegeversicherung, die zweite Möglichkeit bestünde in Leistungseinschränkungen an anderen Stellen innerhalb der durch die Pflegeversicherung geregelten Leistungen.
Beides geht natürlich nicht. Der erste Vorschlag würde von der CDU selbst abgelehnt werden. Er steht im Gegensatz zu den Versprechungen, die sie zur Senkung der Lohnnebenkosten macht. Der zweite Vorschlag ist sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Pflegekräfte unzumutbar. Das heißt, die CDU ist in gewisser Weise in der Klemme. Vielleicht war auch schon der Denkansatz falsch, der zu diesem Vorschlag führte.
Das Problem fehlender sozialer Betreuung, fehlender Kommunikation, fehlender kultureller Angebote, fehlender Prävention, beispielsweise Gedächtnistraining, betrifft nicht nur die gerontopsychiatrisch Erkrankten und schon gar nicht nur die Demenzkranken. Solche Angebote sind nötig und wichtig; sie sind allerdings nur durch öffentlich geförderte Beschäftigung zu realisieren. Kostendeckend oder gar gewinnbringend ist diese Arbeit nicht zu leisten. Der Markt wird es also nicht richten, im Gegenteil.
Damit gerät die CDU in die nächste Klemme. Sie weiß, dass diese Arbeit sehr wohl geleistet werden muss. Sie weiß, dass darin große Potenzen für zukünftige Erwerbsarbeit liegen. Sie weiß, dass der Markt diese Arbeitsplätze nicht anbieten wird und auch nicht anbieten kann. Trotzdem - Herr Professor Dr. Böhmer hat es heute Morgen in der Debatte zur Arbeitsmarktpolitik noch einmal dezidiert gesagt - lehnt sie einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vollmundig ab. Wir sind tatsächlich gespannt darauf, wie die CDU aus dieser Klemme herauskommen will.
Die Beschlussempfehlung enthält diese Lösung natürlich auch nicht. Das Land allein wäre mit dieser Aufgabe überfordert; wir haben das an anderen Stellen festgestellt. Deshalb haben wir uns im Ausschuss auf Empfehlungen an die Landesregierung geeinigt und uns natürlich auf solche beschränkt, die im Land auch umsetzbar sind und wozu die Landesregierung einen Bei
trag leisten könnte. Wir haben uns deshalb einen Lehrstuhl für Geriatrie gewünscht und nicht vorgeschlagen, in die Hochschulautonomie einzugreifen oder ihn zu finanzieren. Wir haben uns auch nicht in andere Dinge eingemischt, sondern die Landesregierung aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten tätig und wirksam zu werden.
Da wir uns im Ausschuss fraktionsübergreifend letztendlich über die Punkte, die jetzt in der Beschlussempfehlung stehen, einig waren, bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können natürlich nicht beginnen, von Arbeitsmarktpolitik zu reden, wenn wir uns nicht auch einige Zahlen vergegenwärtigen; keine Angst, ich werde nur wenige nennen.
Die Arbeitslosigkeit betrug im Oktober 2001 in SachsenAnhalt 18,3 % bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. Damit hatte Sachsen-Anhalt nach wie vor die rote Laterne, die so ungeliebte rote Laterne.
Das waren in absoluten Zahlen ausgedrückt 243 533 Arbeitslose im Oktober 2001. Diesen Arbeitslosen standen im gleichen Monat 12 895 gemeldete offene Stellen gegenüber. Somit kamen fast 19 Arbeitslose auf eine einzige gemeldete offene Stelle. In Ostdeutschland insgesamt sieht die Situation noch schlimmer aus: Es sind
fast 21 Arbeitslose, die auf eine gemeldete offene Stelle kommen. Im Westen - um auch diesen Vergleich zu ziehen - sind es gut sechs Arbeitslose. Das zeigt, wie deutlich sich die Arbeitsmärkte im Westen und im Osten auseinander entwickeln.
Angesichts dieser Tatsachen wurden natürlich gerade im Osten große Hoffnungen in die Novellierung des SGB III gesetzt und „Job-Aqtiv-Gesetz“ klingt ja auch eindeutig nach aktiver Arbeitsmarktpolitik.
In der Tat finden sich in diesem Job-Aqtiv-Gesetz einige hoffnungsvolle Ansätze, wie beispielsweise die Rückkehr zum Ziel eines hohen Beschäftigungsgrades, was man nur begrüßen kann. Wenn die Zeiten des Bezugs von Erwerbsminderungsrenten oder von Mutterschaftsgeld und wenn Kindererziehungszeiten in die Versicherungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit einbezogen werden, dann wurde damit eine langjährige Forderung unter anderem auch der PDS erfüllt, wenngleich uns die Regelung noch längst nicht weit genug geht.
Es wurden die Wartezeiten bis zum Eintritt in Fördermaßnahmen abgeschafft. Das lässt zumindest die Erwartung aufkommen, dass man Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen lassen will. Es werden die Möglichkeiten für ehrenamtlich Tätige, ohne dass damit Nachteile entstehen, ausgedehnt, was den Wünschen vieler Arbeitsloser, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen, sehr entspricht.
Es wird die Möglichkeit einer Verlängerung von Maßnahmen der Arbeitsförderung ohne zeitliche Unterbrechung eingeräumt, wenn sie für längere Dauer oder für wechselnde, besonders förderungswürdige Arbeitnehmer Arbeitsplätze schafft. Das kann man durchaus als einen Einstieg in eine Art Projektförderung sehen. Damit wird eingeräumt, dass eine ganze Menge sinnvolle Arbeit in diesem Bereich gemacht wird, die eine Unterbrechung eigentlich nicht verträgt.
Wenn ich also weiß, dass ich in meinem Kreis einen bestimmten Jugendklub brauche und ihn über längere Zeit erhalten will, dann ist im Grunde nicht einzusehen, dass er jedes Jahr drei bis vier Wochen schließen muss - obwohl bekannt ist, wann eine Maßnahme endet -, bevor ihm ein neuer Arbeitnehmer oder eine neue Arbeitnehmerin zugewiesen wird.
Es wird eine Pauschalförderung eingeführt, die - wenn sie denn in Anspruch genommen wird - dazu führt, dass Einnahmen, die in der Maßnahme erzielt werden, nicht gegen den Zuschuss aufgerechnet werden müssen. Das eröffnet durchaus eine Chance, dass Arbeitsförderungsprojekte zumindest langfristig in den ersten Arbeitsmarkt münden können.
Es wird ein neues Instrument eingeführt, die Förderung von Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen, das aus unserer Sicht sehr wohl sinnvoll ist und eindeutig auf die Entwicklung der Wirtschaft und der Infrastruktur gerichtet ist.
Allerdings fallen auch eine ganze Reihe Wermutstropfen in diesen Wein. Die Gleichstellung von Männern und Frauen wird zwar als Ziel deutlicher formuliert, aber eben nicht in allen Paragrafen konsequent umgesetzt.
Wir können es begrüßen, dass präventive Maßnahmen für von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen eingeführt werden. Allerdings sollten diese Maßnahmen auf gar keinen Fall zulasten von Menschen gehen, die von
Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es kann doch nicht sein, dass Personen, die erst von Arbeitslosigkeit bedroht sind, die Maßnahmen in Anspruch nehmen, die eigentlich für längst von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen gedacht sind.
Die Möglichkeit der Pauschalförderung und damit der Erwirtschaftung von Einnahmen wird durch viel zu niedrige Fördersätze konterkariert. Die Projekte müssten von Anfang an einen hohen Eigenanteil erwirtschaften. Damit haben viele Projekte keine Chance, deren Einnahmen nur allmählich wachsen, die also nur klein anfangen können, oder es entstehen Billigjobs. Das kann doch eigentlich auch nicht gewollt sein.
Es sollen verbindliche individuelle Eingliederungsvereinbarungen eingeführt werden. Das gibt natürlich die Chance, dass die Belange der einzelnen Arbeitslosen stärker berücksichtigt werden. Was geschieht aber, wenn die Arbeitslosen diese Vereinbarung gar nicht einhalten können?
Ich erinnere an dieser Stelle an das Verhältnis zwischen den gemeldeten freien Stellen und den Arbeitslosen. Dann, wenn auch das Arbeitsamt diese Vereinbarung nicht einhalten kann, kann dies nur dazu führen, dass verstärkt Sanktionen verhängt werden. Auch wenn das zunächst nur eine Annahme ist, muss man eine solche Entwicklung zumindest einkalkulieren.
