Frank Müller

Appearances

17/12 17/19 17/21 17/26 17/31 17/37 17/38 17/42 17/46 17/56 17/60 17/61 17/66 17/73 17/74 17/84 17/94 17/97 17/99 17/100

Last Statements

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Sie haben gerade betont, ja, Sie seien in Verantwortung. Wenn ich der Schulministerin genau zugehört habe, hat sie das Gegenteil getan und die Verantwortung den Städten und Gemeinden zugeschoben. Was stimmt denn nun?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie beginnt nicht erst an der Wahlurne. Demokratische Prozesse begegnen uns in vielen Lebensbereichen, allerdings in doch sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen. Das gilt insbesondere für Kitas und Schulen.
Zwar ist die Mitwirkung von Kindern und Eltern bereits gesetzlich verankert. Aber nach wie vor fehlt es an Verbindlichkeit und Unterstützung. Vor allem aber hängen die Möglichkeiten noch zu häufig von der Bereitschaft vor Ort ab, Mitwirkung zu leben. Aus Lust wird dadurch häufig Frust.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten glauben, dass wir hier noch einmal mit allen Beteiligten ins Gespräch kommen müssen. Wir sind überzeugt: Wir müssen mehr Demokratie an unseren Schulen und Kitas wagen.
Gerade die 2. Elternkonferenz vor einigen Monaten hier bei uns im Landtag hat Defizite und Handlungsnotwendigkeiten offengelegt. Insbesondere eine Frage stand dabei im Raum: Warum hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren seit der 1. Elternkonferenz eigentlich nichts weiter getan, vor allem in puncto Verbindlichkeit und Unterstützung? Spätestens dann, wenn Eltern sich vernetzen und auf der Ebene des Schulträgers mitwirken wollen, gibt es landauf, landab große Unterschiede.
Bestenfalls läuft es rund, und es existiert eine Kultur der Ermöglichung. Dafür gibt es viele gute Beispiele. Aber in vielen Fällen sind Eltern komplett außen vor oder vom guten Willen der einzelnen Schulträger abhängig. Die Chance auf Mitwirkung und Vernetzung darf aber nicht länger von der Postleitzahl abhängen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wie unterschiedlich die Landschaft in NordrheinWestfalen ist, haben die Eltern auf der 2. Elternkonferenz eindrucksvoll dargestellt. Faktisch gibt es nämlich gar keinen vollständigen Überblick, und die Daten, die vorliegen, wurden in mühevoller Kleinarbeit von der Landeselternkonferenz erhoben.
Dass es keinen direkten Zugang zu den Eltern gibt, ist gewiss die größte Hürde. Häufig fehlt es auch an konkretem Wissen der Eltern über die Rechte zur Mitbestimmung. Es mangelt eindeutig an Fortbildungsangeboten. Eine einstündige Infoveranstaltung reicht eben nicht aus. Das ist definitiv kein Vorwurf an die Schulen bei uns im Land. Sie haben ja ebenfalls kaum Ressourcen übrig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen Elternengagement stärken und Eltern viel mehr als bislang unterstützen. Mit den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen und Unklarheiten im Schulgesetz ist das so nicht leistbar. Die Elternverbände kommen mittlerweile an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Nicht selten geben selbst starke Eltern auf und stellen ihr
Engagement ein. Es braucht eine institutionalisierte Unterstützung der Elternvertretungen sowie Unabhängigkeit von den Gegebenheiten oder den finanziellen Rahmenbedingungen vor Ort.
Neben der Stärkung der Elternmitwirkung wollen wir gleichzeitig die Mitwirkung von Kindern und jungen Menschen stärken. Wir wollen mit ihnen und nicht über sie entscheiden. Teilhabe will geübt sein. Niemand kann von heute auf morgen Verantwortung für sich und andere übernehmen. Wir müssen Kinder und Jugendliche langsam in die Verantwortungsübernahme einführen und sie dabei Schritt für Schritt begleiten. Kitas und Schulen sind dabei gute Orte, an denen sich Kinder und junge Menschen ausprobieren dürfen – im Diskutieren, im Bilden von Meinungen, im Treffen von Kompromissen und Entscheidungen und im Übernehmen von Verantwortung.
Oft wird mit der Verantwortungsübernahme zu spät begonnen. Kinder von Beginn an aktiv zu beteiligen, bedeutet, sie von Beginn an als vollwertige und kompetente Menschen anzuerkennen. Wir müssen für sie von Anfang an Rahmenbedingungen und Strukturen schaffen, in denen sie selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln, entscheiden und mitgestalten können.
Wir wissen doch alle: Demokratie ist kein Geschenk. Sie muss täglich neu erarbeitet, vielfach auch erkämpft werden. Es ist wichtig, das vom Start an zu lernen und über alle Ebenen zu erleben. Für die Demokratiebildung ist es deshalb unersetzlich, bereits in Kita und Schule zu beginnen – flankiert von verantwortungsvoller Elternmitwirkung.
Vieles ist bereits in unseren Bildungsgesetzen angelegt. Aber es ist nun an der Zeit, einen weiteren Schritt zu gehen, die Grundlagen präziser und verlässlicher auszugestalten sowie organisatorisch und finanziell mehr Unterstützung anzubieten.
Das, was aus unserer Sicht im Einzelnen gilt, haben wir in unserem Antrag dargelegt. Ich glaube, die Umsetzung dieser Forderungen ist nicht unmöglich. Vielmehr ist dies eine gute Basis, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Leider ist eine Redezeit von fünf Minuten viel zu kurz, um alle Aspekte auszuleuchten. Wir legen heute bewusst kein fertiges Konzept vor. Unser Antrag ist übrigens auch sehr offen für weitere Ideen. Denn Mitwirkung fängt für uns schon hier an. Wir wollen kein Konzept von oben, sondern gemeinsam mit allen Beteiligten Mitwirkung weiterentwickeln. Dazu gehört, alle Elternverbände bei uns in NRW mit einzubinden. Vor allem wollen wir keine weitere Elternkonferenz erleben, bei der wir feststellen, dass wieder Jahre ungenutzt verstrichen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns das gemeinsam machen und es aus dem ideologischen
Graben im Schulausschuss heraushalten. Die Kinder und Eltern haben es verdient.
Insofern freue ich mich auf die weiteren Beratungen hierzu im Ausschuss. – Herzlichen Dank und ein herzliches Glückauf!
Vielen Dank, Herr Kollege Brockmeier. – Ich war gerade irritiert, weil ich bislang angenommen hatte, dass Eltern- und Kindermitwirkung durchaus von Beginn an im KiBiz angelegt waren. Ich konnte aus dem Wortbeitrag die wesentliche Erneuerung tatsächlich nicht herauslesen. Vielleich könnten Sie – und das wäre meine Frage – auf mehr Unterstützung, Institutionalisierung und Vernetzung auf kommunaler und Landesebene eingehen. Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner, wäre es denn gegen die Staatspraxis gewesen, sich für den TGV bzw. den Thalys zu entscheiden bzw. wäre das denn auf Wunsch des Ministerpräsidenten auch grundsätzlich möglich gewesen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Dr. Stamp, haben Sie eigentlich auch kritische Rückmeldungen bekommen oder zu 100 % positive? Würden Sie, wenn Sie kritische bekommen haben, vielleicht auch daraus gerne zitieren wollen?
