Protocol of the Session on June 27, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer 61. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung kommen wir zur Verpflichtung einer neuen Abgeordneten gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung. Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen hat mir mit Schreiben vom 26. Juni 2019 mitgeteilt, dass mit Wirkung vom 27. Juni 2019 Frau Daniela Beihl (FDP) als Nachfolgerin für Herrn Abgeordneten Moritz Körner (FDP) Mitglied des Landtags geworden ist.

Ich darf nun Frau Daniela Beihl zu mir bitten, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann.

Alle Anwesenden bitte ich, soweit es ihnen möglich ist, sich für die Verpflichtung von ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Frau Kollegin Beihl, ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

„Die Mitglieder des Landtags von NordrheinWestfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich heiße Sie herzlich willkommen. Auf gute Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen in unserem Lande! Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Ebenfalls vor Eintritt in die Tagesordnung weise ich darauf hin, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sich zwischenzeitlich darauf verständigt haben, die Tagesordnung um einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt 17 „Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Untersuchungsaus

schusses I (Untersuchungsausschuss im Fall Amri)“ mit dem Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/6676 zu ergänzen. Gibt es dagegen

Widerspruch? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Dann verfahren wir so.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Endlich ein Zuhause – Landesinitiative gegen

Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen

Unterrichtung der Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 19. Juni 2019 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zu diesem Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Herrn Karl-Josef Laumann. Ich erteile ihm das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Kollegen! Am 14. November letzten Jahres stand ich an dieser Stelle und habe Ihnen, den Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages, hier ein Gesamtkonzept meines Ministeriums zum Thema Wohnungslosigkeit in unserem Land angekündigt.

Die Entscheidung für eine Landesinitiative soll auch deutlich machen, dass wir das Thema weiter vorantreiben werden, und zwar natürlich auch über die Grenzen meines Ministeriums hinaus.

Meine Damen und Herren, die Möglichkeiten, sich um dieses Thema überhaupt mehr kümmern zu können, haben wir dadurch geschaffen, dass wir im Haushalt die Mittel dafür aufgestockt haben. Über viele Jahrzehnte stand in Nordrhein-Westfalen immer 1 Million Euro für diesen Politikbereich zur Verfügung. 2018 haben wir diesen Haushaltsansatz um 850.000 Euro erhöht, um vor allem die medizinische Versorgung nach vorne zu bringen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Landtag auf Antrag von CDU und FDP beschlossen hat, im Haushalt 2019 weitere 3 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Für den Haushalt 2020 ist vorgesehen, weitere 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, sodass wir bei dieser Landesinitiative jetzt über ein Gesamtfinanzierungsvolumen von 6,8 Millionen Euro verfügen. Denn wenn man dieses Thema anpacken will, geht es ganz ohne Geld auch nicht.

Wir haben bei unserer Landesinitiative im Grunde drei wichtige Ziele.

Das erste Ziel muss natürlich sein, dass wir auf breiter Front versuchen, Wohnungsverluste zu vermeiden. Denn klar ist, dass Menschen, die etwa durch eine Räumungsklage ihre Wohnung verloren haben, es in angespannten Wohnungsmärkten ganz schwer haben, überhaupt wieder eine neue Wohnung zu finden. Schon eine schlechte SCHUFA-Auskunft schmeißt Bewerber heute eigentlich bei jedem Bewerbungsverfahren von vornherein heraus.

Zweitens müssen wir selbstverständlich dafür sorgen, dass Menschen, die einfach einmal durch den Rost gefallen sind, wieder einen besseren Zugang zu Wohnraum finden und eine Chance haben, bei Wohnungsvergaben erfolgreich mit dabei zu sein.

Der dritte Punkt, den wir ins Auge fassen wollen, ist die Lebenslage obdachloser, wohnungsloser Menschen. An dieser Stelle geht es natürlich auch um medizinische und psychosoziale Versorgung.

Alle unsere Maßnahmen richten sich an folgende Zielgruppen: Menschen ohne eigene Wohnung, die vornehmlich auf der Straße leben, Menschen, die ordnungsrechtlich oder bei freien Trägern in Übergangswohnungen oder Wohnheimen untergebracht sind, und Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

Für jede dieser Gruppen braucht es unterschiedliche Angebote, eine andere Ansprache, andere Lösungsansätze und unterschiedliche Instrumente. Das Problem ist wirklich sehr vielschichtig.

Dies gilt selbstverständlich auch im Besonderen für sehr sensible betroffene Gruppen, etwa für Frauen, aber auch für minderjährige wohnungslose Menschen.

Deswegen haben wir in den letzten Monaten mit sehr vielen Akteuren, also mit Menschen, die sich seit vielen Jahren in diesem Thema engagieren, von unterschiedlichen Trägerstrukturen, aber natürlich auch von kommunalen Stellen, gesprochen und uns ausgetauscht, um Ideen zu entwickeln, wie wir mit dieser Vielschichtigkeit umgehen können, um hier zu einem Erfolg zu kommen.

Einige dieser Ideen und der Partner möchte ich Ihnen kurz vorstellen.

Ganz oben auf der Prioritätenliste stand und steht selbstverständlich das Themenfeld „Wohnen und Wohnraumversorgung“. Um das Ziel unserer Landesinitiative, bessere Zugänge zu mehr Wohnraum für wohnungs- und obdachlose Menschen zu schaffen, zu erreichen, benötigt man ganz klar die Unterstützung der Wohnungswirtschaft und der privaten Vermieter im Land.

Deshalb habe ich mich im Februar dieses Jahres vor allem erst einmal mit den Vertretern unserer Wohnungswirtschaft getroffen. Das waren insbesondere die LEG Immobilien AG, die Vivawest GmbH, die

Vonovia SE und natürlich der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen.