Aber es kommt noch schlimmer. Es wird auch möglich sein, mit Leistungsentzug zu bestrafen, wenn das Verhalten des Arbeitslosen beispielsweise bei einem Vorstellungsgespräch der Einstellung entgegengewirkt hat. Etwa in dieser Weise ist die entsprechende Bestimmung formuliert.
Das heißt, der subjektive Eindruck eines potenziellen Arbeitgebers könnte ausschlaggebend dafür sein, ob jemand weiterhin Arbeitslosengeld bekommt oder nicht. Diesem potenziellen Arbeitgeber kann die Frisur nicht gefallen haben. Da niemand dabei ist, kann sich der Arbeitslose gegen ein solches Vorgehen nicht wehren. Es ist uns rätselhaft, wie man das in der Praxis handhaben will.
Bisher sind die Arbeitslosen in der Pflicht, einen Antrag auf abschlagsfreie Rente zu stellen. Diese Pflicht soll entfallen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Arbeitslose nun zunehmend in eine Rente mit Abschlägen gedrängt werden. Damit ist aus der Sicht der PDS eine Ausweitung der Altersarmut vorprogrammiert.
Für Wirtschaftsunternehmen wird das Zusätzlichkeitsprinzip abgeschafft und ein neues Instrument, die Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen, eingeführt. Das ist erst einmal in Ordnung. Allerdings sollte diese Regelung unter bestimmten Umständen für Arbeitsförderungsgesellschaften zumindest geöffnet werden. Ich spreche also nicht dafür, das Zusätzlichkeitsprinzip aufzugeben.
Die SPD hat als Oppositionskraft im Bundestag die jährliche Minderung der Arbeitslosenhilfe um 3 % scharf kritisiert und die Hoffnung geweckt, dass diese Regelung wieder aufgehoben wird. Diese Hoffnung wurde enttäuscht.
Die Nichtabsenkung wird nur gewährt, wenn der Arbeitslosenhilfeempfänger an Maßnahmen teilnimmt oder eine geringfügige Beschäftigung aufnimmt. Wenn aber die Maßnahmen, wie wir es erleben, immer mehr zurückgefahren werden, dann bleibt nur eine geringfügige
Beschäftigung übrig und damit eine Ausweitung des Niedriglohnsektors, was im Übrigen kontraproduktiv für die Wirtschaft ist. Diese ist nämlich in hohem Maße, zu mehr als 90 %, auf die Binnenkaufkraft anwiesen.
Das alles waren Gründe für die PDS im Bundestag, das Gesetz abzulehnen, auch weil in der Diskussion keine Bewegung erkennbar war, und natürlich auch deshalb, weil kein einziger Änderungsvorschlag der PDS auch nur ernsthaft erwogen wurde.
Zwei Punkte in dem Job-Aqtiv-Gesetz werden sich im Osten besonders negativ auswirken und sind deshalb heute Beschlussgegenstand im Landtag von SachsenAnhalt.
An erster Stelle steht die im Grunde durchaus als positiv zu bewertende Änderung, wonach ABM zukünftig einen 20-prozentigen Qualifizierungsanteil enthalten sollen. Das wird nicht nur deshalb negativ wirken, weil zur Finanzierung kein einziges Wort gesagt wird, sondern vor allem deshalb, weil die Bundesregierung dafür keine einzige Mark zur Verfügung stellen will. Der Bundeszuschuss soll zwar im kommenden Jahr bereitgestellt werden; er soll 2 Milliarden € betragen. Wenn man sich aber die Modellrechnung zur Etatisierung des Bundeszuschusses im Jahr 2002 vor Augen führt, so findet man diese 2 Milliarden € Bundeszuschuss komplett in der Spalte Arbeitslosengeld wieder.
Das heißt, für aktive Arbeitsmarktpolitik soll keine einzige Mark zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenteil sollen die Ausgaben für ABM um 16 % und die Ausgaben für SAM sogar um 30 % sinken. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass wir hier im Land Sachsen-Anhalt gerade die Maßnahmen von ABM in Richtung auf SAM umgestellt haben. Ich bin einmal gespannt, wie diese Reduzierung der Bundeszuschüsse um 30 % abgefangen werden soll.
Aufgrund des darüber hinaus auf 20 % festgeschriebenen Qualifizierungsanteils bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder steuert das Land mehr Geld bei ein Blick in den Haushalt sagt, wie groß die Chancen dafür sind - oder aber ABM werden massiv zusammengestrichen. Sie dürfen zweimal raten, was geschehen wird.
Wir sollten uns deshalb dafür stark machen, dass diese und andere zusätzliche Maßnahmen - wie die Ausdehnung von Leistungen der Bundesanstalt für von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen - von der Bundesregierung zusätzlich mit Mitteln ausgestattet werden. Ein Rückgang der aktiven Arbeitsmarktpolitik darf von uns nicht widerstandslos hingenommen werden.
Das Job-Aqtiv-Gesetz ist vor dem Hintergrund einer sich belebenden Konjunktur und in der Erwartung entstanden, dass die Arbeitslosenzahlen zurückgehen werden. Allerdings ist der November 2001 nicht mehr der Sommer 2001. Wir stehen jetzt vor dem Problem einer sich abschwächenden Konjunktur. Die Prognose der zu erwartenden Arbeitslosenzahlen musste nach oben korrigiert werden. Wir brauchen also nicht weniger, sondern mehr aktive Arbeitsmarktpolitik; wir brauchen nicht weniger, sondern mehr ABM und SAM.
Als zweiten Punkt sprechen wir die vorgesehene dreijährige Wartezeit beim Zugang zu ABM an. Während einerseits Langzeitarbeitslosigkeit durch sofortiges Reagieren der Arbeitsämter verhindert werden soll, gar nicht erst entstehen soll, wird durch diese Regelung Langzeit
arbeitslosigkeit geradezu vorprogrammiert. Wenn man drei Jahre darauf warten muss, aber bereits nach einem Jahr als langzeitarbeitslos gilt, dann liegt es auf der Hand, wie sich die Langzeitarbeitslosigkeit in Zukunft entwickeln wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass Arbeitsförderungsmaßnahmen für ganze Personengruppen und auch in manchen ländlichen Regionen die einzige Chance darstellen. Im Osten wird diese Regelung deshalb ebenfalls besonders kontraproduktiv wirken.
Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie um direkte Abstimmung über unseren Antrag, weil sich der Bundesrat, der zwar im Moment nicht zustimmen muss, sich Ende November mit dem Job-Aqtiv-Gesetz befassen soll und eine Stellungnahme dazu abgeben wird. Wir sollten unsere Landesregierung auffordern, im Sinne des von uns vorgelegten Antrages Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen. Natürlich ist keiner von uns daran gehindert, parallel dazu auf seine Fraktion im Bundestag Einfluss zu nehmen.
Ein paar Worte noch zu den Änderungsanträgen. Der Änderungsantrag der SPD lässt den zweiten Punkt, also die dreijährige Wartezeit, weg und begrüßt einige andere Regelungen, zum Beispiel die Ausrichtung auf Beratung und Vermittlung und den Abschluss der Eingliederungsvereinbarungen. Ich habe gesagt, dass das durchaus auch einen Pferdefuß hat. Aber ich kann damit leben, weil man diesem Instrument, zumindest wenn man es mit dem richtigen Leben füllt, auch etwas abgewinnen kann.
Ich finde es schade, dass sich die SPD-Fraktion nicht dazu durchringen konnte, im zweiten Punkt mit uns aktiv zu werden. Vielleicht ist das aber noch möglich.
Im dritten Punkt will die SPD-Fraktion, dass wir uns im Ausschuss auch in Zukunft mit den Auswirkungen des Job-Aqtiv-Gesetzes beschäftigen. Ich bin natürlich 100prozentig dafür und meine Fraktion wird dem deshalb auch zustimmen.
Was den Alternativantrag der CDU-Fraktion betrifft, muss ich sagen: Man kann natürlich den Vermittlungsausschuss anrufen. Möglicherweise ist das noch ein etwas schärferes Instrument als die Einflussnahme auf diese Stellungnahme. Das ist ja möglich.