Vielen Dank. – Herr Minister Dr. Stamp, es gab sicherlich viele Verunsicherungen während des Lockdowns, unter anderem die noch immer offene Frage des Datenschutzes, die viele Lehrkräfte möglicherweise auch aus einer gewissen juristischen Angst davon abgehalten hat zu tun, was Sie vielleicht von ihnen erwartet haben. Auch LOGINEO war zu dieser Zeit noch immer nicht umfänglich verfügbar. Was hat eigentlich die Landesregierung in dieser Zeit getan, um diese Unsicherheiten zu beseitigen?
Vielen Dank. – Herr Präsident! Frau Ministerin, Sie haben gerade noch einmal klargestellt, dass es an den Samstagen nicht um die Umverteilung oder Ausweitung von Unterrichtungsverpflichtungen geht, und in dem Zusammenhang auch skizziert, welche Personengruppen an diesen Samstagen eingesetzt werden sollen. Vielleicht können Sie uns schon etwas über den Finanzierungsrahmen sagen und wie diese Mittel von den Schulen bzw. von den Schulträgern abgerufen werden.
Vielen Dank. – Wieso gibt es entgegen den üblichen Gepflogenheiten von dieser Veranstaltung kaum Fotos von den Gästen oder von der Veranstaltung selber?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, haben einzelne Gäste ihre Teilnahme eigentlich explizit wegen der Pandemie abgesagt, und, wenn ja, wie viele?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 18 CSDs sollte es in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen geben. Diese CSDs werden nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden können. Auch die EuroGames hier in Düsseldorf, auf die wir uns alle sehr gefreut haben, fallen leider ins Wasser.
Mit ihrer Strahlkraft weit über die queere Familie hinaus haben die CSDs hier bei uns in Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen sowie queeren Menschen geleistet. Vor allen Dingen aber haben sie einen würdigen Rahmen geschaffen, um auf die Rechte und Forderungen der Community aufmerksam zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Community ist aber nicht nur einmal im Jahr. Vielmehr reden wir über ein vielfältiges, buntes und solidarisches Netzwerk. Dieses Netzwerk ist kein Selbstzweck, sondern garantiert LSBTIQ Schutz und Unterstützung.
Die Coronapandemie, liebe Kolleginnen und Kollegen, legt die Verletzlichkeit queerer Strukturen in Deutschland auf dramatische Weise offen. Ich will dazu nur einige Beispiele nennen.
Gerade LSBTIQ sind oft von Einsamkeit, Gewalt sowie sozialen und psychologischen Krisen betroffen. Selbsthilfegruppen, Unterstützungsnetzwerke und
Beratungsstellen können aktuell nicht in gewohnter Weise arbeiten. Safe Spaces, also Orte, an denen sich LSBTIQ sicher vor Gewalt und Diskriminierung bewegen und frei entfalten können, droht das Aus. Ihr Verschwinden ist oft endgültig.
Queerer Journalismus leistet wichtige Aufklärungs- und Menschenrechtsarbeit. Aber wegbrechende Anzeigen und Auslegestellen bedrohen LSBTIQMedien ganz unmittelbar. Mit viel Kreativität und Herz versuchen engagierte Menschen, Strukturen zu bewahren und Angebote aufrechtzuerhalten, aber dieses Engagement kommt an praktische Grenzen. Vor allem aber sind bestimmte Angebote, die sich in der analogen Welt abspielen, kaum zu ersetzen, denn gerade für LSBTIQ in ländlichen Gebieten sind sichere Räume und der Peer-to-Peer-Kontakt unendlich wichtig.
Auch können zivilgesellschaftliche Initiativen den Staat nicht aus seiner Pflicht entlassen, LSBTIQStrukturen in Zeiten von Corona zu schützen und zu stärken. Deswegen ist es gut und richtig, dass die Förderung unvermindert weiterläuft. Aber es kann nicht nur um den Erhalt gehen, es braucht auch eine Strategie zur nachhaltigen Stärkung und zum Ausbau. Wir müssen schlicht mehr Community wagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Mit Blick auf die CSD-Saison bedeutet das, Sichtbarkeit auf anderen Wegen und mit alternativen Aktionsformen zu ermöglichen. Viele Initiativen haben sich hier schon auf den Weg gemacht, allerdings fehlen häufig die finanziellen Möglichkeiten, alternative Aktionsformen zu realisieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mich sehr gefreut, wenn es uns gelungen wäre, heute einen gemeinsamen Antrag aller demokratischen Fraktionen vorzulegen. Das hat auf den letzten Metern leider nicht mehr geklappt, was ich nicht verstehe, stammt unser Antrag, den wir zusammen mit den Grünen vorlegen, im Kern doch aus der Feder der Regierungsfraktionen selbst. Warum die Regierungsfraktionen am Ende ihren eigenen Aufschlag entkernt haben, bleibt mir ein Rätsel. Der Vorschlag, der uns am letzten Montag erreichte, war dann doch ein wenig zu dünn, um ihn gemeinsam zu unterstützen.
Am Ende des Tages können wir jedoch versöhnlich festhalten, dass sich die Community auf einen breiten Rückhalt in diesem Haus verlassen kann, wenn auch mit etwas unterschiedlichen Betonungen, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Auf drei Punkte will ich noch eingehen. Schon heute weht vor vielen Rathäusern die Regenbogenfahne. Es ist das sichtbare Bekenntnis für Vielfalt und Akzeptanz. Es wäre gerade in diesem Jahr eine besondere Geste, wenn sie auch vor Ministerien und der Staatskanzlei hängen würde. Warum gerade dieser
sehr einfach zu realisierende Aspekt aus dem Antrag von CDU und FDP geflogen ist, weiß ich nicht. Kommen Sie mir aber am Ende nicht mit Bedenken aus dem Innenministerium oder mit der Flaggenordnung. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Schließlich kann man eine solche Fahne zum Beispiel auch aus dem Fenster hängen. Zu Weihnachten beleuchtet man die Fenster schließlich auch mit einem bunten Weihnachtsbaum.
Auch das wäre eine mögliche Alternative, um Flagge zu zeigen und Farbe zu bekennen.
Wir finden es darüber hinaus wichtig, Gespräche zur aktuellen Lage zu führen und ergänzende Unterstützungsbedarfe zu ermitteln. Herr Minister Dr. Stamp wird uns sicherlich gleich erklären, dass es hierzu eigentlich keines Antrags bedarf und dass genau das bereits gerade stattfindet. Sicherlich wird er uns gleich auch über die Ergebnisse informieren können und Schlussfolgerung benennen, die er daraus zieht.
Ein letzter Punkt. Für uns ist CSD Heimat im besten Sinne. Im letzten Plenum hat der Landtag die Unterstützung für Heimat- und Brauchtumsvereine beschlossen und die Ausgestaltung eines Hilfsprogramms in die Hände der Landesregierung gelegt.
Meiner Meinung nach gehören die CSD-Vereine in NRW in dieses Programm. Ich habe Herrn Minister Stamp auch gleich nach dem Beschluss einen Brief geschrieben. Mittlerweile liegt dieser bei Ministerin Scharrenbach. Mich würde daher heute interessieren, wie die Landesregierung damit umgeht, denn NRW muss in der Krise für die Sichtbarkeit queerer Kultur Mitverantwortung übernehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns also gemeinsam Flagge zeigen und mehr als ein sichtbares Zeichen für eine starke und selbstwirksame Community setzen.
Unsere Botschaft ist klar: Ihr werdet gesehen. Ihr steht nicht allein. Wir kämpfen weiter gemeinsam für Akzeptanz, Vielfalt und Zusammenhalt. – Herzlichen Dank und Glück auf!