Es war mir einfach wichtig, mit der Wohnungswirtschaft einmal darüber zu reden, welche Erfahrungen sie in diesen Bereichen hat und welche Präventionsangebote sie heute schon vorhält, um Kündigungen zu vermeiden, und mit ihr nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Vor zwei Tagen habe ich gemeinsam mit diesen Unternehmen eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Hier geht es darum, dass wir uns verpflichten – alle Unterzeichner –, erst einmal dafür zu sorgen, dass wir Wohnungsverluste vermeiden und wohnungslose Menschen besser und schneller mit Wohnraum versorgen. Das heißt natürlich auch, dass zusätzlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss.

Es geht schlicht und ergreifend darum, dass dann, wenn beispielsweise die Miete nicht mehr eingeht oder wenn es Beschwerden der Nachbarn gibt, weil jemand so wohnt, dass Probleme mit den anderen Leuten entstehen, Wohnungslosigkeit verhindert wird. Es gibt ja zum Beispiel Menschen, die den Müll nicht richtig entsorgen und vieles andere mehr. Das sind wirklich große Probleme, die man nicht von der Hand weisen kann. Wenn man auf einer solchen Etage wohnen würde, wäre man vielleicht auch der Meinung, dass es so nicht geht.

Wenn wir in diesen Fällen Wohnungslosigkeit verhindern wollen, geht es ganz einfach darum, dass auch unser System – ich komme gleich darauf zurück – von der Wohnungswirtschaft angesprochen werden muss, bevor es zur Einreichung von Räumungsklagen kommt, um zu versuchen, das entstandene Problem – ob es nun Mietrückstände sind oder ob es ein solches Verhalten in der Wohnung ist – mit Hilfestellungen aus der Welt zu schaffen.

Wir werden diese Anstrengungen der Wohnungswirtschaft mit rund 3 Millionen Euro unterstützen. Das Ganze soll folgendermaßen passieren:

Wir werden in den 20 Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die am stärksten von Wohnungslosigkeit betroffen sind, Projekte durchführen, die sich genau um diese Menschen kümmern.

Das heißt in Wahrheit, über Träger oder über die Kommune Personal zur Verfügung zu stellen, das sich in diesen Fällen um die Menschen kümmert, das dahin geht, das mit ihnen redet und das versucht, die Probleme abzustellen. Denn wir wissen sehr genau, dass dieses Kümmern die Voraussetzung dafür ist, dass wir Wohnungslosigkeit verhindern. Wir brauchen also quasi eine aufsuchende Arbeit und ganz einfach praktische Hilfsangebote, die dann Kündigungen von Wohnungen verhindern.

Ich will aber auch, dass über diese Stellen ein Netzwerk zu den Vermietern entsteht. Denn wenn Sie einen Menschen, der eine schlechte SCHUFA hat oder im Leben schon einmal eine Räumungsklage bekommen hat, in einer Wohnung unterbringen wollen, schaffen Sie das nur, wenn es auch für den Vermieter eine gewisse Sicherheit gibt, dass er seine Miete erhält und es nicht zu einer Verwahrlosung der Wohnung kommt. Das muss man auch einmal ganz klar aussprechen.

Deswegen ist es so wichtig, dass die Projekte die Menschen, von denen ich jetzt gesprochen habe, natürlich bei der Wohnungssuche begleiten, dass aber auch mit den Vermietern gesprochen wird und dafür gesorgt wird, dass die Miete pünktlich kommt. Die Mieter müssen so lange begleitet werden, bis man weiß, dass es nicht zu einer problematischen Situation in dem Wohnungsbestand kommt. Denn man kann das Problem, glaube ich, nur lösen, wenn es diese Sicherheit für die Vermieter gibt.

Natürlich ist auch wichtig, dass diese Projekte sich darum kümmern, dass Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. Die Verantwortlichen der Wohnungsunternehmen, die ich gerade aufgezählt habe, haben ganz klar gesagt, dass sie mit diesen Personen zusammenarbeiten werden und dass sie sich auch bemühen werden, Wohnungen zur Verfügung zu stellen – vielleicht nicht immer in der Stadt oder in dem Stadtteil, in den die Mieter gerne ziehen wollen.

Aber große Wohnungsunternehmer, die über 30.000, 40.000 oder 50.000 Wohnungen verfügen, haben immer freie Wohnungen, weil es bei so vielen Wohnungen eine gewisse Fluktuation gibt. Wenn jemand aus einer Wohnung auszieht, gibt es auch einen kurzen Leerstand. Das ist auch in überspannten Wohnungsmärkten so, weil Wohnungen nach dem Auszug zum Beispiel durchrenoviert werden und vieles andere mehr.

Die Abmachung mit der Wohnungswirtschaft ist, dass dann, wenn unsere Leute sagen: „Wir brauchen jetzt unbedingt hier eine Wohnung“, die Wohnungswirtschaft sich bereit erklärt, diesen Wohnraum auch für solche vielleicht in einem ganz normalen Wettbewerb um die Wohnung nicht zum Zuge kommenden Leute zur Verfügung zu stellen und sie letzten Endes hier vorrangig unterzubringen.

Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch sagen – deswegen haben wir auch mit den Landschaftsverbänden und mit den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege gesprochen –, dass wir dafür Unterstützung brauchen. Es ist ja heute schon so, dass die Landschaftsverbände – denken Sie zum Beispiel an das betreute Wohnen von behinderten Menschen – Menschen dabei unterstützen, selbstständig zu wohnen. Sie haben da eine große Expertise. Diese muss natürlich mit in diese Arbeit einfließen.

Genauso bekommen wir auch Hilfestellung aus dem Wohnungsbauministerium.