Aber selbst wenn die Anrufung des Vermittlungsausschusses möglich wäre: Mit diesem Inhalt, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, werden wir natürlich nicht den Bundesrat befassen, nicht an die Bundesregierung herantreten und schon gar nicht unsere Landesregierung damit befassen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin, ich glaube, ich habe in meinem Redebeitrag deutlich gemacht, dass ich unter anderem tatsächlich nichts gegen Prä
vention habe. Das Problem ist nur - Frau Fischer hat das schon angedeutet -, dass viele Akteure der Arbeitsmarktpolitik sagen: Dieser Punkt geht eigentlich in die richtige Richtung, aber folgender Pferdefuß ist zu beachten... - So ähnlich ist es eben auch in dem Punkt Prävention.
Wenn diese Maßnahmen, die für Menschen gedacht sind, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, die also noch in Arbeit sind, für die der Versicherungsfall noch gar nicht eingetreten ist - ein Leistungsentgelt werden sie ja nicht bekommen -, in die Maßnahmen der Bundesanstalt für aktive Arbeitsmarktpolitik einbezogen werden, wird das zulasten von aktiven Maßnahmen für Menschen gehen, die jetzt schon von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Und wenn die Bundesregierung dann nicht eine müde Mark für diese Maßnahmen zur Verfügung stellt, dann weiß man, dass es eben tatsächlich voll zulasten der jetzt arbeitslosen Menschen geht. Das ist ein Pferdefuß, der bei aller Prävention einfach nicht übersehen werden darf.
Was die 20 % Qualifikation betrifft, so haben wir jetzt beispielsweise erfahren, dass Vertreter von Projekten in die Arbeitsämter einberufen und darauf aufmerksam gemacht werden, dass im kommenden Jahr die 100%Förderung, die ja nach wie vor und in immer mehr Ausnahmefällen möglich ist für Vereine, die die Mittel nun wirklich nicht aufbringen können, wegfallen wird. Das wird für viele Vereine bedeuten, dass sie sich keine einzige ABM mehr leisten können, weil sie bei diesen Maßnahmen eben nicht eine müde Mark zufinanzieren können.
Wenn das Arbeitsamt nämlich sagt: „Die 20 % Qualifikation sind nicht unser Bier“ und in Mecklenburg-Vorpommern der Minister von seinem Landesarbeitsamt in einem Nebensatz aufgefordert wird: „Na, Herr Holter, das bezahlen Sie doch sicherlich aus dem Landessäckel!“, wenn also die Frage der Finanzierung dieser Qualifikation überhaupt nicht geklärt ist, dann kann man sich doch ausrechnen, zu wessen Lasten das geht, nämlich zulasten der vorhandenen Maßnahmen.
Es hat noch niemand gesagt, wie die einzelnen Arbeitsämter - es steht darüber auch nichts in dem Gesetz - am Ende diese Qualifikation durchsetzen werden. Sie werden also an die Träger herantreten. Sie werden sich vertrauensvoll an das Land wenden und am Ende die Maßnahmen herunterschrauben. Das wird das Hauptergebnis sein.
Auch was das Programm „Aktiv zur Rente“ betrifft, bin ich gespannt, welche Auswirkungen die Sonderförderung für 55-Jährige haben wird, weil die Träger der „Aktiv zur Rente“-Maßnahmen jetzt darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihr Anteil an der Finanzierung im nächsten Jahr höher wird.
Es muss mir auch erklärt werden, weshalb der Anteil der Träger steigen muss, wenn neben dem Anteil, den das Land zur Verfügung stellt, und neben der normalen SAM-Finanzierung auch noch eine Sonderförderung dazukommt. Aber genau diese Informationen bekommen derzeit die Träger. In dieser Hinsicht ist alles völlig offen.
Was die Maßnahme Wartezeit betrifft, muss ich sagen: Ich kann das in gewisser Weise verstehen. Es ist aber die Frage nicht beantwortet, wie sich das auf die Ausweitung der Langzeitarbeitslosigkeit auswirken wird. Deshalb bin ich immer noch der Meinung, dass wir uns auch für die Streichung der Wartezeit einsetzen sollten. Ich werde am Ende dazu einen Änderungsantrag zu
dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion stellen, dem wir ansonsten zustimmen wollen.
Was die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe betrifft, Herr Dr. Bergner, möchte ich auf das Problem, das Sie haben, aufmerksam machen, dass Sie sich in dieser Hinsicht nicht festlegen können. Ich vereinfache das einmal ein bisschen holzschnittartig. Das machen wir ja gern, Holzschnittbilder abwechselnd hochzuhalten.
Sie wollen - seien Sie ehrlich - das Arbeitslosenhilfeniveau auf das Sozialhilfeniveau senken. Das ist Punkt 1. Sie wissen aber, dass Sie, wenn Sie die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe bei den Sozialämtern ansiedeln, das Problem den Kommunen auflasten. Sie werden sich natürlich sehr hüten, das jetzt laut zu sagen. Also vermeiden Sie es, deutlich zu sagen, wie das am Ende tatsächlich passieren soll.
Aber sagen Sie es ruhig. Sie können es hier ja. Sie haben die Möglichkeit der Kurzintervention. Vielleicht können Sie auch einmal deutlich machen, dass Sie genau das, nämlich das Arbeitslosenhilfeniveau einfach auf das Sozialhilfeniveau zu drücken, nicht wollen. Das merke ich mir, schreibe ich mir auf, schneide es mir aus und zeige es auf Verlangen vor.
Ich möchte folgenden Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion stellen.
Ich versuche es mündlich, habe es aber auch aufgeschrieben.
Ich möchte beantragen, dass der Punkt 2 in dem Antrag der SPD-Fraktion wie folgt geändert wird. Und zwar soll der darin enthaltene Satz einfach nur erweitert werden. Er soll dann lauten:
„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich in den entsprechenden Gremien auf Bundesebene für die Bereitstellung der notwendigen Mittel zur Umsetzung des Job-Aqtiv-Gesetzes im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und sich gegen die Einführung einer Wartezeit von drei Jahren bei Wiedervermittlung in eine ABM einzusetzen.“
Wie gesagt, ich habe das aufgeschrieben. Ich möchte auch sagen, dass die PDS-Fraktion natürlich die SPD auffordert, Ihren Änderungsantrag zu dem Antrag -
Wir wünschen uns natürlich, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Wir werden aber dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auch dann zustimmen, wenn Sie dies nicht tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Eine moderne Reform des Arbeitsförderungsrechts ist notwendig.“ - Diesen Satz der Begründung zu dem CDU-Antrag kann ich nur voll unterstützen. In der Frage, wie das geschehen soll, gehen die Ansichten - das hat die Ministerin deutlich gemacht - aber sehr wohl weit auseinander.
Einer Reihe von Punkten des Entschließungsantrages der Länder Bayern und Thüringen kann die PDS ohne weiteres zustimmen, beispielsweise denen zum Ausbau der Förderung der beruflichen Bildung oder zum Abbau der Benachteiligungen von Frauen.
Der Antrag wird von der PDS trotzdem abgelehnt werden. Ich will das, wenn auch nur holzschnittartig, hier begründen.
Was soll zum Beispiel mit der Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld tatsächlich erreicht werden? Die lange versprochene Halbierung der Arbeitslosenzahlen? Ist doch klar: Wenn man die Leute nur noch eine bestimmte Zeit lang als arbeitslos zählt, dann werden ganz schnell viele Leute aus der Statistik herausfallen. So haben wir uns die Halbierung der Arbeitslosenzahlen nicht vorgestellt.
Offen bleibt auch, wie verhindert werden soll, dass alle Betroffenen dann auf Sozialhilfe angewiesen sind und damit die kommunalen Haushalte belasten. Das so genannte „tragfähige Gesamtfinanzierungssystem“ bleibt völlig im Dunkeln.
Auch was im Zusammenhang mit Zumutbarkeitsregelungen angeboten wird, ist so für uns nicht hinnehmbar. Nettolohn unterhalb des Arbeitslosengeldes ist nach einer Frist schon jetzt möglich. Die Effekte aber sind fraglich. Den Pendelaufwand wieder zu erhöhen und das Mobilität zu nennen, wird die Abwanderung aus den östlichen Bundesländern nicht stoppen.