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar für die Anträge heute. Noch dankbarer bin ich dafür, dass es im Gegensatz zu TOP 11 gemeinsam geht, und dabei geht es um mehr als reine Symbolpolitik. Denn wenn wir über das Thema „Blutspende“ reden, reden wir über zwei Dimensionen: zum einen über die wissenschaftliche, zum anderen über die menschliche.
Homosexuelle Männer bzw. Männer, die Sex mit Männern haben, waren bis 2017 völlig ausgeschlossen von der Blutspende. Seit 2017 ist in Deutschland auch diese Gruppe zur Blutspende zugelassen, allerdings erst – Kollege Klocke hat es gerade erwähnt –, wenn sie zwölf Monate lang keinen Sex hatten. Finden Sie den Fehler! Denn wer bleibt eigentlich ein Jahr enthaltsam, um Blut spenden zu dürfen?
Auch durch eine befristete Rückstellung bleiben sexuell aktive Männer, die mit anderen Männern schlafen, also faktisch dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen. Das ist völlig lebensfremd, aber insbesondere entbehrt es jeder wissenschaftlichen Grundlage. Es basiert schlicht auf Vorurteilen und eben nicht auf Wissenschaft.
Die Neuregelung von 2017 stellt also lediglich eine kosmetische Veränderung dar, die über die diskriminierende Wirkung nicht hinwegtäuschen kann. Insbesondere die Frist von einem Jahr ist nicht nachvollziehbar und scheint völlig willkürlich gegriffen – darauf hat auch Kollege Klocke gerade hingewiesen –; denn begründbar wäre einzig und allein ein Zeitraum,
der sich am sogenannten diagnostischen Fenster orientiert. Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen. Sechs Wochen und eben nicht 52 Wochen!
Generell muss man feststellen, dass heute durch moderne Testverfahren eine Infektion mit Hepatitis oder HIV ohnehin nahezu komplett ausgeschlossen werden kann.
Dank der in den vergangenen Jahren entwickelten Verfahren und Sicherheitsmaßnahmen ist die Wahrscheinlichkeit, sich bei einer Bluttransfusion mit HIV anzustecken, von etwa 1:1.000.000 auf etwa 1:10.000.000 gesunken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sowieso wirft das gesamten Verfahren in Deutschland Fragen auf. Denn in Deutschland steht weiterhin sehr stark die sexuelle Orientierung und nicht das verhaltensbedingte Risiko im Vordergrund. Wünschenswert wäre also eine Lösung, die nicht die sexuelle Orientierung bzw. das Verhalten über einen langen Zeitraum, sondern tatsächlich HIV-Risiken in jüngster Zeit in den Blick nimmt, also dass alle Menschen, egal welcher sexuellen Orientierung und welchen Geschlechts, nur dann als Risiko gelten, wenn deren Verhalten oder sexuelle Aktivität ein hohes Risiko für schwere Infektionskrankheiten darstellt. Bislang gibt es keine mir bekannten ernsthaften Bemühungen, das Befragungsverfahren hier im Grundsatz zu verändern.
Dass es auch anders geht, zeigen die Beispiele aus anderen Ländern. So werden Spender in Bulgarien, Italien, Lettland, Polen oder auch Portugal unabhängig von ihrer Sexualität zu ihrem Verhalten befragt. In Israel wird das Plasma aus Blutspenden homosexueller Menschen vier Monate lang eingefroren. Danach wird der Spender noch einmal auf Infektionskrankheiten getestet. Ist der Spender gesund, wird die eingefrorene Blutspende rückwirkend freigegeben. Das zeigt deutlich: Der Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen einzig und allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ist schon vor diesem Hintergrund völlig unbegründet. Der Geisterfahrer in diesem Falle ist eben Deutschland und sind nicht die anderen.
Sie sind aber nicht nur unbegründet und diskriminierend, sondern vor allem entwürdigend. Denn hier werden schlicht ganze Bevölkerungsgruppen unter einen Generalverdacht gestellt, völlig unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten. Dass Transmenschen hier noch einmal extra Erwähnung finden, macht die Diskriminierung zu einer doppelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eine einfache Frage in den Raum stellen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer monogamen heterosexuellen und einer monogamen homosexuellen Beziehung? – Richtig, es gibt keinen einzigen. Und
dennoch wird diese Unterscheidung gemacht. So sind vor dem Gesetz eben nicht alle Menschen gleich.
Ich bin seit nunmehr zehn Jahren mit meinem Mann zusammen. Seit 2018 sind wir verheiratet. Meine Blutgruppe ist 0 negativ. Es ist eine sehr begehrte Blutgruppe, denn sie ist selten und universell einsetzbar. Aber selbst wenn ich helfen wollte, dürfte ich es schlichtweg nicht, nur aufgrund der Tatsache, dass ich mit einem Mann zusammenlebe. Und obwohl sich unser Leben kaum vom Leben monogamer Heterosexueller unterscheidet, dürfen die einen Blut spenden, die anderen, also wir, jedoch nicht. Wenn wir es dennoch wollten, dann müssten wir lügen, was eigentlich nichts anderes heißt, als sich selber zu verleugnen. Nachdem Generationen dafür gekämpft haben, offen und selbstbestimmt leben zu können, ist das absolut inakzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein paar persönliche Worte. Ich persönlich bin es schlichtweg leid, diese Diskriminierung noch einen Tag länger als nötig hinnehmen zu müssen. Ich bin es leid, dass hier immer noch mehr oder weniger subtil so getan wird, als hätten Schwule und Transmenschen HIV exklusiv für sich gepachtet. Das ist wirklich so was von 80er!
Es ist an der Zeit, dieses diskriminierende und würdelose Kapitel ein für allemal zu schließen. Ich bin sehr dankbar, dass wir heute gemeinsam versuchen, dies auf den Weg zu bringen. – Herzlichen Dank und Glück auf!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hafke, gut behauptet ist noch lange nicht richtig.
Wir haben einige Vorschläge des Kollegen Maelzer im Plenum gehört, wie man die Situation verbessern könnte. Ein Vorschlag unter anderen war, endlich damit anzufangen, die schulische Ausbildung zu vergüten. Das wäre beispielsweise ein guter Punkt, den wir miteinander diskutieren könnten, um die Ausbildung attraktiver zu machen,
damit junge Menschen nicht noch Geld mitbringen müssen, um Erzieherinnen oder Erzieher zu werden. Das zum einen.
Was mich aber wirklich um den Verstand bringt, ist, dass Sie nicht müde werden, zu betonen, was für ein warmer Geldsegen ab dem 01.08. dieses Jahres auf die Träger bzw. Kitas herabregnen wird, mit dem
sie Heerscharen von Fachkräften anstellen können.
Sie werden sehen, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Die Träger haben erste Modellrechnungen gemacht, um zu schauen, was am Ende bei ihnen hängenbleibt. Es wird genau das passieren, was Ihnen alle – nicht nur wir, sondern auch viele in der Anhörung – prophezeit haben: Es wird den Status quo erhalten, es wird Druck aus dem System nehmen, es wird dazu führen, dass Qualität sich nicht zusätzlich verschlechtert, aber es wird eben nicht dazu führen, dass sich die Qualität verbessert – um kein einziges Jota. Wenn Sie nämlich das Mehr auf jede einzelne Einrichtung herunterbrechen, bleibt noch nicht mal eine volle Personalstelle übrig, die Sie besetzen könnten.
Zig Träger in diesem Land haben sich in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Erzieherinnen und Erziehern, auch mit vielen Eltern, auf den Weg begeben, um viel mehr in den Kitas zu tun als das, was ihnen dieses Land – egal unter welcher Farbe – jemals refinanziert hat. Sie haben immer mehr gemacht als das, wofür der Gesetzgeber Geld zur Verfügung gestellt hat.
Das können Sie jetzt absichern. Sie werden ihre Arbeit nicht ausweiten können, es werden nicht mehr Fachkräfte ankommen. Das werden Sie sehen. Da können Sie mit dem Kopf schütteln, aber am Ende wird die Geschichte zeigen, wer recht hat. Ich sage Ihnen: Wir werden dieses große Plus am Ende nicht sehen.
Zu den vielen anderen warmen Worten: Davon können sich die Menschen, die vor Ort arbeiten, wirklich nicht viel kaufen.
Wertschätzung gelingt nicht mit warmen Worten allein. Erzieherinnen und Erzieher brauchen Geld. Sie brauchen Zeit, um ihre Arbeit zu machen, und sie müssen Sicherheit haben. Noch immer ist es an der Tagesordnung, dass sie in befristeten Beschäftigungsverhältnissen stecken, weil die Träger nicht wissen, wie es weitergeht.
Ein weiterer Hinweis – auch wenn es keinen unmittelbaren, sondern nur einen mittelbaren Zusammenhang gibt – war, dass Kitas mit dem antiquierten und überholten System der Kindpauschalen einfach nicht planbar zu betreiben sind.
Wenn Sie nicht bereit sind, über einen Systemwechsel zu reden, werden wir nie dahin kommen, dass wir über einen Quantensprung in der Qualität sprechen können. Das ist die schlichte Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ja, ja. – Was das Thema „Wertschätzung“ angeht, hätte Kollege Kamieth den Apfelschäler mitbringen können, den ihm Erzieherinnen und Erzieher im Hinblick auf die Hinweise, die die CDUFraktion in ihre Richtung ausgesprochen hat, geschenkt haben.
Gleichwohl zeigen die Berechnungen sehr deutlich, dass bezogen auf die Auskömmlichkeit teilweise eine Reduzierung des Fachkräfteschlüssels zu erwarten ist. Wie gesagt, werden wir zu Beginn des neuen Kita-Jahres einen Strich darunter machen können. Dann werden wir sicherlich nochmals eine Aktuelle Stunde abhalten und sehen, wer am Ende recht behalten haben wird.
Vielleicht noch ein Wort zu Ihnen, Frau DworeckDanielowski: Ich habe das Gefühl, dass Sie, wenn Sie von ideologischer Verblendung reden, während der gesamten Redezeit eigentlich nur sich selber gemeint haben können.
Wenn Sie die Ergebnisse all dieser Untersuchungen zitieren, mögen Sie ja vielleicht in der Analyse noch richtigliegen. Aber keine einzige dieser Studien kommt zu dem Schluss, zu dem Sie kommen, dass am Ende das System der Kinderbetreuung rückabzuwickeln ist.
Wo Sie sich selbst entlarven, hat Ihnen Herr Kollege Maelzer schon gesagt.
Auch an einem anderen Punkt haben Sie sich entlarvt. Sie reden nämlich immer von Müttern; von Müttern, die zu Hause erziehen können; von Müttern, die deutlich mehr machen. – Alleine das entlarvt, wohin Sie eigentlich wollen.
Die eigentlichen Geisterfahrer, das sind nicht wir alle, die wir hier sitzen, oder die Eltern oder die Mütter oder die Kinder oder die Erzieherinnen und Erzieher. Vielmehr sind das am Ende Sie. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Stamp, Sie müssen schon ziemlich unter Druck stehen, wenn Sie den Kollegen Maelzer in dieser Debatte als Parlamentskaspar beschimpfen.
Aber diese Dünnhäutigkeit erleben wir ja nicht zum ersten Mal. Wenn man den Berichten, die man bei Besuchen bekommt, Glauben schenken darf, erleben auch andere Partnerinnen und Partner diese Dünnhäutigkeit sicherlich nicht zum ersten Mal.
Herr Kamieth, Sie haben sich gerade bei den herausragenden Verhandlern Stamp und Bothe bedankt. Ich möchte mich ganz herzlich für den Langmut der Erzieherinnen und Erzieher, den sie in dieser Neverending-KiBiz-Story aufbringen müssen, bedanken.
Herr Minister Stamp, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den regierungstragenden Fraktionen: Selbstzufriedenheit ist ein Wert an sich und auch ein pädagogisches Element in der pädagogischen Arbeit. Arbeiten Sie sich gerne weiter an uns ab, und berauschen Sie sich ruhig weiter an sich selbst. Das wird Sie allerdings irgendwann einholen. Sie haben ja gerade auch um weitere Proteste gebettelt.
Wie klein Ihr Problembewusstsein ist, Herr Minister, haben Sie in der „Rheinischen Post“ dokumentiert. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
Gerade war es noch eine Präsidentin.
So viel zum Thema „Diversität“ in diesem Parlament.
„Viele Punkte der Kritik der freien Träger haben sich relativiert, nachdem wir die Kita-Reform genauer erläutert haben“.
Also ist alles ein Verständnisproblem? – Offensichtlich, Herr Minister, leben wir auf zwei völlig verschiedenen Planeten. Gut ist wenig, und relativiert hat sich nichts.
Das haben Ihnen landauf, landab auch alle gesagt. Aber das ficht Sie nicht an. Alle haben gesagt: Das Geld wird nicht reichen. Allein bei den Sachkosten
klafft nach wie vor eine Lücke. Sie wird nicht geschlossen.
Auch die Kommunen mit einem hohen Anteil an Einrichtungen in freier Trägerschaft kommt diese Reform teuer zu stehen. Bereits jetzt stehen schon die Übernahmen erster Anteile freier Träger infrage. Wenn das so kommt, haben Sie mit Ihrer Reform mal so richtig was gekonnt; dann schlägt das nämlich voll in die Landschaft durch.
Aber Sie setzen dann noch einen drauf und sagen: Wenn es Nachbesserungsbedarf gibt, bin ich der Letzte, der nicht für Veränderungen offen ist. – Aber wer soll Ihnen das noch glauben?
Sie haben doch nahezu alle Bedenken im gesamten Prozess beiseite gewischt und die Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden über alles gestellt. Dann haben Sie auch noch schlichtweg den Beirat vergessen, den Sie selber berufen haben. Das offenbart, wie sehr frühe Bildung bei Ihnen nach wie vor vom Geld und nicht vom Kind her gedacht wird.
Herr Hafke hat dazu ganz ehrliche Worte gefunden. Sie müssen sich, Herr Kollege Hafke, aber für eine Variante entscheiden: Gibt es Vorschläge oder gibt es keine? – Wenn es Vorschläge gibt, könnten Sie nicht behaupten, sie seien nicht finanzierbar. Sie hätten sie finanzieren können, Sie haben 11 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Das hätte locker ins Budget gepasst.
Aber stattdessen verkaufen Sie dieses Gesetz als politische Jahrhunderttat und reagieren ganz beleidigt, wenn es nicht ausreichend gewürdigt wird. Aber es sorgt eben nicht für den von Ihnen propagierten Qualitätssprung.