Eines längeren Diskussionsprozesses bedarf die Idee der Angleichung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Wenn es nur um den Verwaltungsaufwand, um Fehlsteuerung und meinetwegen um Missbrauch ginge, wäre es vergleichsweise einfach. Aber schon der Satz, „die Angleichung darf in keinem Fall zu einer stärkeren Belastung der Sozialhilfeträger führen“, macht ein Problem deutlich: Bundesweit erhielten im Jahr 2000 ca. 230 000 Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ergänzend zu Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Das heißt, die Leistungen des Arbeitsamtes sind so niedrig, dass schon die Sozialhilfe greift. Wir nennen das den Prozess der Kommunalisierung der Arbeitslosigkeit. Das ist aber eigentlich zu verhindern, weil Arbeitslosigkeit und Unterstützung von Arbeitslosen kein kommunal zu lösendes Problem ist.
Wichtig in der Diskussion ist vor allem, unter welchen Bedingungen die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammengeführt werden sollen, sowohl was die Finanzen betrifft, aber auch was die Zumutbarkeitsregelungen und den Zugang zu Maßnahmen der Bundesanstalt betrifft.
Ein weiterer Aspekt ist, dass bundesweit 150 000 Personen - davon sind 70 000 Personen voll erwerbstätig Sozialhilfe ergänzend zum Erwerbseinkommen bekommen. Das heißt, dass ihre Einkommen so gering sind, dass wieder die Sozialhilfe greift. Niedriglohnforderun
gen und Kombilohnmodelle müssen vor diesem Hintergrund sehr kritisch hinterfragt werden. Die Frage muss beantwortet werden, ob man den Prozess der Niedriglohnsubventionierung auch noch forcieren muss.
Man darf auch den Aspekt der Kaufkraft nicht ganz außer Acht lassen, weil laut dem Mittelstandsbericht - die neuen Zahlen liegen uns demnächst vor - über 90 % der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen-Anhalt allein auf die Binnenkaufkraft angewiesen sind, da sie am Export nicht beteiligt sind.
Zuletzt zur Finanzierung: „Nicht alles soll aus der Versicherung finanziert werden.“ - Okay. „Senkung des Beitragssatzes, wobei die Kosten zwischen Beitragszahlerinnen und Steuerzahlerinnen sachgerecht aufgeteilt werden.“ - Auch gut. Aber wie machen? - Steuererhöhungen werden von der CDU nicht mitgetragen.
Die Schlussfolgerung für mich muss sein, dass es der CDU im Grunde um ein gigantisches Sparprogramm zulasten von Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfängerinnen geht. Man kann über diese Vorstellung reden. Aber das schlägt dieser Antrag nicht vor.
Ein Wort noch zum Umgang mit dem Antrag. Wir sollen uns - haben Sie vorgeschlagen, Herr Professor Böhmer - inhaltlich in die Debatte einbringen. Aber genau das sieht der Antrag nicht vor. Die Begründung enthält alle inhaltlichen Punkte des Entschließungsantrages der Länder Bayern und Thüringen. Das heißt, wir sollen inhaltlich festgelegt werden. Ich habe aber sehr wohl begründet, warum gerade das aus der Sicht der PDS nicht möglich ist. Wir lehnen den Antrag der CDU ab. - Ich danke.
Herr Professor Böhmer, Sie haben in Ihrer Rede inhaltlich argumentiert, Sie haben auch jetzt wieder inhaltlich argumentiert, und Sie haben in Ihrer Begründung, die wir ja nicht mit beschließen, alle Punkte aufgezählt, die im Entschließungsantrag zumindest als Überschriften vorhanden sind. Das heißt, Sie haben uns inhaltlich schon ein Stück genau auf die Punkte festgelegt oder wollen uns darauf festlegen, die in diesem Entschließungsantrag stehen.
Jetzt frage ich Sie: Wenn wir dem Landtag einen Antrag vorlegen, dem Sie inhaltlich überhaupt nicht zustimmen
können, und wir Ihnen sagen, aber Sie können ihn doch wenigstens unterstützen, weil er unserer Auffassung entspricht und es doch nicht geht, dass man immer nur die eigenen Auffassungen sieht, was würden Sie dann tun? Wie würden Sie reagieren, Herr Professor, wenn wir von Ihnen verlangen würden, dass Sie einmal ausnahmsweise einem Antrag zustimmen sollen, den Sie inhaltlich überhaupt nicht mittragen können?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ministerin hat ziemlich ausführlich die juristischen Dinge erläutert, und ich denke, man muss dem nicht sehr viel hinzufügen.
Ich muss trotzdem sagen, dass es mir zunehmend schwer fällt, mich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Das hat damit zu tun, wie die Heimkehrer, also die Kriegsgefangenen selbst, teilweise mit diesem Thema umgehen.
Ich weiß, dass das Erlebnis eines Krieges jeden Menschen mit Unmenschlichkeit, mit Gewalt und mit Tod konfrontiert, egal ob er sein überfallenes Land verteidigt oder ob er zu einer Aggressionsarmee gehört.
Tatsache ist, dass Krieg das Ende der Menschlichkeit ist und dass Krieg ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, dass er kein einziges Problem löst - im Gegenteil. Es zeigt auch gerade diese Debatte, dass immer wieder neue Konflikte entstehen, dass neue Ungerechtigkeiten entstehen und dass diese Ungerechtigkeiten über Jahrzehnte nachwirken.
Trotzdem ist für mich die Art und Weise, in der sich ehemalige Angehörige der faschistischen Wehrmacht einseitig als Opfer geben, unerträglich. Ich rede speziell von einigen Leserbriefen, die in zunehmendem Maße in den Zeitungen und in der „Volksstimme“, die ich lese, veröffentlicht werden.
Die Heimkehrer fordern für sich soziale Gerechtigkeit ein. Sie fordern moralische Anerkennung für geleistete Wiedergutmachung und setzen dabei das Wort „Wiedergutmachung“ in Anführungsstriche. Sie beklagen ihr Schicksal als Kriegsgefangene und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten und leben mussten, und stellen sich dabei auf eine Stufe mit Zwangsarbeiterinnen, die, ohne an Kriegshandlungen je beteiligt gewesen zu sein, nach Deutschland verschleppt worden sind. Ich rede von den Leuten, die in den Zeitungen schreiben.
Völlig ausgeblendet dabei wird, dass es Deutsche waren, die auf die Frage „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ begeisterungstrunken „Ja!“ geschrien haben.
Sie haben den totalen Krieg geführt und sie haben den totalen Krieg zurückbekommen. Er kam nach Deutschland zurück und brachte millionenfaches Leid auch in das Land, von dem er ausgegangen war.
Vor diesem Hintergrund fällt es mir zunehmend schwerer, sachlich über die Forderungen der Heimkehrer zu diskutieren, obwohl ich sehr wohl weiß - das habe ich am Anfang meiner Ausführungen auch gesagt -, welche tiefen Spuren Krieg und Kriegsgefangenschaft im Leben eines Menschen hinterlassen, selbst dann, wenn er freiwillig in diesen Krieg gezogen ist - das sind ja nun wahrlich nicht sehr viele.
Die Heimkehrer erheben jetzt ihre Forderungen mit dem Verweis auf die Entschädigungszahlen für Zwangsarbeiterinnen, und ich muss sagen, dass ich diese Verknüpfung für sehr problematisch halte.
Wir wissen, was für ein langer und quälender Prozess diese Entscheidung war und noch immer ist. Wir erwarten nach wie vor - das habe ich in diesem Haus schon mehrfach gesagt -, dass sich die CDU Sachsen-Anhalts mit gleicher Vehemenz auch für diese Entschädigungszahlungen einsetzt.
Ich hätte überhaupt nur Lust, über diesen Antrag zu reden, wenn die deutsche Wirtschaft ihren Verpflichtungen endlich nachgekommen ist und in den Fonds eingezahlt hat und wenn die Auszahlungen begonnen haben.
Herr Schomburg, ich will nichts weiter wissen als das, woran Sie feststellen, dass ich mich nicht zu meiner persönlichen SED-Vergangenheit bekenne, und woran Sie festmachen, dass ich nicht kritisch mit der Vergangenheit der SED umgehe. Woran machen Sie das fest? Ich behaupte, ich habe das immer getan und werde es auch in Zukunft tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schomburg, mein Großvater war Mitglied der Wehrmacht. Mein Großvater war wahrlich kein Faschist. Mein Großvater hat auf mich ganz persönlich und auf meine Erziehung großen Einfluss genommen. Sie sehen, was dabei herausgekommen ist.