Sie fragen immer wieder ganz treuherzig, wie das denn bei so viel Geld sein könne. Viel ist eben relativ. Die Erklärung ist einfach: Wenn man eine Lücke schließt, schließt man eine Lücke. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Mehr Qualität durch mehr Personal wird es nicht geben; das haben Ihnen alle vorgerechnet – schwarz auf weiß. Man kann das aber auch weiterhin standhaft ignorieren.
Dabei geht es auch nicht um Maximalforderungen der Träger, wie Sie es einmal an diesem Pult formuliert haben. Sie haben es heute wiederholt, Herr Minister Stamp. Die Kirchen fordern – das hat der Herr Ministerpräsident gesagt – eben nicht immer mehr, als sie wirklich brauchen.
So geht man mit den Partnern in der frühkindlichen Bildung einfach nicht um. Sie haben sich benommen wie zwei Elefanten im Porzellanladen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch auf einen Punkt kommen, der die Menschen in den Einrichtungen vor Ort wirklich umtreibt. Es geht um die von Ihnen versprochene Flexibilisierung.
Weil Sie das immer gerne gleichsetzen: Nein, es geht im Moment nicht um die bedarfsgerechte Ausweitung von Öffnungszeiten. Sie können es noch so verharmlosen und uns Panikmache unterstellen – das haben Sie im Ausschuss ja getan –, aber das geschriebene Wort entlarvt Sie. Künftig – so steht es ja im Gesetz – können Betreuungszeiten unterschiedlich auf die Tage verteilt sein.
Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Welchen Organisationsaufwand wollen Sie den Kita-Leitungen eigentlich noch zumuten? Was macht das eigentlich mit den Kindern und mit der Beziehungsarbeit? Wo bleibt der Anspruch an die Bildung bzw. die Qualität in der frühkindlichen Pädagogik?
Das wirklich Schlimme ist, Herr Hovenjürgen: Sie wissen am Ende ganz genau, dass das nicht gelingen kann, nicht in diesem System mit Pauschalen und Buchungszeiten. Aber darum geht es Ihnen auch eigentlich gar nicht.
Sie machen ein Versprechen, das Sie nicht halten müssen, denn Sie laden das bei den Kommunen und bei den Trägern ab und schaffen damit Konflikte vor Ort. Sie müssen ja selbst nicht erklären, warum auch künftig nicht jeder kommen und gehen kann, wie er will wie in einem Taubenschlag.
Aber vielleicht – das mag ja sein – haben alle Kritikerinnen und alle Kritiker schlichtweg keine Ahnung; das hat der Kollege Moritz ja gestern bei den Haushaltsberatungen auch hier noch einmal gesagt. Ich darf zitieren – ich habe das sehr genau mitgeschrieben –:
„Wer hier den großen Sprung der Landesregierung nicht erkennt, kennt sich mit dem Thema in etwa so gut aus wie ein Sumoringer mit dem Weitsprung. (…) Wer sagt, das KiBiz sei keine große Leistung, ist fachfremd (…).“
Da kann man auch mal klatschen. Aber dieser Satz ist ein Schlag ins Gesicht der Eltern und der Erzieherinnen und Erzieher,
die zu Zehntausenden unterschrieben haben, die hier auf den Rheinwiesen gestanden und wirklich sehr deutlich darum gebeten haben, zu erheblichen Nachbesserungen zu kommen. Das kann man so machen. Also: alle fachfremd.
Aber vielleicht sind Sie auch einfach nur der Wirklichkeit entrückt. Viel besser kann man die eigene Arroganz und Selbstzufriedenheit, die eigene Hybris hier nicht dokumentieren, Kolleginnen und Kollegen.
Sie können noch so viel dazwischenrufen, wie Sie möchten, Herr Dr. Stamp.
Wenn Sie glauben, mit der Verabschiedung des KiBiz könnten Sie einen Haken auf Ihrer To-do-Liste machen, wird Sie die Wirklichkeit schon sehr bald einholen. Das werden Sie erleben, denn Sie werden nicht einen weiteren Tag Ruhe haben und weiter nachbessern müssen an diesem nicht ausreichenden Gesetz. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brockmeier, kurz zu Ihren Ausführungen: Heute ausbleibende Investitionen sind nichts anderes als Schulden der Zukunft. Das wäre doch mal ein spannender Diskurs zum Thema „Generationengerechtigkeit“, den wir vielleicht im Ausschuss weiterführen können.
Meine restliche Redezeit möchte ich auf das Thema „LSBTIQ“ verwenden. Noch immer werden Lesben, Schwule, Trans*-, Inter*- und queere Menschen Opfer von physischer und psychischer Gewalt, sie werden ausgegrenzt und diskriminiert. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sich dem entgegenzustellen und für Schutz, Sichtbarkeit, Akzeptanz und vollständige Gleichstellung zu sorgen.
Ich bin sehr froh, dass es unter den Demokratinnen und Demokraten hier in diesem Haus einen Konsens über genau diese Frage gibt. Herr Minister Stamp, dafür will ich Ihnen ausdrücklich danken und Ihnen unsere Unterstützung anbieten.
Diese Kontinuität ist wichtig, aber sie allein reicht nicht aus. Es braucht auch neue Impulse über das Erreichte hinaus. Diesbezüglich bin ich mir nicht ganz sicher, ob alle in diesem Kabinett mit dem gleichen Engagement unterwegs sind, mit dem Sie unterwegs sind. Es reicht eben nicht, die Verantwortung an einen liberalen Minister zu delegieren; denn Queerpolitik ist immer auch Querschnittspolitik.
Ich will Ihnen einige Beispiele nennen.
Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb steht etwas vom Diversity Management der Landesverwaltung, das auch Trans*- und Inter*Menschen in den Blick nehmen soll. – Wie soll das aussehen? Davon hat Ministerin Scharrenbach auch heute noch keine konkrete Vorstellung. Die bisherigen Antworten lassen einen fast glauben, dass die Ministerin ganz überrascht war, dass sie überhaupt dafür zuständig ist.
Wie sieht es mit der Unterstützung der CSD in unserem Land aus? Sind sie nicht im besten Sinne Heimat? Ganz offensichtlich setzt die Landesregierung da aber andere Prioritäten. Oder welche besonderen Akzente setzt Ministerin Pfeiffer-Poensgen in der queeren Kultur? Ich kenne keine.
Schauen wir auf die Aktivitäten von Minister Laumann in den Themenfeldern „Gesundheit“ und „Pflege“. Die offene Seniorenarbeit ist nicht ausreichend auf die mindestens 230.000 Lesben und Schwulen vorbereitet, die 65 Jahre und älter sind. Und es werden noch mehr. Das sind eine Menge Herausforderungen.
Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Es geht um den geschmacklosen Karnevalswitz der CDU-Bundesvorsitzenden. Dass sich Staatssekretärin Güler aus dem Ministerium, das den Schutz vor gesellschaftlicher Diskriminierung und Ausgrenzung zur Aufgabe hat, zu ihrer Verteidigerin aufschwang, offenbarte nicht nur Wissenslücken, sondern war schlicht unangemessen, unsensibel und respektlos. – Es ist sehr bedauerlich, dass sich weder der Ministerpräsident noch Sie, Herr Minister Stamp, davon klar distanziert haben.
Herr Minister Stamp, Sie haben es eben erwähnt: Seit 2012 gibt es den NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Dieser nimmt alle Ressorts gleichermaßen in die Pflicht. Dieser Geist ist derzeit aber nicht in allen Ressorts zu spüren.