Die faschistische Wehrmacht hat sich selbst als faschistische Wehrmacht bezeichnet. Das ist ein Fakt.
Herr Schomburg, der Vergleich zwischen der DDR und dem Nationalsozialismus, der Vergleich totalitärer Systeme ist erlaubt.
Aber die Gleichsetzung der DDR mit dem nationalsozialistischen System lehne ich strikt ab und weise sie hiermit zurück.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob sich die Aussage Schröders, es gebe kein Recht auf Faulheit, auf die Arbeitslandschaft in SachsenAnhalt auswirken könnte, geht aus meiner Sicht gänzlich am Thema vorbei. Die Arbeitslandschaft in SachsenAnhalt wird sich durch eine solche Äußerung nicht ändern. Die Frage ist doch vielmehr, wie sich solche Äußerungen auf die Situation von Arbeitslosen auch in Sachsen-Anhalt auswirken sollen.
Ich denke, in dieser Hinsicht sollten wir konkreter und auch ein bisschen ernsthafter nachfragen. Mehr Druck soll ausgeübt werden - Druck zur Annahme jedes Arbeitsangebotes. Es soll mehr Bestrafungsmöglichkeiten durch Leistungsentzug geben. Fragen wir aber ernsthaft, ob das notwendig ist, und schauen wir uns die Zumutbarkeitsregelungen des SGB III zur Arbeitsförderung genauer an. In § 121 steht - ich zitiere -:
„Vom siebenten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.“
Das heißt, der Arbeitslose muss sich schon nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit mit einem Einkommen begnügen, das 67 % seines vorherigen Einkommens beträgt. Tut er es nicht, kann er schon jetzt mit Leistungsentzug bestraft werden.
Zumutbar sind außerdem Pendelzeiten von bis zu drei Stunden bei sechs Stunden Arbeitszeit, eine getrennte Haushaltsführung und eine Beschäftigung, für die der Arbeitslose nicht ausgebildet ist, die er noch nie ausgeübt hat und die auch weit unter seiner Qualifikation liegen kann.
Nimmt der Arbeitslose diese Arbeit nicht an, kann er schon jetzt mit Leistungsentzug bestraft werden. Soll man das? Darf man das noch verschärfen? - Ich denke, nein. Es gibt jedoch noch interessantere Vorschläge; es kommt noch besser.
Es gibt Menschen, die noch eins draufsetzen. Der Vorschlag des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Merz zum Beispiel, an Arbeitslose so etwas wie Essenmarken oder Gutscheine auszugeben, passt genau in das Klima, Arbeitslose als Drückeberger und Faulenzer abzustempeln. Das gilt auch für den Vorschlag des CDU-Bundestagsabgeordneten Hansjürgen Doss, gegen die Arbeitslosen eine Art Arbeitslosenpolizei einzusetzen. Das kann man nur als dreiste Verhöhnung von Millionen Menschen bezeichnen und man muss es scharf zurückweisen.
In dieser Hinsicht muss sich die CDU an ihre eigene Nase fassen. Ich finde, hierbei ist Gelassenheit weniger angebracht.
Das eigentlich Schlimme ist, dass diese Vorschläge das Pferd vom Schwanz aufzäumen. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit - das wurde schon gesagt - ist sehr wohl nicht darin begründet, dass Millionen Menschen nicht arbeiten wollen, sondern darin, dass Millionen Arbeitsplätze fehlen. Die Androhung von Strafe gegen Arbeitslose ändert daran nichts. Arbeitslose
brauchen Arbeit, keine Bestrafung. Arbeitslosigkeit ist Strafe genug.
Es muss endlich über die Tatsache nachgedacht werden, dass sich ein Teil der arbeitsfähigen Menschen kaputtackert, während der andere Teil resigniert. Wir brauchen Konzepte zum Abbau von Überstunden. Die Einführung der 35-Stunden-Woche hat in Frankreich Wirkung gezeigt. Warum orientieren wir uns nicht daran?
Wann wird endlich begriffen, dass die Politik der Lohndrückerei den meisten Unternehmen in Sachsen-Anhalt schadet? Der Mittelstandsbericht des Jahres 2000 sagt aus, dass 3,1 % der kleinen und mittelständischen Unternehmen Sachsen-Anhalts am Export des Landes Sachsen-Anhalt beteiligt sind. Darin ist auch der Export in andere Bundesländer eingerechnet.
Im Umkehrschluss heißt das, dass 97 % der Unternehmen allein auf die Kaufkraft der Sachsen-Anhaltinerinnen und Sachsen-Anhaltiner angewiesen sind. Nur eine intelligente Ankurbelung der Binnennachfrage kann diesen Unternehmen wirklich nützen.
Statt immer nur darüber nachzudenken, wie man die Kosten der Unternehmen senken kann, sollte über mehr Absatz für sie nachgedacht werden. Die Diskussion in der Bundesrepublik gehört vom Kopf auf die Füße gestellt. Nicht die Arbeitslosen sind das Problem, sondern die Arbeitslosigkeit. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Richtung FDVP nur ein Satz: Sie verfährt wie schon so oft nach dem Motto: Zu viel Sachkenntnis stört in der Politik.
Eine Vorbemerkung in Richtung CDU kann ich mir allerdings auch nicht verkneifen: Ich habe den Eindruck,
dass der Fragenkatalog ein recht merkwürdiges - im wahrsten Sinne des Wortes - Staatsverständnis der CDU offenbart. Die Landesregierung wird so gefragt, als hätte sie sozusagen die Oberaufsicht über die Kommunen, über alle Entscheidungen der Kommunen oder als müsse sie sogar stets auf alle diese Entscheidungen Einfluss nehmen können.
Auf manche Frage hätte ich, wäre ich die Landesregierung - ich weiß gar nicht, ob ich den Satz hier sagen darf -, nicht geantwortet, selbst wenn ich die Antwort wüsste. Manche Antworten sind auch entsprechend. Einige Fragen offenbaren schlicht Unkenntnis.
Aber Fragen sind auch dazu da, Wissenslücken zu schließen.
Die Frage nach der Kommentierung des BSHG durch die Landesregierung hat bei mir schon die Frage aufgeworfen, mit welchem Ziel sie gestellt wird. Vielleicht ist die CDU argwöhnisch und vermutet bei der SPDLandesregierung die Absicht, das BSHG zu ändern. Ich wüsste allerdings nicht, wodurch das zum Ausdruck gekommen wäre.
Die Frage nach den Änderungen des BSHG offenbart, dass auch beste Absichten scheitern, wenn ihnen enge Finanzspielräume entgegenstehen. Gesetzesänderungen sind - das haben wir schon vorher gewusst - zwar hilfreich, reichen aber als Rahmenbedingung offensichtlich nicht aus. Das meine ich überhaupt nicht ironisch.
Der Anteil der Empfängerinnen von Hilfe zum Lebensunterhalt im arbeitsfähigen Alter hat mich, muss ich ehrlich sagen, doch überrascht; das sind immerhin über 60 %. Der Eindruck, der bei Gesprächen mit den Sozialämtern entsteht, ist ein anderer. Allerdings ist klar und wird auch deutlich, dass höchstens 50 % der Sozialhilfeempfängerinnen im arbeitsfähigen Alter überhaupt eine Arbeit aufnehmen könnten.
Dass die Variante, sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheiten für wesentlicher zu halten, von der Landesregierung bevorzugt wird, kann ich nur begrüßen. Das Rahmenprogramm des ESF ist auch entsprechend darauf abgestellt. Ich komme allerdings auf dieses Problem noch einmal zurück.
Die Umsetzung des BSHG und der entsprechenden Paragrafen für die Hilfen zur Arbeit in den Kommunen offenbart starke Differenzierungen. Das liegt im Wesen der Sache, ist für das Land aber natürlich interessant. Interessant sind die Vergleiche zum Beispiel zwischen dem Jerichower Land, das in fünf Jahren ca. 1 000 Menschen beschäftigt hat, dem Ohrekreis, der in vier Jahren ca. 160 Menschen in Arbeit gebracht hat, und dem Kreis Stendal, der in acht Jahren 4 290 Menschen in Arbeit gebracht hat. Nun kann man natürlich in Rechnung stellen, dass der Ohrekreis nur halb so viele Sozialhilfeempfängerinnen hat wie Stendal. Aber trotzdem ist diese Differenzierung sehr interessant und sollte auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU zu Fragen anregen.