Hört man sich in der Community ein wenig um, ist der anfänglichen Erleichterung in gewissem Maße Ernüchterung gewichen. Ja, diese Regierung setzt auf Kontinuität und dreht das Rad nicht zurück. Ja, es gibt mehr Geld. Dafür gibt es aber kaum neue Impulse. Es wird viel verwaltet und wenig gestaltet.
Derzeit arbeiten Sie, wie Sie gesagt haben, an der Fortschreibung dieses Aktionsplans. Nutzen Sie die Chance für einen mutigen und konkreten Aufschlag. Da geht mehr, und wir erwarten mehr. Dann haben Sie uns auch an Ihrer Seite. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Kind sollte mindestens
eine warme und gesunde Mahlzeit am Tag bekommen, aber leider ist das, was selbstverständlich klingt, in der Realität alles andere als selbstverständlich. Es gibt tatsächlich Kinder, die nach dem Wochenende hungrig in Schulen und Kitas ankommen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns alle beschäftigen und sogar beschämen.
Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Nicht immer liegt es am Geld. Gleichwohl sind arme und armutsgefährdete Kinder am häufigsten betroffen. Eine warme und gesunde Mahlzeit am Tag ist somit auch eine Frage von Teilhabe.
Kitas und Schulen spielen als einer der wichtigsten Lebensräume von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Wo, wenn nicht dort, können und müssen wir dafür sorgen, dass Kinder Zugang zu gesunder und qualitätsvoller Ernährung haben?
Leider hängt es immer noch vom Zufall ab, wie es um die Essensversorgung vor Ort steht. Denn nichts ist einheitlich geregelt, und nichts ist auskömmlich finanziert. Es wundert also kaum, wie unterschiedlich die Lage ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wer von Ihnen sich schon einmal durch das Essensangebot von Kitas und Schulen probiert hat. Ich will Ihnen das gerne mal ans Herz legen. Danach stellen Sie sich einfach mal selbst die Frage, ob Sie es für akzeptabel hielten, wenn das Gleiche hier in unserer Kantine auf den Tisch käme. Ich glaube, nicht.
Um es klar zu sagen: Das ist nicht die Schuld von Schulen oder Kitas. Sie können häufig gar nicht anders, weil sie schlicht die Voraussetzungen nicht haben, weil die Voraussetzungen fehlen, sowohl finanziell als auch infrastrukturell. Die Zwangslage vieler Kommunen verschärft diese Situation zusätzlich.
Trotz dieser Widrigkeiten haben sich viele Bildungseinrichtungen auf den Weg gemacht und werden dem Anspruch an ein gutes und gesundes Essen gerecht. Aber häufig hängt das eben vom Engagement und von der Kreativität einzelner Personen ab,
von Lehrerinnen und Lehrern, die sich neben ihren eigentlichen Aufgaben darum kümmern, dass es läuft, von Eltern und Fördervereinen, die sich nicht mehr länger anschauen wollen, wie es um die Essensversorgung steht, oder auch von Kitaträgern, die es irgendwie hinbekommen, Frischküchen zu betreiben.
Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es immer ein schmaler Grat zur Selbstausbeutung der Beteiligten. Wir müssen diesen Menschen unendlich dankbar dafür sein, was sie unter diesen unzureichenden
Bedingungen hinbekommen. Aber das darf nicht so bleiben, und es muss endlich Schluss damit sein, dass wir dieses Engagement ausnutzen und billigend in Kauf nehmen, dass sich diese Menschen eventuell damit überfordern.
Gute Bildung ist auch mit der Frage guter Ernährung verbunden. Aber das spiegelt sich in den tatsächlichen Bildungsausgaben so gut wie nicht wider, weder im Schulhaushalt noch im KiBiz. Am Ende fehlt es an Geld und an personaler Infrastruktur, um sowohl im Ganztag als auch in unseren Kitas flächendeckend eine qualitätsvolle Frischküche zu etablieren, und es fehlt an entsprechenden verbindlichen Qualitätsstandards.
Neben der Frage nach einem Orientierungsrahmen stellt sich die Frage nach der Umsetzung. Die bittere Realität ist: Das alles muss neben dem schulischen und Kitaalltag bewältigt werden von Menschen, die eigentlich – das wissen wir alle – keine Langeweile haben. Gerade in Bildungseinrichtungen, die in einem herausfordernden Umfeld oder – um es klar zu sagen – in sozialen Brennpunkten arbeiten, ist das denkbar schlecht. Die Wahrheit ist: Diese Arbeit kann nicht so einfach nebenher erledigt werden.
Es führt deswegen kein Weg daran vorbei, diese Frage des Schul- und Kitaessens sowohl mit Blick auf die Qualität als auch mit Blick auf die personelle Ausstattung und die Finanzierung gesetzlich zu regeln mit allen Konsequenzen. Unsere Kinder müssen es uns wert sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen letzten Punkt will ich noch ansprechen. Auch wenn ein Teil der Familien bereits heute vom Essensgeld befreit ist, gilt das für einen Großteil nicht. Da reden wir ja häufig nicht von Spitzenverdienern. Für viele Familien wirken die Beiträge zur Kita oder zum Offenen Ganztag wie eine zweite Steuer. Eine dritte kommt mit dem Essensgeld dazu.
Im Übrigen ist dieses Essensgeld die einzige Quelle zur Finanzierung dieses Essens. Ich möchte ein Beispiel geben. In deutschen Kitas sind das 2,42 Euro pro Tag. Für ein bedarfsgerechtes, gesundheitsförderndes Mittagessen braucht man aber je nach Größe der Einrichtung und je nach Anzahl der Essen, die dort zubereitet werden, zwischen 3,09 Euro und 5,87 Euro. Da braucht man keine höhere Mathematik, um festzustellen, dass wir von diesen Werten weit entfernt sind.
Die Lösung kann am Ende dann doch nicht sein, das bei den Eltern abzuladen. Wenn Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist – und so habe ich uns alle immer verstanden –, und wenn die Frage
des Essens dazu gehört, dann kann es doch nur richtig sein, dass die Allgemeinheit und diese Gesellschaft Verantwortung dafür übernimmt, dass das Essen in Schulen und Kitas perspektivisch kostenfrei werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt: Wir brauchen einen neuen und ganzheitlichen Blick auf Bildung und damit auch auf die Bildungsfinanzierung. Unser Sprecher Jochen Ott hat ja hier schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir eigentlich einen New Deal in der Bildungsfinanzierung brauchen.
Für uns gehört die Frage des Essens eindeutig dazu, und sie ist untrennbar mit der Debatte über die Zukunft der Bildung und Teilhabe aller jungen Menschen verbunden.
Ich freue mich auf die Debatte hier und dann in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank und Glück auf!
Vielen Dank, liebe Kollegin Müller-Rech. – Meine Frage lautet: Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass ich in meiner Rede genau das – die vielen Akteure vor Ort, die sich wahnsinnig viel Mühe geben, abzuwatschen – nicht getan habe?
Ich erlebe häufig, dass Menschen sich darum kümmern müssen, deren Profession es eigentlich nicht ist und die sich diese Zeit noch irgendwie herausschneiden. Ob an Schulen oder Kitas: Es ist nicht ausreichend finanziert, Infrastruktur und Personal zu schaffen, das sich genau mit dieser Frage auseinandersetzt.
Das sollte also überhaupt nicht den Beitrag schmälern, sondern einfach zeigen: Wir müssen es auf ein anderes Fundament stellen.
Meine Frage lautet also: Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass ich genau das nicht getan habe und diese Menschen nicht abgewatscht habe?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das ist leider immer so, wenn man sich in diesem Hohen Hause nicht so richtig zuhört. Ich hoffe, dass wir das im Ausschuss ein bisschen besser hinbekommen.
Lieber Kollege Rock, dass Sie dieses Thema zu einer Frage von Freiheit gegen Sozialismus stilisieren, finde ich ganz interessant, und das hat mich sehr überrascht. Deswegen will ich zwei Dinge bemerken.
Wenn Sie richtig zugehört hätten, dann wüssten Sie: Es geht überhaupt nicht darum, die Schulverpflegung schlechtzureden. Es geht aber darum, sie auch nicht schönzureden. Wenn Sie genau zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass es uns um den Punkt ging, dass wir viele Fragen der Schul- und Kitaverpflegung in diesem Land nicht systematisiert haben. Es geht nicht darum, dass der Staat kochen soll.
Wir haben diese Fragen nicht systematisiert und lassen Schulträger, Schulleitungen, bei denen Sie sich gerade herzlich bedankt haben, aber auch Kitaträger und Kitaleitungen bei der Frage der Umsetzung einfach alleine. Dann ist es in vielen Fällen tatsächlich dem Zufall geschuldet, wie es vor Ort aussieht. Ist es vor Ort gut geregelt? Kümmert man sich darum?
Die Erfahrung an vielen Schulen und in vielen Kitas zeigt mir, dass es immer nebenherlaufen muss, gerade da, wo man eigentlich keine Zeit mehr hat, etwas nebenher zu machen, weil Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Kitaleitungen auf ganz andere Herausforderungen treffen. Darunter leiden sowohl das System als auch die Menschen, die dafür verantwortlich sind und es umsetzen müssen.
Das meinte ich, als ich sagte, viele würden das mit dem Hang zur Selbstausbeutung machen. Ich finde,
das dürfen wir nicht zulassen. Das müssen wir viel stärker in den Blick nehmen und es systematischer organisieren, ohne von oben nach unten regieren zu wollen.
Es reicht aber nicht, den Leuten nur Danke zu sagen, sondern sie müssen auch erkennen, dass sie eine nachhaltige Unterstützung bekommen. Wir sind in vielen Kitas und Schulen an dem Punkt, dass Menschen das nicht mehr erkennen und dass es am Ende auf ihre Knochen geht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor 50 Jahren – oder genauer gesagt: in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 – hat sich erstmals eine größere Gruppe von Homosexuellen und Transpersonen gegen fortdauerndes Unrecht und Drangsalierung gewehrt und sich der Verhaftung widersetzt. Dieses Ereignis gilt zu Recht als wichtiges Symbol für den Kampf für Gleichbehandlung und für Anerkennung.
In den vergangenen 50 Jahren hat sich gewiss vieles zum Besseren verändert. Dennoch ist das kein Grund, sich zurückzulehnen. In Deutschland, Europa, aber auch international sind Bewegungen am Werk, die unserer offenen und aufgeklärten Gesellschaft den Kampf angesagt haben. Dadurch wird deutlich: Rechte, die wir heute als selbstverständlich empfinden, sind nicht gottgegeben; sie wurden mit großem Einsatz und vor allem mit persönlichen Opfern – teilweise unter Einsatz des eigenen Lebens – erkämpft.
Diese Opfer müssen für uns Verpflichtung sein, denn für den Bestand von zivilisatorischen Errungenschaften gibt es keine Garantien, wie uns die Geschichte
zeigt. Es ist noch keine 74 Jahre her, dass in deutschen Konzentrationslagern massenhaft Menschen auf brutalste Art und Weise ermordet, misshandelt oder verstümmelt wurden, weil sie an die falsche Sache glaubten, anders aussahen oder ihre sexuelle Orientierung oder ihre Identität lebten.
Auch nach dem Ende des NS-Terrors gab es keinen Grund, aufzuatmen. Die Rosa Listen der Nazis wurden von der Polizei in der Bundesrepublik bis in die 80er-Jahre fortgeführt. Eine Verurteilung hatte für die schwulen Männer nicht nur juristische Folgen, sondern bedeutete zugleich den sozialen Tod, manchmal auch den Freitod. Das ist auch gerade einmal 50 Jahre her, also in jüngerer Geschichte passiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass wir aus der Geschichte gelernt haben und gemeinsam Verantwortung übernehmen, aber nichts ist garantiert und nichts ist für die Ewigkeit. Der Kampf für Gleichstellung und für vollständige Akzeptanz muss allein deshalb schon weitergehen, und er braucht unser aller Unterstützung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Arbeit braucht tatsächlich mehr als nur warme Worte. Es braucht auch mehr als nur das Verwalten bestehender Projekte der rot-grünen Vorgängerregierung.
Ich will keinen Zweifel zurücklassen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es in diesem Haus unter allen demokratischen Fraktionen einen breiten Konsens gibt, dass das ein wichtiges Thema ist. Aber es hat zuletzt auch Rückschläge gegeben. Erinnern möchte ich zum Beispiel an das Aus für das Filmfestival „homochrom“, gewiss keine Auszeichnung für diese Landesregierung.
Das ist kein Quatsch. Aber Sie können ja eine Kurzintervention anmelden oder eine Zwischenfrage stellen. Dann können wir das ja klären.
Hinweisen will ich auch auf die ehrenamtlich organisierten CSD-Trägervereine – das hat die Kollegin Paul gerade getan. Ein Regentag reicht ja häufig aus, um die Gesamtkalkulation über den Haufen zu werfen. Die CSDs in unserem Land sind doch im besten Sinne Heimat und hätten doch auch eine entsprechende Unterstützung verdient.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Koalitionsvertrag versprachen CDU und FDP, eine Allianz für Vielfalt und Chancengleichheit zu gründen und das heutige Beauftragtenwesen innerhalb der Landesregierung zu einem ganzheitlichen Diversity-Management zusammenzuführen. Bis heute sind die Koalition und die Regierung konkrete Arbeitsschritte schuldig geblieben. Das sind nur einige Punkte, die vielleicht ein bisschen zum Nachdenken anregen könnten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits im letzten Jahr haben wir über die Frage diskutiert, ob der Art. 3 des Grundgesetzes um den Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität und Orientierung erweitert werden müsste. Kritiker finden, das sei Symbolpolitik. Ich finde das nicht. Mag auch auf der rechtlichen Ebene beim Abbau von Diskriminierungstatbeständen vieles erreicht sein, so will ich ganz klar sagen:
Auch das Grundgesetz muss eine unmissverständliche Sprache sprechen, und das auch als klares Signal in die Gesellschaft. Vor allem aber wäre es eine Garantie, die man eben nicht mit einfacher Mehrheit wieder abwickeln könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle haben das Recht, ihre geschlechtliche oder sexuelle Identität frei zu leben. Dafür braucht es nicht nur den gesetzlichen Rahmen der rechtlichen Gleichstellung, sondern auch eine aktive Politik, die die Akzeptanz in der Mehrheitsgesellschaft fördert. Beides ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Teil unserer Werteordnung und Politik, und ich glaube, dass das auch ein Punkt ist, der uns hier im Haus eint.
So leben zu können, wie man ist, das ist seit 50 Jahren einer der Leitgedanken der weltweiten LSBTIQBewegung. Auch deshalb ist es gut, wenn wir heute an die Stonewall-Aufstände in der Christopher Street erinnern. Sie ermahnen uns nicht nur, sondern sie sind zugleich Verpflichtung für die Zukunft. We shall overcome.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, die Kanzlei Luther hatte sich auch in der Presse zu dem Sachverhalt geäußert. Hatte die Kanzlei Luther vor der Beantwortung von Presseanfragen Kontakt zum MSB? War das Ziel, diese Antworten vorher abzustimmen?