Die Fragen 18 bis 20 haben aus meiner Sicht offenbar das Ziel - Sie können mich dann korrigieren, Frau Stange - nachzuweisen, dass die Regeln nicht restriktiv genug sind oder aber dass sie nicht restriktiv genug angewendet werden.
Die Frage ist: Was will die CDU? Eine Forderung nach Erhöhung der Arbeitseinkommen habe ich heute nicht gehört.
Ich möchte zu bedenken geben, dass wir aus der Antwort auf eine andere Frage erfahren haben, dass Leistungsentzug nicht in jedem Falle zur Arbeitsaufnahme motiviert. Das heißt, eine Verringerung der Sozialhilfe oder ein Leistungsentzug ist nichts als Strafe. Dazu müssten Sie sich auch einmal bekennen.
Die Fragen 66 bis 74 beziehen sich auf das Sofortprogramm für arbeitslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger und sind - entschuldigen Sie bitte - die 25. Auflage dieser Fragen. Ich wundere mich, dass die Landesregierung darauf überhaupt eingegangen ist.
Sie haben 24 Kleine Anfragen gestellt, eine pro Kreis. Allerdings hatte die Landesregierung damals auf eine Frage nicht antworten können, weil die Verwendungsnachweise noch bearbeitet wurden; das hat sie damals zumindest so geschrieben. Das war im April/Mai 1999. Wenn sich die Landesregierung schon auf die Beantwortung dieser Fragen einlässt, dann sollte sie inzwischen auch auf diese Frage aus den Kleinen Anfragen antworten können.
Tatsächlich aufhorchen lassen die Antworten auf die Fragen zu Kombilohn und Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Bisher wurden die Kombilohnmodelle seitens der Landesregierung skeptischer bewertet. Die konkrete Ausgestaltung sollte Thema im Landtag bleiben. Ein zusammengeführtes System von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe steuerfinanziert zu gestalten, wie es im Übrigen bei den einzelnen Hilfearten bereits der Fall ist, ist aus unserer Sicht durchaus sachgerecht.
Aber es werden dann im Rahmen der Hilfe zur Arbeit keine versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse mehr entstehen. Nur so ist ein neuer Arbeitslosengeldanspruch zu verhindern. Dieser Satz findet sich in der Antwort auf die letzte Frage. Die Landesregierung hat an anderer Stelle aber den versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen eindeutig den Vorrang gegeben. Hierin sehe ich einen Widerspruch, über den wir sicherlich noch öfter reden müssen. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass die PDS die Kritik und die Ablehnung der rot-grünen Rentenreform mit der CDU durchaus teilt. Aber die Dicke der Krokodilstränen, die heute hier geflossen sind, wundert mich schon sehr.
Ich muss kurz daran erinnern, dass es die CDU war, die das Rentenalter von Frauen auf 65 Jahre heraufgesetzt hat,
und das wohl wissend, wie die Chancen von Frauen, zumindest ab dem 45. Lebensjahr, auf dem Arbeitsmarkt aussehen. Das heißt, es ging überhaupt nicht darum, dass Frauen länger arbeiten sollen, sondern es ging nur darum, dass sie später Rente kriegen, und nicht nur später, sondern auch wesentlich weniger; denn jede Frau, die zum frühestmöglichen Renteneintritt gezwungen wird, hat bekanntlich mit Abschlägen zu rechnen die Männer natürlich auch -,
und zwar mit Abschlägen von bis zu 18 %. Dies ist auch vor dem Hintergrund der im Vergleich zu den Männern anerkanntermaßen geringeren Renten zu sehen. Das alles, meine Damen und Herren von der CDU, musste einfach noch einmal gesagt werden, um die Relationen zu wahren.
Wesentlicher Kritikpunkt an der Rentenreform der rotgrünen Bundesregierung war, dass die Chance verpasst wurde, eine eigenständige Alterssicherung für Frauen durchzusetzen. Ich will nicht verhehlen, dass die PDS sieht, dass Schritte in die richtige Richtung gegangen werden. Aber es bleibt letztlich bei den vom Mann und seiner Erwerbstätigkeit abgeleiteten Ansprüchen und es bleibt damit bei der Abhängigkeit der Frau vom Mann. Daran wollte die CDU übrigens nie etwas ändern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie das jetzt ernsthaft behaupten will.
Wollte man tatsächlich Schritte hin zu einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen gehen, müsste man ernsthafter darüber nachdenken und vor allem konkrete
Maßnahmen dazu ergreifen, dass Männer sich mehr als bisher an der Familienarbeit und an der Kindererziehung beteiligen, beispielsweise durch eine verbindliche Festschreibung der Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten durch die Väter. Nur so wäre langfristig zu verhindern, dass die Geburt eines Kindes zum Karrierehindernis für die Mutter oder für den Vater wird.
Den Frauen müsste durch geeignete Maßnahmen eine Vollerwerbstätigkeit ermöglich werden. Die SPD geht den anderen Weg: Sie macht Müttern die Teilerwerbstätigkeit schmackhaft. Das ist immerhin ein Schritt in die Richtung, dass Frauen nicht ganz aus der Erwerbstätigkeit gedrängt werden. Die konkrete Ausgestaltung dieser Regelungen lässt allerdings einige Fragen offen. Ich will nur ein paar davon stellen:
Warum werden beispielsweise Kinder erziehende Frauen mit einem Verdienst oberhalb des Durchschnittseinkommens vom Bonus ausgeschlossen? Wir haben schon viel von der Doppelbelastung der Frauen gehört. Hinter dieser Regelung steckt die Auffassung, dass Frauen ohne Kinder in Vollzeit arbeiten, Frauen mit Kindern in Teilzeit und Frauen mit zwei oder mehr Kindern überhaupt nicht; denn ab dem zweiten Kind wird die Kindererziehung wie Erwerbstätigkeit mit einem Bonus aufgewertet, sodass Kindererziehung quasi als Ersatzerwerbstätigkeit gilt. Auch so kann man Frauen zurück an den Herd bringen.
Warum führt ein zweites und drittes Kind im Osten zu einer niedrigeren absoluten monatlichen Rentensteigerung als ein zweites oder drittes Kind im Westen?
Die geplante Regelung setzt die Diskussion zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West erneut auf die Tagesordnung.
Warum gilt die Höherbewertung bei den Berücksichtigungszeiten generell nur bei der Kindererziehung und nicht bei der häuslichen Pflege von erwachsenen pflegebedürftigen Personen?
Für solche Ungleichbehandlungen gibt es kaum nachvollziehbare Gründe. Konsequenter wäre es, Vätern und Müttern rückwirkend drei Jahre Kindererziehungszeit anzuerkennen, und nicht nur für die ab dem Jahr 1992 geborenen Kinder.
Das Rentensplittingmodell erhält nun endgültig die vom Mann abgeleiteten Ansprüche aufrecht, weil es im Ergebnis keinen großen Unterschied macht, ob bei einer Trennung ein Versorgungsausgleich stattfindet und dadurch zwei Rentenkonten entstehen oder ob von Anfang an zwei Rentenkonten geführt werden oder zumindest die Möglichkeit dafür besteht. Dieses gesplittete Rentenkonto kann nur dann aufgefüllt werden, wenn der Mann dafür sorgt. Die Frau bleibt damit vom Mann abhängig.
Das trifft im Übrigen auch auf die Hinterbliebenenrenten zu. Dass Alleinerziehende und Geschiedene dabei außen vor sind, hat eben mit dieser vom Mann abgeleiteten Rente zu tun.
Die PDS hat die Privatrente von Anfang an vor allem aus der Sicht der Frauen kritisiert, und zwar nicht nur in der Hinsicht, dass Frauen für gleiche Leistungen höhere Beiträge zahlen. Es ist nämlich auch eine Tatsache, dass die Privatrente anders als die gesetzliche Rente Zeiten von Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Kindererziehung und Pflege nicht absichert. Die Frauen
werden also einfach weniger Zeit haben, in diese Privatrente einzuzahlen. Wer anders als die Frauen leistet diese Arbeit?
Eine Frage würde ich der CDU gern noch stellen. Können Sie mir sagen, wie die CDU die von ihr stets geforderte und stets begrüßte Privatrente ausgestaltet hätte, ohne den Banken und Versicherungen Zusatzgeschäfte in Milliardenhöhe zuzuschanzen? Diese Frage wollte ich Ihnen nicht ersparen. Ich bin auf Ihre Antwort gespannt. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDSFraktion greift mit diesem Antrag ein Anliegen auf, das von Betroffenen als besonders gravierend angesehen wird, dessen Lösung allerdings gleichzeitig besonderer Sensibilität bedarf. Wir kommen um eine Lösung nicht herum. Wir sind den betroffenen Frauen und Männern eine Lösung schuldig.
Ich will den Fall einer Frau schildern, die zum Kreis der so genannten Altgeschiedenen gehört, deren Schicksale Anlass für unseren Antrag waren:
Die betroffene Frau war 27 Jahre lang mit einem angesehenen, viel beschäftigten und gut verdienenden Professor verheiratet. Der brauchte einen freien Rücken, also eine Frau, die ihm Familienarbeit und Kindererziehung abnimmt. Sie hat sich für dieses Leben entschieden und hat vier Kinder großgezogen - in einer Zeit, in der es noch keine Babyfertignahrung, Waschmaschinen oder andere Hilfsmittel im Haushalt gab, ein ziemlich harter Job. Dann kam die Scheidung. Sich noch eine eigene Existenz durch Arbeit aufzubauen, dafür war es zu spät. Krankheiten kamen hinzu. Heute sind beide Rentnerinnen.
Während allerdings die Arbeit des Professors mit einer guten Rente anerkannt wird, erhält die Frau für ihre Lebensleistung sage und schreibe 365,43 DM. Darin enthalten ist die Anerkennung für die Erziehung ihrer Kinder unter den eben geschilderten Umständen in Höhe von 168,97 DM.
Hätte die betroffene Frau im Westen gelebt, wäre ihre Situation eine ganz andere. Die während der Ehezeit erworbenen Ansprüche an die Rentenversicherung wären im Rahmen eines Versorgungsausgleiches auf beide Ehepartnerinnen aufgeteilt worden. Grundlage dafür ist die in der Bundesrepublik übliche und auch angestrebte so genannte Hausfrauenehe oder noch besser die Wirtschaftsgemeinschaft Ehe, wie sie gern genannt wird. Grundlage dafür wiederum ist die in der Bundesrepublik übliche Sicht auf die Familie, in der der Mann die Rolle des Familienernährers hat, während sich die Leistung der Frau ausschließlich auf Haushalt und Kinder beschränkt.
Um nicht missverstanden zu werden: Die Frauen, die sich für ein Leben entscheiden, dessen Hauptinhalt Haushalt und Kinder sind, haben unsere und meine volle Anerkennung. Sie leisten eine wichtige Arbeit und eine schwere Arbeit; wenn ich auch politisch dafür wirke, das
Leben von Männern durch Tätigkeiten im Haushalt und auch durch die Beschäftigung mit ihren Kindern zu bereichern. Das aber nur am Rande.
Eine solche Wirtschaftsgemeinschaft Ehe hat es in der DDR nicht gegeben. Zu Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich Frauen an der Erarbeitung des Lebensunterhalts beteiligen mussten, wenn das Familienbudget für eine zumindest bessere Lebensweise ausreichen sollte. Das hatte allerdings für Frauen den sehr wohl positiven Effekt, dass eine finanzielle Abhängigkeit vom Mann nicht bestand und dass die Lebensinhalte von Frauen sehr wohl bereichert wurden, ihre Stellung in der Gesellschaft sich wesentlich änderte.
Das führte zugegebenermaßen nicht gerade dazu, die Familienarbeit mit den Männern wirklich gerecht zu teilen. Allenthalben war von der Doppelbelastung der Frau die Rede und auch davon, dass man sie dafür ehren und dass man ihr dafür danken müsse.
Fakt ist, dass auf dieser Grundlage ein Versorgungsausgleich bei Ehescheidungen nicht vorgesehen war, was zu der oben beschriebenen Situation führte und führt.
Wie kann man das Problem nun lösen? - Ein Teil der betroffenen Frauen empfindet es nur als gerecht, für sich eine Gleichbehandlung mit den im Westen geschiedenen einzufordern, auch deshalb, weil ihre Lebenssituation mit der der Westfrauen durchaus vergleichbar ist. Das ist verständlich. Die CDU schließt sich mit ihrem Änderungsantrag offensichtlich dieser Forderung nach einer eheinternen Rententeilung an.
Die PDS kann sich dieser Forderung bei allem Verständnis für die Situation der betroffenen Frauen nicht anschließen. Ich will das begründen.
Eine Rückwirkung von Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland auf die DDR-Zeit ist rechtlich äußerst problematisch. Beispielsweise ist das Rückwirkungsverbot Verfassungsgrundsatz für den Vertrauensschutz von Bürgerinnen in Recht und Gesetz.
Wir haben sonst an allen möglichen Stellen dagegen gekämpft, dass Maßstäbe und Gesetze der Bundesrepublik rückwirkend auf das Leben in der DDR angewendet, dass wir nach den Maßstäben und Gesetzen der Bundesrepublik beurteilt oder gar verurteilt werden. Wollte man an irgendeiner Stelle damit anfangen, würde das Tür und Tor für weitere derartige Forderungen öffnen. Einmal aufgemacht, wäre eine Grenze schwer zu ziehen. Ich will nur ein Beispiel nennen, das nicht das Leben in der DDR betrifft, sondern das Leben in der Bundesrepublik.
Wer in der Bundesrepublik vor 1977 geschieden und zu diesem Zeitpunkt schuldig geschieden wurde - das gab es damals noch -, bekommt ebenfalls keinen Versorgungsausgleich. Wenn die Gesetze der Bundesrepublik nach 1977 auf die DDR angewendet werden sollen, wo sie ja nicht gegolten haben, weshalb sollen dann nicht die Gesetze von nach 1977 auch für vor 1977 gelten?
Eine Einzelfallklärung nur auf Antrag ist aus der Sicht der Gleichbehandlung ebenfalls problematisch. Man müsste dann tatsächlich die 650 000 betroffenen Fälle einzeln berechnen. Es gehören eine ganze Menge Leute dazu, deren Problem die Rente zurzeit nicht ist.
Wollte man an dieser Stelle eine Ausnahme machen, müsste man weit rückwirkend in das Leben von Men
schen eingreifen. In jedem Einzelfalle müsste der Versorgungsausgleich nachgeholt werden, die Rente von Mann und Frau neu berechnet, dem Mann rückwirkend Rente entzogen, er also zur Rückzahlung aufgefordert werden. Noch ein bisschen komplizierter wird es - man kann ja alle Wechselfälle des Lebens einmal mit bedenken -, wenn der Mann mehrmals geschieden wurde, wenn er wieder geheiratet hat und inzwischen verstorben ist. Will man in diesem Falle die zweite Frau zur Kasse bitten? Wie soll das gehen?
Würde eine solche rückwirkende Entscheidung zum Versorgungsausgleich vor einem Verfassungsgericht überhaupt Bestand haben? Dass irgendein Mann dagegen klagt, darauf können Sie sich verlassen.
Das Risiko der Altersarmut betrifft nicht nur Altgeschiedene. Eine Lösung nur für sie würde ebenfalls dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. An dieser Stelle setzt der Vorschlag der PDS an. Das Aktionsbündnis für soziale Gerechtigkeit der Stadt Halle und der frauenpolitische runde Tisch in Halle sagen - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin -:
„Die Altersarmut in den neuen Bundeslän- dern wächst und ist vorwiegend weiblich. Über eine Million Rentnerinnen mit nur einer Rente liegen trotz langjähriger Berufsarbeit und umfangreicher Familienarbeit unter dem Existenzminimum, gemessen an der Hälfte der durchschnittlichen Nettoentgelte der Beschäftigten von derzeit 1 425 DM. Auch bei gleichzeitigem Bezug von Witwenrente liegen ca. 36 % unter diesem Existenzminimum.“
Wollte man das Problem der Altersarmut also nur für die so genannten Altgeschiedenen lösen, ergäbe das wiederum ein Problem mit der Gerechtigkeit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
Deshalb schlägt die PDS vor, eine politische Lösung anzustreben, wie im Antrag ausgeführt.