Frau Ministerin, es ging darum, dass sich die Kanzlei Luther auf Nachfrage der Presse geäußert hatte. Die Frage meinerseits war, ob die Beantwortung dieser Presseanfragen vorher mit dem MSB abgestimmt war.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, ich wollte kurz zu dem Aspekt
„Pressearbeit“ nachhaken. Da die Akustik ein bisschen schlecht ist, weiß ich nicht, ob ich das richtig verstanden habe, weswegen ich nachfrage. Sie haben gerade geschildert, dass Sie regelmäßig mit der Kanzlei Luther in Kontakt waren. Habe ich es richtig verstanden, dass Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer dieser Konsultationen war?
Ich wollte wissen, ob ich es richtig verstanden habe, dass Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Konsultationen mit der Anwaltskanzlei Luther waren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rock, in einem Punkt mögen Sie recht haben: Tatsächlich liegt das, was Sie gerade beschrieben haben, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Ich verrate Ihnen eines: An der Opposition liegt es nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schulsozialarbeit wirkt. Ich denke, das wird heute niemand mehr bestreiten. Es handelt sich nicht um überflüssigen Schnickschnack, um den man sich erst dann kümmert, wenn alle anderen drängenden Fragen und Probleme an unseren Schulen gelöst sind.
Unstrittig ist aber auch, dass der Druck im System groß ist; denn mittlerweile stößt die Art und Weise, wie Schulsozialarbeit organisiert wird, an strukturelle und finanzielle Grenzen. Während es nach dem Ausstieg des Bundes aus der Finanzierung genau darum
ging, das Wegbrechen von Strukturen zu verhindern, so muss es nun darum gehen, die Schulsozialarbeit über den Status quo hinaus weiterzuentwickeln.
Dabei müssen aus unserer Sicht die folgenden Punkte vordringlich angegangen werden.
Erstens. Es ist dringend notwendig, das komplexe Finanzierungssystem zu beenden und zu einer verlässlichen und auskömmlichen Finanzierung zu kommen,
klare Verantwortlichkeiten zu regeln und somit auch für verlässliche Arbeitsverhältnisse zu sorgen.
Zweitens. Es braucht einheitliche Qualitätsstandards.
Drittens. Ein verbindlicher Personalschlüssel muss her, der in Verbindung mit einem Sozialindex die Hilfe zielgenau dorthin bringt, wo sie benötigt wird; denn bislang ist das System oft zu reaktiv – so die Kritik der Expertinnen und Experten.
Viertens. Die Fach- und Dienstaufsicht muss geklärt werden. Schulsozialarbeit muss gesetzlich verankert und die Zuständigkeit und Koordination der Schulsozialarbeit geregelt werden. Sie darf eben nicht nur ausschließlich im System „Schule“ verankert werden und alleine dort wirken, sondern sie muss auch immer sozialraumbezogen sein, und es bedarf einer Brücke zu den Angeboten der Jugendhilfe. Sie braucht vor allem die gleiche Augenhöhe aller Professionen, die in Schule wirken. All das, Herr Rock, haben wir von Ihnen heute nicht gehört.
In der Anhörung zu unserem Antrag hat die Bezirksregierung Köln mit dem Modell der institutionellen Kooperation auf Augenhöhe eine Blaupause geliefert, wie das aussehen könnte. Ich frage mich, warum Sie das eigentlich nicht nutzen.
Das System speist sich derzeit aus drei unterschiedlichen Quellen. Daraus resultieren unterschiedliche Anstellungsverhältnisse und auch unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Streng genommen kann man eigentlich von gar keinem System sprechen. Eine Neuordnung tut also Not, insbesondere mit Blick auf die Stellen aus der Bund-Folge-Finanzierung. Denn auch wenn diese Stellen bis 2022 gesichert sind, ändert das nichts an der Lage der Fachkräfte, die sich von Befristung zu Befristung hangeln. Das führt zu einer hohen personellen Fluktuation, und das wiederum trägt ganz sicher nicht zur Qualität bei.
Hinzu kommt, dass die letzten Stellenausschreibungen des MSB am Ende dazu geführt haben, dass
zahlreiche Fachkräfte die befristeten Stellen aus der Bund-Folge-Finanzierung gekündigt haben und auf unbefristete Stellen im Landesdienst gewechselt sind. Das ist, wenn Sie so wollen, ein Linke-Tascherechte-Tasche-Spiel; denn an der Gesamtzahl der Kräfte ändert sich faktisch nichts.
Wir verlieren damit eine bedeutende Perspektive und darüber hinaus eine wichtige Brücke in das System der Jugendhilfe, wenn sich immer mehr Träger aus der Kofinanzierung zurückziehen. Das betrifft besonders Grundschulen und Berufskollegs.
Die angesprochenen Punkte machen eines deutlich: Wir brauchen eine Verständigung über die künftige Ausgestaltung der Schulsozialarbeit, und zwar mit Blick auf die Verantwortungsgemeinschaft von Schule und Jugendhilfe einerseits sowie von Bund, Ländern und Kommunen andererseits. Das ist keine einfache Aufgabe, aber sie muss angepackt und nun zügig gelöst werden.
Dass wir mit unserer Sicht der Dinge nicht alleine dastehen, hat die Anhörung zu unserem Antrag eindrucksvoll bestätigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Druck ist hoch, die Zeit drängt. Das ist nicht nur in der Anhörung deutlich geworden, das ist auch eine Erkenntnis, die uns allen vor Ort regelmäßig bei unseren Besuchen gespiegelt wird.
Mit unserem Antrag wollten wir eine Debatte darüber anstoßen und vor allem unsere Hand reichen. Zumindest ich habe nicht wahrgenommen, dass wir mit der anderen Hand zugeschlagen haben. Das war vielleicht eine sehr selektive Wahrnehmung Ihrerseits. Wir wollten die Hand dazu reichen, ein dauerhaftes Zukunftsmodell für die Schulsozialarbeit zu entwickeln – und zwar abseits der Frage „regierungstragend oder Opposition“. Schließlich brauchen wir ein Konzept, das Regierungswechsel überdauern kann.
Sozialarbeit braucht neben der Auskömmlichkeit vor allem eins: Verlässlichkeit.
Genau deshalb haben wir unseren Antrag so formuliert, dass sich dahinter alle versammeln können. Menschen wollen Lösungen und keine Geschichtsstunden. Wenn nicht bei diesem Thema, wo denn dann sonst? Im Prinzip sind wir uns doch einig, wie bedeutend die Schulsozialarbeit ist. Streiten können wir uns im Bereich „Schule“ über viele andere Themen. Dafür gibt es wohl genug Stoff.
Lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten, die Schulsozialarbeit zukunftsfest zu machen! Wir sind
bereit. Ich glaube allerdings – das bestätigen auch Ihre Ausführungen –, dass Sie es nicht sind. Am Ende reden Sie nämlich doch lieber über die Vergangenheit als über die Zukunft – und schon gar nicht über die Gegenwart.
Schade eigentlich; denn die Schülerinnen und Schüler und alle Menschen, die in Schule, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe arbeiten, hätten wesentlich mehr verdient als das, was Sie abgeliefert haben. – Herzlichen Dank.