Ich nehme noch einmal die Gelegenheit, darauf hinzuweisen und zu betonen, dass die von der PDS angestrebte soziale Grundsicherung für von Altersarmut betroffene Personen nichts mit der von der SPD mit der Rentenreform eingeführten Grundsicherung zu tun hat, die die Rentnerinnen und Rentner auf die Sozialhilfe verweist.
Die PDS geht bei ihren Vorschlägen von der Armutsdefinition aus, die in der europäischen Diskussion angewendet wird. Diese bezeichnet jene als arm, die weniger Einkommen beziehen, als es der Hälfte des durchschnittlichen Nettoentgeltes der Beschäftigten entspricht. Das sind zurzeit die besagten 1 425 DM.
Frauen und Männer, die nach einem arbeitsreichen Leben aus welchen Gründen auch immer ein so geringes Einkommen beziehen, auf die Sozialhilfe zu verweisen, halten wir nicht für sachgerecht.
Im Sinne der betroffenen Frauen und Männer hoffe ich auf eine sachliche Diskussion. Da es einen Änderungsantrag seitens der CDU gibt, wird es sicherlich am besten sein, wenn wir im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zumindest über das Anliegen noch einmal in Ruhe diskutieren. - Ich danke Ihnen.
Ich möchte zwei Dinge los werden. Eine Bitte an die Mitarbeiterinnen und die Verantwortlichen in der DVU-FLFraktion: Wenn Sie hier schon reden müssen, wäre es angebracht, wenigstens einen Satz zum Thema zu sagen.
Dann wollte ich Herrn Bergner auf einen Trugschluss aufmerksam machen. Herr Bergner, selbst wenn Sie es hinbekommen, die Berechnung des Versorgungsausgleiches für jeden Einzelfall durchzuführen - das kann so schwer nicht sein -, Sie werden die Bezahlung einfach nicht anders hinbekommen. Wenn Sie den Mann und dessen Witwe nicht mehr drankriegen, wer soll es dann bezahlen?
Das heißt, dann tritt doch wiederum der Staat ein
und Sie haben, egal wie Sie es errechnet haben, das gleiche Problem, nämlich dass der Staat in dem Moment für diese Dinge eintreten muss und - was Sie gesagt haben - dass die geschiedene Ehe bevorzugt wird.
Ich halte es für fast ausgeschlossen, dieses Geld tatsächlich von den betroffenen geschiedenen Ehemännern oder deren Witwen einzutreiben.
Alles andere im Ausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überleitung des Rentenrechts Ost in das Rentenrecht West verdient schon jetzt den Titel einer unendlichen Geschichte. Diese unendliche Geschichte zeugt wie kaum ein anderes Beispiel davon, wie groß die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR waren - ganz ohne Wertung -, aber auch davon, wie gering das Verständnis für die Unterschiede oder sogar wie gering das Wissen im Westen um diese Unterschiede war.
Das Rentenrecht war in der Vergangenheit und ist auch jetzt noch wie kaum ein anderes Recht Gegenstand von Beschwerden, Widersprüchen und Klagen. Trotz des massiven Widerstandes vieler Betroffener bedurfte es der Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, um zumindest ein teilweises Umdenken der Regierung zu erreichen.
Im April 1999 wurden vom Bundesverfassungsgericht wesentliche Regelungen zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus zahlreichen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesamtdeutsche Rentenversicherung für mit dem Grundgesetz unvereinbar und in einigen Fällen sogar für nichtig erklärt.
Erst 20 Monate danach legte die Bundesregierung im Dezember 2000 nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, AAÜG - schöner Name -, vor. Von diesem Gesetzentwurf sind die Betroffenen enttäuscht, vor allem deshalb, weil die SPD weit hinter ihre Versprechungen aus dem Wahlkampf 1998 und weit hinter ihren eigenen Gesetzentwurf aus dem Jahr 1995 zurückgeht.
Folgende Regelungen sind in diesem Gesetzentwurf enthalten. Ich versuche, es kurz zu machen.
Die vorläufige Zahlbetragsbegrenzung für system- nahe und Sonder- und Zusatzversorgungssysteme auf 2 010 DM bleibt bestehen. Die vorläufige Zahlbetragsbegrenzung für Leistungen aus dem nicht systemnahen Versorgungsbereich nach Anlage 1 wird aufgehoben. Der Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge wird vom 31. Dezember 1993 auf den Zeitraum bis zum 30. Juni 1995 ausgedehnt, wie es im Einigungsvertrag vereinbart war.
Die Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrages wird mit den Anpassungswerten der alten Bundesländer durchgeführt. Bei der Neuberechnung der Bestandsrenten mit Sonder- und Zusatzversorgungssystemen wird das Günstigkeitsprinzip angewendet; der gesamte Versicherungsverlauf wird mit den letzten 20 Jahren verglichen und die jeweils höhere Leistung wird gezahlt.
Für ehemalige Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post wird das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 10. November 1998 umgesetzt, und es werden die über 600 DM hinausgehenden Entgelte bei den Personen anerkannt, die am 1. Januar 1974 zehn Jahre ununterbrochen in diesen Bereichen tätig waren.
Nachzahlungen für die Zeit vor dem 1. Mai 1995 erfolgen nur in solchen Fällen, in denen ein Überführungsbescheid bzw. Rentenbescheid nicht bestandskräftig geworden ist.
Nicht zuletzt: Die Entgeltbegrenzung für Angehörige des Versorgungssystems des Ministeriums für Staatssicherheit wird von 0,7 auf 1,0, also auf einen Entgeltpunkt angehoben.
Diese Regelungen haben Betroffene aus unterschiedlichen Gründen enttäuscht. Der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Nachweis, dass überhöhte Gehälter gezahlt worden sind und deshalb gezahlte Entgelte bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben, spielt im Gesetzentwurf keine Rolle.
Die vom Bundesverfassungsgericht infrage gestellten Kriterien wie Staatsnähe, staatstragende und systemerhaltende Tätigkeiten oder Ausübung einer leitenden Funktion bleiben weiterhin Gründe für eine Differenzierung von Renten. Diese Kriterien wurden vom Bundesverfassungsgericht vor allem deshalb infrage gestellt, weil letztlich alle Empfängerinnen von Zusatzversorgungssystemen betroffen sind, also auch Wissenschaftlerinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen und Ingenieurinnen. Ihre Ansprüche und Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung wurden ihnen aberkannt. Sie erhalten damit eine normale Rente, die wegen langer Ausbildungszeit und Studienzeit nicht selten geringer als die von Fach- arbeitern ausfällt.
Die von der SPD im Wahlkampf und in der Auseinandersetzung mit der CDU geforderte vollständige Beseitigung des Rentenstrafrechts ist mit diesem Gesetzentwurf nicht gegeben und wohl auch nicht beabsichtigt.
Zu den Forderungen im Antrag im Einzelnen:
Erstens. Der besitzgeschützte Zahlbetrag wird ab 1. Januar 1992 mit den Anpassungswerten der neuen - nicht der alten - Bundesländer dynamisiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen vom April festgestellt, dass der besitzgeschützte Betrag eine Größe darstellt, die den Stand des einzelnen Rentenanspruchs im Rentengefüge der DDR widerspiegelt. Würde dieser Betrag lediglich mit den niedrigeren Sätzen der alten Bundesländer dynamisiert, könnten die Eigentumspositionen der Betroffenen im Verhältnis zu den übrigen Rentnerinnen im Osten nicht gehalten werden.
Zweitens. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MfS werden nach dem Gesetzentwurf so behandelt, als hätten alle im gesamten Arbeitsleben ein Durchschnittsgehalt bezogen, also ein Entgeltpunkt. Diese pauschale Regelung wird den tatsächlichen Verhältnissen, was die differenzierte Gehaltshöhe und die differenzierte Qualifikation betrifft, nicht gerecht.
Die Gehälter beim MfS waren unstrittig überhöht. Deshalb wird von der PDS der Vorschlag der Betroffenenverbände übernommen, die Hälfte des Einkommens zu berücksichtigen, das den Durchschnitt übersteigt. Damit würden auch überhöhte Entgelte abgeschmolzen werden können.